Anspruch auf Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung; Minderung der Erwerbsfähigkeit durch eine posttraumatische
Belastungsstörung; Anwendung international anerkannter Diagnosesysteme
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Verletztenteilrente.
Die 1951 geborene Klägerin war als Krankenschwester in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des A-Krankenhauses
B tätig, als sie am 17. April 2003 gegen 18.30 Uhr von einer Patientin tätlich angegriffen wurde. Der Hergang ist in der Unfallanzeige
vom 22. Mai 2003 wie folgt beschrieben: "Pat. wurde von der Toilette zurück ins Bett begleitet, als sie plötzlich das Pflegepersonal
tätlich angriff und auf das Personal eingeschlagen hat. Durch Festhalten wurde versucht die Schläge zu unterbinden, wobei
die Patientin sich wehrte, weiter um sich schlug und mich an der Schulter verletzte." Am Folgetag gegen 16.00 Uhr begab sich
die Klägerin zu dem Chirurgen, Unfallchirurgen und Durchgangsarzt Dr. S, der nach Auswertung eines Röntgenbildes eine Schulterzerrung
links diagnostizierte; im diesbezüglichen Bericht vom 24. Juni 2003 ist ferner festgehalten, dass die Klägerin seit mehreren
Wochen wiederholt Schmerzen in der linken Schulter gehabt habe. Die Beklagte holte ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse
der Klägerin, der BKK Berlin, ein, aus welchem sich u. a. frühere Diagnosen einer Cervicozephalgie und Radikulopathie ergaben.
Am 20. Mai 2003 wurde eine Kernspintomografie des linken Schultergelenkes durchgeführt mit dem Ergebnis: Diffuses entzündliches
Ödem DD Hämatom in der Umgebung der Supraspinatussehne. Geringe Auftreibung der Sehne und Verdacht auf kleine umschriebene
Partialläsion. Subacromiales Impingement vorwiegend im posterioren Anteil. Da die Klägerin nach nur vorübergehender Besserung
über fortdauernde Beschwerden im Bereich der linken Schulter klagte, wurde im M-Krankenhaus am 29. September 2003 eine Schulterarthrographie
links durchgeführt, die keinen Anhalt für eine Rotatorenmanschettenverletzung, jedoch eine erhebliche Schrumpfung der Gelenkkapsel
ergab. Am 25. November 2003 teilten Prof. Dr. H/Dr. H, M-Krankenhaus, der Beklagten mit, dass sich der klinische Befund erheblich
gebessert habe, insgesamt bestehe jetzt ein gutes Ergebnis. Die Arbeitsunfähigkeit könne in zeitlich absehbarem Rahmen (zirka
zwei Wochen) beendet werden.
Nachdem eine daraufhin durchgeführte betriebliche Belastungserprobung fehlgeschlagen war, holte die Beklagte ein Gutachten
des Arztes für Unfall- und Gefäßchirurgie Dr. K vom 19. März 2004 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der von ihm auf seinem
Fachgebiet erhobene Befund schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter, geringe Kraftminderung des linken Oberarmes
bei degenerativen Veränderungen des linken Schultergelenkes und radikulärer Symptomatik der Halswirbelsäule (HWS) nicht auf
das Ereignis vom 17. April 2003 zurückzuführen sei. Das Ereignis habe sich auch nicht etwa verschlimmernd auf Vorschäden ausgewirkt.
Die Beschwerden seien auf eine Insertionstendinose der Supraspinatussehne mit Signalcyste zurückzuführen. Die Klägerin habe
ihm gegenüber zwar angegeben, noch nie vor dem Arbeitsunfall wegen der Schulter in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein.
Eine telefonische Rückfrage bei der Hausärztin der Klägerin, Frau F, habe jedoch ergeben, dass sich die Klägerin bereits am
03. April 2003 wegen anhaltender Schulterbeschwerden links mit Kribbelparästhesien im linken Arm bei ihr vorgestellt habe,
zum damaligen Zeitpunkt habe eine Einschränkung der Beweglichkeit der linken Schulter auf 90 Grad Abduktion und 90 Grad Elevation
bestanden. Die Hausärztin habe die Klägerin damals an einen Orthopäden überwiesen, zu dem sie sich jedoch nicht begeben habe.
Die Bewegungseinschränkungen, die Dr. S zum Zeitpunkt des Unfallereignisses festgestellt habe, seien identisch mit dem Befund,
der unfallunabhängig am 03. April 2003 von Frau F erhoben worden sei, was gegen eine Beeinflussung der Vorerkrankung durch
das Unfallereignis spreche. Ferner hätten MRT-Untersuchungen, die vier Wochen nach dem Unfallereignis und jetzt anlässlich
seiner Zusammenhangsbegutachtung (MRT-Befund vom 24. Februar 2004 durchgeführt worden seien, keinen Anhalt für eine traumatisch
bedingte Verletzung ergeben. Aus den anamnestischen Angaben der Klägerin ergebe sich eine deutliche psychosoziale Belastungssituation,
da ihr Ehemann seit vier Jahren ohne Arbeit sei, sich drei Kinder in der Endphase der schulischen Ausbildung befänden und
erhebliche Schwierigkeiten mit einem Sohn bestünden.
Die Beklagte beendete daraufhin am 22. März 2004 die Behandlung zu ihren Lasten sowie die Gewährung von Verletztengeld und
lehnte durch Bescheid vom 06. April 2004 die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab, da die Erwerbsfähigkeit
der Klägerin nicht um wenigstens 20 v. H. gemindert sei. Der Arbeitsunfall habe lediglich zu einer ausgeheilten Schulterzerrung
links geführt.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin, mit dem diese erneut ausführte, vor dem Arbeitsunfall völlig beschwerdefrei
gewesen zu sein, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2004 zurück, da objektive Funktionseinschränkungen
als Unfallfolge nicht feststellbar seien. Weiter ist ausgeführt, dass die Klägerin entgegen ihren Angaben vor dem Unfall auch
nicht beschwerdefrei gewesen sei, vielmehr seien bereits im ersten Durchgangsarztbericht vom 24. Juni 2003 seit Wochen bestehende
Schmerzen in der linken Schulter dokumentiert, dies habe auch die behandelnde Hausärztin F bestätigt. Auch habe die Klägerin
ein direktes Verdrehtrauma des linken Armes gegenüber Dr. K bei dessen Begutachtung nicht vorgetragen.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2005 abgewiesen. Auf der
Grundlage der von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen sei davon auszugehen, dass die Klägerin am 17. April 2003 allenfalls
eine Zerrung im Bereich der linken Schulter erlitten habe, was nicht geeignet sei, anhaltende Beschwerden und funktionelle
Beeinträchtigungen seitens des betroffenen Schultergelenkes zu verursachen. Ursache der anhaltenden Beschwerden seien nach
allen vorliegenden medizinischen Unterlagen eindeutig degenerative Veränderungen im Sinne eines Impingementsyndroms (Funktionsbeeinträchtigung
des Schultergelenks durch chronische Überlastung) mit Veränderungen im Bereich der Supraspinatussehne, Verwachsungen im Subacromialraum
und hypertrophe Synovialzotten im vorderen Gelenkanteil. Für eine traumatische Genese dieser Veränderungen gäbe es keine Anhaltspunkte.
Ferner habe die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen bereits vor dem 17. April 2003 erhebliche Schulterbeschwerden gehabt. Soweit
die Klägerin zuletzt eine psychische Erkrankung geltend gemacht habe, sei dies u. a. aufgrund des zeitlichen Abstandes der
Aufnahme der nervenärztlichen Behandlung zum streitgegenständlichen Ereignis und aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin
das Überfallereignis selbst im Widerspruchsverfahren nicht als besonders traumatisierend beschrieben habe, nicht nachvollziehbar.
Gegen diesen ihr am 21. September 2005 zugegangenen Gerichtsbescheid richtet sich die am 20. Oktober 2005 eingegangene Berufung
der Klägerin. Die Klägerin trägt vor, dass ihr seitens des Rentenversicherungsträgers nunmehr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
bewilligt worden sei. Weiter verweist die Klägerin auf die Einschätzung des sie behandelnden Arztes für Psychiatrie T, der
u. a. mit Attest vom 12. April 2005 eine ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung bestätigte, sowie das Ergebnis des
Gutachtens des von ihr nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) benannten Dr. B, der ebenfalls eine posttraumatische Belastungsstörung und erhebliche fortbestehende Unfallfolgen festgestellt
habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 06. April 2004 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen
des Unfalles vom 17. April 2003 eine Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H.
zu gewähren.
Hilfsweise beantragt die Klägerin,
1. Akteneinsicht in die beigezogene Rentenakte der ehemaligen BfA,
2. eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. T B zu den medizinischen Ausführungen in dem Schriftsatz der Beklagten
vom 26. Januar 2009 einzuholen,
3. gemäß §
109 SGG eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. T B zu den medizinischen Ausführungen in dem Schriftsatz der Beklagten
vom 26. Januar 2009 einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen des Dr. K sowie die des im Berufungsverfahren gehörten Prof. Dr. G.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts zunächst die Hausärztin der Klägerin, die Praktische Ärztin F, befragt, die
mit einem am 28. April 2006 eingegangenen Schreiben mitteilte, dass die Klägerin bei ihr erstmals am 29. April 1996 wegen
Beschwerden im linken Arm bzw. einer Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk behandelt worden sei, die Bewegung sei
schmerzhaft eingeschränkt, die Behandlung erfolge durch laufende Physiotherapie und Analgetika. Ferner hat das Gericht den
behandelnden Arzt für Psychiatrie T befragt, der mit Schreiben vom 06. November 2006 mitteilte, dass sich die Klägerin bei
ihm seit April 2004 in nervenärztlicher Behandlung befinde. Bei Beginn der Behandlung hätten sich alle Symptome einer schweren
Depression gezeigt, später sei deutlich geworden, dass sich das depressive Syndrom nach dem Unfall und in Zusammenhang damit
entwickelt habe. Er stelle die Diagnose einer ausgeprägten posttraumatischen Belastungsstörung. Das Gericht hat ferner die
Akten der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beigezogen, in denen neben dem Entlassungsbericht der S Kliniken
GmbH über eine Behandlung der Klägerin vom 29. September bis 10. November 2004 auch ein Gutachten des Arztes für Neurologie
und Psychiatrie Dr. T vom 17. Februar 2006 enthalten ist.
Das Gericht hat ferner ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G vom 24. April 2007 eingeholt. Dieser
kam zu dem Ergebnis, dass als Folge des Unfallereignisses vom 17. April 2003 lediglich eine kurzzeitige akute traumatische
Belastungsreaktion annehmbar sei. Für eine posttraumatische Belastungsstörung auf der Basis der Zehnten Revision der internationalen
statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO (International Classification of Diseases
- ICD-10) ergebe sich kein Anhalt. Fortbestehende Unfallfolgen seien seit 23. März 2004 nicht annehmbar. Die Beurteilung des
Herrn T sei nicht in Übereinstimmung mit den Grundlagen des ICD-10 zu bringen. Diese enthalte klare Definitionen bezüglich
einer akuten Belastungsreaktion und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Eine akute Belastungsreaktion sei eine vorübergehende
Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder
psychische Belastung entwickle und die im Allgemeinen innerhalb von Stunden und Tagen abklinge. Eine posttraumatische Belastungsstörung
entstehe als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer
Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen
würde. Der Beginn folge dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern könne. Eine derartige außergewöhnliche
Bedrohung oder ein Erlebnis von katastrophenartigem Ausmaß habe bei der Klägerin nicht vorgelegen, diesbezüglich vermisse
er auch eine Begründung in den Ausführungen von Herrn T und Dr. T. Der Angriff einer Patientin, auch wenn er mit einer körperlichen
Verletzung verbunden sei, sei in diesem Ausmaß nicht begründet herbeiziehbar. Die Klägerin habe infolge des Angriffes einen
Schock erlitten. Angst um ihr eigenes Leben habe sie nach eigenen Angaben dabei jedoch nicht gehabt. Allein aus einer Symptomatologie
eine diagnostische Schlussfolgerung herbeiführen zu wollen, sei nicht möglich. Zusammenfassend bestehe bei der Klägerin eine
depressiv-neurotische Fehlentwicklung, welche sich offensichtlich an eine akute traumatische Belastungsreaktion angeschlossen
habe.
Auf Antrag der Klägerin nach §
109 SGG hat das Gericht ferner ein Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Psychoanalyse Dr. B
vom 02. Dezember 2008 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass als Folge des Unfallereignisses vom 17. April 2003 bei der
Klägerin eine schwere posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10 F 43.1 bestehe, die durch das Unfallereignis erstmalig
entstanden sei. Andere Ursachen könnten für diese Störung nicht angeführt werden; der nicht erhebliche gesundheitliche Vorschaden
(Schulter-Nacken-Beschwerden) spiele ursächlich für das Krankheitsbild keine Rolle. Angesichts der doch vorhandenen Sprachschwierigkeiten,
kultureller Besonderheiten, der ausgesprochen retentiven Grundhaltung sowie der offensichtlichen Neigung zur Idealisierung
sei es ausgesprochen schwierig, aus der biografischen Anamnese eine Persönlichkeitsdiagnostik bzw. Strukturbesonderheiten
abzuleiten, dies sei vorliegend aber auch nicht von sehr großer Bedeutung. Vor dem Unfall sei es für die Klägerin weder in
ihrer Familie noch bei ihrer Arbeit zu ernsthaften Problemen gekommen. Nach dem Unfall hätten die heftigen Schulterschmerzen
der Klägerin im Vordergrund gestanden, die zu einer umfangreichen somatischen Diagnostik geführt hätten, was jedoch keinen
wesentlichen somatisch-pathologischen Befund erbracht habe. Dies müsse man als ausgesprochenes Somatisierungsstörungsgeschehen
deuten. Das Hauptkrankheitsbild sei ohne Zweifel eine posttraumatische Belastungsstörung. Die Auffassung von Prof. Dr. G könne
er in wesentlichen Punkten nicht teilen. Die Rubrik "Jetzige Beschwerden" sei kursorisch und total verkürzt abgehandelt worden.
Zur Frage, wie schwerwiegend ein Trauma gewertet werden könne, sei wichtig auch die Bedeutung, die die Betroffenen dem Ereignis
beimäßen; die subjektive Wahrnehmung des Ereignisses enthalte neben objektiven Charakteristika einen wichtigen Stellenwert
in der Bewertung eines Ereignisses als Trauma. Die Klägerin habe ihre Hilflosigkeit und die Unmöglichkeit, das Geschehen zu
kontrollieren, als besonders bedrohlich empfunden. Auch der folgende Suizidversuch der Patientin sei nun wirklich kein alltägliches
Ereignis gewesen. Zum Beginn der Störung bzw. zur Dauer der Latenzzeit könne im Fall der Klägerin keine sichere Aussage gemacht
werden. Es sei allerdings eher die Regel als die Ausnahme, dass eine psychosomatische Krankheit anfangs Monate bis Jahre unter
der Annahme einer somatischen Störung behandelt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst
Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide und der erstinstanzliche Gerichtsbescheid sind
rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenteilrente aufgrund von Folgen des Unfalles
vom 17. April 2003.
Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, die u. a. nach §
56 Abs.
1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII) als Verletztenrente erbracht werden, setzen voraus, dass Schäden, die zu einer Erwerbsminderung geführt haben, "infolge"
eines Versicherungsfalls entstanden sind. Gesundheitsstörungen infolge eines versicherten Ereignisses können nur dann anerkannt
werden, wenn sie mit Wahrscheinlichkeit zumindest ihre wesentliche Teilursache in dem versicherten Unfallereignis haben. Eine
solche hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 19, 52; 32, 203, 209; 45, 285, 287) liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang
sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden.
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss und dass es keine Beweisregel
gibt, wonach bei fehlender Alternativursache die naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache
ist (BSG SozR Nr. 41 zu §
128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542
RVO a. F.; BSGE 19, 52, 56; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67).
Bei der Klägerin liegen fortbestehende Schäden, die ihre Ursache in dem von ihr am 17. April 2003 erlittenen Unfall haben,
jedenfalls seit dem Zeitpunkt der Leistungseinstellung durch die Beklagte zum 22. März 2004 nicht mehr vor. Bei der Klägerin
bestand infolge des Unfalles zunächst einmal eine Schulterzerrung links, die im genannten Zeitpunkt der Einstellung des Verletztengeldes
folgenlos ausgeheilt war. Insoweit schließt sich auch der erkennende Senat den Ausführungen des Dr. K in dessen Gutachten
vom 19. März 2004 an. Dieser kam nach einer Untersuchung der Klägerin und Auswertung von zwei MRTs, von denen eines zeitnah
zum Unfall und eines von ihm im Rahmen seiner Begutachtung angefertigt worden waren, zu dem Ergebnis, dass Unfallfolgen nicht
mehr fortbestanden. Insbesondere ist auch während des Berufungsverfahrens durch die behandelnde Hausärztin der Klägerin F
gegenüber dem Gericht schriftlich bestätigt worden, dass sich die Klägerin - entgegen ihren anders lautenden Angaben - bereits
vor dem Unfall wegen Beschwerden im Schulterbereich bei ihr in fortlaufender Behandlung befunden hat. Dr. K war insoweit von
einer Anfang April 2003 begonnenen Behandlung ausgegangen; mit dem am 28. April 2006 bei Gericht eingegangenen Schreiben hat
die Ärztin diesbezügliche Beschwerden der Klägerin und Behandlungen sogar bereits für die Zeit seit 1996 bestätigt. Da sich
nach Dr. K die vor dem Unfall durch Frau F und die nach dem Unfall durch die Behandler erhobenen Befunde für den Schulterbereich
nicht unterschieden, kam der Gutachter nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass Unfallfolgen diesbezüglich nicht feststellbar
seien. Das Gericht folgt diesen überzeugenden Feststellungen des Gutachters Dr. K, Anhaltspunkte für unfallbedingte Schäden
im Schulterbereich bestehen nicht.
Auch die bei der Klägerin festgestellten Einschränkungen auf psychiatrischem Gebiet sind nicht auf den Unfall vom 17. April
2003 zurückzuführen. Dieser Unfall hat nur zu einer akuten traumatischen Belastungsreaktion geführt, an welche sich eine depressiv-neurotische
Fehlentwicklung angeschlossen hat; diese ist jedoch nicht mehr ursächlich auf den Unfall zurückzuführen. Dies hat der vom
Gericht bestellte Gutachter Prof. Dr. G in seinem Gutachten vom 24. April 2007 festgestellt, dessen Feststellungen schließt
sich das Gericht an. Das Gutachten ist insgesamt überzeugend und nachvollziehbar. Allein die Einschätzung des Prof. Dr. G
ist mit den Vorgaben der ICD-10 zur posttraumatischen Belastungsstörung in Übereinstimmung zu bringen. An diese Vorgaben ist
das Gericht jedoch gebunden. Denn zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist immer eine exakte Diagnose
der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (ICD-10, DSM IV) erforderlich (BSG, Urteile vom 09.
Mai 2006, Aktenzeichen B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, und B 2 U 40/05 R, zitiert nach juris.de). Die posttraumatische Belastungsstörung ist in der ICD-10, F 43.1 ausdrücklich definiert als verzögerte
oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher
Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Dieses Kriterium
muss zunächst einmal erfüllt sein, um die festgestellten psychischen Reaktionen als posttraumatische Belastungsstörung bezeichnen
zu können. Ein Kausalzusammenhang zwischen einem Arbeitsunfall und einer seelischen Krankheit kann danach nur bejaht werden,
wenn nach dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand ein Unfallereignis der in Rede stehenden Art überhaupt geeignet ist,
die betreffende Störung hervorzurufen, wobei die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung eine bestimmte Schwere des
Unfallereignisses bereits voraussetzt (BSG, B 2 U 1/05 R, aaO.).
Eine Situation "mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung
hervorrufen würde" hat die Klägerin am 17. April 2003 nicht annähernd erlebt. Vielmehr handelte es sich hier lediglich um
eine körperliche Auseinandersetzung mit einer Patientin, die nicht bewaffnet war, zudem war die Klägerin bei diesem Ereignis
nicht allein, sondern eine zweite Pflegeperson, die von allen Gutachtern und Behandlern als männliche Person und lediglich
von Dr. B als zweite weibliche Pflegeperson bezeichnet wurde, stand ihr zur Seite, weitere Hilfe konnte geholt werden. Nachvollziehbar
ist, dass die Klägerin - wie Prof. Dr. G wiederholt ausgeführt hat - durch dieses Ereignis einen Schock erlitten hat. Angst
um ihr Leben hat die Klägerin nach ausdrücklichen Angaben hierbei jedoch nicht gehabt. Auch der in der Folgezeit wohl stattgefundene
Selbstmordversuch der Patientin ist von ihr nicht persönlich erlebt worden, hiervon hat sie lediglich später erfahren. Dieses
Ereignis ist, wie Prof. Dr. G zu Recht ausgeführt hat, nicht geeignet, als belastendes Ereignis im Sinne des so genannten
A-Kriteriums der F 43.1 der ICD-10 angesehen zu werden. Auch wenn ein derartiges Erlebnis nachhaltig beeindruckend sein mag,
so ist es jedoch kein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß und es würde auch keineswegs
bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen.
Der entgegenstehenden Einschätzung des Dr. B konnte nicht gefolgt werden. Dr. B kam zu einer anderen Bewertung des Ereignisses,
weil nach seiner Auffassung die subjektive Wahrnehmung des Ereignisses einen wichtigen Stellenwert in der Bewertung eines
Ereignisses als Trauma erhalten solle. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die posttraumatische Belastungsstörung
(PTBS) ist in der ICD-10 dahin beschrieben, dass das belastende Ereignis primärer oder ausschlaggebender Kausalfaktor ist;
weiter ist in der Einleitung zu den unter F 43.- beschriebenen verschiedenen Belastungsstörungen ausgeführt, dass sich die
Störungen dieses Abschnittes nicht nur aufgrund der Symptomatologie und des Verlaufs, sondern auch durch die Angabe der ursächlichen
Faktoren unterscheiden. Diese Unterscheidung würde aufgegeben, wenn man mit der Auffassung des Dr. B maßgebend auf die Symptome
abstellte und für die ursächlichen Faktoren die subjektive Bewertung durch die Betroffenen ausreichen ließe. Einer derartigen
Interpretation steht letztlich auch der Wortlaut der ICD-10 entgegen, denn hiernach sollen für die Annahme einer PTBS nur
Ereignisse maßgebend sein, die "bei fast jedem" eine tiefe Verzweiflung hervorrufen, hierdurch wird ein Abstellen auf die
subjektive Bewertung des einzelnen Betroffenen ausgeschlossen. Für eine Erweiterung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut besteht
kein Anlass. Denn das Erfordernis, psychische Unfallfolgen immer nach international anerkannten Diagnosemanualen zu bewerten,
dient dem erklärten Ziel, derartige Diskrepanzen in der gutachterlichen Bewertung auszuschließen und eine Gleichbehandlung
der Versicherten herbeizuführen. Aus demselben Grund kam es entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht darauf an, ob
in der wissenschaftlichen Literatur entgegenstehende Auffassungen vertreten werden. Denn das BSG hat gerade auch wegen "möglicher
Schulenstreite" die anerkannten Diagnosesysteme für verbindlich erklärt (BSG, aaO.).
Die Auffassung der Klägerin, dass die Voraussetzungen der Definition des amerikanischen Diagnosemanuals DSM-IV (Diagnostisches
und Statistisches Manual Psychischer Störungen, erfüllt seien, kann nicht geteilt werden. Auch die hier enthaltenen diagnostischen
Kriterien setzen für die posttraumatische Belastungsstörung ein Ereignis voraus, das den tatsächlichen oder drohenden Tod
oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person beeinhaltete (zitiert nach
Saß u. a., 2. Aufl. 1998, S. 491 zu Nr. 309.81) und damit ein Ereignis mit einem objektiv gegebenen erheblichen Schweregrad.
Ein solches Ereignis hat am 17. April 2003 nicht stattgefunden. Ein Angriff durch eine einzelne, nicht bewaffnete Person,
der mehrere andere präsente, ihrerseits körperlich nicht eingeschränkte und tatsächlich hilfsbereite Personen gegenüberstanden,
und bei denen auch nicht etwa fraglich war, ob sie einander behilflich sein würden, wie dies bei einander unbekannten Menschen
möglich wäre, ist regelmäßig nicht mit der Gefahr ernsthafter Verletzungen verbunden. Gegenüber Prof. Dr. G hatte die Klägerin
dementsprechend auch ausdrücklich angegeben, Angst um ihr eigenes Leben nicht gehabt zu haben. Dem Gutachter Dr. T hatte die
Klägerin nach dessen Ausführungen in dem Gutachten vom 17. Februar 2006 ferner berichtet, die Verletzungen zunächst nicht
ernst genommen zu haben, was angesichts des Umstandes, dass tatsächlich die erlittenen Verletzungen auch nur sehr geringfügig
waren, nachvollziehbar ist.
Auch die übrigen Einwände gegen das Gutachten des Prof. Dr. G überzeugten nicht. Da dieser bereits das erforderliche so genannte
A-Kriterium eines objektiv ganz erheblichen Ereignisses von katastrophenartigem Ausmaß zu Recht nicht bejaht hat, kam es auf
den Umfang und das Ausmaß der geschilderten Symptome nicht an, so dass die diesbezüglichen Einwände des Dr. B fehlgehen. Ein
Rückschluss aus den Symptomen auf das stattgefundene Ereignis ist, wie Prof. Dr. G zu Recht ausgeführt hat, nicht zulässig.
Da eine posttraumatische Belastungsstörung, die allein zu immer noch andauernden Beschwerden führen könnte, damit nicht vorlag,
kam es letztlich auch nicht darauf an, ob andere Ursachen als wesentliche Ursachen für die Beschwerden der Klägerin in Betracht
kamen. Denn eine akute Belastungsreaktion, wie sie nach Prof. Dr. G bestanden hat, führt nur zu vorübergehenden Beeinträchtigungen,
die nach Prof. Dr. G in längstens vier Wochen abklingen; sie kommt als Ursache der andauernden Beschwerden daher nicht in
Betracht.
Da nach allem eine PTBS nicht feststellbar ist, konnte auch den entgegenstehenden Einschätzungen der Ärzte T, Dr. T und der
Ärzte der S Kliniken GmbH, auf welche die Klägerin verweist, nicht gefolgt werden. Den diesbezüglichen ärztlichen Einschätzungen
fehlt es im Übrigen an einer nachvollziehbaren und mit den genannten Vorgaben der Diagnosemanuale kompatiblen Begründung ihrer
Einschätzungen; die Ärzte der Reha-Klinik sind zudem fehlerhafter Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin bei dem Angriff
"erhebliche" Verletzungen erlitten habe, was aus den ausgeführten Gründen nicht der Fall war.
Abgesehen davon fehlt es für die Nachvollziehbarkeit der Feststellungen des Dr. B auch an einer Auseinandersetzung mit sonstigen
in Betracht kommenden Ursachen für die bei der Klägerin gefundene Symptomatik. Derartige Feststellungen sind jedoch erforderlich,
sofern die Wesentlichkeit der Verursachung durch ein Unfallereignis bejaht werden soll; nur aufgrund einer solchen abwägenden
Betrachtung könnte letztlich entschieden werden, dass und weshalb das Unfallereignis die gefundene Störung wesentlich verursacht
hat. Eine Auseinandersetzung mit etwaigen Persönlichkeitsstörungen der Klägerin erfolgte jedoch nicht, diesbezüglich teilte
Dr. B mit, dass ihm eine Persönlichkeitsdiagnostik angesichts der vorhandenen Sprachschwierigkeiten, kultureller Besonderheiten,
der retentiven Grundhaltung und der Neigung der Klägerin zur Idealisierung nicht möglich gewesen sei. Derartige Schwierigkeiten
machen eine Prüfung der Frage, ob und weshalb ein ausgesprochen geringfügiges Unfallereignis überhaupt als wesentliche Ursache
für die erhebliche Symptomatik in Betracht kommen soll, jedoch keineswegs entbehrlich. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin
gegenüber Dr. K nicht unerhebliche familiäre Probleme mit ihrem Sohn und aufgrund der Arbeitslosigkeit ihres Mannes berichtet
hatte, die in der Vergangenheit bereits zu einer psychotherapeutischen Betreuung geführt hatten. Dies alles hielt Dr. B ohne
weitere Begründung nicht für relevant, was jedoch nicht hinnehmbar ist. Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 26. Januar
2009 ausführlich mit weiteren Widersprüchlichkeiten im Gutachten des Dr. B auseinandergesetzt. Diese Einwände teilt das Gericht
und nimmt auf den Schriftsatz Bezug. So hat sich Dr. B mit widersprüchlichen Angaben der Klägerin nicht auseinandergesetzt,
er hat auch die Frage nicht beantwortet, wie angesichts des Umstandes, dass ein Erstschaden längst nicht mehr vorgelegen hat,
ein derart gravierender Folgeschaden entstehen soll.
Den Hilfsanträgen der Klägerin war nicht stattzugeben. Der Antrag auf Akteneinsicht in die beigezogene Rentenakte hätte während
des fast vier Jahre dauernden Berufungsverfahrens und nicht erst am Tag der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen.
Zunächst einmal war davon auszugehen, dass der Inhalt der Rentenakte den Bevollmächtigten der Klägerin bekannt war. Denn diese
hatten bereits mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2005 die Beiziehung dieser Akten beantragt, weil sich in den Rentenakten qualifizierte
ärztliche Aussagen zur PTBS befänden, ohne dass dies im Konjunktiv formuliert worden wäre. Jedenfalls sind die Bevollmächtigten
der Klägerin mit gerichtlichem Schreiben vom 19. Mai 2006 über die Beiziehung der Rentenakten informiert worden, weiter wurde
ihnen der Schriftsatz der Beklagten vom 23. Juni 2006 mit Ausführungen zu den beigezogenen Unterlagen der Rentenversicherung
am 30. Juni 2006 zur Stellungnahme übersandt. Letztlich ist im Gutachten des Prof. Dr. G auf Seite 2 ausgeführt, dass die
Akten der BfA, jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund, vorlagen. Damit bestand Kenntnis von der Beiziehung der Akten, eine
Belehrung der anwaltlich vertretenen Klägerin über das Recht auf Akteneinsicht war nicht erforderlich. Den weiteren Anträgen
auf Einholung einer Rückäußerung des Dr. B brauchte ebenfalls nicht stattgegeben zu werden, da es hierfür an einer Rechtsgrundlage
fehlt, zumal der Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts hinreichend aufgeklärt ist.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG bestanden nicht.