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LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.12.2021 - 2 AS 490/21
Angelegenheiten nach dem SGB II (AS) und dem Asylbewerberleistungsgesetz (AY) - Leistungsberechtigung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers
1. Ist der Lebensgefährte einer Unionsbürgerin und Vater des gemeinsamen noch nicht schulpflichtigen Kindes selbst kein Unionsbürger und hat einen Aufenthaltstitel aus familiären Gründen beantragt, sodass die Abschiebung gem § 81 Abs 3 Satz 2 AufenthG ausgesetzt ist, kann er nach dem AsylbLG leistungsberechtigt sein. Es greift insoweit die Auffangvorschrift für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer gem § 1 Abs 1 Nr 5 AsylbLG, wenn kein Leistungsausschluss nach § 1 Abs 4 AsylbLG besteht.
2. Das Unionsrecht verleiht dem Ausländer in diesem Fall keine eigene Rechtsposition, die ein Aufenthaltsrecht begründet. Er ist nicht freizügigkeitsberechtigt nach dem FreizügG/EU. Ein Freizügigkeitsrecht ergibt sich nicht aus §§ 2 Abs 2 Nr 6, 3 Abs 1 Satz 1 FreizügG/EU, weil er kein Familienangehöriger der Unionsbürgerin ist. Es folgt auch nicht aus § 3a FreizügG/EU, wenn sein Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht sui generis scheidet aus, wenn nicht zu befürchten ist, dass die Unionsbürgerin mit dem Kind aufgrund der Abhängigkeit von ihm faktisch gezwungen ist, das Unionsgebiet insgesamt zu verlassen. Allein die faktische Notwendigkeit für die Unionsbürgerin, in einen anderen Mitgliedstaat zurückzukehren, weil nur dort alle Familienmitglieder einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, stellt keine mit dem faktischen Zwang zum Verlassen des Unionsgebietes vergleichbare Einschränkung ihres Unionsbürgerrechts dar.
Normenkette:
§ 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB II
,
§ 1 Abs 1 Nr 5 AsylbLG
,
§ 1 Abs 4 AsylbLG
,
§ 50 Abs 1 AufenthG 2004
,
§ 58 Abs 2 AufenthG 2004
,
§ 81 Abs 3 S 2 AufenthG 2004
,
§ 1 Abs 3 Nr 1 AufenthG 2004
,
§ 2 Abs 2 Nr 6 FreizügG/EU 2004
,
§ 3 Abs 1 S 1 FreizügG/EU 2004
,
§ 1 Abs 2 Nr 3 FreizügG/EU 2004
,
§ 3a Abs 1 Nr 3 FreizügG/EU 2004
,
§ 1 Abs 2 Nr 4 Buchst c FreizügG/EU 2004
,
§ 11 Abs 5 FreizügG/EU 2004
,
§ 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG 2004
,
§ 2 Abs 3 S 1 AufenthG 2004
,
Art 20 AEUV
,
Art 21 AEUV
Vorinstanzen: SG Halle 02.08.2021 S 29 AS 744/21
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 2. August 2021 (L 2 AS 490/21 B ER) wird zurückgewiesen. Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 17. November 2021 (L 2 AS 642/21 B ER) wird mit Wirkung ab dem 1. Februar 2022 abgeändert. Die Beigeladene wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. März 2022 vorläufig Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Soweit das Sozialgericht den Antragsgegner zu Leistungen über den 31. Januar 2022 hinaus verpflichtet hat, wird der Beschluss aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beigeladene hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Verfahren zu erstatten.

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