Sozialhilfe - Einstweiliger Rechtsschutz; Beschwerde; Wert des Beschwerdegegenstandes; Streitgenossenschaft; subjektive Klagenhäufung
Gründe:
Die Beschwerden, mit denen die Antragstellerinnen noch Ansprüche auf den einmaligen Bedarf für die Erstausstattung eines Kindes
und auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende verfolgen, sind zulässig. Im Besonderen sind sie statthaft. Der Ausschlussgrund
nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) liegt für keine der Antragstellerinnen vor. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder
Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,-- € nicht übersteigt. Das gilt gemäß §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG (nur dann) nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Die Antragstellerin zu 2) kann aus eigenem Recht nur den einmaligen Bedarf für ihre Erstausstattung als Anspruch geltend machen
(§ 31 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch [SGB XII] i.V. mit §
2 Abs.
1 und
3 Asylbewerberleistungsgesetz [AsylbLG]; zur Zuordnung dieses Bedarfs zum Kind siehe Bundessozialgericht, Urteil vom 23. März 2010 - Aktenzeichen B 14 AS 81/08 R -, in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 4-4200 §
20 Nr.
8). Ihre Beschwerde kann deshalb nicht nach §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG statthaft sein.
Der Mehrbedarf für Alleinerziehende (§ 30 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII i.V. mit §
2 Abs.
1 AsylbLG) kann aus eigenem Recht wiederum nur der Antragstellerin zu 1) zustehen, hier als laufende Hilfe. Unter welchen Voraussetzungen
der Streit um laufende Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem
AsylbLG (einschließlich der sogenannten "Analogleistungen nach §
2 AsylbLG i.V. mit dem SGB XII) die Statthaftigkeit einer Berufung nach §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG begründen kann, muss nicht erörtert werden. Selbst wenn das Rechtsmittel der Antragstellerin zu 1) nicht auf dieser Rechtsgrundlage
statthaft wäre, so ergibt sich dessen Statthaftigkeit ebenso wie das der Antragstellerin zu 2) aus §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG.
Die Antragstellerinnen haben ihr Rechtsschutzanliegen gemeinsam anhängig gemacht, wodurch eine Streitgenossenschaft in entsprechender
Anwendung des §
74 SGG i.V. mit §
59 Zivilprozessordnung (
ZPO) entstanden ist. In diesem Fall besteht der Wert des Beschwerdegegenstandes bei Einlegung von Rechtsmitteln durch mehrere
Streitgenossen jedenfalls dann in der Summe der (noch geltend gemachten) Ansprüche, wenn diese Ansprüche - wie hier - wirtschaftlich
nicht identisch sind (s. in diesem Zusammenhang etwa Bundessozialgericht, Urteile vom 13. Juli 2008 - B 1 KR 33/02 R -, in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 4-2500 § 13 Nr. 3 und - zur sogenannten objektiven Klagenhäufung - vom 5.
Februar 1998 - B 11 AL 19/97 R -, SozR 3-4100 § 65 Nr. 3).
Die Antragstellerin zu 1) ist durch den angefochtenen Beschluss jedenfalls insoweit beschwert, als eine Verpflichtung des
Antragsgegners zur Gewährung der geltend gemachten Leistung für den Zeitraum ab Eingang des Rechtsschutzantrags beim Sozialgericht
(6. Januar 2016) bis zur Beschlussfassung versagt worden ist, also für annähernd drei Monate. Der Mehrbedarf nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII beträgt im Kalenderjahr 2016 für ein zu betreuendes Kind unter sieben Jahren monatlich 36 % aus 404,-- €, entsprechend 436,32
€ für drei Monate. Der von der Antragstellerin zu 2) geltend gemachte einmalige Bedarf für eine Erstausstattung würde nach
den Berliner Ausführungsvorschriften über die Umsetzung der Parallelvorschriften aus dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende
(Rundschreiben Nr. 5/2011 der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales) einem Betrag von 311,-- € entsprechen. Hinzu kommen
noch jeweils 100,-- € für einen Kinderwagen (gebraucht) mit Matratze (neu) und ein Kinderbett (gebraucht) mit Matratze (neu)
sowie 15,- € für einen Hochstuhl, insgesamt also 526,-- €. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt angesichts dessen
den Schwellenwert von 750,-- €.
Die Beschwerden sind jedoch unbegründet.
Ob bezüglich der Antragstellerin zu 1) der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2015 zum Aktenzeichen S 184
AY 403/15 ER einer erneuten Entscheidung über ihr Anliegen entgegensteht, kann dahingestellt bleiben. Für eine Verpflichtung
des Antragsgegners fehlt es jedenfalls an einem "Anordnungsanspruch". Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin
zu 1) die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf für Alleinerziehende erfüllt. Allein erzieht diejenige, die ohne Hilfe Dritter
die Pflege und Erziehung des Kindes leisten muss. Alleinerziehung liegt im Regelfall unter anderem dann nicht vor, wenn der
andere Elternteil mit im Haushalt lebt. Keine Bedeutung hat, ob der andere Elternteil sich tatsächlich um das Kind kümmert
(siehe etwa Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 30 Randnummern 30ff).
Dem Vortrag der Antragstellerin zu 1) ist nicht zu entnehmen, dass Herr V (oder V) A (oder Al oder A), geboren 1986, nicht
mehr mit ihr in einer Wohnung lebt. Soweit dem Vortrag der Antragstellerin zu 1) zu entnehmen ist, dass Herr A nicht Vater
der Antragstellerin zu 2) ist, widerspricht das dagegen den Angaben, die sie gegenüber verschiedenen Stellen mehrfach gemacht
hat (am 16. Juni 2015 bei der Immanuel Beratung Wedding: "Frau A A wohnt nicht mehr bei ihrer Mutter, sondern kommt bei ihrem
Ehemann Herrn A V, geboren 1986, unter .... Am 24.05. kam die Tochter von Frau A und Herrn V zur Welt ..."; am 26. August
2015 vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in Gegenwart einer Sprachmittlerin: "Der Vater des Kindes ist Asylbewerber.
Sie wohnen zusammen in einer Wohnung" - bei dieser Gelegenheit war eine Aufenthaltsgestattung für Herrn V A vorgelegt worden;
am 16. Juni 2015 hatte der Amtsvormund der Antragstellerin zu 2) beim Bezirksamt Mitte von Berlin Herrn V A außerdem Vollmacht
erteilt, unter anderem "die Erstausstattung für S zu beantragen und in Empfang zu nehmen"). Jedenfalls vor diesem Hintergrund
ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin zu 1) alleinerziehend ist. Ob Herr A der "Ehemann" oder der
"Lebensgefährte" der Antragstellerin zu 1) ist, hat keine Bedeutung.
Betreffend den Bedarf "Erstausstattung" kann dahingestellt bleiben, ob eine Leistung möglicherweise bereits erbracht worden
ist (den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass die Mutter der Antragstellerin zu 1), welche die Leistungen für die bei der
Geburt der Antragstellerin zu 2) noch minderjährige Antragstellerin zu 1) in Empfang genommen hat, auch Leistungen für die
bereits geborene Antragstellerin zu 2) in Empfang genommen haben könnte). Dahingestellt bleiben kann auch, ob eine "Erstausstattung"
aus Anlass der Geburt mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur Geburt überhaupt noch nachgeholt werden kann (der durch Wachstum
und Verschleiß entstehende Bekleidungsbedarf ist z.B. regelmäßig mit der Regelleistung zu decken, Bundessozialgericht, Urteil
vom 23. März 2010 - Aktenzeichen B 14 AS 81/08 R -, SozR 4-4200 § 20 Nr. 8). Für eine Verpflichtung des Beklagten fehlt es jedenfalls an einem "Anordnungsgrund", wie das
Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Insoweit wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§
177 SGG).