Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung; Beginn der Bewerbungsfrist bei Anträgen nach Aufhebung einer Zulassungssperre
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Zulassung der Klägerin zur vertragsärztlichen Versorgung als Anästhesistin im Streit.
Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für Baden-Württemberg (im folgen: Landesausschuss) beschloss in seiner Sitzung
vom 4. April 2007 u. a. die partielle Entsperrung des bis dahin gesperrten Landkreises Tuttlingen für Anästhesisten. Der Beschluss
hatte folgenden Wortlaut:
Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen
Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für Baden-Württemberg stellt mit Beschluss vom 4.4.2007 gemäß §
103 SGB V fest, dass für bestimmte Arztgruppen in einzelnen Planungsbereichen in Baden-Württemberg die Voraussetzungen für eine Überversorgung
entfallen sind. Er hebt daher arztgruppenbezogen für die nachstehenden Planungsbereiche (identisch mit den jeweiligen Stadt-
und Landkreisen) die mit früheren Beschlüssen angeordneten Zulassungsbeschränkungen auf. Der Landesausschuss versieht mit
verbindlicher Wirkung für die Zulassungsausschüsse seine Aufhebungsbeschlüsse mit der Auflage, dass Zulassungen - soweit sie
bei der Ermittlung des Versorgungsgrades zu berücksichtigen sind - nur in einem solchen Umfang erfolgen dürfen, bis für die
Arztgruppe Überversorgung eingetreten ist. Ausnahmezulassungen nach §
101 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 SGB V sind vorrangig umzuwandeln und bei der Arztzahl der jeweiligen Arztgruppe mitzurechnen. Maßgeblich für die Beendigung der
Zulassungs- und Leistungsbegrenzung ist die Reihenfolge der jeweils längsten Dauer der gemeinsamen Berufsausübung. Ist danach
noch keine Überversorgung eingetreten, ist über entsprechende Zulassungsanträge zu entscheiden, die nebst den nach § 18 Ärzte-ZV
erforderlichen Unterlagen innerhalb einer Bewerbungsfrist von acht Wochen nach Bekanntgabe der Aufhebung der Zulassungsbeschränkung
eingegangen sind. Die Entscheidung erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der beruflichen Eignung, der
Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit, des Approbationsalters und der Dauer der Eintragung in die Warteliste für den jeweiligen
Planungsbereich. Bei hiernach gleicher Eignung von Bewerbern soll die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes im Hinblick auf
die bestmögliche Patientenversorgung berücksichtigt werden. Ist danach noch keine Überversorgung eingetreten, endet die Leistungsbegrenzung
bei angestellten Ärzten gemäß §
101 Abs.
1 Satz 1 Nr.5
SGB V in der Reihenfolge der jeweils längsten Dauer der Jahre der Anstellung.
Anästhesisten Tuttlingen.
Der Landesausschuss Ärzte/Krankenkassen Baden-Württemberg (LAK) übermittelte diese und weitere Entscheidungen an die Beigeladene
Ziff. 2, die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg, mit Schreiben vom 5. April 2007, dort eingegangen am 11.
April 2007 (Bl. 133 Verwaltungsakte - VA -). Der Landesausschuss wies auf die mit Beschluss vom 4. April 2007 angeordneten
weiteren Zulassungsbeschränkungen mit dem weiteren Hinweis hin: "Diese entfalten ihre verbindliche Wirkung für die Zulassungsausschüsse
mit dem heutigen Tage (Zugang bei Ihnen)". Ferner wies er auf den Wegfall früher angeordneter Zulassungsbeschränkungen mit
der Bitte hin, die damit verbundenen Auflagen zu beachten. Abschließend erfolgte der Hinweis: "Die beigefügte Anordnung bzw.
Aufhebung wird im nächsten Ärzteblatt Baden-Württemberg veröffentlicht."
Diese Veröffentlichung erfolgte in der Ausgabe 5/2007 des Ärzteblattes Baden-Württemberg, die Mitte Mai ausgeliefert wurde,
unter der Überschrift "Bekanntmachungen" (Bl. 132 VA).
Um die Zulassung als Anästhesist im Landkreis Tuttlingen bewarben sich u. a. die Klägerin und der Beigeladene Ziff. 1).
Die 1945 geborene Klägerin hat seit dem 2. Juni 1972 die Approbation und seit dem 10. Dezember 1982 die Anerkennung als Fachärztin
für Anästhesie. Nach (hauptsächlich) Assistenzarzttätigkeiten sowie einer vertragsärztlichen Tätigkeit als zugelassene Anästhesistin
in Tübingen von 1987 bis 1992 ist sie seit dem 3. November 1992 als Praktische Ärztin bzw. Ärztin für Allgemeinmedizin (Anerkennung
4. April 1997) in Freiburg im Breisgau niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Dabei übte sie (so
die Formulierung im Bescheid des Beklagten) bis zum 1. April 2005 in begrenztem Rahmen eine Tätigkeit als Anästhesistin aus
(bis dahin konnten Hausärzte bei entsprechender Qualifikation Anästhesieleistungen erbringen). Die Aufnahme der Klägerin in
die Warteliste erfolgte aufgrund ihres am 20. Juni 2007 bei der Beigeladenen Ziff. 2 eingegangenen Antrags vom gleichen Tag,
wobei sie auch in die Warteliste für acht weitere Planungsbereiche in Südbaden eingetragen wurde (Bl. 68/69 VA). Der Zulassungsantrag
der Klägerin vom 20. Juni 2007 ging am 22. Juni 2007 beim Zulassungsausschuss ein. Der notwendige Auszug aus dem Bundeszentralregister
ging am 4. Juli 2007 beim Zulassungsausschuss ein. Die Klägerin beantragte die Zulassung mit einem halben Versorgungsauftrag
in Verbindung mit der gleichzeitigen Erklärung, im Falle der Zulassung ihren Versorgungsauftrag als Allgemeinärztin in Freiburg
entsprechend zu beschränken.
Der 1955 geborene Beigeladene Ziff. 1) erwarb die Approbation am 20. November 1986 und die Anerkennung als Facharzt für Anästhesiologie
am 8. September 1993. Er übte im Wesentlichen Tätigkeiten als Anästhesist als Assistenzarzt am Kreiskrankenhaus Tuttlingen
aus. Er wurde am 21. August 2006 in die Warteliste aufgenommen. Seine vollständigen Antragsunterlagen gingen beim Zulassungsausschuss
am 12. April 2007 ein.
Der Zulassungsausschuss beschloss am 11. Juli 2007, die Klägerin als Fachärztin für Anästhesiologie mit halbem Versorgungsauftrag
im Landkreis Tuttlingen zuzulassen. Da damit wieder eine Überversorgung bestanden habe, lehnte er die weiteren Zulassungsanträge,
u. a. denjenigen des Beigeladenen Ziff. 1), ab.
Dagegen erhob der Beigeladene Ziff. 1) Widerspruch, in erster Linie mit der Begründung, die Klägerin erfülle aufgrund ihres
Wohnortes in Freiburg nicht die Residenzpflicht (Fahrzeit für die 91,6 km eine Stunde und 21 Minuten) und sie sei außerdem
im Hinblick darauf, dass sie seit 15 Jahren nicht mehr anästhesiologisch tätig gewesen sei, auch weniger geeignet.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten und hat u. a. darauf verwiesen, dass hinsichtlich der Residenzpflicht hier der Besonderheit
der ambulanten Versorgung Rechnung getragen werde, dass nämlich ambulante Anästhesisten ihre Leistungen an den Sitzen der
Operateure zu erbringen hätten, die oft, besonders in ländlichen Gebieten, deutlich weiter als 30 Minuten voneinander entfernt
seien. Auch völlig aus der Luft gegriffen sei die Behauptung, sie sei seit 15 Jahren nicht mehr anästhesiologisch tätig gewesen.
Sie habe vielmehr 4629 ambulante Narkosen im Zeitraum von 1987 bis 2007 durchgeführt (Bl. 74 f. VA). Im Übrigen sei ihre Zulassung
auch zu Recht als Teilzulassung erfolgt, eine derartige Teilzulassung habe nach partieller Öffnung des Planungsbereiches Vorrang
vor einer Vollzulassung. Vorliegend sei auch die Grenze nach § 23 Abs. 1 Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte (BedarfsplRL-Ärzte)
bereits mit einer Teilzulassung erreicht. Eine weitergehende Zulassung würde zu einer grundsätzlich unerwünschten Überversorgung
führen (Bl. 127 VA).
Mit Beschluss vom 12. September 2007 (Bescheid vom 6. Dezember 2007) hob der Beklagte den Bescheid des Zulassungsausschusses
vom 27. Juli 2007 auf, lehnte den Antrag der Klägerin auf Zulassung als Anästhesistin mit einem hälftigen Versorgungsauftrag
ab und ließ stattdessen den Beigeladenen Ziff. 1) als Facharzt für Anästhesiologie in Tuttlingen zur vertragsärztlichen Versorgung
zu. Ferner ordnete er den Sofortvollzug seiner Entscheidung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Zulassung
der Klägerin könne keinen Bestand haben. Ihr Zulassungsantrag sei außerhalb der Bewerbungsfrist vom 11. April bis 6. Juni
2007 beim Zulassungsausschuss eingegangen. Die Bewerbungsfrist betrage acht Wochen. Für die Prüfung des Beginns der Bewerbungsfrist
sei der Beschluss des Landesausschusses vom 4. April 2007 maßgeblich, nicht aber der - nicht mehr feststellbare - Zeitpunkt
der Veröffentlichung im Ärzteblatt Baden-Württemberg. Mit der Bekanntmachung (Veröffentlichung) sei auch darüber informiert
worden, dass Zulassungsanträge innerhalb einer Bewerbungsfrist von acht Wochen nach "Bekanntgabe" - im Gegensatz zu Bekanntmachung
- der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen gegenüber dem Zulassungsausschuss beim Zulassungsausschuss eingehen müssten.
Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben des Landesausschusses vom 5. April 2007 an den Zulassungsausschuss. Adressat der Aufhebung
von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss seien nicht die potenziellen Zulassungsbewerber im niedergelassenen
Bereich, sondern ausschließlich der über Zulassungen entscheidende Zulassungsausschuss. Die Frist von acht Wochen sei eine
Ausschlussfrist, die die Klägerin versäumt habe. Über ihren Zulassungsantrag habe nicht sachlich entschieden werden dürfen.
Er sei abzulehnen.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Dezember 2007 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat ihr Bevollmächtigter ausgeführt, die Auffassung des Beklagten zur Festlegung der Bewerbungsfrist
sei unzutreffend. Der Beklagte habe den vom Landesausschuss verwendeten Begriff der "Bekanntgabe" falsch verstanden. Damit
sei lediglich die interne bindende Wirkung gegenüber KV und Zulassungsausschuss gemeint. Die Formulierung sei aber nicht geeignet,
dementsprechend die rechtlich erforderliche Bekanntmachung zu definieren. Der Fristbeginn könne nur an die Veröffentlichung
im Ärzteblatt Baden-Württemberg als amtliches Bekanntmachungsorgan geknüpft werden. Die Interpretation des Beklagten würde
verfassungsrechtliche Erfordernisse an die Klarheit von festgelegten Fristen missachten. Die Antragsunterlagen der Klägerin
seien am 22. Juni 2007 noch unvollständig beim Zulassungsausschuss eingegangen, das polizeiliche Führungszeugnis sei am 4.
Juli 2007 nachgereicht worden, sodass zweifelsfrei vor Ablauf der Bewerbungsfrist von acht Wochen die vollständigen Unterlagen
vorgelegen hätten. Die Achtwochenfrist sei, vom frühesten Zeitpunkt der Veröffentlichung gemessen, am 10. Juli 2007 abgelaufen.
Auf die Frage eines eventuellen späteren Fristbeginnes komme es dementsprechend nicht an.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass aus den Formulierungen im Beschluss des Landesausschusses
sich hinreichend deutlich der Beginn der Bewerbungsfrist ergebe. Bei der Bekanntgabe der Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen
durch den Landesausschuss handele es sich gegenüber den jeweiligen Zulassungsausschüssen um Verwaltungsakte, die mit "verbindlicher
Wirkung" für die Zulassungsausschüsse die Aufhebungsbeschlüsse mit der Auflage versähen, dass Zulassungen nur in einem solchen
Umfange erfolgen dürften, bis für die Arztgruppe wieder Überversorgung eingetreten sei. Demnach liege in der "Bekanntmachung"
der Entscheidung des Landesausschusses im Ärzteblatt Baden-Württemberg lediglich eine Verweisung auf den Inhalt des Beschlusses
des Landesausschusses selbst, die ohne Weiteres auch für potentielle Bewerber nachvollziehbar und verständlich sei. Eine besondere
Rechtskenntnis werde zum Verständnis der Regelung des Landesausschusses nicht gefordert. Insofern sei davon auszugehen, dass
gerade bei dieser Fristfrage für die potentiellen Zulassungsbewerber klar erkennbar sei, dass sie den vollständigen Zulassungsantrag
innerhalb von spätestens acht Wochen nach der Bekanntgabe der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen an die Zulassungsausschüsse
einzureichen hätten. Nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung des Beschlusses im Ärzteblatt könnten die Zulassungsbewerber
ohne Weiteres auch in Erfahrung bringen, wann genau der Beschluss des Landesausschusses bei den Zulassungsausschüssen eingegangen
und damit dort bekannt gegeben worden sei. Die Bekanntmachung im Ärzteblatt als solche stelle auch keine befristete Stellenausschreibung
dar, an die die Bewerber gebunden wären. Es fehle an einer hinreichend bestimmten konkreten "Frist" wie etwa bei Bewerbungen
auf Beamten- oder Richterstellen.
Mit Urteil vom 25. November 2008 hat das SG den Beschluss des Beklagten vom 12. September 2007 (Bescheid vom 6. Dezember 2007) aufgehoben und den Beklagten verurteilt,
über den Widerspruch des Beigeladenen Ziff. 1 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des SG zu entscheiden. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, die hier maßgebenden bzw. vom Landesausschuss verwendeten Begriffe "Bekanntmachung"
und "Bekanntgabe" hätten keine derart spezielle (unterschiedliche) Bedeutung, dass daraus geschlossen werden dürfte oder gar
müsste, die Bewerbungsfrist von acht Wochen beginne bereits mit der Beschlussfassung des Landesausschusses oder der internen
Bekanntgabe dieses Beschlusses an die Zulassungsgremien. Was die Begriffe anbelange, heiße es beispielsweise auch in der Entscheidung
des BSG vom 23. Februar 2005 (SozR 4-2500 § 103 Nr. 2 = BSGE 94, 181) Rdnr. 32" ... bis zur Bekanntgabe einer partiellen Entsperrung in den Bekanntmachungsblättern ...". Vom Sinn und Zweck der
Regelung ausgehend und insbesondere von den Ausführungen des BSG zu den Anforderungen an ein faires Verfahren komme für den
Fristbeginn vielmehr nur der Zeitpunkt der Bekanntmachung nach § 16b Abs. 4 Ärzte-ZV bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BedarfsplRL-Ärzte,
hier die Veröffentlichung im Ärzteblatt Baden-Württemberg, in Betracht. Folge man der Auffassung des Beklagten, wäre hier
bei der Veröffentlichung im Ärzteblatt schon der überwiegende Teil der Frist verstrichen gewesen und einem potentiellen Bewerber
stünde der vom BSG zur Vorbereitung seiner Bewerbung für notwendig erachtete Zeitraum gar nicht mehr zur Verfügung. Ferner
ergebe sich der vom Beklagten für richtig gehaltene Fristbeginn für den Leser der im Ärzteblatt erfolgten Veröffentlichung
nicht aus dem Text, jedenfalls nicht in eindeutiger Weise. Aus dem Gebot eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens folge indessen,
dass solche Unklarheiten nicht zu Lasten der Adressaten - das bedeute aller potentiellen Bewerber - gehen dürften. Der Bewerber
könne auch nicht darauf verwiesen werden, sich durch Nachfrage über den Lauf der Frist zu vergewissern, zumal sich hier gar
nicht habe aufdrängen müssen, dass Fristbeginn möglicherweise ein anderer Zeitpunkt als die Veröffentlichung im Ärzteblatt
sein könnte. Das Problem der Feststellbarkeit bzw. Nichtfeststellbarkeit des genauen Zeitpunkts der Auslieferung des Ärzteblattes
bzw. der gesamten Auflage sei angesichts dieser Umstände jedenfalls nicht geeignet, die Heranziehung eines anderen Zeitpunkts
für den Beginn der Frist zu rechtfertigen. Dieses Problem müsse gegebenenfalls auf andere Weise gelöst werden. Der Beklagte
habe daher den Zulassungsantrag der Klägerin nicht ohne sachliche Prüfung ablehnen dürfen. Er habe vielmehr (auch) diesen
Zulassungsantrag sachlich zu prüfen und auf dieser Basis die ihm obliegende Auswahlentscheidung zu treffen.
Der Beklagte hat gegen das ihm mit Empfangsbekenntnis am 26. Februar 2009 zugestellte Urteil am 23. März 2009 Berufung eingelegt.
Zur Begründung macht der Beklagte geltend, würde man der Auffassung des SG folgen, käme die Klägerin als einzige Bewerberin in Betracht, sodass eine Auswahlentscheidung von vornherein ausgeschlossen
sei. In diesem Falle wäre nämlich die Bewerbung bzw. der Zulassungsantrag des Beigeladenen Ziff. 1) verfrüht beim Zulassungsausschuss
eingegangen, da seine Bewerbungs- und Zulassungsanträge nicht innerhalb der Frist ab "Bekanntmachung" der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen
im Ärzteblatt Baden-Württemberg Mitte Mai 2007 eingegangen seien, sondern bereits nach Bekanntgabe der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen
beim Zulassungsausschuss am 11. April 2007. Nach Auffassung des Beklagten komme die Klägerin nicht als weitere Bewerberin
in Betracht, da ihr vollständiger Zulassungsantrag erst am 4. Juli 2007 beim Zulassungsausschuss eingegangen sei. Angesichts
dieser Unklarheiten und des damit verbundenen Dilemmas sei die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der Grundlage der BedarfsplRL-Ärzte
unverzichtbar. Das Urteil des SG sei rechtswidrig, da es den Vorgaben des § 16b Ärzte-ZV und den Vorgaben des § 23 Abs. 3 BedarfsplRL-Ärzte (2007) nicht entspräche. Es handele sich bei den Feststellungen
einer Überversorgung bzw. der Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss jeweils um Verwaltungsakte
gegenüber dem Zulassungsausschuss, nicht gegenüber etwaigen potentiellen Bewerbern. Diese Verwaltungsakte würden und seien
jeweils dem Zulassungsausschuss "bekannt gegeben" bzw. "bekannt zu geben". Hierbei handele es sich um einen besonderen terminus
technicus für die Übermittlung von Verwaltungsakten. Unabhängig davon seien die Anordnung und die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen
in den für amtliche Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern zu "veröffentlichen", um die Öffentlichkeit zu informieren. Der
Zulassungsausschuss berücksichtige bei dem anschließenden Auswahlverfahren nach einer Aufhebung der Zulassungsbeschränkung
nur die entsprechend der "Bekanntmachung" fristgerecht und vollständig abgegebenen Zulassungsanträge (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 und
3 BedarfsplRL-Ärzte). Der Beschluss des Landesausschusses vom 4. April 2007, der am 11. April 2007 als Verwaltungsakt dem
Zulassungsausschuss "bekannt gegeben" worden sei, enthalte einerseits die Entscheidung über die Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen
vom 4. April 2007 und ordne gleichzeitig an, dass nur über solche Zulassungsanträge zu entscheiden sei, die nebst den nach
§ 18 Ärzte-ZV erforderlichen Unterlagen innerhalb einer Bewerbungsfrist von acht Wochen nach "Bekanntgabe der Aufhebung der
Zulassungsbeschränkung" an den Zulassungsausschuss eingegangen seien. Dieser Beschluss sei sodann im Ärzteblatt Baden-Württemberg
5/2007 ca. Mitte Mai 2007 ohne genauen Zeitpunkt des Zugangs bei den Adressaten "bekannt gemacht" bzw. "veröffentlicht". Der
Zugang des Ärzteblattes sowohl bei der Beigeladenen Ziff. 2 wie auch den einzelnen Praxen, insbesondere der Praxis der Klägerin,
habe nicht taggenau festgestellt werden können. Da es sich bei der Frist nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 BedarfsplRL-Ärzte jedoch um
eine Ausschlussfrist handele, wäre die Feststellung des taggenauen Zugangs des Publikationsorgans unverzichtbar, um allen
Interessenten eine sichere Ausgangsposition zu verschaffen und ihnen ein "faires Verfahren" zu ermöglichen. Dies habe das
SG verkannt. Der Zulassungsantrag der Klägerin vom 20. Juni 2007 sei am 22. Juni 2007 - unvollständig - eingegangen. Vollständig
sei er erst mit Zugang des Auszuges aus dem Bundeszentralregister beim Zulassungsausschuss am 4. Juli 2007 eingegangen. Zu
diesem Zeitpunkt sei er jedoch verspätet gewesen, da im Beschluss des Landesausschusses als Fristbeginn von der "Bekanntgabe"
des Aufhebungsbeschlusses an den Zulassungsausschuss die Rede sei, sei hier die achtwöchige Frist demnach vom 11. April 2007
bis zum 6. Juni 2007 zu berechnen. Nach der "Veröffentlichung" des Beschlusses des Landesausschusses Mitte Mai 2007 hätten
alle potentiellen Zulassungsbewerber, u. a. auch die Klägerin, ohne Weiteres bei Sachkundigen in Erfahrung bringen können,
wann genau der Beschluss des Landesausschusses bei den Zulassungsausschüssen eingegangen bzw. dort bekannt gegeben worden
sei. Hierbei handele es sich um keine unzumutbaren Anforderungen an Zulassungsinteressenten. Der Beklagte entspreche mit diesen
Feststellungen auch der Einschätzung des BSG im Urteil vom 26. Februar 2005 (B 6 KA 81/03 R), wonach potentielle Zulassungsbewerber ab Bekanntmachung einer partiellen Entsperrung in den Bekanntmachungsblättern der
Kassenärztlichen Vereinigung durchaus Veranlassung hätten, von sich aus nähere Information über die künftige Entwicklung bei
entsprechend Sachkundigen sich zu beschaffen, um auf dieser Grundlage im Wettbewerb mit anderen potentiellen Konkurrenten
einen Zulassungsantrag möglichst optimal zu positionieren. Weiter verweist der Beklagte darauf, dass die Bekanntmachung seiner
Auffassung nach auch als solche ungeeignet für die Berechnung von Fristen sei, vielmehr sich der Beginn und das Ende der Frist
ersichtlich aus dem Beschluss des Landesausschusses, auf den in der Bekanntmachung hingewiesen werde, ergebe. Nach der hier
vom Beklagten vertretenen Auffassung sei auch gerade nach den in den Vorschriften des § 16b Ärzte-ZV und § 23 Abs. 3 Nr. 1
bis 3 BedarfsplRL-Ärzte niedergelegten Grundsätze die Ausschlussfrist eindeutig - nach Rücksprache mit den Zulassungsgremien
- berechenbar. Der Klägerin wäre es wie auch anderen Zulassungsbewerbern ohne Weiteres möglich gewesen, den Zeitpunkt der
Bekanntgabe des Beschlusses des Landesausschusses vor dem Zulassungsausschuss zu erfragen und dann hätte sie ab der Veröffentlichung
Mitte Mai 2007 noch mehr als drei Wochen Zeit zur Verfügung gehabt, um das Erforderliche zu veranlassen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezog sich zur Begründung auf die Ausführungen des SG. Dieses habe zutreffend festgestellt dass im Falle der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen die Bestimmung der Frist nicht
von der internen Bekanntgabe der Entscheidung des Landesausschusses an den Zulassungsausschuss abhängen könne, sondern nur
von der gegenüber den potentiellen Bewerbern öffentlichen Bekanntmachung der Entscheidung des Zulassungsausschusses. Damit
befinde sich das SG eindeutig auf der Linie des BSG, das eine für die Bewerber faire und transparente Verfahrensgestaltung bei einer Auswahlentscheidung
nach Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen gefordert habe. Der Wortlaut von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BedarfsplRL-Ärzte lasse
keine andere Bewertung zu. Das Wort "Frist" stehe unmittelbar im Zusammenhang mit dem Ausdruck "Veröffentlichung bzw. Bekanntmachung".
Dies folge auch aus der Entstehungsgeschichte der Regelung. Entscheidend sei, dass der Bewerber genügend Zeit habe, seine
Niederlassungsvorhaben zu konkretisieren, der Erwerber erfahre aber grundsätzlich erst durch die öffentliche Bekanntmachung
von der Aufhebung der Niederlassungssperre von der einzuhaltenden Bewerbungsfrist. Da es sich hierbei um eine Ausschlussfrist
handele, müssten sich Beginn, Dauer und Ende eindeutig aus der veröffentlichten Fristsetzung ableiten lassen.
Der Beigeladene Ziff 1) hat darauf hingewiesen, dass sein Antrag nicht verfrüht gestellt worden sei. Zwar habe er zunächst
einen Antrag auf Sonderbedarfszulassung gestellt, er sei jedoch darüber unterrichtet worden, dass sein Antrag zurückgestellt
würde, bis der Landesausschuss über eine etwaige partiellen Öffnung des Planungsbereiches Tuttlingen entschieden habe. Als
er sich später erkundigt habe, sei ihm mitgeteilt worden, dass der Beschluss des Landesausschusses am Tag zuvor eingegangen
sei, weshalb er sich diesbezüglich bewerben möge. Er habe sich entsprechend verhalten und habe eine Eingangsbestätigung verbunden
mit dem Hinweis, dass vor einer Auswahlentscheidung zunächst noch ein Zeitraum von acht Wochen abgewartet werden müsse, erhalten.
Eine Zurückweisung seines Antrags als verfrüht sei nicht erfolgt, den Antrag auf Sonderbedarfszulassung habe er ruhen lassen.
Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten
(betreffend die Klägerin und den Beigeladenen Ziff. 1) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid des Beklagten vom 6. Dezember 2007 (Beschluss vom 12. September 2007).
Über den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 11. Juli 2007 ist hingegen nicht zu befinden. Denn der Bescheid des Berufungsausschusses
tritt grundsätzlich als Regelung der Zulassungs- bzw. Ermächtigungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheides des
Zulassungsausschusses und bildet den alleinigen Gegenstand der weiteren Beurteilung der Zulassungs- bzw. Ermächtigungssache
(BSG SozR 3-250 § 96 Nr. 1).
II. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach §
144 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) liegt nicht vor.
III. Die Berufung des Beklagten ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Bescheid des Beklagten vom 6. Dezember 2007 (Beschluss vom 12. September 2007) aufgehoben und den Beklagten
verurteilt, über den Widerspruch des Beigeladenen Ziff. 1) erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte durfte nämlich eine Zulassung der Klägerin nicht bereits mit der Begründung verneinen, dass ihr Antrag verspätet
sei.
1. Rechtsgrundlage für Entscheidungen der Zulassungsgremien über Anträge auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in
einem bislang überversorgten Planungsbereich sind § 95 Abs. 2 i.V.m. §
103 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) sowie die konkretisierenden Bestimmungen des § 16b der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) und des § 23 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über
die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung
(Bedarfsplanungs- Richtlinie Ärzte - BedarfsplRL -, diese in der am 1. April 2007 in Kraft getretenen Fassung vom 15. Februar
2007.
Gemäß §
95 Abs.
1 Satz 1
SGB V nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung u. a. zugelassene Ärzte teil. Gemäß §
95 Abs.
2 Satz 1
SGB V kann sich um die Zulassung als Vertragsarzt jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister
(Arztregister) nachweist. Das Nähere regeln gemäß §
95 Abs.
2 Satz 4
SGB V die Zulassungsverordnungen.
Die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen stellen gemäß §
103 Abs.
1 Satz 1
SGB V fest, ob eine Überversorgung vorliegt. Wenn dies der Fall ist, hat der Landesausschuss gemäß Satz 2 nach den Vorschriften
der Zulassungsverordnungen und unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses Zulassungsbeschränkungen
anzuordnen. Diese Feststellungen sind nach § 16 Abs. 2 Ärzte-ZV für die Zulassungsausschüsse verbindlich. Die Zulassungsbeschränkungen
sind gemäß §
103 Abs.
2 Satz 1
SGB V räumlich zu begrenzen. Sie können einen oder mehrere Planungsbereiche einer Kassenärztlichen Vereinigung umfassen (Satz 2).
Sie sind arztgruppenbezogen unter angemessener Berücksichtigung der Besonderheiten bei den Kassenarten anzuordnen (Satz 3).
Die Zulassungsbeschränkungen sind gemäß §
103 Abs.
3 SGB V aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Überversorgung entfallen sind.
Gemäß § 16b Abs. 1 Ärzte-ZV hat der Landesausschuss von Amts wegen zu prüfen, ob in einem Planungsbereich eine ärztliche Überversorgung
vorliegt. Überversorgung ist gemäß Satz 2 anzunehmen, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um 10 v.H. überschritten
ist. Hierbei sind die in den Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen vorgesehenen Maßstäbe, Grundlagen
und Verfahren zu berücksichtigen (Satz 3). Gemäß§ 16b Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV hat der Landesausschuss spätestens nach jeweils
sechs Monaten zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen fortbestehen. Entfallen die
Voraussetzungen, so hat der Landesausschuss mit verbindlicher Wirkung für die Zulassungsausschüsse die Zulassungsbeschränkungen
unverzüglich aufzuheben (Satz 2). Die Anordnung und Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen ist in den für amtliche Bekanntmachungen
der Kassenärztlichen Vereinigungen vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen (§ 16b Abs. 4 Ärzte-ZV).
§ 23 Abs. 1 BedarfsplRL-Ärzte bestimmt weiter, dass sofern der Landesausschuss nach einer erstmaligen Feststellung von Überversorgung
aufgrund der weiteren Entwicklung und seiner Prüfung zu der Folgerung gelangt, dass Überversorgung nicht mehr besteht, so
ist der Aufhebungsbeschluss hinsichtlich der Zulassungsbeschränkungen mit der Auflage zu versehen, dass Zulassungen nur in
einem solchen Umfang erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten ist. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BedarfsplRL-Ärzte
entscheidet der Zulassungsausschuss über Anträge auf (Neu-) Zulassung nach Maßgabe der folgenden Regelungen:
1. Der Beschluss des Landesausschusses nach Abs. 1 ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt in den für amtliche Bekanntmachungen
der Kassenärztlichen Vereinigung vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen. 2. In der Veröffentlichung sind die Entscheidungskriterien
nach Nr. 3 und die Frist (in der Regel sechs bis acht Wochen) bekannt zu machen, innerhalb der potentielle Bewerber ihre Zulassungsanträge
abzugeben und die hierfür erforderlichen Unterlagen gemäß § 18 Ärzte-ZV beizubringen haben (Satz 1). Der Zulassungsausschuss
berücksichtigt bei dem Auswahlverfahren nur die nach der Bekanntmachung fristgerecht und vollständig abgegebenen Zulassungsanträge
(Satz 2). 3. Unter mehreren Bewerbern entscheidet der Zulassungsausschuss nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung
folgender Kriterien: a. Berufliche Eignung, b. Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit, c. Approbationsalter, d. Dauer der
Eintragung in die Warteliste gemäß §
103 Abs.
5 Satz 1
SGB V. 4. Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern soll die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes und ihre Beurteilung
im Hinblick auf die bestmögliche Versorgung der Versicherten berücksichtigt werden (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Bedarfsplanungsrichtlinien).
2. In Nr. 23 Satz 2 der BedarfsplRL-Ärzte in der alten vor dem 1. April 2007 geltenden Fassung war noch bestimmt, dass die
Auflage des Landesausschusses an den Zulassungsausschuss ferner die Bestimmung zu enthalten habe, dass über die Anträge nach
Maßgabe der Reihenfolge ihres Eingangs beim Zulassungsausschuss zu entscheiden sei. Diese Regelung hat das BSG in seinem schon
vom SG zitierten Urteil vom 23. Februar 2005 (B 6 KA 81/03 R in SozR 4-2500 § 103 Nr. 2 = BSGE 94, 181) beanstandet. Zunächst hat das BSG in diesem Urteil vom 23. Februar 2005 nochmals bestätigt, dass der Gesetzgeber dem Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen (jetzt der Gemeinsame Bundesausschuss) in nicht zu beanstandender Weise die Befugnis zur Normkonkretisierung
im Bereich der Bedarfsplanung durch Erlass von Richtlinien übertragen hat (Urteil vom 23. Februar 2005 mit Hinweis auf BSGE
82, 41 = SozR 3-2500 § 103 Nr. 2; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 101 Nr. 1). Dasselbe gilt nach dem BSG auch für die nunmehr vom Gemeinsamen
Bundesausschuss zu verantwortenden Richtlinien zur Bedarfsplanung (§
91 i.V.m. §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
9 SGB V in der Fassung des GMG). In der Ärzte-ZV ist zum Verfahren selbst bei der Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen lediglich
festgelegt, dass die Prüfung, ob eine Überversorgung noch fortbesteht, jeweils spätestens nach sechs Monaten zu erfolgen hat
(§ 16b Abs. 3 Ärzte-ZV) und dass die Aufhebung einer Zulassungsbeschränkung bekannt zu machen ist (§ 16b Abs. 4 Ärzte-ZV).
Darüber hinaus wird der zuständige Landesausschuss in § 16b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 Ärzte-ZV verpflichtet, die
in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vorgesehenen Maßstäbe, Grundlagen und Verfahren zu berücksichtigen.
Diese Übertragung von Regelungsbefugnissen zur Verfahrensweise bei der Anordnung oder Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen
auf den Gemeinsamen Bundesausschuss begegnet nach dem Urteil des BSG vom 23. Februar 2005 keinen Bedenken. Sie beinhaltet
insbesondere keine kompetenzwidrige Subdelegation. Das BSG hat allerdings hinsichtlich der seinerzeit noch zu prüfenden Regelung
in Nr. 23 Satz 1 BedarfsplRL-Ärzte zur lediglich partiellen Entsperrung eines nicht mehr überversorgten Planungsbereichs weiter
festgestellt, dass diese Regelung auch inhaltlich mit der höherrangigen Vorschrift des §
103 Abs.
3 SGB V, die in § 16b Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV wiederholt werde, vereinbar sei. Wenn dort bestimmt sei, dass zuvor angeordnete Zulassungsbeschränkungen
"aufzuheben" seien, sobald die Voraussetzungen für eine Überversorgung entfielen, so erfordere dies nicht die völlige Freigabe
von Zulassungen. Bereits der Wortlaut der Vorschrift umfasse neben einer vollständigen Suspendierung der Zulassungssperre
zwangslos auch eine nur teilweise Aufhebung der Beschränkungen. Allerdings bedarf nach Überzeugung des BSG die seinerzeit
streitige Regelung in Nr. 23 Satz 2 BedarfsplRL-Ärzte zum Verfahren bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern um eine nach
partieller Entsperrung eines Planungsbereichs zu besetzenden Vertragsarztsitz noch einer weiteren Konkretisierung, um den
verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen. Die bisherige Festlegung, dass über die Anträge allein nach Maßgabe der Reihenfolge
ihres Eingangs beim Zulassungsausschuss zu entscheiden sei, genügt nach Überzeugung des BSG den aus Art.
12 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) abzuleitenden Anforderungen an eine angemessene Verfahrensgestaltung nicht in vollem Umfang. Das alleinige Abstellen auf
den in tatsächlicher Hinsicht oftmals von vielen Zufälligkeiten abhängigen Eingang der vollständigen Zulassungsanträge bei
dem Ausschuss wird nach der Auffassung des BSG der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Auswahlentscheidung für die Berufschancen
der Bewerber nicht gerecht. Die Interessenten für eine Zulassung als Vertragsarzt in einem bislang gesperrten Planungsbereich
haben bis zur Bekanntgabe einer partiellen Entsperrung in den Bekanntmachungsblättern der Kassenärztlichen Vereinigung keine
Veranlassung, sich auf bloße Vermutungen hin nähere Informationen über die künftige Entwicklung bei entsprechend Sachkundigen
zu beschaffen, um auf dieser Grundlage im Wettbewerb mit anderen potentiellen Konkurrenten einen Zulassungsantrag möglichst
optimal zu positionieren. Zu einem geordneten Auswahlverfahren für eine exklusiv zu vergebende Position gehört vielmehr, dass
für alle potentiellen Bewerber dieselbe von vornherein in der Ausschreibung bekannt gegebene Frist zur Verfügung steht, um
sich zu bewerben und die hierfür erforderlichen Unterlagen beizubringen. Dies kann das sogenannte "Windhundprinzip" in Nr.
23 Satz 2 BedarfsplRL-Ärzte nicht gewährleisten (so BSG im Urteil vom 23. Februar 2005 aaO.). Der Gemeinsame Bundesausschuss
ist deshalb seinerzeit vom BSG aufgefordert worden, nähere Regelungen zu treffen, nachdem künftig in einem für alle Bewerber
fairen Verfahren die Auswahl unter mehreren Zulassungsanträgen erfolgen soll. Hierfür kommt nach Überzeugung des BSG einerseits
der Rückgriff auf Kriterien in Frage, welche die bestmögliche Versorgung der Versicherten in dem betreffenden Planungsbereich
zum Ziel haben (berufliche Eignung bzw. Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit), die aber in §
103 Abs.
4 Satz 4
SGB V bislang nur für die Auswahl im Rahmen einer Praxisnachfolge gesetzlich normiert sind. Andererseits stellt auch das Prioritätsprinzip,
das ebenfalls in §
103 Abs.
4 Satz 4
SGB V - in Gestalt des Approbationsalters - und zudem in §
103 Abs.
5 SGB V - in Form der Wartelisten für gesperrte Planungsbereiche - geregelt ist, prinzipiell ein geeignetes Auswahlkriterium dar
(so BSG im Urteil vom 23. Februar 2005 m.w.N.).
Speziell zur Frage der Bewerbungsfrist hat das BSG schließlich ausdrücklich Folgendes noch ausgeführt:
Zu dem Verfahren ist in § 16b Abs 4 Ärzte-ZV bestimmt, dass die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in den für die amtlichen
Bekanntmachungen der KÄV vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen ist. Dieses Publikationserfordernis soll sicherstellen,
dass die potenziellen Zulassungsbewerber über die nunmehr wieder bestehenden Zulassungsmöglichkeiten informiert werden (vgl
BSGE 79, 152, 154 = SozR 3-2500 § 103 Nr 1 S 3). Hierin kommt deutlich die Verpflichtung zum Ausdruck, vor einer Entscheidung über Zulassungsanträge
in dem bislang gesperrten Planungsbereich alle potenziellen Bewerber in gleichmäßiger Weise und so rechtzeitig über die Zulassungsmöglichkeiten
in Kenntnis zu setzen, dass die Bewerber in der Lage sind, ihr Niederlassungsvorhaben zu konkretisieren und einen vollständigen
Zulassungsantrag vorzulegen. Sie müssen daher, bevor nach der Veröffentlichung einer partiellen Entsperrung eine Auswahlentscheidung
getroffen wird, eine reelle Chance haben, die jetzt erst sinnvollen Vorbereitungsmaßnahmen - zB Erschließung geeigneter Praxisräume,
Abklärung der Finanzierung der Niederlassung und Beendigung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses - einzuleiten und
ihren Zulassungsantrag nach § 18 Ärzte-ZV entsprechend zu gestalten. Der Zulassungsausschuss wird dazu in der Regel zumindest
sechs bis acht Wochen nach Bekanntgabe der neu eröffneten Zulassungsmöglichkeit abwarten müssen, ehe er seine Auswahlentscheidung
unter den bis dahin vollständig vorgelegten Zulassungsanträgen trifft. Nur wenn ausnahmsweise der allgemeine bedarfsgerechte
Versorgungsgrad in dem betroffenen Planungsbereich bereits unterschritten sein sollte, kann im Interesse einer raschen Sicherstellung
der Versorgung der Versicherten ein beschleunigtes Verfahren gerechtfertigt sein. Im Rahmen einer fairen und transparenten
Verfahrensgestaltung wird der Zulassungsausschuss die Bewerber auch über den Zeitpunkt seiner Auswahlentscheidung unterrichten
müssen, damit diese sich auf den Termin einstellen und die notwendigen Unterlagen für eine Zulassung bis dahin beibringen
können.
3. Diesen Anforderungen an ein faires Verfahren und hinsichtlich der konkreten Einwände des BSG zum "Windhundprinzip" hat
der Gemeinsame Bundesausschuss durch die oben bereits zitierte jetzige Fassung des § 23 BedarfsplRL-Ärzte Rechnung getragen,
nämlich der Gestalt, dass er neben der Auflistung der entsprechenden Kriterien auch nicht mehr auf die Reihenfolge der Anträge
abstellt, sondern vielmehr allen Bewerbern eine entsprechende angemessene Bewerbungsfrist eingeräumt wird.
Soweit nun allerdings der Beklagte der Auffassung ist, die achtwöchige Bewerbungsfrist beginne bereits mit der "Bekanntgabe"
des Beschlusses des Landesausschusses dem Zulassungsausschuss gegenüber, kann der Senat dem nicht folgen. Zum ersten stellt
schon der Landesausschuss in seinem Beschluss selbst keineswegs hinsichtlich der Frist von acht Wochen auf die Bekanntgabe
dem Zulassungsausschuss gegenüber ab. Dort ist vielmehr nur die Rede davon, dass ... "Ist danach noch keine Überversorgung
eingetreten, ist über entsprechende Zulassungsanträge zu entscheiden, die nebst den nach § 18 Ärzte-ZV erforderlichen Unterlagen
innerhalb einer Bewerbungsfrist von acht Wochen nach Bekanntgabe der Aufhebung der Zulassungsbeschränkung eingegangen sind".
Dass damit die Bekanntgabe gegenüber dem Zulassungsausschuss gemeint sein sollte - wie dies der Beklagte meint - ist nach
Überzeugung des Senates dem keineswegs zu entnehmen. Zum zweiten zeigt auch der konkrete Fall der Klägerin eindrucksvoll,
dass die Auffassung des Beklagten zu einer tatsächlichen Verkürzung der eigentlich beabsichtigten und gewährten Achtwochenfrist
auf gut drei Wochen führen würde. Der Beschluss, der dem Zulassungsausschuss bereits am 11. April 2007 bekannt war, wurde
hier erst um den Zeitraum zwischen dem 10. und 15. Mai 2007 im Ärzteblatt veröffentlicht, also erst vier bis fünf Wochen nach
der "Bekanntgabe" gegenüber dem Zulassungsausschuss. Damit aber wäre genau die Forderung des BSG nach einem fairen Verfahren
wieder unterlaufen und einzelne Bewerber wie etwa hier der Beigeladene Ziff. 1) - die unter Umständen aufgrund entsprechender
Kontakte schon früher Kenntnis vom Beschluss des Landesausschusses haben - wären wieder bevorzugt und im Endeffekt wäre wieder
das Windhundprinzip eingeführt, da für andere Bewerber, wie z.B. die Klägerin, die auf die Bekanntmachung und Veröffentlichung
im Amtsblatt angewiesen sind, nur noch eine vergleichsweise kurze Bewerbungsfrist bliebe, die unter Umständen auch eine vollständige
Bewerbung gar nicht mehr ermöglichen würde. Wollte man also der Auffassung des Beklagten folgen, hätte dies zur Konsequenz,
dass an sich alle potentiellen Bewerber fast täglich beim Zulassungsausschuss anrufen und nach Entsperrungen fragen müssten,
um dann diese Frist auch möglichst vollständig in Anspruch nehmen zu können, ganz abgesehen davon, dass üblicherweise eine
Frist einem potentiellen Bewerber gegenüber erst dann in Lauf gesetzt werden kann, wenn sie ihm auch bekannt gegeben worden
ist. Bewerber für die freien Stellen ist aber nicht der Zulassungsausschuss, sondern sind eben die jeweils interessierten
Ärzte.
Maßgeblich kann deswegen für den Fristbeginn nur der Zeitpunkt der Veröffentlichung im Ärzteblatt sein. Der Senat weist auch
nochmals darauf hin, dass gerade das BSG in dem zitierten Urteil vom 23. Februar 2005 u.a. ausdrücklich darauf verwiesen hat,
dass die potentiellen Bewerber eine reelle Chance haben müssen, bevor nach der Veröffentlichung einer partiellen Entsperrung
eine Auswahlentscheidung getroffen wird, die jetzt erst sinnvollen Vorbereitungsmaßnahmen - z.B. Erschließung geeigneter Praxisräume,
Abklärung der Finanzierung der Niederlassung und Beendigung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses - einzuleiten und
ihren Zulassungsantrag nach § 18 Ärzte-ZV entsprechend zu gestalten. Das BSG ist ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass
in diesem Zusammenhang zumindest eine Frist von sechs bis acht Wochen von Seiten des Zulassungsausschusses abzuwarten sei.
In den bei der Auffassung des Beklagten hier konkret etwa der Klägerin verbliebenen gut drei Wochen ist gerade das aber gar
nicht möglich. Wenn also jeder potentielle Bewerber wirklich die gleichen Chancen haben soll, sich innerhalb einer angemessenen
Frist (gemäß BSG und auch Gemeinsamen Bundesausschuss in § 23 BedarfsplRL-Ärzte sechs bis acht Wochen) über die konkreten
Verhältnisse, Aussichten, mögliche Praxisräume usw. zu informieren und auch die notwendigen Unterlagen (Zeugnisse, Bundeszentralregisterauszug
etc.) zu beschaffen, was eben erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt und nach Überzeugung des BSG und des Gemeinsamen
Bundesausschusses nicht in drei Wochen erledigt werden kann, kann maßgeblich als Fristbeginn nur auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung
im Ärzteblatt abgestellt werden. Nur dann haben alle potentiellen Bewerber die gleiche Chance.
4. Der Einwand des Beklagten, dass aber nicht taggenau das Datum der Veröffentlichung festzustellen sei und es daher zu Schwierigkeiten
bei der Berechnung des Fristendes kommen könnte, greift nicht durch.
a) Generell ist dazu schon zu sagen, dass ohne Weiteres die Möglichkeit für den Landesausschuss bestünde, durch eine vorherige
Nachfrage beim Verlag das voraussichtliche Veröffentlichungsdatum in Erfahrung zu bringen und dann in einem zweiten Schritt
ab diesem Zeitpunkt ein konkretes Enddatum für die Bewerbungsfrist dem Beschluss anzufügen und zu benennen, sodass dann ein
Zeitraum von etwa sechs bis acht Wochen auf jeden Fall gewahrt werden kann. Auch hat der Beklagte bei Zweifeln die Möglichkeit,
sich vom Verlag des Ärzteblattes den genauen Auslieferungstermin nachträglich mitteilen zulassen.
b) Hier konkret ist im Übrigen ausgehend von einer Veröffentlichung am 15. Mai 2007 auch die Klägerin auf jeden Fall mit Vorlage
der vollständigen Unterlagen am 4. Juli 2007 innerhalb der dann bis zum 10. Juli 2007 laufenden Frist geblieben; im Übrigen
wäre sie selbst bei Fristbeginn am 10. Mai 2007 noch innerhalb der dann bis zum 5. Juli 2007 laufenden Frist geblieben.
5. Soweit der Beklagte weiter geltend macht, bei der vom SG vertretenen Auffassung wäre dann aber die Bewerbung des Beigeladenen Ziff. 1) unzulässig, weil sie schon vor der Veröffentlichung,
nämlich bereits am 11. April 2007, beim Zulassungsausschuss eingegangen sei, braucht der Senat dem nicht im Einzelnen nachzugehen.
Streitgegenstand der Bescheidungsklage ist allein die Rechtsauffassung des SG über die Berechnung der hier maßgeblichen Frist. Der Beklagte wird ausgehend von der Rechtsauffassung des Senats in tatsächlicher
Hinsicht abklären müssen, wann der Beigeladenen Ziff 1) seinen Zulassungsantrag gestellt hat und danach rechtlich würdigen
müssen, ob dies innerhalb der Ausschreibungsfrist der Fall war.
6. Aus diesen Gründen ist daher die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und wird der Beklagte nunmehr erneut über den Widerspruch
des Beigeladenen Ziff. 1) zu entscheiden haben.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) bestehen nicht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Es war im Hinblick auf die Inhomoginität der Fachgruppe auf die Durchschnittswerte aller Ärzte zurückzugreifen. Nach den
Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für 2007 betrug das durchschnittliche (Brutto-)Honorar eines niedergelassenen
Arztes aus vertragsärztlicher Tätigkeit 173.385,00 EUR. Die Betriebsausgaben betrugen rund 102.000,00 EUR. Aus der Differenz
in Höhe von rund 70.000,00 EUR ergibt sich bezogen auf drei Jahre ein Betrag in Höhe von 210.000,00 EUR. Da die Klägerin nur
einen hälftigen Versorgungsauftrag anstrebt, ist die Hälfte dieses Wertes, also 105.000,00 EUR als Streitwert festzusetzen.