Statusfeststellungsverfahren in der Sozialversicherung; Zuständigkeit der Rentenversicherung und der Einzugsstelle; Wahlmöglichkeit
der Beteiligten
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) im Zeitraum 1. September
2001 bis 31. Dezember 2005 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.
Der im Jahre 1972 geborene Beigeladene zu 1) erwarb im Oktober 2001 den akademischen Grad eines Betriebswirts. Seit dem 1.
September 2001 ist er in leitender Funktion bei der Beigeladenen zu 2) tätig. Die Beigeladene zu 2) ist ein seit 1960 im Bereich
der Zerspanungstechnik tätiges mittelständisches Familienunternehmen. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) basierte seit dem
1. September 2001 auf einem mündlich geschlossenen Arbeitsvertrag. Mit Eintritt des Beigeladenen zu 1) in den Familienbetrieb
und bis zum 21. Dezember 2005 hielt seine Mutter, Frau G H, 100 Prozent der Geschäftsanteile; zugleich fungierte sie als alleinige
Geschäftsführerin. Von September 2001 bis Dezember 2005 wurden für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen
zu 2) Sozialversicherungsbeiträge abgeführt; sein Einkommen wurde als Betriebsausgabe verbucht; es wurde Lohnsteuer entrichtet.
Seit dem 22. Dezember 2005 ist der Beigeladene zu 1) mit 40 Prozent der Geschäftsanteile an der Beigeladenen zu 2) beteiligt;
durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 22. Dezember 2005 wurde er zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Der bis
dahin geltende mündlich geschlossene Arbeitsvertrag vom 1. September 2001 wurde im gegenseitigen Einvernehmen mit Wirkung
vom 1. April 2006 in vollem Umfang aufgehoben und durch einen Geschäftsführervertrag vom 27. März 2006 ersetzt.
Am 27. Januar 2006 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner
Tätigkeit als Gesellschafter/Geschäftsführer der Beigeladenen zu 2) für die Zeit ab dem 2. Januar 2006. In dem zu diesem Zwecke
ausgefüllten Feststellungsbogen gab er u. a. an, in der Zeit vom 1. September 2001 bis zum 31. Dezember 2005 bei der Beigeladenen
zu 2) im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit für allgemeine Verwaltung und Vertrieb zuständig gewesen zu sein.
Die Beklagte gab den Vorgang daraufhin zuständigkeitshalber an die Klägerin ab. Diese entschied mit Bescheid vom 10. Mai 2006,
dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Gesellschafter/Geschäftsführer seit dem 02.01.2006 selbständig ausübe. Eine
abhängige Beschäftigung liege nicht vor.
Mit Schreiben an die Klägerin vom 20. Juli 2006 beantragte der Beigeladene zu 1) daraufhin auch festzustellen, dass er seine
Tätigkeit in der Zeit vom 01. September 2001 bis zum 31. Dezember 2005 ebenfalls im Rahmen einer nicht sozialversicherungspflichtigen
Selbständigkeit ausgeübt habe. Stets habe er zusammen mit seiner Mutter die Verantwortung für das Unternehmen getragen. Es
handele sich um eine Familien-GmbH, in der die Interessen aller Familienmitglieder gleichgerichtet seien. Das Unternehmen
sei gleichberechtigt von Mutter und Sohn geführt worden.
Mit Bescheid vom 4. September 2006 erklärte die Klägerin sich insoweit für unzuständig; für die sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses im abgelaufenen Zeitraum sei die Zuständigkeit der Beklagten gegeben. Mit Schreiben
vom 10. Oktober 2006 beantragte der Beigeladene zu 1) auf dieser Grundlage erneut und nunmehr bei der Beklagten festzustellen,
dass er in der Zeit vom 1. September 2001 bis zum 31. Dezember 2005 nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe.
Im diesbezüglich eingereichten Feststellungsbogen gab er u. a. an, ca. 50 Stunden wöchentlich bei einem festen Bruttoarbeitsentgelt
von ca. 3.300,00 Euro tätig gewesen zu sein. Seine Tätigkeit habe Mitarbeit und Mitgestaltung bei allen operativen und strategischen
betriebswirtschaftlichen Fragen umfasst, z. B. Kosten und Investitionsrechnungen, Marketing, Kundenbetreuung, Personal und
Einkauf. Er sei wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert gewesen. Ohne seine Mitarbeit hätte eine andere
Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Sein Urlaubsanspruch habe 30 Tage pro Jahr betragen. Bei Arbeitsunfähigkeit sei das
Arbeitsentgelt für 6 Wochen fortgezahlt worden. Weihnachts- und Urlaubsgeld seien gezahlt worden, zudem verfüge er über einen
Dienstfahrzeug.
In einem Schreiben vom 14. November 2006 teilte die Beklagte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg mit, dass
sie beabsichtige, festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) im Zeitraum 1. September
2001 bis zum 31. Dezember 2005 nicht sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Beigefügt waren entsprechende, auf den 15.
November 2006 datierte, gleichlautende Bescheide an den Beigeladenen zu 1) und die Beigeladene zu 2). Sofern man bis zum 30.
November 2006 keine Rückmeldung erhalte, gehe man davon aus, dass dieser Beurteilung zugestimmt werde. Sodann werde man den
Beigeladenen die beigefügten Bescheide zukommen lassen.
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg hierauf nicht geantwortet hatte, übersandte die Beklagte den Beigeladenen
die Bescheide vom 15. November 2006 am 11. Dezember 2006.
Hierauf beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Erstattung der im streitigen Zeitraum abgeführten Sozialversicherungsbeiträge.
Die Beklagte nahm eine Erstattung sämtlicher seit dem 1. Januar 2002 gezahlter Sozialversicherungsbeiträge vor und leitete
den Erstattungsantrag im Übrigen mit Schreiben vom 9. Januar 2007 an die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg weiter,
damit diese über die bereits verjährte Erstattungsforderung (September bis Dezember 2001) entscheide. Mit Schreiben vom 20.
Februar 2007 wandte diese sich an die Beklagte und gab ihrer Überzeugung Ausdruck, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen
Zeitraum bis Ende 2005 sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Erst danach hätten sich die gesellschaftsrechtlichen
Verhältnisse mit der Übernahme eines Kapitalanteils von 40 Prozent entscheidend verändert. Die Beklagte werde daher aufgefordert,
den Bescheid vom 11. Dezember 2006 wieder zurückzunehmen.
Die Beklagte äußerte sich hierzu nicht weiter. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg gab die Sache zuständigkeitshalber
an die Klägerin ab, wo der Vorgang am 27. März 2007 einging.
Mit ihrer am 11. Juni 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin die Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 15. November/11.
Dezember 2006 sowie die Feststellung, dass der Beigeladene zu 1) während seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) vom 1.
September 2001 bis zum 31. Dezember 2005 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag. Zur Begründung
hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die überwiegenden Anhaltspunkte sprächen für eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit
des Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum. Vor Übernahme der Geschäftsanteile habe der Beigeladene zu 1) noch kein echtes
Unternehmerrisiko getragen. Ein durch familiäre Bindungen modifiziertes Weisungsrecht des Betriebsinhabers - der Mutter des
Beigeladenen zu 1) - habe bis Ende 2005 bestanden. So habe der Beigeladene zu 1) bis Dezember 2005 nicht einmal als Geschäftsführer
der GmbH fungiert. Für das Vorliegen seiner abhängigen Beschäftigung spreche nicht zuletzt, dass Lohnsteuern entrichtet worden
seien und man die Vergütung als Betriebsausgabe verbucht habe.
Mit Urteil vom 22. Dezember 2010 hat das Sozialgericht Berlin der Klage stattgegeben, die Bescheide der Beklagten an die Beigeladenen
zu 1) und zu 2) vom Dezember 2006, datiert auf den 15. November 2006, hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung aufgehoben
und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) während seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) vom 1. September 2001 bis
zum 31. Dezember 2005 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen habe. Zur Begründung hat
das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Trotz des Fehlens eines schriftlichen Dienst- oder Arbeitsvertrages für den
maßgeblichen Zeitraum sei die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmertätigkeit zu charakterisieren. Er sei hinsichtlich
seines Aufgabengebietes in die arbeitsteilige Betriebsstruktur eingegliedert gewesen. Dies habe er im Fragebogen auch so angegeben.
Ihm sei ein monatlich feststehendes Entgelt gewährt worden, das von seiner Höhe für seine Lebensführung wesentlich gewesen
sei. Es sei unabhängig von der Ertragslage des Betriebes gezahlt und auch bei Krankheit für 6 Wochen weiter erbracht worden.
Auch die übrigen Fürsorge- und Gratifikationsleistungen sprächen deutlich für eine Stellung des Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmer.
Bestätigt werde dies in der buchhalterischen und steuerlichen Behandlung der Vergütung durch die Beigeladenen. Durchweg seien
Sozialversicherungsbeiträge bis Dezember 2005 abgeführt worden. Lohnsteuer sei entrichtet, die Bezüge seien als Betriebsausgaben
verbucht worden. Zu Beginn des Jahres 2006 (Feststellungsbogen vom 27. Januar 2006) habe der Beigeladene zu 1) selbst für
die Zeit vor 2006 seine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung bezeichnet. Schließlich sei der Beigeladene zu 1) weder Gesellschafter
noch Geschäftsführer gewesen. Einzelanweisungen an sich hätte er nicht verhindern können. Ein Unternehmerrisiko habe er nicht
getragen. Betriebsmittel habe er nicht in das Unternehmen eingebracht. Das Ausüben einer leitenden Tätigkeit stehe alldem
nicht entgegen. Befugnisse des Beigeladenen zu 1) seien über die eines typischen leitenden Angestellten nicht hinausgegangen.
Auch familiäre Einbindung und Rücksichtnahme ändere an dieser Bewertung nichts.
Gegen dieses ihnen am 4. Januar 2011 zugestellte Urteil haben die Beigeladenen am 3. Februar 2011 Berufung eingelegt. Die
vom Sozialgericht vorgenommene Beurteilung sei fehlerhaft. Ganz entscheidend sei nämlich, dass die Mitarbeit des Beigeladenen
zu 1) aufgrund familiärer Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt gewesen sei
und der Beigeladene zu 1) bei der Führung des Betriebes mitgewirkt habe. Zu berücksichtigen seien die Grundsätze der Familiengesellschaft.
In keiner Weise habe er einem Weisungsrecht unterlegen. Der Beigeladene zu 1) habe eigenverantwortlich Entscheidungen im Bereich
Personalwesen und betrieblicher Investitionen getroffen. Außerdem habe er die EDV-Abteilung geleitet. Um die Hauptkunden habe
er sich gekümmert. Er verfüge über herausragende Sachkunde und einschlägige Branchenkenntnis. Auch im Bereich des Rechnungswesens
bzw. Controllings, der Ermittlung von Stundensätzen, der Kostenkontrolle, der Kosten- und Leistungsrechnung, ferner im Bereich
des Liquiditätsmanagements habe er eine herausragende Rolle gespielt. Nachdem der Onkel des Beigeladenen zu 1), Herr R J unmittelbar
vor der hier streitigen Zeit aus der damaligen Gesellschaft herausgegangen und mit erheblichen Beträgen abgefunden worden
sei, habe die Mutter des Beigeladenen zu 1) 100 Prozent der Geschäftsanteile übernommen und als geschäftsführende Alleingesellschafterin
fungiert. Bis 2010 habe auch noch der Vater des Beigeladenen zu 1), W H, als angestellter Betriebsleiter mitgearbeitet. Der
Beigeladene zu 1) sei unmittelbar nach seinem Hochschulabschluss in die Firma eingestiegen. Er habe bereits seit seinem 15.
Lebensjahr regelmäßig in Produktion und Verwaltung mitgearbeitet. Im Jahre 2001 habe es die familiäre Abmachung gegeben, dass
man die Firma fortführen wolle und dies nur möglich sei, wenn der Sohn aufgrund seiner überragenden Kenntnisse im Betrieb
verbleibe. Von Anfang an habe man geplant, den Beigeladenen zu 1) nach etwa fünf Jahren an den Geschäftsanteilen zu beteiligen,
nämlich wenn die Anfangsschwierigkeiten nach dem Ausscheiden des Onkels überwunden seien. So hätte für den Beigeladenen zu
1) schon im Jahre 2001 die Erwartung bestanden, nach Ablauf von fünf Jahren Kapitalanteile zu erhalten. Schon in der Zeit
davor habe er wie ein Unternehmer und Kapitaleigener mitgearbeitet. Er habe Investitionen veranlasst, Verträge ausgehandelt
und Entscheidungen selbst getroffen, freilich nach Einbeziehung der Gesellschafterin, seiner Mutter.
Die Beigeladenen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2010 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Maßgebend sei, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum
keine Beteiligung am Unternehmen besessen habe und auch nicht als Geschäftsführer fungiert habe. Sein Tätigkeitsfeld habe
sich auf kaufmännische Aufgaben beschränkt. Die hohe Spezialisierung des Beigeladenen zu 1) spreche nicht gegen eine abhängige
Beschäftigung.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie bleibt bei ihrer Auffassung, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im streitigen
Zeitraum als selbständig anzusehen sei.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt des Verwaltungsvorganges und der
Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beigeladenen hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin der Klage stattgegeben und
den streitigen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Der Beigeladene zu 1) unterlag im streitigen Zeitraum September 2001 bis
Dezember 2005 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß §
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Bezug auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe; sie sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte vollständig.
Zu ergänzen bleibt lediglich:
1. Zutreffend hat das Sozialgericht angenommen, die Klage sei fristwahrend, nämlich unter Beachtung der Jahresfrist aus §
66 Abs.
2 Satz 1
SGG, erhoben. Das Sozialgericht bewegt sich insoweit im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil vom
23. Januar 2013, L 9 KR 113/10, unveröffentlicht, sowie Urteil vom 15. Februar 2012, L 9 KR 332/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22 - 27). Gleichzeitig war der Senat nicht gehalten, seine ständige Rechtsprechung neu zu
überdenken bzw. den Rechtsstreit zu vertagen, weil der 12. Senat des Bundessozialgerichts offenbar am 3. Juli 2013 zur Sache
B 12 KR 8/11 R ohne mündliche Verhandlung ein Urteil gefasst hat, das die Beurteilung der Fristproblematik in Fällen wie dem vorliegenden
gegebenenfalls in anderes Licht taucht. Denn dieses Urteil ist bislang nicht abgefasst, damit weder den Beteiligten bekannt,
noch gar veröffentlicht.
2. Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten für die vom Beigeladenen zu 1) begehrte Entscheidung zum Bestehen bzw. Nichtbestehen
von Rentenversicherungspflicht in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) war gegeben. Der Beigeladene zu 1) hatte nämlich
mit seinem Schreiben vom 10. Oktober 2006 eine Entscheidung der Beklagten als Einzugsstelle gemäß §
28h Abs.
2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (
SGB IV) beantragt. Danach entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe u.a. in der Rentenversicherung.
Die DRV Bund (die hiesige Klägerin) entscheidet dagegen nach §
7a Abs.
1 SGB IV in der seit dem 1. Oktober 2005 geltenden und damit anwendbaren Fassung (Art. 5 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Organisationsreform
in der gesetzlichen Rentenversicherung [RVOrgG] vom 9. Dezember 2004, BGBl. I 3242)abweichend von §
28h Abs.
2 SGB IV auf schriftlichen Antrag eines Beteiligten über die Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung, es sei denn, die Einzugsstelle
oder ein anderer Versicherungsträger hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung
eingeleitet (Satz 1 und Satz 3). §
7a SGB IV eröffnet damit ebenfalls den Weg zu einer umfassenden Prüfung des Vorliegens von Versicherungspflicht durch die DRV Bund,
die gleichwertig neben der Prüfung durch die Einzugsstelle gemäß §
28h Abs.
2 SGB IV steht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. nur Urteil vom 28. September 2011, B 12 KR 15/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22). Somit steht den Beteiligten, d.h. Arbeit- bzw. Auftragnehmer einerseits und Arbeit-
bzw. Auftraggeber andererseits, ein Wahlrecht zu, ob sie den versicherungsrechtlichen Status durch die für den Arbeit-/Auftragnehmer
zuständige Einzugsstelle oder durch die DRV Bund klären lassen wollen. Macht ein Beteiligter von seinem Wahlrecht Gebrauch,
ist der Sozialversicherungsträger, bei dem der erste Antrag eingeht, hieran gebunden. Nur in den in §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV geregelten Fälle, in denen die Einzugsstelle einen entsprechenden Antrag bei der DRV Bund zu stellen hat, besteht ein solches
Wahlrecht nicht.
Vor diesem Hintergrund war es zwar unrichtig, dass die Klägerin, an die der Beigeladene zu 1) sich wegen der Klärung seines
sozialversicherungsrechtlichen Status mit Schreiben vom 20. Juli 2006 zuerst gewandt hatte, sich durch den bestandskräftig
gewordenen Bescheid vom 4. September 2006 für sachlich unzuständig erklärt hatte; allerdings lag sodann im Schreiben des Beigeladenen
zu 1) an die Beklagte vom 10. Oktober 2006 ein Neuantrag, der nunmehr die Zuständigkeit der Beklagten begründete und über
den sie sachlich entscheiden durfte und musste. Nicht zu vergleichen ist der vorliegende Fall insoweit mit der kürzlich vom
Senat entschiedenen Konstellation, in der die erstangegangene DRV Bund den Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung
an die Einzugsstelle weitergeleitet hatte, ohne durch bestandskräftigen Bescheid über die eigene (Un-)Zuständigkeit entschieden
zu haben; in einer solchen Konstellation verbliebe es bei der sachlichen Zuständigkeit der erstangegangenen DRV Bund (Urteil
des Senats vom 10. Juli 2013, L 9 KR 302/11, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).
3. In der Sache spricht zur Überzeugung auch des Senats die Fülle der vom Sozialgericht angeführten Aspekte für die Annahme
einer abhängigen Beschäftigung im Zeitraum 1. September 2001 bis 31. Dezember 2005 und damit für die Rentenversicherungspflicht
des Beigeladenen zu 1) nach §
1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (
SGB VI). Der entscheidende Statuswandel trat erst zu Beginn des Jahres 2006 ein, als der Beigeladene zu 1) 40 Prozent der Geschäftsanteile
von seiner Mutter und zudem die Rolle eines zweiten Geschäftsführers übernahm. In der hier zu beurteilenden vorangegangenen
Zeit stand ihm die damit gewonnene Rechtsmacht gerade noch nicht zu, während seine Tätigkeit gleichzeitig von zahlreichen
arbeitnehmertypischen Elementen, wie etwa der Anmeldung zur Sozialversicherung, der Abführung von Lohnsteuer und der Buchung
der Bezüge als Betriebsausgaben, geprägt war. Insgesamt zeigt sich für den Senat hier das Bild eines Familienangehörigen,
der als Berufsanfänger direkt nach Abschluss seines Studiums in dem Familienbetrieb zunächst für eine Übergangszeit abhängig
beschäftigt war und nach einer Phase der Erprobung und Konsolidierung so weit in den Betrieb hineingewachsen war, dass seine
Mutter ihn schließlich im Dezember 2005 zum Teilhaber der Firma machte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision, §
160 SGG, bestehen nicht.