Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
Verantwortung für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
Übernahme eines von einem Beteiligten selbst gefertigten Schriftsatzes ohne Prüfung
Gründe:
I
Im Streit steht ein Anspruch der Klägerin auf Ausstellung einer Bescheinigung über ihre Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab Juli 2013.
Die 1939 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten erfolglos die Ausstellung einer Bescheinigung über ihre Einkommensverhältnisse,
um bei der privaten Krankenversicherung eine Halbierung der Beiträge zum Basistarif zu erreichen (Bescheide vom 8.7. und 22.8.2013;
Widerspruchsbescheid vom 21.11.2013). Die hiergegen gerichtete Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts [SG] Düsseldorf vom 10.8.2016; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen [LSG] vom 8.4.2019).
Die Klägerin sei allein durch die Zahlung des vollen Beitrags zum Basistarif der Krankenversicherung nicht hilfebedürftig
iS von § 19 Abs 2 SGB XII.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache geltend. Klärungsbedürftig sei die Rechtsfrage, "ob die Ausstellung einer Bescheinigung der Beklagten über
ihre Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII ab Juli 2013 zu bejahen ist, um ein Halbierung ihrer Beiträge zur privaten Krankenversicherung zu erreichen". Das LSG habe
zu Unrecht verschiedene Ausgaben nicht einkommensmindernd berücksichtigt und deshalb ihren "(fiktiven) monatlichen Sozialhilfebedarf
... unzutreffend berechnet". Hätte das LSG die Ausgaben anerkannt, wäre der Klageantrag begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der
ehrenamtlichen Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht [BSG] vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat
noch nicht einmal eine abstrakt klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert, deren Entscheidung durch den Senat angestrebt wird.
Denn mit der Formulierung "ob die Ausstellung einer Bescheinigung ... zu bejahen ist" stellt die Klägerin letztlich nur die
Frage, ob das LSG im konkreten Fall richtig entschieden hat.
Zudem fehlt es an der ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie
für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit
- konkretindividuell sachlich entscheiden müssen (BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39; und BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg
der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich
bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Die Klägerin behauptet allerdings nur, dass das LSG bei seiner Berechnung zu Unrecht bestimmte Beträge, von denen
sie meint, sie seien einkommensmindernd zu berücksichtigen, nicht abgesetzt habe. Insoweit setzt sie sich noch nicht einmal
mit der vom LSG in Bezug genommenen und zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Rechtsprechung des BSG auseinander. Sie legt auch nicht dar, von welchen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Senat bei der Beurteilung der
Hilfebedürftigkeit auszugehen hat. Die bloße Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit einer Entscheidung vermag jedoch die
Revisionsinstanz nicht zu eröffnen.
Dies gilt ohne Einschränkung auch für die Ausführungen zur Frage der Absetzbarkeit von Medikamentenkosten. Deshalb kann dahin
gestellt bleiben, ob insoweit überhaupt ein im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren verwertbarer Vortrag vorliegt, wenn im Begründungsschriftsatz
ausgeführt wird, die Klägerin habe ihn - den Bevollmächtigten - "mit dem folgenden Beitrag beauftragt" und deshalb unklar
ist, ob der Vortrag vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch verantwortet wird. Die Anforderungen an die notwendige Begründung
einer Nichtzulassungsbeschwerde nach §
160a Abs
2 Satz 1
SGG sind im Hinblick auf den in Verfahren vor dem BSG nach §
73 Abs
4 Satz 1
SGG geltenden Vertretungszwangs nämlich nur dann erfüllt, wenn der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte die Verantwortung
für die Beschwerdebegründung übernimmt. Er darf also zB nicht einen vom Beteiligten selbst gefertigten Schriftsatz ohne Prüfung
unterzeichnen und zu erkennen geben, er wolle die Verantwortung nicht übernehmen; ebenso wenig darf er auf einen Schriftsatz
des Beteiligten oder eines nicht zugelassenen Bevollmächtigten verweisen. Insbesondere genügt es nicht, wenn ein Prozessbevollmächtigter
ein von einem Beteiligten selbst oder von einem Familienangehörigen verfasstes Schreiben nur unterzeichnet bzw ihm vorgegebene
Textpassagen lediglich übernimmt und erkennbar ist, dass der Bevollmächtigte selbst keine eigenständige Prüfung, Sichtung
und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs vorgenommen hat (vgl zum Ganzen nur BSG vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 5 mwN). Eine solche Situation liegt hier nicht nur wegen des oben zitierten Einleitungssatzes, sondern auch
wegen des Umstands nahe, dass sich die Beschwerdebegründung insoweit jedenfalls ihrer Länge nach deutlich von der abhebt,
die zu den übrigen Punkten erfolgt ist.
Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit den aus ihrer Sicht in Absatz zu bringenden Ausgaben von "zahlreichen Rechtsfragen"
spricht, die bisher vom BSG nicht beantwortet seien, und damit ggf weitere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen will, versäumt sie es ebenfalls,
die konkreten Rechtsfragen zu formulieren und begnügt sich stattdessen mit der Mitteilung ihrer vom LSG abweichenden Rechtsauffassung.
Aber auch wenn man den weiteren Vortrag der Klägerin als Rüge eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) in Bezug auf die Urteilsbegründung versteht, ist dieser nicht entsprechend den Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
bezeichnet. Die Klägerin erläutert schon nicht, gegen welche Verfahrensnorm das LSG verstoßen haben soll. Sie führt nur aus,
es fehle "jeglicher Sachvortrag oder Beweisführung von Seiten des Gerichts, die die Auffassung des Gerichts" belegten, dass
die für die Entscheidung maßgebenden Normen verfassungs- und europarechtlich nicht zu beanstanden seien.
Soweit sie damit das Fehlen von Entscheidungsgründen (§
136 Abs
1 Nr
6 SGG) geltend machen will, ist ihr Vortrag unschlüssig. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn
das Gericht nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandelt oder wenn die Ausführungen des Gerichts zu den
rechtlichen Voraussetzungen und zum tatsächlichen Geschehen aus der Sicht eines Dritten falsch, oberflächlich oder nur wenig
überzeugend sein sollten (vgl BSG vom 2.6.2004 - B 7 AL 56/03 R - SozR 4-4300 § 223 Nr 1 RdNr 16; BSG vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - juris RdNr 7 mwN). Vom Fehlen der Entscheidungsgründe ist nur auszugehen, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht
nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet
sind, den Entscheidungstenor zu tragen, oder wenn die angeführten Gründe verworren sind oder nur nichtssagende Redensarten
enthalten oder zu einer von einem Beteiligten aufgeworfenen Frage nur angeführt wird, dass diese Auffassung nicht zutreffe
(vgl BSG vom 5.10.2010 - B 8 SO 62/10 B - juris RdNr 7 mwN).
Um ihrer Darlegungspflicht zu genügen hätte die Klägerin deshalb zunächst aufzeigen müssen, weshalb sich das LSG (ausgehend
von seiner Rechtsauffassung) intensiv mit verfassungs- und europarechtlichen Normen hätte auseinandersetzen müssen. Die Klägerin
bezeichnet aber weder die verfassungs- oder europarechtlichen Normen, mit denen sich das LSG hätte befassen müssen noch die
Normen einfachen Rechts, die mit Verfassungs- oder Europarecht nicht in Einklang zu bringen sein könnten. Eine Begründung,
worin eine verfassungs- oder europarechtliche Problematik gesehen werden könnte, wird nicht ansatzweise gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.