Versorgungsrente nach dem OEG
Grundsatzrüge
Bereits entschiedene Rechtsfrage
Erneuter Klärungsbedarf
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist.
2. Um darzulegen, dass einer bereits entschiedenen Rechtsfrage gleichwohl noch grundsätzliche Bedeutung zukomme, hat ein Beschwerdeführer
aufzuzeigen, in welchem Umfang, von welcher Stelle und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen werde bzw.
die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten sei.
3. Dasselbe gilt für die Behauptung, dass neue erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien, die zu einer über die bisherige
Erörterung hinausgehenden Betrachtung der grundsätzlich bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und die Möglichkeit
einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschlössen.
Gründe:
I
Mit Urteil vom 28.3.2017 hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf eine Versorgungsrente nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 50 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit
wegen zweier Gewalttaten vom 30.11.2010 und 15.6.2011 verneint. Als weitere Schädigungsfolge der Gewalttaten vom 30.11.2010
und 15.6.2011 sei eine posttraumatische Belastungsstörung nicht anzuerkennen, der Beklagte habe zu Recht als Schädigungsfolge
iS des §
1 OEG Kopfschmerzen und diesbezüglich einen Anspruch auf Heilbehandlung anerkannt, die Zahlung einer Versorgungsrente und die begehrte
Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge eines Schockschadens aber abgelehnt. Die Klägerin sei insoweit
weder als vom Schutzbereich des
OEG erfasstes sog Sekundäropfer anzusehen noch stehe zur Überzeugung des Senats fest, dass sie durch die Kenntniserlangung von
der zum Nachteil ihres Sohnes verübten Gewalttat am 30.11.2010 einen Schock erlitten habe. Mangels Vorliegens dauerhafter
Gesundheitsstörungen könne auch kein GdS festgestellt werden, sodass auch eine Erhöhung eines solchen wegen einer besonderen
beruflichen Betroffenheit nach § 30 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz nicht in Betracht komme.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung wird geltend gemacht, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukomme. Es gehe
um die Rechtsfrage, "ob die Klägerin in den Schutzbereich des §
1 OEG fällt oder nicht". Hinsichtlich der am 30.11.2010 gegenüber ihrem Sohn verübten Gewalttat durch dessen Vater, der diesem
durch massives Schütteln ein massives Schütteltrauma mit Subduralhämatom beigebracht habe, sei sie Sekundäropfer und hinsichtlich
der Gewalttat vom 15.6.2011, bei der ihr der Vater des Sohnes zweimal mit der Faust gegen die Stirn im Bereich des Haaransatzes
geschlagen habe, sei sie Primäropfer. Rechtsfehlerhaft stelle das LSG auf das Fehlen der erforderlichen Gesundheitsstörung
bei der Klägerin ab und verweise darauf, dass diese keine starken seelischen Erschütterungen erlitten habe. Entscheidend für
den vorliegenden Fall sei auch die Entscheidung des BSG vom "10.12.2002, Az. B 9 VG 7/01 R, Randziffer 16", bei der die enge persönliche Bindung zwischen Primär- und Sekundäropfer in den Mittelpunkt gerückt werde.
Schließlich hätte das LSG zur abschließenden Klärung der psychischen Auswirkungen der Gewalttat ein Sachverständigengutachten
nach §
106 SGG einholen müssen hinsichtlich der Frage, ob ein Schock auch erst nach einer längeren Latenzzeit als Gesundheitsstörung manifest
in Erscheinung treten könne.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten
lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hat bereits keine Rechtsfrage formuliert, der sie grundsätzliche Bedeutung beimisst. Ihrem Beschwerdevorbringen
ist lediglich zu entnehmen, dass sie den Anwendungsbereich des §
1 OEG in Bezug auf sog Sekundäropfer hinsichtlich der unmittelbaren Kenntniserlangung von der in Rede stehenden Gewalttat gegenüber
dem Primäropfer erweiternd auslegen möchte. Aber auch im Hinblick hierauf wäre zunächst eine Auseinandersetzung mit der Vorschrift
des §
1 Abs
1 OEG unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu diesem Problemkreis in der Beschwerdebegründung erforderlich gewesen, um darzulegen, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage
von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat. Demgegenüber führt die Klägerin selbst aus, dass das BSG sich in den verschiedenen von ihr benannten Entscheidungen bereits ausdrücklich mit der Problematik von Sekundäropfern befasst
hat. Zu Recht führt die Klägerin selbst die Entscheidung des BSG vom 10.12.2002 (B 9 VG 7/01 R - BSGE 90, 190 = SozR 3-3800 § 1 Nr 23) an, in der der Senat bereits ausgeführt hat, dass auf der Grundlage von §
1 Abs
1 S 1
OEG auch sog "Sekundäropfer" geschützt werden und zwar auch solche Personen, deren Schädigung und Schädigungsfolgen psychischer
Natur sind (BSG, aaO, RdNr 15). Danach werden im Ergebnis - wie das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung bereits ausgeführt hat - die
psychischen Auswirkungen einer schweren Gewalttat als mit dieser so unmittelbar verbunden betrachtet, dass beide eine natürliche
Einheit bilden. Dass trotz dieser und der weiteren von der Klägerin benannten vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung
noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Um darzulegen, dass einer bereits entschiedenen
Rechtsfrage gleichwohl noch grundsätzliche Bedeutung zukomme, hat ein Beschwerdeführer aufzuzeigen, in welchem Umfang, von
welcher Stelle und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen werde bzw die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten
sei (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51). Dasselbe gilt für die Behauptung, dass neue erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien, die zu einer über
die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der grundsätzlich bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und
die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschlössen (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht. Schließlich fehlt es auch an der
Entscheidungserheblichkeit der vermeintlich von der Klägerin erhobenen Rechtsfrage. Diese ist nur dann klärungsfähig, wenn
sie gerade für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist. Dies setzt voraus, dass es für die Entscheidung des vorliegenden
Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung
des Beschwerdeführers in seinem Sinne hätte ausfallen müssen. Die Klägerin trägt allerdings selbst vor, dass das LSG in seiner
angefochtenen Entscheidung vom 28.3.2017 letztlich auf das Fehlen der erforderlichen Gesundheitsstörung bei ihr abgestellt
habe und darauf verweise, dass die Klägerin keine starken seelischen Erschütterungen erlitten habe. Damit entfiele der von
der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf eine Versorgungsrente nach einem GdS von mindestens 50 unter Berücksichtigung einer
besonderen beruflichen Betroffenheit bereits mangels festgestelltem Schockschaden, ungeachtet der Frage, ob die Klägerin als
vom Schutzbereich des
OEG erfasstes sog Sekundäropfer anzusehen wäre. Aufgrund des Fehlens eines entsprechenden Vortrags (s hierzu 2.) kann nicht ausgeschlossen
werden, dass der geltend gemachte Anspruch unabhängig vom Ergebnis der angestrebten rechtlichen Klärung am Fehlen einer weiteren
Anspruchsvoraussetzung scheitern müsste. Damit fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und damit auch der
Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 3 mwN).
2. Hinsichtlich des sinngemäß gerügten Verfahrensfehlers durch die Klägerin iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG, weil das LSG zur abschließenden Klärung der psychischen Auswirkungen der Gewalttat ein Sachverständigengutachten nach "§
106 SGG" hätte einholen müssen, fehlt es ebenfalls an der substantiierten Darlegung eines Verfahrensmangels. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Vorliegend rügt die Klägerin durch ihren Hinweis auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach "§
106 SGG" einen Verstoß des LSG gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht nach §
103 SGG. Insoweit ist es allerdings erforderlich, dass die Beschwerde einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag
bezeichnet, dem das LSG nicht gefolgt ist. Die vor dem LSG durch eine Prozessbevollmächtigte vertretene Klägerin hat aber
bereits nicht aufgezeigt, dass sie einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag vor dem LSG gestellt habe. Zur Darlegung eines
prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche
im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung
und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht, die Klägerin behauptet nicht einmal, einen
solchen Beweisantrag vor dem LSG gestellt zu haben.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.