SGB-II-Leistungen
Bedarfsgemeinschaft
Leistungsausschluss
Tatbestand:
Die 1987 geborene Klägerin zu 1. und ihre 2012 geborene Tochter, die Klägerin zu 2., wenden sich gegen die Ablehnung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den 1986 geborenen, im gegenständlichen Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 ebenfalls im Haushalt lebenden Lebenspartner
bzw. Vater der Klägerin zu 2., M B(B). Dieser besuchte in jener Zeit ein Studium an einer privaten, staatlich nicht anerkannten
Ausbildungsstätte, der S GmbH B.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerinnen und des B bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 2013 den Klägerinnen
für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie anteilige Bedarfe für Unterkunft
und Heizung. Den hiergegen anwaltlich erhobenen Widerspruch der "Bedarfsgemeinschaft", mit dem Leistungen auch für den B beansprucht
wurden, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2013 zurück mit der Begründung, den Klägerinnen seien die
ihnen nach dem SGB II zustehenden Leistungen bewilligt worden, so dass sie nicht beschwert seien. Herr B sei als Mitglied der Haushaltsgemeinschaft
insofern berücksichtigt worden, als den Klägerinnen die Regelleistung für Partner sowie anteilige Kosten der Unterkunft und
Heizung unter Berücksichtigung von drei Personen gewährt worden seien. Er selbst sei als Student von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Mit ihrer Klage machen die Klägerinnen geltend, B sei ebenfalls leistungsberechtigt. Aufgrund der rechtswidrigen Versagung
von Grundsicherungsleistungen müssten fehlende Beträge aus den Mitteln der Klägerinnen gedeckt werden.
Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage, die unzulässig sei, mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2015 abgewiesen. Die Klägerinnen seien nicht berechtigt,
Leistungen nach dem SGB II für B einzuklagen, da es sich hierbei um individuelle Ansprüche handle, die von dem jeweiligen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft
selbst im Klagewege geltend zu machen seien. Angesichts der anwaltlichen Klageerhebung könnte B auch nicht nach den Grundsätzen
der Meistbegünstigung ins Verfahren einbezogen werden. Dass die Leistungsbewilligung den Klägerinnen gegenüber fehlerhaft
sein könnte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Mit ihrer Berufung machen die Klägerinnen geltend, sie würden mit B eine
Bedarfsgemeinschaft bilden. Der Beklagte habe die Zulässigkeit ihres Widerspruchs festgestellt, nichts anderes dürfe für die
Klage gelten. Alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft seien durch die Ablehnung von Leistungen für B beschwert. Im Übrigen
hätte das SG die Klage entsprechend unter Einbeziehung des B auslegen müssen.
Die Klägerinnen beantragen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2015 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 10. Juni
2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2013 zu ändern und Herrn Malte Baumbach für den Zeitraum vom
1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2013 ebenfalls Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die
Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Über die zulässige Berufung der Klägerinnen, hinsichtlich derer die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern
zur Entscheidung berufen war, nachdem der Rechtsstreit gemäß §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entsprechend übertragen worden ist, konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden
(§§
126,
110 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten
vom 10. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2013, mit dem es der Beklagte - neben der nicht
angefochtenen Leistungsbewilligung zugunsten der Klägerinnen - abgelehnt hatte, auch B Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
für den Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2013 zu bewilligen. Der Senat nimmt zur weiteren Begründung und zur Vermeidung
von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (vgl. §
153 Abs.
2 SGG).
Lediglich ergänzend weist der Senat unter Bezugnahme auf das Berufungsvorbringen - wie bereits das SG - darauf hin, dass den Klägerinnen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen. Sie sind
nicht berechtigt, Grundsicherungsleistungen für B nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum zu fordern. Denn es handelt sich hierbei um Individualansprüche, so dass ein einzelnes
Mitglied oder einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht mit einer eigenen Klage Ansprüche für andere Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft aus eigenem Recht verfolgen können (stRspr., vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - juris Rn. 11f.; BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 32/06 R - juris Rn. 30; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 9. August 2013 - L 2 AS 1040/13 NZB - juris Rn. 7; LSG Thüringen, Urteil vom 18. Juli 2012 - L 4 AS 1619/10 - juris).
Zwar kann eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB II - anders als es im angefochtenen Widerspruchsbescheid heißt - auch im Falle des Eingreifens eines Leistungsausschlusses nach
§ 7 Abs. 5 SGB II bestehen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 40/15 R - juris Rn. 22 m.w.N.). Eine rechtliche Betroffenheit der Klägerinnen folgt daraus, dass sie und B im gegenständlichen
Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3b) SGB II gebildet haben dürften, indes ebenso wenig. Denn - anders als offenbar die Klägerinnen meinen - kann die rechtlich nicht
näher ausgestaltete Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen nicht zulässig als Gesamtanspruch gerichtlich verfolgen.
Insofern ist der Klageantrag zwar unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Klägers so auszulegen
(§
123 SGG), dass dessen Begehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt (vgl. nur BSG, Urteil vom 27. September 2011 - B 4 AS 160/10 R - juris Rn. 14 m.w.N.). Die jeweiligen Kläger des Verfahrens müssen sich aber der konkreten Klageschrift entnehmen lassen
(vgl. §
92 Abs.
1 Satz 1
SGG), mit der hier eindeutig allein die Klägerinnen benannt wurden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht (mehr) aus der Rechtsprechung
des BSG mit Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - a.a.O. Rn. 11), mit dem das BSG zwar ausgeführt hat, dass die Grundsätze des Meistbegünstigungsprinzips "im Hinblick auf die vorliegenden rechtlichen Besonderheiten
einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. SGB II und die daraus resultierenden tatsächlichen Ungereimtheiten des Verwaltungs- und prozessualen Verfahrens (...) auch für die
Auslegung herangezogen werden, welche Personen überhaupt Klage erhoben haben." Diese Erweiterung des Meistbegünstigungsprinzips
auch auf die Bestimmung der Kläger hat das BSG aber auf eine Übergangszeit bis zum 30. Juni 2007 (Antragszeitpunkt) beschränkt, die hier bereits mit Klageerhebung vor dem
SG im November 2013 längst verstrichen war.
Soweit mit der Berufung auch die Klägerinnen höhere Leistungen für sich selbst begehren sollten, wäre eine hierin liegende
Klageänderung (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
99 Abs.
1 SGG) unzulässig, da es insofern an den allgemeinen Prozessvoraussetzungen fehlen würde: Der angefochtene Widerspruchsbescheid
ist mangels entsprechender, fristgerechter Klage ihnen gegenüber bestandskräftig (§
87 SGG). Selbiges würde für einen etwaigen Parteiwechsel in Bezug auf B gelten.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.
Die Entscheidung über die den Klägerinnen nach wiederholtem Hinweis über die Rechtsmissbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung
durch die Vorsitzende - zuletzt mit der Terminsladung - auferlegten Verschuldenskosten in Höhe der Pauschgebühr (vgl. §
184 Abs.
2 SGG) von 225 EUR beruht auf §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2, Sätze 2 und 3
SGG und berücksichtigt, dass vorliegend das Fortführen des Berufungsverfahrens nur auf eine erhebliche Uneinsichtigkeit zurückgeführt
werden kann, zumal auch schon das SG mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend auf das fehlende Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen für gegenüber B
abgelehnte Leistungen hingewiesen hat.