I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 24.01.2011 aufgehoben.
II. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Würzburg Proesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin
J., B-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I. Streitig ist die Überprüfung der Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld
II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.03.2008 - mit Unterbrechungen
-, die Rückforderung überzahlter Leistungen von der Klägerin und die Aufrechnung mit dem derzeitigen Leistungsanspruch der
Klägerin. Die Klägerin bezog zusammen mit ihren 3 Kindern seit 01.01.2005 Alg II. Wegen Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft
mit Herrn Z. (Z.) hob die Beklagte die bewilligten Leistungen teilweise auf, forderte die Erstattung überzahlter Leistungen
und rechnete den Erstattungsanspruch mit laufenden Zahlungen von Alg II auf, da keinerlei Gründe vorlägen, von einer Aufrechnung
abzusehen (Bescheid vom 27.05.2009). Mit Schreiben vom 17.09.2009 beantragte die Klägerin die Überprüfung dieses Bescheides
gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.09.2009 und nach Vorlage eines ärztlichen Attests von Dr.H. mit Widerspruchsbescheid
vom 08.12.2009 ab. Sie habe die bestehende Bedarfsgemeinschaft nicht angegeben und sei erst seit April 2008 in ärztlicher
Behandlung, so dass über ihre psychische Verfassung im streitgegenständlichen Zeitraum keine Kenntnisse vorhanden seien. Zur
Begründung der dagegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, aufgrund ihrer psychischen Verfassung sei sie in ihrer Urteils- und Kritikfähigkeit
eingeschränkt gewesen, habe also weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt. Auch eine Aufrechnung sei nicht zulässig,
eine Ermessensentscheidung habe der Beklagte nicht getroffen. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH)
für das erstinstanzlicher Verfahren begehrt. Auf Nachfrage des SG hat Dr.H. mitgeteilt, für die Zeit vor dem 24.04.2008 keinerlei Unterlagen zu haben. Mit Beschluss vom 24.01.2011 hat das
SG den Antrag auf Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Für eine Schuldunfähigkeit im streitgegenständlichen
Zeitraum fehlten auch nach Vorlage eines Attestes von Dr.H. im Widerspruchsverfahren jegliche Anhaltspunkte, wobei eine Einschränkung
der Kritik- und Urteilsfähigkeit nicht mit einer Schuldunfähigkeit gleichzusetzen sei und diese auch nicht den Verschuldensgrad
mindere. Eine eventuell erforderliche Beweisaufnahme biete nur sehr entfernte Erfolgsaussichten. Dagegen hat die Klägerin
Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Z. sei nicht zum Unterhalt verpflichtet, eine Bedarfsgemeinschaft habe
nicht bestanden und die Klägerin sei schuldunfähig gewesen bzw. sei sie der Überzeugung gewesen, richtig zu handeln. Eine
weitere Beweisaufnahme sei durchzuführen. Auch die Aufrechnung sei rechtswidrig. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die
beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) und auch begründet. Der Klägerin ist für das erstinstanzliche Verfahren PKH zu bewilligen. Nach §
73a Abs
1 SGG in Verbindung mit §
114 Abs
1 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die
Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit
für sich hat. Eine solche hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin aufgrund
der Sachverhaltschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher
Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens
oder eine andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden.
Selbst bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist in der Regel in den gerichtskostenfreien Verfahren PKH unbeschränkt
zu bewilligen (vgl. zum Ganzen: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Aufl, §
73a Rdnr 7 ff). Maßgebender Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, auch
des Beschwerdegerichts. Ein früherer Zeitpunkt kommt allenfalls in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den Antrag verzögert
hat oder eine Änderung zum Nachteil des Antragstellers eingetreten ist (vgl. Leitherer aaO. Rdnr 7d). Vorliegend hat das SG nach Beantragung von PKH und Vorlage des Fragebogens über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse weitere Ermittlungen
bei Dr.H. durchgeführt. Nachdem dessen Angaben keine näheren Hinweise auf die Schuldunfähigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen
Zeitraum erbracht hatten, hat das SG die Bewilligung von PKH wegen nur ganz entfernter Erfolgsaussichten mit Beschluss vom 24.01.2011 abgelehnt. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass das SG bereits eine Beweiserhebung durch Nachfrage bei Dr.H. durchgeführt hat. Im Zeitpunkt der frühestmöglichen Entscheidung über
den Antrag auf Bewilligung von PKH (18.12.2009) hat das SG somit noch eine Beweiserhebung für erforderlich gehalten und auch durchgeführt, so dass zumindest zu diesem Zeitpunkt noch
gewisse, nicht nur ganz entfernte Erfolgsaussichten bestanden hatten. Im Übrigen sind Erfolgaussichten auch nicht vollständig
zu verneinen, wenn eine Schuldunfähigkeit der Klägerin nicht anzunehmen ist, denn sie ist zumindest im Antrag auf Alg II vom
28.10.2004 nach einem Partner in eheähnlicher Gemeinschaft gefragt worden. Offen ist, ob die Klägerin diese Frage, die zugleich
eine rechtliche Wertung enthält, zutreffend beantworten konnte, dh ob es zumindest grob fahrlässig ist, wenn sie evtl eine
solche rechtliche Einordnung falsch vorgenommen hat. Nach alledem ist vom Vorliegen zumindest teilweiser, wenn auch nicht
überwiegender, jedoch hinreichender Erfolgaussichten auszugehen (gewesen) und der Klägerin PKH für das erstinstanzliche Verfahren
zu bewilligen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung liegen vor. Dieser
Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).