Kostenübernahme für ein Gutachten nach § 109 SGG; wesentliche Förderung der Sachaufklärung; Anhaltspunkte für den Eintritt einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit
Gründe:
I. Streitig ist die Übernahme der Kosten des gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingeholten Gutachtens von Dr.R. auf die Staatskasse.
Mit seiner gegen den Bescheid vom 19.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2007 zum Sozialgericht Würzburg
erhobenen Klage hat der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Gemäß §
106 SGG hat die Internistin, Kardiologin und Sozialmedizinerin Dr.H. ein Gutachten erstattet. Der Kläger könne auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden tätig sein. Auf Antrag des Klägers hat Dr.R. (Fachärztin für Arbeitsmedizin und Innere
Medizin) am 28.01.2008 den Kläger begutachtet und das Gutachten auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 27.02.2008 ergänzt.
Der Kläger könne nur noch weniger als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Eine Minderung der Gehstrecke
sei eingetreten. Die abweichende Beurteilung gegenüber den Vorgutachtern beruhe auf den Angaben des Klägers, auf der während
der Untersuchung festgestellten Schwäche und Gefühlsstörung im linken Bein sowie auf einer quantitativen Vermessung in der
neuroimmunologischen Ambulanz der Universität W ... Zudem hat auf Antrag des Klägers der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie,
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr.K. am 06.11.2008 ein Gutachten erstattet. Er hält ebenfalls lediglich eine
Tätigkeit von weniger als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für zumutbar. Eine Verschlechterung sei eingetreten.
Daraufhin schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass der Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung auf
Dauer am 28.01.2008 (Datum der Untersuchung bei Dr.R.) eingetreten sei und der Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
ab 01.02.2008 erhalte.
Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Begutachtungen durch Dr.R. und Dr.K. hat das SG mit Beschluss vom 23.01.2009 hinsichtlich des Gutachtens von Dr.K. stattgegeben (Punkt I. des Beschlusses), hinsichtlich
der Begutachtung durch Dr.R. jedoch abgelehnt (Punkt II und III. des Beschlusses). Das Gutachten von Dr.R. habe keine neuen
Erkenntnisse erbracht, es habe lediglich die objektiven Untersuchungsergebnisse der Vorgutachten bestätigt und sei allein
wegen der klägerischen Angaben zu einem abweichenden Ergebnis gelangt.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Dr.K. habe eine Leistungsfähigkeit von weniger
als 6 Stunden täglich ab dem 28.01.2008 angenommen, er habe sich somit auf das Gutachten von Dr.R. bezogen. Damit hätten die
Ausführungen von Dr.R. für die Entscheidungsfindung Bedeutung gehabt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172,
173 SGG) ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist in Punkt II. und III. aufzuheben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.R. sind auf die Staatskasse zu übernehmen, der
gezahlte Kostenvorschuss ist zu erstatten.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach §
109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" im Sinne des §
109 Abs
1 Satz 2 Halbs 2
SGG ist in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten in beträchtlichem Umfang beweiserheblich ist. Dies ist insbesondere
dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhaltes
wesentlich beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreits in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat. Über die endgültige
Kostentragung entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (Beschluss des Senates vom 24.04.2007 - L 20 B 82/07 R - mwN).
Vorliegend ist allein die Übernahme der Kosten des Gutachtens von Dr.R. und die Erstattung des vom Kläger geleisteten Kostenvorschusses
streitig (Punkt II. und III. des Beschlusses). Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme liegen vor. Dr.R. hat spätestens
auf Nachfrage des Gerichts eine Verschlechterung der Leistungsfähigkeit beschrieben. Dabei hat sie sich auf die Angaben des
Klägers gestützt, aber auch den Untersuchungsbefund sowie die Messung in der neuroimmunologischen Ambulanz der Universitätsklinik
Würzburg zum Beleg herangezogen. Somit stützt sie sich nicht allein auf die Angaben des Klägers.
Auch der gemäß §
109 SGG gehörte Sachverständige Dr.K. bezieht sich in seinem Gutachten auf die Untersuchung durch Dr.R ... Er gibt an, dass zu diesem
Zeitpunkt eine Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit des Klägers eingetreten sei.
Dies hat auch die Beklagte überzeugt, so dass die Beteiligten einen Vergleich mit Annahme eines Leistungsfalles am 28.01.2008
geschlossen haben. Nach alledem ist davon auszugehen, dass das Gutachten von Dr.R. zwar keine neuen medizinischen Gesichtspunkte
aufgezeigt, jedoch Anhaltspunkte für den Eintritt einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Klägers gebracht hat und
die Erledigung des Rechtsstreites insofern wesentlich gefördert hat, als ein Vergleich unter Berücksichtigung des Zeitpunktes
ihrer Untersuchung geschlossen worden ist.
Der Beschluss des SG, der auf diese Gesichtspunkte nicht eingeht, ist daher aufzuheben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.R. sind auf die Staatskasse
zu übernehmen. Der geleistete Kostenvorschuss ist zu erstatten.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).