Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts.
Im Klageverfahren (Klageerhebung im Februar 2004) war die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Streit.
Der Erinnerungsführer bestellte sich für den Kläger im Dezember 2004, nachdem zuvor im November 2004 bereits ein erster Erörterungstermin
(Dauer: 70 Minuten) stattgefunden hatte. Mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) vom 27.1.2005 wurde der Erinnerungsführer dem Kläger im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet und nahm in der Folge Akteneinsicht.
Eine Einlassung zur Sache erfolgte zunächst nicht. Nachdem der Erinnerungsführer trotz mehrfacher Aufforderung auch zu den
später vom SG eingeholten Sachverständigengutachten keine Stellungnahme abgegeben hatte, bestimmte das SG für den 29.11.2005 einen ersten Erörterungstermin, zu dem für den Kläger Rechtsanwalt H aus der Kanzlei des Erinnerungsführers
erschien und mitteilte, der Kläger befinde sich im Krankenhaus. Der Termin dauerte 20 Minuten. Nachdem die zugesagte schriftsätzliche
Stellungnahme nicht erfolgt war, bestimmte das SG für den 20.3.2006 einen weiteren Erörterungstermin, zu dem der Kläger und der Beschwerdeführer erschienen. Der Kläger wies
auf eine neu hinzugetretene weitere Krankheit hin, durch die seine Erwerbsfähigkeit weiter eingeschränkt sei. Der Termin dauerte
25 Minuten. Nach weiterer Beweiserhebung unterbreitete die Beklagte zur Erledigung des Rechtsstreits ein schriftliches Vergleichsangebot,
das der Kläger annahm. Darin war u.a. geregelt, dass die Beklagte dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten erstattet.
Die Beklagte hat dem Kläger anschließend Kosten in Höhe von EUR 518,96 erstattet.
Der Erinnerungsführer beantragte zunächst die Festsetzung von Kosten nach einer Gesamtvergütung in Höhe von EUR 1.478,22 (Antrag
vom 18.12.2007) und reduzierte diese später auf EUR 1.379,21 (Antrag vom 15.2.2008). In diesem Betrag waren u.a. enthalten
eine "mittlere" Verfahrensgebühr in Höhe von EUR 400, eine "mittlere" Terminsgebühr in Höhe von EUR 350 und eine "mittlere"
Erledigungsgebühr in Höhe von EUR 320. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte als Kostenbeamter die aus der Staatskasse
zu zahlenden Gebühren nach Reduzierung der Verfahrens- und Erledigungsgebühren um jeweils EUR 50 und der Terminsgebühr um
EUR 150 und entsprechender Reduzierung der Umsatzsteuer auf EUR 1.081,71 fest, wovon dem Kläger die Hälfte zustehe (Beschluss
vom 29.7.2009). Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das SG zurückgewiesen (Beschluss vom 21.12.2009). Dagegen hat der Erinnerungsführer am 7.1.2010 Beschwerde eingelegt und (sinngemäß)
beantragt, die Gesamtvergütung entsprechend seinem Antrag vom 15.2.2008 festzusetzen. Die Terminsgebühr sei wegen des überdurchschnittlichen
Umfangs mehrerer Termine höher zu bewerten. Außerdem seien bei der Terminsgebühr Vorbereitungs-, Vorbesprechungs- und Anreisezeiten
zu berücksichtigen.
Der Vertreter der Staatskasse hat die Verfahrensgebühr in Höhe von EUR 400 und die Erledigungsgebühr in Höhe von EUR 320 für
zutreffend gehalten und deshalb einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe von EUR 77,89 anerkannt. Der Erinnerungsführer hat
das Teilanerkenntnis angenommen. Die Terminsgebühr hat der Vertreter der Staatskasse nur in Höhe der Mittelgebühr für angemessen
gehalten. Bei dieser Gebühr handele es sich um eine Anwesenheitsgebühr, die nur die Tätigkeit im Termin erfasse. Alle sonstigen
mit der Terminwahrnehmung verbundenen (Vorbereitungs-) Tätigkeiten würden mit der Verfahrensgebühr abgegolten.
II.
Die Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 16.9.2011), ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet.
Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden, § 33 Abs 3 Satz 3 RVG. Der Erinnerungsführer ist auch befugt, das Verfahren in eigenem Namen zu betreiben, §§ 56 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Satz, 55
Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG).
Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt EUR 319,39 und übersteigt damit den Grenzwert von EUR 200, §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 3 Satz 1 RVG. Maßgeblich für die Bestimmung dieses Wertes ist die formelle Beschwer, also die Differenz zwischen beantragter und festgesetzter
aus der Staatskasse zu gewährender (Gesamt-)Vergütung. Der Erinnerungsführer macht eine Gesamtvergütung von EUR 1379,21 geltend,
aus der er bisher EUR 540,86 zzgl. von der Beklagten erstatteter EUR 518,96 (also in Summe EUR 1.059,82) erhalten hat. Die
Differenz beträgt EUR 319,39.
Die Beschwerde ist begründet, soweit das angenommene Teilanerkenntnis des Beschwerdegegners reicht, und im Übrigen unbegründet,
weil eine Terminsgebühr über der Mittelgebühr von EUR 200 nicht angemessen und die vom Erinnerungsführer angesetzte Terminsgebühr
von EUR 350 unbillig ist, §§ 45 Abs 1, 48 Abs 1, 14 Abs 1, 3 Abs 1 Satz 1 RVG iVm mit Nr 3106 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis - VV). Deshalb besteht ein Vergütungsanspruch entsprechend der Berechnung im Schriftsatz des Beschwerdegegners
vom 28.4.2010 (der den Beteiligten im Wortlaut vorliegt) in Höhe von insgesamt EUR 1.200,71.
Der Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers als im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt ergibt sich dem
Grunde nach aus §§ 45 Abs 1, 48 Abs 1 RVG und bestimmt sich der Höhe nach nach §§ 14 Abs 1, 3 Abs 1, 2 Abs 2 S 1 RVG iVm dem VV.
Aufgrund des angenommen Teilanerkenntnisses, das nach Auffassung des Senats der Sach- und Rechtslage entspricht, ergibt sich
ein weiterer Zahlbetrag zugunsten des Erinnerungsführers in Höhe von EUR 140,89 (und nicht nur EUR 77,89). Denn der Vertreter
der Staatskasse hat eindeutig erklärt, dass er Verfahrens- und Erledigungsgebühr in der geltend gemachten Höhe "anerkenne".
Der höhere (Rest-)Zahlungsanspruch ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer bei seiner Berechnung die Zahlung der Beklagten
irrtümlich mit EUR 581,96 (statt tatsächlich EUR 518,96) veranschlagt hat. Die Differenz von 63 EUR ist dem vom Beschwerdegegner
bezifferten Betrag hinzuzurechnen. Diesen Erklärungsgehalt hält der Senat für so eindeutig, dass er ihn entgegen dem (zur
Höhe des Zahlungsanspruchs) ausdrücklich Erklärten für den wahren Erklärungsinhalt hält. Denn daraus, dass Verfahrens- und
Erledigungsgebühr in der geltend gemachten Höhe berücksichtigungsfähig sind, ergibt sich unmittelbar die Höhe des Zahlungsanspruchs.
Dieser ist im Festsetzungsverfahren nach § 55ff RVG auch in Fällen eines angenommenen Anerkenntnisses durch das (Beschwerde-)Gericht festzusetzen.
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet, weil nur eine Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr von EUR 200 angemessen ist,
und der Erinnerungsführer mit der angesetzten Gebühr von EUR 350 sein Ermessen überschritten hat, §§ 3 Abs 1 Satz 1, 14 Abs 1 RVG iVm mit Nr 3106 VV. Nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die (Rahmen-) Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs
und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, aber auch der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen, § 14 Abs 1 S 3 RVG. Die Grenzen des billigen Ermessens sind hier überschritten, weil die Festsetzung der Terminsgebühr die angemessene Gebühr
um mehr als 20% überschreitet und deshalb unbillig ist.
Im vorliegenden Fall sind Umfang und Schwierigkeit der Terminwahrnehmung eher unterdurchschnittlich gewesen, da es sich nur
um zwei kurze Erörterungstermine handelte, die anberaumt worden sind, weil der Kläger seinen prozessualen Mitwirkungsobliegenheiten
nicht nachgekommen war.
Soweit der Erinnerungsführer meint, die Terminsgebühr sei wegen des überdurchschnittlichen Umfangs mehrerer Termine oberhalb
der Mittelgebühr anzusetzen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die beiden während der Beiordnung durchgeführten Erörterungstermine
lassen - auch zusammen genommen - einen überdurchschnittlichen Umfang und/oder eine durchschnittliche Schwierigkeit nicht
erkennen. Ein erster (umfangreicher) Erörterungstermin hatte bereits stattgefunden, bevor der Erinnerungsführer beigeordnet
war, und bleibt deshalb hier außer Betracht. Die beiden Folgetermine waren kurz (20 und 25 Minuten) und dienten (auch) der
Klärung, aus welchen Gründen der Klägerbevollmächtigte sich trotz mehrfacher Aufforderung bzw Zusage schriftsätzlich nicht
geäußert hatte. Wegen des jeweils neuen Tatsachenvortrags (und der Abwesenheit des Klägers im 1. Termin) war eine abschließende
rechtliche Erörterung offensichtlich nicht möglich. Überdies hat den ersten Termin nicht der Erinnerungsführer, sondern der
(nicht beigeordnete) Rechtsanwalt H wahrgenommen. Zeitaufwand und - soweit erkennbar - Inhalt dieser Termine waren jeweils
unterdurchschnittlich aufwendig. Dies spricht nach Auffassung des Senats dafür, auch unter Berücksichtigung von zwei Terminen
eher eine unter der Mittelgebühr liegende Terminsgebühr anzusetzen. Überdies ist für Erörterungstermine grundsätzlich eine
geringere Gebühr anzusetzen als für Termine zur mündlichen Verhandlung. Letztere können mit einer das Verfahren abschließenden
Entscheidung enden und erfordern deshalb ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration.
Berücksichtigt man zusätzlich die Bedeutung der Angelegenheit (hier: der Terminwahrnehmung) für den Auftraggeber, ging es
im Wesentlichen darum, das Gericht durch neuen Sachvortrag zu weiteren Ermittlungen zu veranlassen. Selbst wenn man angesichts
der dahinterstehenden wirtschaftlichen Auswirkungen des streitigen Rentenanspruchs von überdurchschnittlicher Bedeutung (auch
der Termine!) für den Auftraggeber ausgeht und das (in Verfahren mit Amtsermittlung durchaus begrenzte) Haftungsrisiko einbezieht,
ergibt sich für die Terminsgebühr kein ausreichender Anknüpfungspunkt, eine Gebühr oberhalb der Mittelgebühr für angemessen
zu erachten. Die festgesetzte Gebühr von EUR 350 liegt weit über der Mittelgebühr und ist unbillig, weil sie um mehr als 20%
von der allenfalls angemessenen Mittelgebühr von EUR (380+20):2 = 200 abweicht. Der Senat hält den Grenzwert von 20% mit der
- soweit ersichtlich - herrschenden Auffassung als Billigkeitsgrenze für sachgerecht (vgl dazu Hartmann Kostengesetze, 42.
Aufl. 2012 § 14 RVG Rdnr 24 mwN).
Entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers sind Vorbereitungs-, Vorbesprechungs- und Anreisezeiten nicht bei der Termins-,
sondern bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen, weil die Terminsgebühr allein für die Wahrnehmung eines Termins anfällt
und entsprechend auch nur die Tätigkeit im Termin honoriert (so auch LSG NRW, Beschluss vom 14.7.2010, Aktenzeichen (Az) L
19 B 349/09 AS, juris-Rdnr 13; Beschluss vom 14.6.2010, Az L 19 AS 470/10 B; Beschluss vom 16.12.2009, Az L 19 B 180/09 AS, juris Rdnrn 60ff; Jungbauer in Bischof, RVG 4. Aufl. 2011, § 14 Rdnr 20); a.A. wohl obiter dictum: LSG NRW, Beschluss vom 31.5.2007, Az L 10 B 6/07). Dafür spricht schon der Wortlaut ("Gebühr des Termins"), der begrifflich nur die Teilnahme am Termin, nicht aber deren
Vorbereitung umfasst. Für diese wörtliche Auslegung spricht auch Abs 3 der amtlichen Vorbemerkung 3 zu Teil 3 des VV (AmtlVb
3), nach der die Terminsgebühr (u.a.) für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin entsteht,
die Verfahrensgebühr dagegen für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, Abs 2 AmtlVb 3. Diese Auffassung
wird auch durch weitere systematische Überlegungen unterstützt: Da die Terminwahrnehmung in der Sache zum Betreiben des Geschäfts
gehört, ist diese gebührenrechtlich als Sondertatbestand des Betreibens hervorgehoben worden, der eine gesonderte (zusätzliche!)
Gebühr auslöst. Eine solche Ausnahmeregelung ist daher bereits nach allgemeiner Rechtssystematik eng auszulegen, um eine Doppelvergütung
zu vermeiden. Für die hier vertretene Auffassung spricht aber noch ein weiterer systematischer und am Zweck der Regelungen
orientierter Gesichtspunkt: Bereitet sich z.B. ein Terminvertreter auf den Termin gründlich vor, und wird dieser Termin dann
kurzfristig verlegt oder aufgehoben, könnte der Aufwand über die Termingebühr nicht honoriert werden, weil ein Termin gar
nicht stattgefunden hat, er bliebe also unvergütet, wenn er nicht zur Verfahrensgebühr zählte. Die Berücksichtigung der Vorbereitungs-,
Vorbesprechungs- und Anreisezeiten bei der Verfahrensgebühr gewährleistet, dass dieser Aufwand unabhängig vom Schicksal des
anberaumten Termins vergütet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs 2 Sätze 2 und 3 RVG.
Diese Entscheidung trifft der Senat, weil der Einzelrichter sie ihm wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache übertragen
hat (§§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 8 Satz 2 RVG).
Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 4 Satz 3 RVG (s. auch §
177 Sozialgerichtsgesetz).