Altersrente für besonders langjährig Versicherte anstelle einer Altersrente für Frauen
Nichterfüllung der Wartezeit
Verfassungskonformität
Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte
anstelle einer Altersrente für Frauen hat.
Die 1951 geborene Klägerin beantragte am 31.07.2014 gleichzeitig eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte und
eine Altersrente für Frauen jeweils mit Rentenbeginn zum 01.10.2014. Sie gab hierbei an, seit 01.10.2012 fortlaufend Arbeitslosengeld
I von der Agentur für Arbeit in A-Stadt zu beziehen.
Die Beklagte kam zum Ergebnis, dass für die Wartezeit von 35 Jahren Beitragszeiten im Umfang von 548 Monaten und Anrechnungszeiten
von 2 Monaten, insgesamt 550 Monate zu berücksichtigen seien. Für die Wartezeit von 45 Jahren für die Altersrente für besonders
langjährig Versicherte seien 524 Monate Pflichtbeitragszeiten und 1 Monat Berücksichtigungszeit, also 525 Monate zu berücksichtigen,
so dass die Wartezeit von 45 Jahren (= 540 Monate) nicht erfüllt sei.
Mit Schreiben vom 22.08.2014 tätigte die Beklagte bei der Klägerin eine Nachfrage, nachdem die Klägerin in den letzten zwei
Jahren vor dem beantragten Rentenbeginn Arbeitslosengeld bezogen habe: Solche Zeiten dürften für die Wartezeit (von 45 Jahren)
nur berücksichtigt werden, wenn die Arbeitslosigkeit auf eine Insolvenz oder auf eine Geschäftsaufgabe zurückzuführen sei.
Falls ein solcher Sachverhalt vorliege, werde um Übersendung der entsprechenden Beweismittel gebeten.
Die Klägerin legte eine Änderungskündigung vom 10.02.2004 vor, wonach ihr der Arbeitsplatz in A-Stadt bei der Firma P. Schmiergeräte
GmbH gekündigt wurde und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 01.10.2004 in F-Stadt im Landkreis C. angeboten worden
war. Die Klägerin trug weiter vor, dass sie die Fahrstrecke von täglich hin und zurück 300 km ab Oktober 2012 aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr habe bewältigen können und deshalb ihren Arbeitsvertrag gekündigt habe. Hinzuweisen sei noch darauf, dass
im Jahr 2009 der gesamte Firmensitz von A-Stadt nach B-Stadt verlagert worden sei.
Mit Bescheid vom 10.09.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Altersrente für Frauen ab 01.10.2014 in Höhe von monatlich
1.202,07 Euro netto unter Berücksichtigung eines Rentenabschlages von 6,6 % für einen vorzeitigen Rentenbeginn von 22 Kalendermonaten.
Im Bescheid wurde außerdem ausgeführt, dass die Wartezeit von 45 Jahren für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte
nicht erfüllt sei. Es seien 525 berücksichtigungsfähige Monate zurückgelegt worden und ein Sachverhalt, der dazu hätte führen
können, dass die Pflichtbeiträge aus der Zeit vom 01.10.2012 bis 30.09.2014 aus der Zahlung von Arbeitslosengeld an der Berechnung
der Wartezeit teilnehmen würden, habe nicht vorgelegen.
Mit Schreiben vom 08.10.2014 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein, ohne diesen näher zu begründen. Die Beklagte wies
mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2015 den Widerspruch unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid zurück.
Am 02.02.2015 hat die Klägerin mit Telefax Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und eine Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend beantragt, dass ihr ab 01.10.2014 eine abschlagsfreie
Altersrente zu zahlen sei. Die Beklagte habe sich zu Unrecht auf die Neuregelung des §
51 Abs.
3a Ziff. 3a 2. Halbs. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) gestützt und die Wartezeit verkürzt berechnet. Die Ausnahmetatbestände seien nämlich gleichheitssatzwidrig. Die Klägerin
habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, sich rechtsmissbräuchlich zu verhalten und zu einem früheren Zeitpunkt das gesetzliche
Altersruhegeld zu beziehen. Sie habe ihren bisherigen Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen, da sie die
sehr lange Pendelstrecke nicht mehr habe bewältigen können. Dies habe auch die Bundesagentur für Arbeit nachvollzogen und
deshalb keine Sperrzeit nach dem
Dritten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) verhängt. Bei der Klägerin sei die Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht vom Motiv einer eventuellen Frühverrentung bestimmt
gewesen, sondern sie habe den täglichen Arbeitsweg aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewerkstelligen können.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24.07.2015 die Klage abgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Altersrente
für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI habe die Klägerin nicht erfüllt. Bei ihr liege keine Wartezeit von 45 Jahren vor, weil auf diese Wartezeit die Pflichtbeitragszeiten
aufgrund von Leistungen der Agentur für Arbeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht zu berücksichtigen seien
(§
51 Abs.
3a Satz 1 Nr.
3a SGB VI). Es liege auch kein Ausnahmefall vor, wonach eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers die Arbeitslosigkeit
bedingt habe. Die Vorschrift sei auch nicht deshalb verfassungswidrig, als sie als Rückausnahme von der zweijährigen "Karenzzeit"
den Sachverhalt, der bei der Klägerin zur Arbeitslosigkeit geführt habe, nicht vorgesehen habe. Zweck der Ausnahmeregelung
sei es nach dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, solche Härtefälle zu berücksichtigen, bei denen die Arbeitnehmer
unfreiwillig aus ihren Arbeitsverhältnis hätten ausscheiden müssen (BT-Drs. 18/1489, S. 26). Die beiden Ausnahmetatbestände
würden objektiv zwingende Umstände darstellen, bei denen keinerlei Handlungsspielraum seitens des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers
bestehe und der Ausscheidungsgrund vom Arbeitnehmer nicht beeinflusst werden könne. Mit diesen Ausnahmefällen seien die zur
Arbeitslosigkeit der Klägerin führenden Gründe nicht vergleichbar. Sie habe - wenn auch aus verständlichen Gründen - das Arbeitsverhältnis
selbst beendet und die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Eine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung gegenüber der Personengruppe,
die das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht habe beeinflussen können, könne somit nicht erkannt werden. Die von der
Klägerin für die angewandte Vorschrift geltend gemachte Ungleichbehandlung und der Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) werde zwar in der Literatur diskutiert, betreffe jedoch auch dort nur Sachverhalte, bei denen Versicherte ebenfalls unfreiwillig
- beispielsweise aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung - arbeitslos geworden seien. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen,
dass sich aus dem Versicherungsverlauf keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die Klägerin vor ihrer Kündigung
längere Zeit arbeitsunfähig gewesen wäre.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 09.09.2015 mit Telefax-Schreiben Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Sie hat weiterhin geltend gemacht, dass in ihrem Fall keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung vorgelegen habe und sie deshalb
zu Unrecht die Beitragszeiten aus der Zahlung von Arbeitslosengeld I in der Zeit von Oktober 2012 bis September 2014 nicht
auf die Wartezeit angerechnet bekommen habe. Für Arbeitslose, die nicht während ihrer langen Erwerbsbiografie die Versicherungsleistung
Arbeitslosengeld I bezogen hätten, sondern vor Eintritt in die Rente, finde eine Ungleichbehandlung statt, die nicht begründet
sei. Mit Ausnahme einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung sei es vom Einzelnen nicht steuerbar, ob eine Pflichtbeitragszeit
Arbeitslosengeld I während einer langjährigen Beschäftigungsbiografie entstehe oder an deren Ende. Beide Male habe der Arbeitslose
die Entgeltersatzleistung selbst finanziert und beide Male handele es sich um eine Pflichtbeitragszeit, für die Beiträge abgeführt
worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.07.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung
des Bescheides vom 10.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2015 ab 01.10.2014 eine Altersrente für
besonders langjährig Versicherte zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.07.2015 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht Nürnberg hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch
auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte hat.
In der erstinstanzlichen Entscheidung nicht problematisiert worden ist, dass die Klägerin seit Oktober 2014 eine Altersrente
für Frauen erhält. Insofern hätte ein Ausschlussgrund nach §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI vorliegen können, wonach ein Wechsel in eine andere Rente wegen Alters nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters
oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente ausgeschlossen ist. Dadurch dass hier die Bewilligung der einen Altersrente
(für Frauen) und das Versagen der anderen (für besonders langjährig Versicherte) in einem gemeinsamen Bescheid erfolgt ist
und dieser angefochten und Gegenstand des hier anhängigen Berufungsrechtsstreits ist, liegt eine bindende Bewilligung bisher
eindeutig (noch) nicht vor.
Zwar würde auch bereits die Erfüllung der zweiten Alternative als Ausschlussgrund genügen und der Bezug einer Altersrente
für Frauen besteht seit Oktober 2014. Dies ist im Übrigen auch unabhängig von der Frage einer tatsächlichen Zahlung (Text
und Erläuterungen zum
SGB VI, Hrsg. DRV Bund, 17. Aufl. 2013, §
34, 4.1). Ebenso kommt es nicht darauf an, ob eine Rente Abschläge hat und die andere nicht. Eine denkbare Lesart der Norm dahingehend,
dass nur eine Abänderung für die Vergangenheit ausgeschlossen wäre, ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Bezugs d.h. für die
Zukunft, der Wechsel aber offen wäre, würde klar dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Dagegen ist es im vorliegenden Fall bedeutsam,
dass ein solcher Wechsel dann nicht ausgeschlossen ist, wenn die andere Rente vor oder zumindest zum gleichen Zeitpunkt wie
die gewährte beginnen würde (Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand 12/2016, §
34 SGB VI, Rn 52; Text und Erläuterungen a.a.O.). Der Senat sieht wegen des im vorliegenden Fall möglichen gleichzeitigen Beginns den
Wechsel nicht als ausgeschlossen an.
Die Klägerin hat unstreitig ab Rentenbeginn die Voraussetzungen für eine Altersrente für Frauen erfüllt und diese Rente ist
auch zutreffend - unter Berücksichtigung von Abschlägen für einen vorzeitigen Beginn - der Höhe nach berechnet worden. Eine
abschlagsfreie Rentenzahlung ab Oktober 2014 ist im Fall der Klägerin - d.h. unter den dort bestehenden Faktoren - nicht möglich.
Eine Rentenzahlung ohne Abschläge wäre zwar bei einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte möglich, jedoch erfüllt
die Klägerin nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelungen die Voraussetzungen hierfür nicht.
Nach §
236 b SGB VI, der ab 01.07.2014 in Kraft getreten ist und damit auf den von der Klägerin gewünschten Rentenbeginn anzuwenden ist, haben
Versicherte, die vor dem 01. Januar 1964 geboren sind, Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn
sie 1. das 63. Lebensjahr vollendet und 2. die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben.
Die Klägerin hat zum 27.07.2014 und damit vor dem beantragten Rentenbeginn das 63. Lebensjahr vollendet und ist auch deutlich
vor dem 01.01.1964 geboren.
Die Beklagte ist jedoch zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass die Klägerin die Wartezeit von 45 Jahren nach der insoweit
klaren gesetzlichen Regelung nicht erfüllt hat.
Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden nach §
51 Abs.
3a SGB VI Kalendermonate angerechnet - mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, - mit Berücksichtigungszeiten,
- mit Zeiten des Bezugs von Leistungen bei Krankheit und von Übergangsgeld. Unter besonderen Einschränkungen werden weiter
- Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (§
51 Abs.
3 a Satz 1 Nr.
3 a SGB VI) und - Kalendermonate mit freiwilligen Beiträgen angerechnet. Dabei werden gemäß §
51 Abs.
3a Satz 1 Nr.
3 2. Halbs.
SGB VI Zeiten nach Nr. 3 Buchst. a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von
Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers
bedingt.
Die Beklagte hat zutreffend ermittelt, dass die Klägerin 525 Monate aufzuweisen hat, die von dieser Vorschrift erfasst sind.
Die Klägerin hat in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn Pflichtbeitragszeiten aufgrund von Leistungen der Agentur für
Arbeit aufzuweisen gehabt. Die Arbeitslosigkeit der Klägerin war dabei weder auf eine Insolvenz, noch eine vollständige Geschäftsaufgabe
des Arbeitgebers zurückzuführen gewesen. Deshalb bleiben nach der gesetzlichen Bestimmung die Pflichtbeiträge für die Zeit
vom 01.10.2012 bis 30.09.2014 für die Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren unberücksichtigt.
Der Senat ist auch nicht zum Ergebnis gekommen, dass die gesetzliche Regelung des §
51 Abs.
3a SGB VI insgesamt verfassungswidrig ist oder im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung zumindest die Rückausnahmegründe erweitert
werden müssten. Der Senat schließt sich insofern der Argumentation des LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 21.06.2016
(Az. L 9 R 695/16 - nach [...]) an.
Ein Verstoß gegen Art.
14 GG ist nicht gegeben: Die Klägerin erhält aus den im Rahmen des Bezuges von Entgeltersatzleistungen abgeführten Beiträgen eine
Gegenleistung, weil diese Zeiten bei der Berechnung der Rentenhöhe ohne Einschränkung berücksichtigt werden.
Der Senat sieht auch nicht auf Grund von Art.
3 GG ein anderes Ergebnis als geboten an. Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz ist wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches
ungleich zu behandeln. Dabei werden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Unterschiede von solcher
Art und solchem Gewicht verlangt, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen.
Der Fall der Klägerin mit einem von ihr veranlassten - wenn auch aus ihrer Sicht begründeten und schuldlos herbeigeführten
- Verlust des Arbeitsplatzes und dem damit ausgelösten Eintritt von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ist nicht weitgehend
vergleichbar mit einem unabänderlichen generellen Wegfall des Arbeitsplatzes. Insofern stellt sich die Frage einer erweiternden
verfassungskonformen Auslegung des §
51 Abs.
3a SGB VI allenfalls für zwar nicht explizit genannte Fälle neben Insolvenz und vollständiger Geschäftsaufgabe, die ebenfalls den generellen
Wegfall des Arbeitsplatzes ohne jede - auch nur theoretische - Umsetzungsmöglichkeit betreffen (vgl. insoweit die im anhängigen
Revisionsverfahren BSG B 5 R 8/16 R, zuvor LSG Niedersachsen, L 2 R 517/15, thematisierte Problematik der Kündigung zur Abwendung einer Insolvenz). Die beiden Ausnahmetatbestände betreffen Fälle,
in denen der Ausscheidungsgrund vom Arbeitnehmer nicht beeinflusst werden kann, und stellen objektiv zwingende Umstände dar,
bei denen keinerlei Handlungsspielraum seitens des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers besteht, da sämtliche Arbeitsverhältnisse
aufgelöst werden. Ein derartiger Fall liegt hier klar nicht vor. Im Fall der Klägerin wäre etwa durch Maßnahmen einer zeitweisen
Verkürzung des Arbeitsweges - etwa durch Zweitwohnung oder Dienstwohnung - jederzeit eine Fortsetzung der Erwerbstätigkeit
denkbar gewesen. Eine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung gegenüber der Personengruppe, die das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
nicht beeinflussen kann, kann somit nicht erkannt werden.
Art.
3 GG ist daneben aber auch im Hinblick auf die Frage des zeitlichen Rahmens für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Bedeutung.
Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerseite, dass es ohne Belang zu bleiben hat, wann im Erwerbsleben Zeiten der
Arbeitslosigkeit auftreten, d.h. dass entweder generell die Beiträge aus Leistungen für Arbeitslosigkeit bei der Berechnung
der Wartezeit zu berücksichtigen sind oder eben generell nicht, wenn man sie als nachrangig gegenüber Pflichtbeiträgen aus
Beschäftigung einordnet. Der Gesetzgeber durfte aus Sicht des Senates eine Zeit vor dem zu erwartenden und tatsächlich erfolgten
Rentenbeginn festlegen, in denen dieser bevorstehende Rentenbeginn bei der Frage des Umgangs mit der weiteren Gestaltung des
Erwerbslebens eine besondere Bedeutung gewinnt.
Zutreffend hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass durch die Nichtberücksichtigung der Zeiten des Bezuges von
Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn Fehlanreize zu einer dem Renteneintritt
vorgeschalteten Arbeitslosigkeit bzw. eine verkappte Frühverrentung vermieden werden sollen (BT-Drs. 18/1489 S. 26). Die getroffene
gesetzliche Regelung ist dafür geeignet und angemessen. Der betroffene Arbeitnehmer wird dazu angehalten, alles von seiner
Seite Mögliche zu tun, dass kein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vor dem vorgesehenen Rentenbeginn erfolgt.
Zwar ist die Annahme eines Zeitraums von zwei Jahren nicht zwingend: Es hätte durchaus auch ein etwas kürzerer oder geringfügig
längerer Zeitraum gewählt werden können. Der Zeitraum ist hinsichtlich der Länge jedoch durchaus stimmig: ein deutlich längerer
hätte zu viele Unwägbarkeiten bis zu Renteneintritt offen gelassen, ein deutlich kürzerer wäre von seinem Wirkzweck - dem
Verhindern von missbräuchlicher Herbeiführung von Arbeitslosigkeit - zu schwach. Insofern wohnt der jetzt getroffenen Festlegung
nur soviel Willkürlichkeit inne, wie sie mit jeder Festlegung eines Stichtages zwangsläufig verbunden ist.
Hinzu kommt, dass die Schaffung einer Altersrente für besonders langjährige Versicherte, die einen abschlagsfreien Altersrentenbezug
schon zu einem früheren Zeitpunkt als nach der bisherigen Gesetzeslage ermöglicht, eine Besserstellung einführt, für die ein
weiter gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum gilt (vgl. z.B. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 09.11.2011, Az. 1 BvR 1853/11 - nach [...]). Dieser ist gerichtlich nicht überprüfbar, solange es sich um eine vertretbare und nachvollziehbare Regelung
handelt. Verfassungsrechtlich nicht geboten ist die Schaffung der besten Regelung oder der Regelung mit der höchsten Einzelfallgerechtigkeit.
Entgegen der Ansicht der Klägerin setzt die hier geschaffene Regelung auch nicht unmittelbar an der Feststellung eines Rechtsmissbrauchs
oder einer inakzeptablen Motivation an, weil dies im Zuge einer Massenverwaltung gar nicht mit der notwendigen Klarheit feststellbar
wäre. Auch dies ist eine bei der Schaffung einer gesetzlichen Regelung zulässige Überlegung des Gesetzgebers.
Nach alledem sieht der Senat keinen Anlass dafür, dass die Regelung des §
236 b SGB VI im Fall der Klägerin unter Anwendung eines vom klaren Gesetzeswortlaut abweichenden Inhalts des §
51 Abs.
3a Satz 1 Nr.
3 2. Halbs.
SGB VI zur Anwendung zu kommen hätte. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte abschlagsfreie Altersrente.
Dementsprechend sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.07.2015 nicht
zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 u. 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.