Kein Anspruch auf Gewährung einer Unterschenkelprothese mit einem Prothesenfuß als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich in
der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege der Genehmigungsfiktion
Gründe:
I
Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer Definitiv-Unterschenkelprothese mit einem Prothesenfuß proprio
foot®.
Die 1959 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte am 28.7.2014 eine ärztlich verordnete Definitiv-Unterschenkelprothese
mit einem Prothesenfuß proprio foot®, zu dem sie einen Kostenvoranschlag über 15 664,80 Euro einreichte. Der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung (MDK) befand in einem Gutachten vom 31.10.2014, dass die Versorgung der Klägerin mit einer
Definitiv-Prothese hinreichend begründet sei und ein Gelenkfuß gegenüber einer starren Carbonfußversorgung Vorteile biete.
Da jedoch andere, teilweise deutlich preiswertere Gelenkfüße als der proprio foot® nicht von der Klägerin erprobt worden seien,
lägen ausreichend Möglichkeiten für eine geeignete Alternativversorgung vor. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab
(Bescheid vom 17.11.2014; Widerspruchsbescheid vom 23.4.2015).
Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit einer Definitiv-Unterschenkelprothese
mit einem Prothesenfuß proprio foot® zu versorgen, weil die beantragte Leistung gemäß §
13 Abs
3a SGB V als genehmigt gelte (Urteil vom 17.12.2015).
Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, §
13 Abs
3a S 6
SGB V sei sachlich anwendbar, denn unter Berücksichtigung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über Leistungen
zur Rehabilitation (Reha-RL) handele es sich bei dem begehrten Hilfsmittel nicht um eine die Anwendung der Regelung ausschließende
Leistung zur medizinischen Rehabilitation, weil die Prothese einschließlich des Fußes dem unmittelbaren Behinderungsausgleich
diene und der rehabilitative Charakter im Hintergrund stehe. Die Klägerin habe einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt
und die ärztlich verordnete Leistung, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) liege, für erforderlich halten dürfen. Die Beklagte habe diesen Antrag nicht innerhalb der Frist des §
13 Abs
3a S 1
SGB V beschieden und hierfür keinen hinreichenden Grund gemäß §
13 Abs
3a S 5
SGB V mitgeteilt. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion, die auch einen Naturalleistungsanspruch begründe,
seien damit erfüllt (Urteil vom 5.1.2017).
Am 12.4.2017 hat die Beklagte (vorsorglich) einen Bescheid zur Rücknahme der Genehmigungsfiktion nach § 45 SGB X erlassen.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere einen Verstoß des LSG gegen §
13 Abs
3a und §
33 Abs
1 SGB V. Bereits der Anwendungsbereich des §
13 Abs
3a SGB V sei nicht eröffnet, da die von der Klägerin begehrte Unterschenkelprothese mit dem Prothesenfuß proprio foot® eine nur nach
Maßgabe des
SGB IX zu würdigende Leistung zur medizinischen Rehabilitation darstelle. Es gehe nicht um eine Akutbehandlung oder die Verhinderung
des Eintritts einer Behinderung, sondern um die Förderung der Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft sowie die Vermeidung und das Entgegenwirken von Benachteiligungen, also um Ziele, wie sie der Gesetzgeber
für das
SGB IX formuliert habe. Sollte dennoch eine fiktive Genehmigung nach den Regelungen des
SGB V eingetreten sein, habe sie diese jedenfalls in rechtmäßiger Weise mit Bescheid vom 12.4.2017 zurückgenommen. Denn nach dem
MDK-Gutachten vom 31.10.2014 sei der Prothesenfuß proprio foot® nicht notwendig, damit unwirtschaftlich iS des §
12 SGB V, und die Genehmigung der Leistung rechtswidrig gewesen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Januar 2017 sowie des Sozialgerichts Speyer vom 17. Dezember 2015
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend, eine Rücknahme der fiktiven Genehmigung für ausgeschlossen und hilfsweise
ihre Versorgung mit der begehrten Prothese für notwendig, da eine funktionsgleiche preiswertere Versorgung nicht zur Verfügung
stehe.
II
Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§
170 Abs
2 S 2
SGG) begründet.
Die Versorgung der Klägerin mit einer Definitiv-Unterschenkelprothese einschließlich Prothesenfuß proprio foot® lässt sich
nicht mit Erfolg auf die Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs
3a S 6
SGB V stützen, weil S 9 dieser Vorschrift Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dem Regelungssystem des
SGB IX zuweist und diese Leistungen daher insgesamt nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion sowie der Regelungen
aus §
13 Abs
3a SGB V erfasst werden (hierzu im Folgenden 1.).
Ansprüche auf Versorgung mit Hilfsmitteln nach §
33 SGB V, für die der 3. Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG in Revisionsverfahren allein zuständig ist, fallen nur dann unter den Begriff der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation",
wenn das Hilfsmittel dem Ausgleich oder der Vorbeugung einer Behinderung dienen soll (§
33 Abs
1 S 1 Var 2 und 3
SGB V). Der sachliche Anwendungsbereich des §
13 Abs
3a SGB V ist deshalb lediglich für Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung iS von §
33 Abs
1 S 1 Var 1
SGB V eröffnet. Bei der hier im Streit stehenden Definitiv-Unterschenkelprothese einschließlich des Prothesenfußes handelt es sich
jedoch um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich, sodass §
13 Abs
3a SGB V für eine darauf gerichtete Leistungsgewährung keine Anwendung findet (hierzu 2.).
Es fehlen indessen hinreichende Feststellungen des LSG - von seinem Lösungsansatz aus konsequent - sowohl zu den Voraussetzungen
eines Anspruchs auf Versorgung mit einer Definitiv-Unterschenkelprothese mit einem Prothesenfuß proprio foot® nach §
33 Abs
1 S 1 Var 3
SGB V als auch zu den Voraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs aus dem Bereich eines anderen Rehabilitationsträgers (vgl §
6 Abs
1 SGB IX), für den die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin iS von §
14 Abs
2 S 1
SGB IX (idF des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004, BGBl I 606, gültig
bis 31.12.2017 [im Folgenden aF]) mangels Weiterleitung des Antrags im Verhältnis zur Klägerin umfassend zuständig geworden
ist. Daher kann der Senat nicht abschließend selbst in der Sache entscheiden (hierzu 3.).
1. Die Genehmigungsfiktion sowie die Regelungen aus §
13 Abs
3a SGB V insgesamt sind auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht anwendbar. Denn §
13 Abs
3a S 9
SGB V (hier heranzuziehen in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung von Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten [PatRVerbG] vom 20.2.2013, BGBl I 277, gültig
bis 31.12.2017 [im Folgenden aF]) verweist für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf das Rehabilitations- und Teilhaberecht,
das in §§
14 und
15 SGB IX (in der seit 1.7.2001 geltenden Fassung durch Art 1 und 68 des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch - [SGB IX] Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046,
gültig bis 31.12.2017 [im Folgenden aF], sowie in §§
14 bis
24 SGB IX idF von Art 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen [Bundesteilhabegesetz - BTHG]
vom 23.12.2016, BGBl I 3234, mWv 1.1.2018 [im Folgenden BTHG]) ein eigenständiges, in sich geschlossenes System bei Überschreitung
von Entscheidungsfristen mit entsprechenden Sanktionen vorhält. Eine Kombination dieser Regelungssysteme ist nicht möglich
(hierzu im Folgenden a). Die Systemzuweisung nach §
13 Abs
3a S 9
SGB V knüpft an den allgemeinen und schon vor Inkrafttreten von §
13 Abs
3a SGB V bestehenden Begriff der medizinischen Rehabilitation an (hierzu b). Maßgeblich für die Systemabgrenzung ist insoweit allein
das objektive Recht, nicht dagegen, ob der Versicherte die Leistung (als nichtrehabilitative Leistung) iS von §
13 Abs
3a S 7
SGB V für erforderlich halten durfte (hierzu c).
a) Die Regelungssysteme von §
13 Abs
3a SGB V einerseits und von §§
14,
15 SGB IX aF andererseits kollidieren miteinander und lassen sich daher weder miteinander kombinieren noch gleichzeitig anwenden (so
auch BSG [1. Senat] Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr
15). Sie schließen sich vielmehr gegenseitig aus. Daher findet §
13 Abs
3a SGB V insgesamt auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation keine Anwendung (so auch vgl Knispel, GesR 2017, 749, 756; Noftz
in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
13 RdNr 58 q [Stand Einzelkommentierung November 2016]; Helbig in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, §
13 RdNr 76; Hahn, SGb 2015, 144, 147 f). Nicht zu folgen ist demgegenüber der teilweise vertretenen Ansicht, dass die Zuweisungsnorm von §
13 Abs
3a S 9
SGB V aF nur bezüglich der Zuständigkeitsklärung und der Erstattung selbst beschaffter Leistungen auf die Regelungen des
SGB IX verweise, sich aber der aus der Genehmigungsfiktion resultierende Sachleistungsanspruch nach §
13 Abs
3a S 6
SGB V (vgl dazu ua BSG [1. Senat] Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 12 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 36 vorgesehen) auch für Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation ergeben könne (so aber ua Bayerisches LSG Urteil vom 31.1.2017 - L 5 KR 471/15 - Juris RdNr 57 f; SG Speyer Urteil vom 18.11.2016 - S 19 KR 329/16 - Juris LS 2 und RdNr 27 f). Dieser Ansicht stehen sonst nicht auflösbare Normkonflikte entgegen.
Während nach §
13 Abs
3a S 6 iVm S 1
SGB V die Leistung bereits drei Wochen nach Antragseingang als genehmigt gilt, falls die Krankenkasse ohne Mitteilung eines hinreichenden
Grundes und ohne Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme nicht darüber entschieden hat, tritt nach dem bis zum 31.12.2017
geltenden Recht der Rehabilitation und Teilhabe bei Überschreitung der vorgesehenen Fristen keine Genehmigungsfiktion ein.
Vielmehr kann sich ein Leistungsberechtigter nach §
15 Abs
1 S 2 und 3
SGB IX aF die Leistung nur dann gegen Kostenerstattung selbst beschaffen, wenn er dem Rehabilitationsträger zuvor eine angemessene
Frist unter Androhung der Selbstbeschaffung nach Fristablauf gesetzt hat. Diese Regelung liefe bei Eintritt einer Genehmigungsfiktion
nach §
13 Abs
3a S 6
SGB V leer. Wird eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt, gilt nach §
13 Abs
3a S 1
SGB V grundsätzlich eine Fünf-Wochenfrist ab Antragseingang, während der Rehabilitationsträger nach §
14 Abs
2 S 4
SGB IX aF innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens entscheiden muss. Bei paralleler Anwendung beider Normsysteme
könnte in diesen Fällen die Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs
3a S 6
SGB V selbst dann eintreten, wenn sich der Rehabilitationsträger noch im Rahmen der nach §
14 Abs
2 S 4
SGB IX aF vorgegebenen Fristen hält. Schließlich könnte es zum Eintritt der Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs
3a S 6
SGB V auch dann kommen, wenn die Krankenkasse einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe rechtmäßig nach §
14 Abs
1 S 1 und 2
SGB IX aF innerhalb von zwei Wochen an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterleiten, dies dem Versicherten aber nicht innerhalb
der Drei-Wochenfrist des §
13 Abs
3a SGB V mitteilen würde.
Die vorstehenden Erwägungen schließen ein Nebeneinander beider Normkomplexe ersichtlich aus und fordern eine klare Systemabgrenzung,
die nach den Vorschriften zur Kostenerstattung nach §
13 Abs
3 SGB V nicht notwendig war und ist. Zwar verweist auch §
13 Abs
3 S 2
SGB V (idF von Art 5 Nr
7 Buchst b nach Maßgabe des Art 67
SGB IX, aaO, mWv 1.7.2001) hinsichtlich der Kosten für selbst beschaffte "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem
SGB IX" auf die Erstattungsregelung von §
15 SGB IX aF (bzw seit 1.1.2018 Verweisung auf §
18 SGB IX idF des BTHG), allerdings ist insoweit aufgrund der Parallelität der Ansprüche und ihrer Voraussetzungen eine kollidierende
Systemabgrenzung nicht erforderlich (vgl BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 42).
b) Den mit der Schaffung von §
13 Abs
3a SGB V entstandenen Konflikt kollidierender Systeme löst §
13 Abs
3a S 9
SGB V durch eine generelle Zuweisung in das System des
SGB IX auf. Dies hat zur Folge, dass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des
SGB V und des
SGB IX von vornherein nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des §
13 Abs
3a S 6 und S 7
SGB V erfasst werden (bzw sind sie hiervon "ausgeklammert", so bereits BSG Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 15). Derartige Leistungen sind vielmehr allein dem Regelungsgefüge des Teilhaberechts (§§
14,
15 SGB IX aF bzw seit 1.1.2018 §§
14 bis
24 SGB IX idF des BTHG) unterstellt. Es handelt sich um eine Systemabgrenzung, wie sie für die nach dem
SGB V zu gewährenden Leistungen der GKV schon vor Inkrafttreten von §
13 Abs
3a SGB V bestand, und an die §
13 Abs
3a S 9
SGB V anknüpft. Denn die Regelungen des
SGB IX gelten für alle Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, und zwar auch, soweit es sich dabei um Leistungen
der GKV nach dem
SGB V handelt. Die
SGB IX-Regelungen gelten hingegen ausschließlich für Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, dh nicht für
die sonstigen Leistungen der GKV (vgl §
11 SGB V), insbesondere nicht für solche zur kurativen (Akut-)Behandlung einer Krankheit (zur Abgrenzung allgemein vgl zB Noftz in
Hauck/Noftz, aaO, K § 11 RdNr 48 ff [Stand Einzelkommentierung Oktober 2017]).
Während das für Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen geschaffene
SGB IX eigenständig Gegenstände, Umfang und Ausführungen von Teilhabeleistungen regelt, wird hinsichtlich der Zuständigkeit und
der Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach §
7 S 2
SGB IX aF ausschließlich auf die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze verwiesen. Die Vorschriften
des
SGB IX sind maßgebend, soweit etwa im
SGB V nichts Abweichendes vorgesehen ist (vgl §
7 S 1
SGB IX aF). Die Krankenkassen sind in ihrer Eigenschaft als Träger von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (vgl §
5 Nr
1, §
6 Abs
1 Nr
1 SGB IX) nach den Vorschriften des
SGB V zur Erbringung solcher Rehabilitationsleistungen unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet (vgl §
11 Abs
2, §
40 SGB V; stRspr; vgl nur BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 §
40 Nr 4, RdNr 18). Deshalb verliert die GKV ihre originäre Leistungszuständigkeit für Hilfsmittel nach §
33 SGB V nicht, selbst wenn die Hilfsmittel im Einzelfall als Folge der hier vorzunehmenden Systemzuordnung als Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation zu qualifizieren sind.
Die in §
13 Abs
3a SGB V eingefügte Genehmigungsfiktion für selbst beschaffte Leistungen hat die aufgezeigten Systemgrenzen im Grundsatz unberührt
gelassen. Dies belegen die Gesetzesmaterialien zu dieser Regelung, die ausdrücklich (bloß) klarstellen, dass für Leistungen
zur medizinischen Rehabilitation die §§
14,
15 SGB IX aF zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen gelten und dass Spezialregelungen im
SGB V wie zB §
32 Abs
1a (Genehmigungsfiktion bei Heilmitteln) vorrangig anzuwenden sind (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum PatRVerbG, BT-Drucks
17/10488 S 32 zu Art 2 Nr
1). Überdies bestätigt auch die Neuregelung des §
13 Abs 3a S 9
SGB V (idF des BTHG), dass für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die im
SGB IX neu geregelten Vorschriften der §§
14 bis
24 SGB IX (idF des BTHG) zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen gelten. Hierzu enthalten
die Gesetzesmaterialien den Hinweis, dass es sich um eine rein redaktionelle Folgeänderung aufgrund der Neufassung der vorgenannten
Vorschriften handele (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drucks 18/9522 S 322 zu Art 6 Nr 5 Buchst b).
Nach dieser Systemzuweisung gelten die Vorschriften des
SGB IX für die GKV grundsätzlich nur, soweit die Krankenkasse als Rehabilitationsträgerin für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen (§
6 Abs
1 Nr
1, §
5 Nr
1 SGB IX) originär zuständig ist (vgl §
11 Abs
2 S 1 und 3
SGB V, §
27 Abs
1 S 2 Nr
6 SGB V, §
40 SGB V) oder soweit die Krankenkasse im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten für Teilhabeleistungen nach §
14 Abs
2 SGB IX zuständig geworden ist. Für Leistungen zur Teilhabe nach den in §
5 SGB IX aufgeführten Leistungsgruppen, für welche originär ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist, kann der erstangegangene
Rehabilitationsträger zuständig werden, wenn er den Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen an den zuständigen Rehabilitationsträger
weiterleitet (§
14 Abs
2 S 1
SGB IX). Außerdem kann ein originär unzuständiger Rehabilitationsträger für eine Leistung (bindend) zuständig werden, wenn ein Antrag
trotz seiner Unzuständigkeit an ihn weitergeleitet wurde (§
14 Abs
1 S 3 und 5
SGB IX aF bzw §
14 Abs
2 S 4 iVm Abs
3 SGB IX idF des BTHG). In diesen Fällen gelten die Vorschriften zur Koordinierung der raschen Zuständigkeitsklärung und zur Kostenerstattung
nach §§
14,
15 SGB IX aF (bzw seit 1.1.2018 §§
14 bis
24 SGB IX idF des BTHG), an die die Krankenkasse als Rehabilitationsträgerin nach dem
SGB IX gebunden ist, nicht aber §
13 Abs
3a SGB V.
c) Maßstab für die Systemabgrenzung ist bei alledem allein das objektive Recht. Denn eine Systemabgrenzung lässt sich aus
Gründen der gebotenen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht anhand subjektiver (Rechts-)Vorstellungen der Betroffenen
vornehmen. Die damit ggf (allein) für die Leistungsberechtigten verbundene Unsicherheit bezüglich des Eintritts einer Genehmigungsfiktion
und eines möglichen Anspruchs auf Kostenerstattung bei Selbstbeschaffung ist hinzunehmen. Dies gilt ungeachtet der Rechtsprechung
sowohl des 1. Senats (BSG Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25 f) als auch des 3. Senats des BSG (vgl Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 34 vorgesehen - Kopforthese), nach der es für den Eintritt
der Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs
3a S 6
SGB V und den Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3a S 7
SGB V grundsätzlich nicht auf die objektive Erforderlichkeit der Leistung, sondern lediglich darauf ankommt, ob der Versicherte
sie subjektiv für erforderlich halten durfte (vgl Werner, SGb 2015, 323, 325; aA Knispel, SGb 2014, 374, 376; von Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601, 604). Der Ausschluss des Anwendungsbereichs von §
13 Abs
3a SGB V für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§
13 Abs
3a S 9
SGB V) ist gegenüber diesem Grundsatz vorrangig und schließt eine Leistungsgewährung über §
13 Abs
3a SGB V aus, unabhängig davon, ob sie der Versicherte für eine nichtrehabilitative Leistung halten durfte und sie iS von §
13 Abs
3a S 7
SGB V als erforderlich ansehen durfte.
2. Zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem
SGB V kann zwar nach ständiger Rechtsprechung auch die Versorgung mit sächlichen Hilfsmitteln der GKV nach §
33 SGB V gehören (vgl zuletzt BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 §
14 Nr 19, RdNr 21 mwN - Hörgerät). Gleichwohl wird die Versorgung mit Hilfsmitteln der GKV systematisch der Krankenbehandlung
zugeordnet (§
27 Abs
1 S 2 Nr
3 SGB V). Daraus ergeben sich zwangsläufig bei der Auslegung des §
13 Abs
3a SGB V Abgrenzungsfragen. Mit Rücksicht auf die schon in §
33 Abs
1 S 1
SGB V angelegte unterschiedliche Zielrichtung von Hilfsmitteln sind allerdings nicht sämtliche Hilfsmittel der GKV gleichermaßen
vom Anwendungsbereich des §
13 Abs
3a SGB V erfasst bzw ausgeklammert. Für eine systemgerechte Zuordnung des jeweils zu beurteilenden Hilfsmittels bedarf es vielmehr
einer Differenzierung nach dessen Funktionalität und Zwecksetzung (hierzu im Folgenden a), die im Wesentlichen auf die Unterscheidung
zwischen den Begriffen "Krankheit" und "Behinderung" zurückzuführen ist (hierzu b). Nach dieser Abgrenzung finden die Regelungen
des §
13 Abs
3a SGB V allein auf Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (§
33 Abs
1 S 1 Var 1
SGB V) Anwendung, denn als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind alle anderen Hilfsmittel vom Anwendungsbereich des
§
13 Abs
3a SGB V ausgenommen (hierzu c). Diese Unterscheidung wird durch das Richtlinienrecht des GBA bestätigt (hierzu d) und ist sachlich
gerechtfertigt und daher nicht gleichheitswidrig (hierzu e). Die im vorliegend zu entscheidenden Fall von der Klägerin begehrte
Definitiv-Unterschenkelprothese einschließlich des Prothesenfußes proprio foot® ist auf den Zweck des Behinderungsausgleichs
und nicht auf Krankenbehandlung gerichtet, sodass §
13 Abs
3a SGB V keine Anwendung findet (hierzu f).
a) Hilfsmittel können nach §
33 Abs
1 S 1
SGB V drei unterschiedlichen Zielrichtungen dienen: der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" (Var 1), dem "Vorbeugen vor
Behinderung" (Var 2) oder dem "Behinderungsausgleich" (Var 3). Der 3. Senat hat in seiner Rechtsprechung hierzu bereits ausgeführt,
dass es sich bei der Versorgung mit einem sächlichen Hilfsmittel nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation iS
von §
13 Abs
3a S 9
SGB V handelt, wenn der Einsatz des Hilfsmittels der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" dient (vgl BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - Juris RdNr 35 ff, auch für BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 34 vorgesehen - Kopforthese). Hieran hält der Senat fest. Hilfsmittel
dienen dann der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung", wenn sie im Rahmen einer Krankenbehandlung, dh zu einer medizinisch-therapeutischen
Behandlung einer Erkrankung als der Kernaufgabe der GKV nach dem
SGB V eingesetzt werden. Krankenbehandlung umfasst dabei nach der Definition des §
27 Abs
1 S 1
SGB V die notwendigen Maßnahmen, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden
zu lindern. Das umschreibt die kurative Therapie einer Krankheit, wozu auch medizinische Untersuchungs- und Diagnostikverfahren
gehören. Insoweit unterliegt auch das Hilfsmittel selbst den Vorschriften zur Qualitätssicherung vertragsärztlicher Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden, insbesondere dem Erfordernis der positiven Empfehlung durch den GBA, soweit die Verwendung des Hilfsmittels
untrennbar mit einer neuen Methode verbunden ist (vgl nur BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 LS und RdNr 26 ff - CGMS-Gerät).
Dem steht nicht entgegen, dass nach dem
SGB IX Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs einer Heilbehandlung zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gehören (§
26 Abs
2 Nr
6 SGB IX iVm §
31 Abs
1 Nr
2 SGB IX aF, bzw §
42 Abs
2 Nr
6 SGB IX iVm §
47 Abs
1 Nr
2 SGB IX idF des BTHG). Denn nach dem insoweit unterschiedlichen Wortlaut erfasst §
31 Abs
1 Nr
2 SGB IX aF (bzw §
47 Abs
1 Nr
2 SGB IX idF des BTHG) gerade nicht die kurative Krankenbehandlung iS von §
27 Abs
1 S 1
SGB V, sondern die "Heilbehandlung", die als Leistung zur medizinischen Rehabilitation zB im Rahmen einer stationären oder ambulanten
medizinischen Rehabilitation nach §
40 Abs
1 und
2 SGB V von der GKV erbracht wird. Solche Rehabilitationsmaßnahmen werden durch Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen erbracht,
in denen nach §
107 Abs
2 Nr
2 SGB V die Anwendung von Heilmitteln (§
32 SGB V) im Vordergrund des ärztlichen Behandlungsplans steht. Durch den vorrangig auf den Teilhabeausgleich gerichteten Zweck der
durch eine Rehabilitationseinrichtung erbrachten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wird auch das zur Sicherung dieser
Behandlung eingesetzte Hilfsmittel eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
Ein Hilfsmittel wird aber auch losgelöst von einem kurativen Untersuchungs- oder Behandlungskonzept als Mittel der medizinischen
Rehabilitation eingesetzt, wenn es der Vorbeugung vor oder dem Ausgleich von Behinderung dient. Es zielt in solchen Fällen
nicht primär auf das Erkennen, Heilen, Verhüten oder Lindern von "Krankheit" iS von §
27 Abs
1 S 1
SGB V, sondern in erster Linie darauf, eine "Behinderung" oder "Pflegebedürftigkeit" abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen,
ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre "Folgen" zu mildern (vgl §
11 Abs
2 SGB V; §
4 Abs
1 Nr
1, §
26 Abs
1 Nr
1 SGB IX aF). Als Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist das Hilfsmittel dann unter Beachtung der Regelungen des
SGB IX zu erbringen (§
11 Abs
2 S 3
SGB V). Maßgeblich ist demnach - vereinfacht gesagt -, ob entweder mit dem Hilfsmittel positiv auf eine Krankheit eingewirkt werden
soll oder ob vielmehr eine Behinderung ausgeglichen oder sonst günstig beeinflusst oder ihr Eintritt verhindert werden soll.
Diese Differenzierung basiert im Wesentlichen auf der Unterscheidung zwischen Krankheit und Behinderung (vgl zB Noftz in Hauck/Noftz,
aaO, K §
11 SGB V RdNr 50 f [Stand Einzelkommentierung Oktober 2017]; Welti, Rehabilitation 2010, 537 ff; ders, Sozialrecht aktuell, Sonderheft
2013, 1 ff).
b) Der Begriff der Krankheit ist im
SGB V nicht näher definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der behandlungsbedürftig ist oder den Versicherten arbeitsunfähig
macht (so schon BSGE 26, 240, 242 = SozR Nr 23 zu § 182
RVO; BSGE 30, 151, 152 f = SozR Nr 37 zu § 182
RVO). Dies hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Laufe der Zeit dahingehend präzisiert, dass nicht schon jeder körperlichen
Unregelmäßigkeit Krankheitswert zukommt. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Versicherte dadurch in seinen Körperfunktionen
beeinträchtigt wird oder die Abweichung vom Regelzustand entstellende Wirkung hat (stRspr; vgl nur BSG [3. Senat] Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - Juris RdNr 22, auch für BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 34 vorgesehen - Kopforthese; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 28 RdNr 10; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5 f; BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4, RdNr 16; vgl auch Hauck, NJW 2016, 2695, 2696 f; zur Unterscheidung zwischen Krankheit und Behinderung ferner bereits BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 19, 29 f).
Nach §
2 Abs
1 SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung (Fundstelle s oben unter 1. vor a) sind demgegenüber Menschen behindert, wenn ihre
körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von
dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. Seit 1.1.2018 erfasst §
2 Abs
1 S 1
SGB IX (idF des BTHG) als Menschen mit Behinderungen solche, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen
haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der
Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der
Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (§
2 Abs
1 S 2
SGB IX idF des BTHG). Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung zu erwarten ist (§
2 Abs
1 S 3
SGB IX idF des BTHG).
Erschwert wird eine Abgrenzung zwischen Krankheit und Behinderung durch die Parallelen beider Begriffe, insbesondere die Maßgeblichkeit
einer (Funktions-)Abweichung vom Regelzustand als dem für das Lebensalter typischen Zustand. Bei chronischen Krankheiten besteht
Parallelität auch bezüglich der Dauerhaftigkeit, weshalb auch dieses Kriterium zur Abgrenzung ausscheidet. Als maßgebliches
Unterscheidungskriterium ist deshalb in erster Linie die auf der (Funktions-)Abweichung beruhende Teilhabebeeinträchtigung
heranzuziehen, die sich aus der Wechselwirkung des Gesundheitsproblems mit inneren und äußeren Kontextfaktoren ergibt. Denn
die Teilhabebeeinträchtigung gehört ausschließlich zur Charakteristik der Behinderung, nicht der Krankheit. Der 3. Senat des
BSG hat bereits in seinem Urteil vom 30.9.2015 die besondere Bedeutung der Teilhabebeeinträchtigung für den Begriff der Behinderung
nach dem
SGB IX mit Rücksicht auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und insbesondere den sich aus Art 1 Abs 2 UN-BRK ergebenden
Begriff der Behinderung betont (SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 19 - Fingerendgliedprothese). Danach zählen zu den "Menschen mit
Behinderungen" Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie
in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft
hindern können. An diesem Begriff orientiert sich auch die Rechtsprechung des EuGH (vgl Urteil vom 18.12.2014 - C-354/13 - RdNr 59 - Kaltoft - Kündigung wegen Adipositas). Danach wird Behinderung nicht als ein fest definiertes Konzept verstanden,
sondern ist dynamisch und von den jeweiligen Wechselbeziehungen mit umweltbezogenen und personenbedingten Kontextfaktoren
abhängig (Präambel lit e und Art 1 Abs 2 UN-BRK). Der Behinderungsbegriff entwickelt sich somit fortlaufend weiter und passt
sich an die jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen an. Daher ist jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung
der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe vorliegt. Schließlich ist zwar die Regelwidrigkeit und die Funktionsstörung
nach medizinischen Maßstäben zu beurteilen, die Beeinträchtigung der Teilhabe kann jedoch auch nach soziologischen und pädagogischen
Maßstäben bestimmt werden (vgl hierzu auch Papadopoulou, Anmerkung zu EuGH, aaO, Forum B, Beitrag B9-2015 unter www.reha-recht.de,
10.7.2015; zum Begriff der Behinderung vgl auch Löbner, Behindertenrecht 2015, 1 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 RdNr 21, 28 - Perücke).
Leistungen zur Rehabilitation werden deshalb nach dem
SGB IX auch als Leistungen zur Teilhabe bezeichnet. Sie zielen auf die Förderung der Selbstbestimmung und der gleichberechtigten
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§
1 SGB IX). Wegen der fließenden Übergänge und Überschneidungsbereiche zwischen Krankenbehandlung und Rehabilitation ist auf den Schwerpunkt
und die Zielrichtung der jeweiligen Maßnahme abzustellen.
c) Im Bereich der Hilfsmittel gehören vor diesem Hintergrund - neben den Hilfsmitteln zur Sicherung einer Heilbehandlung iS
von §
31 Abs
1 Nr
2 SGB IX aF (bzw §
47 Abs
1 Nr
2 SGB IX idF des BTHG, vgl hierzu oben 2.a) - sowohl Hilfsmittel zur Vorbeugung vor Behinderung iS von §
33 Abs
1 S 1 Var 2
SGB V als auch Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich iS von §
33 Abs
1 S 1 Var 3
SGB V zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zwar unabhängig davon, ob sie dem unmittelbaren oder dem mittelbaren
Behinderungsausgleich dienen.
Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich und zur Vorbeugung vor Behinderung werden nicht mit dem vorrangigen Ziel eingesetzt,
auf die Krankheit, dh auf den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand als solchen, kurativ-therapeutisch einzuwirken. Sie
sollen vielmehr in erster Linie die mit diesem regelwidrigen Zustand bzw mit der Funktionsbeeinträchtigung verbundene (oder
im Falle der Vorbeugung zu erwartende) Teilhabestörung ausgleichen, mildern, abwenden oder in sonstiger Weise günstig beeinflussen,
um die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern und Benachteiligungen von Menschen
mit Behinderungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken (vgl §
1 SGB IX). Bei der Beurteilung eines Anspruchs auf Versorgung mit einem Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich und zur Vorbeugung einer
Behinderung ist daher dem Teilhabeaspekt die nach dem
SGB IX vorgesehene Bedeutung zuzumessen. Ein Einsatz im Rahmen einer ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahme in einer
entsprechenden Rehabilitationseinrichtung ist nicht erforderlich.
An dieser Stelle bedarf es im Übrigen keiner weiteren Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich
eines Hilfsmittels nach §
33 SGB V (vgl dazu bereits näher BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 18 - Fingerendgliedprothese). Denn auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich steht nicht die Krankheitsbehandlung
iS von §
27 Abs
1, §
28 Abs
1 S 1
SGB V im Vordergrund (vgl dazu BSG SozR 4-2500 §
33 Nr 35 RdNr 10), sondern der Bezug zur Behinderung und seiner teilhabeorientierten Begriffsbestimmung nach dem
SGB IX.
Zwar ersetzt das Hilfsmittel beim unmittelbaren Behinderungsausgleich die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion
unmittelbar selbst, während es beim mittelbaren Behinderungsausgleich nur die direkten und indirekten Behinderungsfolgen ausgleicht
(stRspr; vgl nur zuletzt BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 44 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 18). Das Funktionsdefizit wird aber auch bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich (im Schwerpunkt)
nicht kurativ behandelt, sondern lediglich möglichst weitreichend kompensiert. Denn es wird mit dem Hilfsmittel nicht in erster
Linie auf den regelwidrigen bzw funktional beeinträchtigten Körperzustand mit dem Ziel der Heilung oder Besserung in einem
kurativ-therapeutischen Sinne eingewirkt. Vielmehr bleibt der vom Regelfall abweichende Körper- oder Geisteszustand als solcher
trotz Einsatzes des Hilfsmittels im Wesentlichen unverändert. Das Vorgehen beim Einsatz von Hilfsmitteln gleicht vielmehr
hauptsächlich die Funktionsbeeinträchtigung aus oder ersetzt die beeinträchtigte Funktion, um dem Versicherten wieder eine
vollständige oder zumindest weniger beeinträchtigte Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen. Es setzt mithin - selbst
wenn es dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zuzurechnen ist - vorrangig erst an den Folgen des medizinisch dann häufig
schon austherapierten regelwidrigen Körper- oder Geisteszustands an und dient nicht (mehr) dessen Behandlung oder gar Wiederherstellung.
d) Diese systematische Abgrenzung und teilweise Zuordnung der Hilfsmittel zum Bereich der medizinischen Rehabilitation wird
bestätigt durch die - auf §
92 Abs
1 S 2 Nr
5 SGB V beruhende - Reha-RL des GBA vom 16.3.2004 (BAnz Nr 63 S 6769, in Kraft getreten am 1.4.2004, zuletzt geändert durch Beschluss
vom 16.3.2017, BAnz AT 8.6.2017 B1, in Kraft getreten am 9.6.2017) sowie die - durch §
92 Abs
1 S 2 Nr
6 SGB V ermächtigte - Richtlinie des GBA über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (HilfsM-RL vom
21.12.2011/15.3.2012, BAnz AT 10.4.2012 B2, in Kraft getreten am 1.4.2012, zuletzt geändert durch Beschluss des GBA vom 24.11.2016,
BAnz AT 16.2.2017 B3, in Kraft getreten am 17.2.2017).
Die Reha-RL bezieht sich nur auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach §
11 Abs
2 SGB V iVm §§
40,
41 SGB V, die in oder durch Einrichtungen erbracht werden, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (vgl § 2 Abs 2 und 3 Reha-RL)
und nimmt andere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation - zB solche, die in den Zuständigkeitsbereich anderer Rehabilitationsträger
fallen, oder die Früh- und Anschlussrehabilitation - ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich aus (vgl § 3 Reha-RL). Es handelt
sich daher insoweit um die Bestimmung des Geltungsbereichs der Richtlinie, nicht um eine Begriffsbestimmung für Leistungen
zur medizinischen Rehabilitation. Soweit nach § 4 Abs 3 Reha-RL "einzelne Leistungen der kurativen Versorgung (z.B. Heil-
oder Hilfsmittel) oder deren Kombination ... für sich allein noch keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne
dieser Richtlinie" darstellen, entspricht die darin enthaltene Unterscheidung zwischen Leistungen der kurativen Versorgung
und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der hier vorgenommenen Abgrenzung.
Auch bei Erlass der HilfsM-RL ging der GBA ersichtlich davon aus, dass es sich bei der Verordnung eines Hilfsmittels in der
vertragsärztlichen Versorgung durchaus auch um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handeln kann. Nach § 3 Abs 1
S 2 HilfsM-RL sind bei der Verordnung von Hilfsmitteln die in §
26 Abs
1 SGB IX aF genannten Rehabilitationsziele zu beachten, soweit eine Zuständigkeit der GKV besteht. §
10 Abs 2 HilfsM-RL normiert ausdrücklich eine Beratungspflicht der Vertragsärzte und Krankenkassen über Leistungen zur Teilhabe
und die Möglichkeit einer trägerübergreifenden Beratung, wenn Hilfsmittel als Leistung zur medizinischen Rehabilitation verordnet
werden sollen. Schließlich ergibt sich die Notwendigkeit für die Verordnung von Hilfsmitteln (konkrete Indikation) nach §
6 Abs 3 HilfsM-RL nicht allein aus der Diagnose. Vielmehr sind unter Gesamtbetrachtung der funktionellen/strukturellen Schädigungen,
der Beeinträchtigungen der Aktivitäten (Fähigkeitsstörungen), der noch verbliebenen Aktivitäten und einer störungsbildabhängigen
Diagnostik der Bedarf, die Fähigkeit zur Nutzung, die Prognose und das Ziel einer Hilfsmittelversorgung auf der Grundlage
realistischer, für die Versicherten alltagsrelevanter Anforderungen zu ermitteln. Dabei sind die individuellen Kontextfaktoren
in Bezug auf Person und Umwelt als Voraussetzung für das angestrebte Behandlungsziel (§
3 Abs
1 HilfsM-RL iVm §
26 SGB IX aF) zu berücksichtigen.
e) Die damit nach alledem erfolgende Zuordnung von Hilfsmitteln, die der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dienen,
zum Fristen- und Rechtsfolgenregime des §
13 Abs
3a SGB V unter Ausschluss aller übrigen Hilfsmittel von dessen Anwendungsbereich ist nicht gleichheitswidrig, sondern im Hinblick
auf die unterschiedliche Ausgestaltung des Regelungssystems der §§
14,
15 SGB IX aF (bzw §§
14 bis
24 SGB IX idF des BTHG) sachlich gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art
3 Abs
1 GG scheidet daher aus.
Die im Vergleich zu §
13 Abs
3a SGB V grundsätzlich längeren Fristen nach §§
14,
15 SGB IX aF (bzw der §§
14 bis
24 SGB IX idF des BTHG) halten sich in einem Rahmen, der der Koordinierung der Teilhabeleistungen als Komplexleistungen zwischen mehreren
Rehabilitationsträgern Rechnung trägt - auch soweit es (lediglich) um die Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich
oder zur Vorbeugung vor Behinderung geht. Allein die Vielzahl der Akteure des gegliederten Systems und die Komplexität der
Aufgabe macht auch die Versorgung mit Hilfsmitteln außerhalb von Einrichtungen zu einer Komplexmaßnahme, für welche ausschließlich
die Anwendung des Regelungs- und Fristenregimes nach §§
14,
15 SGB IX aF (bzw nach §§
14 bis
24 SGB IX idF des BTHG) angemessen ist (vgl zum Ganzen auch Schütze, SGb 2013, 147 ff; Welti, Rehabilitation 2010, 537 ff; ders, Sozialrecht aktuell, Sonderheft 2013, 1 ff). Hilfsmittel können Bestandteil
der Krankenbehandlung sein (vgl §
33 SGB V; §
31 SGB VII; § 48 SGB XII; § 13 BVG), aber ebenso der Pflege (vgl §
44 SGB VII; § 61 SGB XII; § 26c BVG; §
40 SGB XI), der medizinischen Rehabilitation (vgl §
31 SGB IX aF; §
33 SGB V; §
15 SGB VI; § 54 SGB XII; § 35a SGB VIII; § 13 BVG), der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl §
33 SGB IX [idF durch Art 10 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854, mWv 1.4.2012, im Folgenden
aF]; §
16 SGB VI; §
35 SGB VII; §
112 SGB III; § 16 SGB II; § 54 SGB XII; § 35a SGB VIII; § 26 BVG) und der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (vgl §
55 SGB IX aF; §
39 SGB VII; § 54 SGB XII; § 35a SGB VIII; § 27d BVG). Hierfür kommen allgemein Leistungsträger aus acht unterschiedlichen Sozialleistungsbereichen in Betracht (vgl auch §
6 SGB IX). Dem soll durch die Anwendung der Vorschriften des
SGB IX (hier §§
14,
15 SGB IX aF bzw §§
14 bis
24 SGB IX idF des BTHG) zur möglichst umfassenden Feststellung verschiedener, individueller Teilhabebedarfe und zügigen Zuständigkeitsklärung
durch die Träger ohne Nachteile für die Leistungsberechtigten Rechnung getragen werden. Überdies ist die seit 1.1.2018 geltende
Vorschrift des §
18 SGB IX idF des BTHG, die §
15 SGB IX aF abgelöst hat, im Hinblick auf die Selbstbeschaffung von Teilhabeleistungen zugunsten der Leistungsberechtigten gesetzlich
weiterentwickelt worden (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drucks 18/9522 S 238 zu §
18). Die in §
18 Abs
1 und
3 SGB IX idF des BTHG vorgesehene Zwei-Monatsfrist, die abgelaufen sein muss, bevor im Teilhaberecht eine gesetzliche Genehmigungsfiktion
und bei Selbstbeschaffung der Leistung ein Kostenerstattungsanspruch eingreifen können, trägt - im Vergleich zur weit kürzeren
Drei-Wochenfrist nach §
13 Abs
3a SGB V dem Umstand Rechnung, dass Teilhabeleistungen nach dem
SGB IX zwar in der Regel umfangreicher und langfristiger Planungen verschiedener Träger bedürfen (vgl §§
19 ff
SGB IX idF des BTHG), typischerweise aber weniger eilbedürftig sind, als Maßnahmen der kurativen (Akut-)Behandlung nach dem
SGB V.
f) Ein Anspruch der Klägerin kann vor dem aufgezeigten Hintergrund nicht auf §
13 Abs
3a SGB V gestützt werden. Die von ihr begehrte Definitiv-Unterschenkelprothese einschließlich des Prothesenfußes proprio foot® dient
- abweichend von der Einschätzung des LSG - keiner (kurativen) Krankenbehandlung, sondern allein dem (unmittelbaren) Behinderungsausgleich
und hat daher medizinisch-rehabilitativen Charakter.
3. Der Senat kann mangels hinreichender Feststellungen des LSG, auf die es ausgehend von seinem abweichenden rechtlichen Standpunkt
nicht ankam, allerdings nicht abschließend entscheiden, ob sich der geltend gemachte Versorgungsanspruch der Klägerin aus
§
33 Abs
1 S 1 Var 3
SGB V (hierzu im Folgenden a) oder - was ebenso in Betracht kommt - mangels Weiterleitung des Antrags seitens der Beklagten aus
§
14 Abs
2 S 1
SGB IX aF iVm einem Sachleistungsanspruch aus dem Bereich eines anderen Rehabilitationsträgers (hierzu b) ergibt. Dies führt zur
Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG.
a) Zwar handelt es sich bei der Unterschenkelprothese mit Prothesenfuß proprio foot® um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich,
das weder ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens noch nach §
34 Abs
4 SGB V ausgeschlossen ist (§
33 Abs
1 S 1
SGB V). Das Hilfsmittel kann auch die durch die Amputation beeinträchtigte Körperfunktion bei der Klägerin unmittelbar ausgleichen
und dient schon deshalb der Befriedigung der allgemeinen Grundbedürfnisse des Gehens und Stehens, der Erschließung des Nahbereichs
und einem möglichst selbstbestimmten und selbstständigen Leben (vgl allgemein zu den Grundbedürfnissen stRspr; zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12 - Lichtsignalanlage; BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 18 - Rauchwarnmelder; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 18 - Fingerendgliedprothese, jeweils mwN). Für den Versorgungsumfang, insbesondere die Qualität, Quantität und
Diversität der Hilfsmittelausstattung kommt es aber sowohl beim unmittelbaren als auch beim mittelbaren Behinderungsausgleich
allein auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44, S 248 ff - C-Leg). Ohne Wertungsunterschiede besteht in beiden Bereichen Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch
auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in
gleicher Weise geeignet ist. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen
Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere
Optik beschränken (stRspr; vgl zum Ganzen BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 - C-Leg; BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 16 ff - Rauchwarnmelder; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 44 RdNr 19 ff - Autoschwenksitz; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 18 - Fingerendgliedprothese, jeweils mwN). Speziellen Wünschen im Hinblick auf Komfort oder Ästhetik ist nur nachzukommen,
wenn der Versicherte die Mehrkosten trägt (§
33 Abs
1 S 6
SGB V [idF von Art 1 Nr
2 Buchst a DBuchst aa Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung, Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz - HHVG,
vom 4.4.2017, BGBl I 778, mWv 11.4.2017] iVm §
47 Abs
3 SGB IX idF des BTHG). Vor diesem rechtlichen Hintergrund hielt auch der MDK die (erstmalige) Versorgung der Klägerin mit einer Definitiv-Unterschenkelprothese
einschließlich eines Gelenkfußes wegen der Gebrauchsvorteile gegenüber einer starren Carbonfußversorgung für medizinisch indiziert.
Ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem von ihr begehrten Prothesenfuß proprio foot® hängt jedoch im Hinblick auf
die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach §
12 Abs
1 SGB V davon ab, ob ihr dieser Gelenkfuß im Vergleich zu möglicherweise kostengünstigeren anderen Prothesenfüßen mit Gelenken im
Alltag - dh nicht nur in einzelnen, nicht zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählenden Lebensbereichen - wesentliche Gebrauchsvorteile
bietet. Dabei muss es in erster Linie um Verbesserungen gehen, welche die Funktionalität betreffen und nicht lediglich die
Bequemlichkeit, Optik oder den Nutzungskomfort. Bereits in seinem Urteil vom 6.6.2002 zu einer Oberschenkelprothese mit dem
Kniegelenksystem C-Leg hat der Senat ausgeführt, dass die Erforderlichkeit einer Versorgung mit einem technisch aufwendigen,
innovativen Hilfsmittel im Einzelfall davon abhängt, ob der Leistungsberechtigte nach seinen individuellen körperlichen und
geistigen Voraussetzungen und seiner persönlichen Lebensgestaltung die Gebrauchsvorteile dieses speziellen Hilfsmittels auch
tatsächlich nutzen kann (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44, S 248 ff unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung).
Die Beklagte ist insoweit - ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl §
163 SGG) - ihren Aufgaben und Ermittlungspflichten als Rehabilitationsträgerin nach dem
SGB IX gegenüber der Klägerin offensichtlich nicht gerecht geworden. Sie nahm zunächst den Antrag der Klägerin mangels eines erkennbaren
Versorgungskonzeptes nicht einmal als solchen zu den Akten und lehnte ihn letztlich ab, ohne den Rehabilitationsbedarf der
Klägerin auch nur ansatzweise tatsächlich und abschließend festgestellt zu haben. Nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX aF gehört es aber zu den wesentlichen Aufgaben des Rehabilitationsträgers, der einen Leistungsantrag nicht weiterleitet,
den Rehabilitationsbedarf unverzüglich und umfassend festzustellen. Dazu gehört die Erstellung eines umfassenden Versorgungskonzeptes.
Wenn die Beklagte diese Aufgabe ihren vertraglich gebundenen Hilfsmittelerbringern überträgt, muss sie jedenfalls auch die
hinreichende Erfüllung dieser Aufgabe sicherstellen. Sinn und Zweck der Vorschriften zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs
und zur Koordinierung der Leistungen nach dem
SGB IX werden indessen geradezu in ihr Gegenteil verkehrt, wenn eine Leistung mit der Begründung abgelehnt wird, der Bedarf des
Antragstellers sei im Hinblick auf mögliche preiswertere, aber nicht getestete Alternativen nicht hinreichend festgestellt
worden. Das Gesetz sieht die Möglichkeit der Leistungsversagung wegen fehlender Mitwirkung eines Leistungsberechtigten nur
unter den - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen des §
66 SGB I vor.
Deshalb wird nunmehr das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren den Rehabilitationsbedarf der Klägerin im Zusammenhang
mit dem begehrten Prothesenfuß proprio foot® umfassend und ggf unter Beteiligung auch anderer Rehabilitationsträger, aus deren
Rechtsbereich ein Anspruch in Betracht kommen kann, aufzuklären haben. Das LSG muss dabei das gesamte materielle und soziale
Umfeld der Klägerin einschließlich ihrer individuellen privaten und beruflichen Lebensgestaltung ermitteln und auf dieser
Basis entscheiden, ob der begehrte Prothesenfuß der Klägerin in ihrem Lebensumfeld im Alltag wesentliche Gebrauchsvorteile
bietet, die die Klägerin nach ihren individuellen Fähigkeiten auch tatsächlich nutzen kann, bzw welches konkrete Versorgungskonzept
bei ihr zur Bewältigung des Alltagslebens anstelle dessen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist.
Dabei muss das LSG mit Blick auf zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderungen Folgendes beachten: Zwar gelten die §§
14 bis
24 SGB IX idF des BTHG lediglich für solche Anträge, die seit dem Inkrafttreten dieser Regelungen am 1.1.2018 gestellt wurden (vgl
hierzu ua BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 9). Allerdings ist für die materiell-rechtliche Beurteilung der von der Klägerin erhobenen
auf Anfechtung der Leistungsablehnung in Verbindung mit einem konkreten Leistungsbegehren gerichteten Klage auch nach einer
Zurückverweisung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz maßgebend (vgl
stRspr; zB BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 §
69 Nr 6, RdNr 13 mit umfassenden Nachweisen; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 34). Für den Versorgungsanspruch nach §
33 SGB V ist daher nunmehr im Falle einer neuen berufungsgerichtlichen Entscheidung mit zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber inzwischen
mit dem BTHG vom 23.12.2016 den Behinderungsbegriff in §
2 SGB IX idF des BTHG ausdrücklich entsprechend dem Verständnis der UN-BRK neu gefasst und dabei dem Wechselwirkungsansatz noch mehr
Gewicht beigemessen hat als nach dem bis dahin geltenden Recht (vgl hierzu bereits näher oben unter 2. b). Danach kommt es
nicht allein auf die wirklichen oder vermeintlichen gesundheitlichen Defizite an. Im Vordergrund stehen vielmehr das Ziel
der Teilhabe (Partizipation) an den verschiedenen Lebensbereichen (zur alten Rechtslage vgl bereits Gesetzentwurf der Fraktionen
der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum
SGB IX, BT-Drucks 14/5074 S 94 unter II.1; zum BTHG vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/9522 S 192 unter II. 1.,
S 227 zu § 2) sowie die Stärkung der Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung
und -gestaltung unter Berücksichtigung des Sozialraumes (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/9522 S 3 unter A.,
S 191 unter 1.5) und der individuellen Bedarfe zu wohnen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/9522 S 4 drittletzter
Absatz).
b) Die Feststellungen des LSG reichen ebenso wenig aus zur abschließenden Entscheidung des Senats über eine Leistungspflicht
der Beklagten in aufgedrängter Zuständigkeit nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX aF iVm einer Anspruchsgrundlage eines anderen zuständigen Rehabilitationsträgers.
Die mangels Weiterleitung des Rehabilitationsantrags nach §
14 Abs
2 S 1
SGB IX aF begründete umfassende Prüfungs- und ggf auch Leistungszuständigkeit der beklagten Krankenkasse als zuerst angegangene
Leistungsträgerin (sog leistende Rehabilitationsträgerin; vgl Legaldefinition in §
14 Abs
2 S 1
SGB IX idF des BTHG seit 1.1.2018) erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in
dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (vgl BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23).
Wenn daher der von der Klägerin begehrte Prothesenfuß proprio foot® nach den obigen Ausführungen unter 3.a) nicht bereits
zur medizinischen Rehabilitation nach den Kriterien des §
33 Abs
1 S 1 Var 3
SGB V erforderlich sein sollte, wird das LSG weiter aufzuklären haben, ob dieses Hilfsmittel spezielle Gebrauchsvorteile zwar nicht
für das Alltagsleben der Klägerin, aber zu ihrer beruflichen oder sozialen Teilhabe oder zur Teilhabe an Bildung bietet, und
ob die Klägerin diese Vorteile nach ihren individuellen Fähigkeiten und ihrer privaten und beruflichen Lebensgestaltung tatsächlich
nutzen kann.
Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft iS von §
55 SGB IX aF bzw die Leistungen zur sozialen Teilhabe iS von §
76 SGB IX (idF des BTHG) einschließlich der Leistungen zur Teilhabe an Bildung (§
75 SGB IX idF des BTHG) haben die Aufgabe, dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und schließen
ausdrücklich subsidiär an die vorrangigen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an. Deshalb gehören zu den Leistungen
zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft solche Hilfsmittel, die den Ausgleich einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben
in der Gemeinschaft bezwecken und daher zwar regelmäßig - ebenso wie die Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation - die
Alltagsbewältigung betreffen, aber nicht mehr von der medizinischen Teilhabe umfasst sind (wie beispielsweise die in §
83 Abs
1 Nr
2 SGB IX [idF des BTHG ] ausdrücklich aufgeführten Leistungen für ein Kraftfahrzeug). Es handelt sich dabei insbesondere um Hilfsmittel,
die dem behinderten Menschen den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am
öffentlichen und kulturellen Leben ermöglichen (vgl §
55 Abs
2 Nr
1 und Nr
7 SGB IX aF, §
58 SGB IX aF; vgl dazu BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 §
54 Nr 5, RdNr 17).
In diesem Rahmen muss das LSG auch die betroffenen anderen Rehabilitationsträger notwendig beiladen, damit der Sachverhalt
auch im Hinblick auf die Teilhabeziele der beruflichen und sozialen Rehabilitation (einschließlich der Bildung) und das Vorliegen
der Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Versorgung mit dem begehrten Prothesenfuß proprio foot® nach den für diese
Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen umfassend aufgeklärt werden kann. Zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen
für Eingliederungsleistungen nach dem SGB XII wird insbesondere zu prüfen sein, ob der Leistungsberechtigten die Aufbringung der finanziellen Mittel aus dem Einkommen
und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist (vgl § 19 Abs 3 SGB XII iVm §§ 82 ff SGB XII). Dabei ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entstehung der Kosten abzustellen (vgl BSG Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 24/11 R - Juris RdNr 20). Auch wenn im Verhältnis zur Klägerin im Ergebnis grundsätzlich allein
die Beklagte leistungspflichtig sein kann, ist die Beiladung aller originär als leistungspflichtig in Betracht kommenden Rehabilitationsträger
notwendig iS von §
75 Abs
2 Alt 1
SGG, weil diese der Beklagten als erstangegangener (leistender) Rehabilitationsträgerin nach Maßgabe des §
15 Abs
2 SGB IX (idF des BTHG) erstattungspflichtig wären (vgl nur BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 9; BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 29 mwN).
4. Der erst nach Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts erlassene Bescheid der Beklagten vom 12.4.2017,
der auf die Rücknahme einer vermeintlich eingetretenen fiktiven Genehmigung gerichtet ist, konnte indessen nicht Gegenstand
des Revisionsverfahrens werden, sondern gilt allenfalls in entsprechender Anwendung des §
171 SGG als beim SG angefochten (zu den Einzelheiten vgl Leitherer in Meyer-Ladewig, ua, aaO, § 171 RdNr 3a mwN). Überdies geht dieser Bescheid mangels Eintritts einer gesetzlichen Genehmigungsfiktion - wie unter 1. dargelegt
- letztlich ins Leere. Er hat sich auf sonstige Weise erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X), denn einem gar nicht auf die Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs
3a S 6
SGB V stützbaren möglichen Versorgungsanspruch der Klägerin nach den oben genannten Vorschriften des materiellen Rechts steht der
Bescheid jedenfalls nicht entgegen.
5. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.