Hilfe zur Pflege
24-Stunden-Assistenz in einer eigenen Häuslichkeit
Eigene Wohnung
Verfassungskonformität der Leistungsbeschränkung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe und
Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) für eine 24-Stunden-Assistenz in einer eigenen Häuslichkeit streitig.
Die am ... 1978 geborene Klägerin lebte bis 1997 im Haushalt ihrer Familie. Die Mutter ist seit der Volljährigkeit der Klägerin
als deren Betreuerin bestellt. Bei der Klägerin sind seit dem 13. Juni 1991 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die
Merkzeichen "G", "aG", "RF", "H" und "B" anerkannt. Als gesundheitliche Einschränkungen liegen bei ihr degenerative Veränderungen
der Wirbelsäule, eine diabetische Stoffwechselstörung, eine inkomplette Harninkontinenz, eine Sehschwäche, eine Intelligenzminderung,
ein Anfallsleiden und ein Hydrocephalus mit Ableitung bei einem Zustand nach Operation eine Astrozytoms (eines im Alter von
fünf Jahren festgestellten Hirntumors) vor.
Die Klägerin besuchte sechs Jahre eine Schule für geistig behinderte Menschen. Lesen und Schreiben beherrscht sie nicht. Im
November 1997 zog die Klägerin in ein Wohnheim für behinderte Menschen in S. Zur Begründung des Antrags auf die entsprechende
Kostenübernahme führten die Eltern der Klägerin aus, diese wolle unbedingt in ein Heim, weil sie sehr gern unter Menschen
sei. Die Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen scheiterte zweimal im Eingangsbereich. Es fehle an einer Anpassungsfähigkeit
der Klägerin, die sich eine Scheinwelt aufbaue. Die Klägerin müsse zudem zum Beispiel zum Waschen und Besuch einer Toilette
aufgefordert werden und verlasse den Gruppenraum/die Gruppe, ohne sich abzumelden. Zu den Einzelheiten wird auf die Stellungnahme
des A.es vom 21. Oktober 1997, Blatt 17 bis 18 der Verwaltungsakten Teil I, Bezug genommen. In dem Entwicklungsbericht des
Wohnheims in S. vom 17. November 2000 wird ausgeführt, ständig fordere die Klägerin individuelle Zuwendung von Mitarbeitern
und erfinde neue Gesprächsthemen wie: "Ich möchte gern allein eine Wohnung haben, heiraten, ein Kind haben, viel Geld verdienen,
in Urlaub fliegen, als Verkäuferin arbeiten". Im Übrigen wird bezüglich der Einzelheiten auf Blatt 225 bis 228 der Verwaltungsakten
Teil I Bezug genommen.
Zum 1. Mai 2001 wechselte die Klägerin in das Wohnheim für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistiger und mehrfacher
Behinderung des A.es in der L. W. (im Folgenden: Wohnheim). Dort bewohnt sie ein Einzelzimmer in einer Wohngruppe mit zeitweise
15 behinderten Menschen unterschiedlichen Hilfebedarfs von 30 bis 40 Jahren. Alle zwei Wochen verbringt sie das verlängerte
Wochenende (Freitag bis Sonntag) im Haushalt der Eltern. Zur Begründung des Wechsels in diese Einrichtung führte die Betreuerin
der Klägerin unter dem 28. März 2001 aus, die Klägerin habe Heimweh und wolle wieder nach Hause.
Die Kläger bezieht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie erhielt zunächst Leistungen
aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I, nachfolgend - auf der Grundlage des Gutachtens Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 17. Juli 2003 - nach der Pflegestufe II und seit November 2009 - auf der
Grundlage des Gutachtens des MDK vom 2. Oktober 2009 - erneut nach der Pflegestufe I. Sie bezog ab dem 1. November 1997 Leistungen
nach §
43a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung -
SGB XI) und bezieht noch Leistungen nach §
45a SGB XI und Pflegesachleistungen in Form von Gutscheinen. Der Landkreis W. gewährt der Klägerin Leistungen der Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung und seit November 1997 Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen und Eingliederungshilfe für
behinderte Menschen in Form der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, zunächst im Namen des Amtes für Versorgung
und Soziales H. nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und seit Januar 2005, nun im Namen des Beklagten als überörtlichem Sozialhilfeträger, nach dem SGB XII. Mit Bescheid vom 16. Mai 2013 wurden diese Leistungen in Höhe von insgesamt 3.143,00 EUR pro Monat bewilligt. Darin enthalten
sind Kosten der Einrichtung in Höhe von 3.006,41 EUR.
Die Klägerin stellte am 26. März 2009 durch ihre Betreuerin bei dem Landkreis die Anträge, ihr "im Rahmen des persönlichen
Budgets" [ ] "Hilfe für 24 Stunden zur Pflege und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" und "zur Sicherstellung der Pflege
und Betreuung" [ ] "in der eigenen Häuslichkeit" [ ] "geteiltes Pflegegeld" zu bewilligen.
Am 6. April 2009 fand bei dem Landkreis ein Beratungsgespräch mit einer Budgetberatung statt. Insoweit wird auf Blatt 19 Teil
II der Verwaltungsakten Bezug genommen. Am 30. April 2009 stellte die Klägerin bei dem Landkreis einen Antrag auf ein "trägerübergreifendes
persönliches Budget nach §
17 Abs.
3 SGB IX". Es bestehe ein Budgetbedarf in Höhe von 7.604,09 EUR monatlich, ausgehend von einem täglichen Hilfe- bzw. Betreuungsbedarf
von 22,75 h. Zu der Berechnung des Hilfebedarfs der Klägerin auf der Grundlage einer Unterstützung durch drei Assistenten
wird auf Blatt 35 bis 38 Teil II der Verwaltungsakten Bezug genommen. In dem Wohnheim gefalle es ihr absolut nicht. Sie sei
lernfähig und blockiere nicht, da sie sich ihr eigenständiges Leben mit Assistenten vorstellen könne und keine Ruhe mehr gebe,
dass es endlich soweit sei. Montags bis freitags sollten auch Angebote von anderen Leistungserbringern genutzt werden.
Der Landkreis holte als Beauftragter im Rahmen der Bedarfsfeststellung daraufhin Stellungnahmen von der Krankenkasse und der
Pflegekasse zum möglichen Leistungsumfang in Bezug auf das trägerübergreifende Persönliche Budget ein und bot der Klägerin
im Namen des Beklagten per E-Mail ein Persönliches Budget mit einem Gesamtbudget in Höhe von 1.840,93 EUR (ausgehend von Leistungen
aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II) an. Der Entwurf einer entsprechenden Zielvereinbarung ist als Blatt 82
bis 87 Teil II zu den Verwaltungsakten genommen worden. In dem in Aussicht gestellten Budget sind danach 1.148,00 EUR für
einen Hilfebedarf der Eingliederungshilfe und 691,80 EUR für Hilfe zur Pflege enthalten. Die Klägerin lehnte dieses Angebot,
ebenfalls per E-Mail, am 25. Juni 2009 ab, da sie einen höheren Bedarf habe, als sie mit dem angebotenen Betrag (insgesamt
circa 2.400,00 EUR) decken könne.
Der Landkreis lehnte mit Bescheid vom 8. Juli 2009 den Antrag auf ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe und ambulante
Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form eines Persönlichen Budgets im Namen des Beklagten ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch,
der auf die Unzumutbarkeit des Verbleibens der Klägerin in der Einrichtung gestützt wurde, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 5. Mai 2010 als unbegründet zurück. Rechtsgrundlage der Entscheidung seien die §§ 53, 54, 57, 61 SGB XII in Verbindung mit der Budgetverordnung (BudgetV). § 3 Abs. 5 Satz 1 BudgetV erhebe den Abschluss einer Zielvereinbarung im Sinne des § 4 BudgetV zur Voraussetzung für die Bewilligung des Persönlichen Budgets. Eine solche Zielvereinbarung über das Maß der sozialhilferechtlich
relevanten Leistungserbringung sei hier nicht zustande gekommen.
Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau am 7. Juni 2010 Klage erhoben und zunächst beantragt, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 8. Juli 2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 Leistungen für ein selbstbestimmtes Leben im Rahmen eines Persönlichen
Budgets zu gewähren. Erforderlich seien Leistungen in Höhe von 10.995,88 EUR monatlich. Bezüglich der Berechnung wird auf
Blatt 36 bis 37 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen. Der angefochtene Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt im Sinne
des § 33 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Die Ablehnung der beantragten Leistungen benachteilige sie aus Gründen ihrer Behinderung unter Verstoß gegen Art.
3 Abs.
3 Satz 2
Grundgesetz (
GG) und §§ 1 und 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Mit Schriftsatz vom 24. März 2011, eingegangen bei dem SG am 28. März 2011, hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid nicht ihr tatsächliches
Anliegen berücksichtigt, "Arbeitgeberassistenzleistungen" zu erhalten. Ziel des Verfahrens sei nicht ein Persönliches Budget.
Dies solle erst ein zweiter Schritt sein. In der vor dem SG am 13. November 2013 durchgeführten mündlichen Verhandlung hat sie beantragt, den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid
vom 8. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 unter Rechtsauffassung des Gerichts abzuändern und
ihr Leistungen für ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Häuslichkeit zu gewähren. Sie wolle nicht mehr in dem Heim
(sie bezeichnet es als "Pflegeheim") leben und habe eine Antipathie zu vielen der dort tätigen Mitarbeiter entwickelt, die
ihrer Auffassung nach auf Gegenseitigkeit beruhe. Das Heim sei für sie "ein rotes Tuch". Sie dürfe im Heim nicht selbst Kaffee
kochen und denke an nichts anderes als ihre eigene Wohnung, sodass sie dann bestimmen könne, wann sie zu Bett gehen wolle.
Im Behindertenverband sei sie ein "total anderer Mensch" und habe dort schon einen Freundeskreis aufgebaut. Es sei schon organisiert
worden, dass sie Montag, Mittwoch und Freitag vom Behindertenverband abgeholt werde und sich dort von 9.00 bis 13.00 Uhr aufhalten
könne. Hierfür würden Leistungen nach §
45b SGB XI in Anspruch genommen. Dort erfolge auch ein gemeinsames Kochen und nach gemeinsamem Einkauf das sich anschließende Mittagessen.
Im Heim werde sie bevormundet. U.a. sei eine Mittagsruhe von drei Stunden zwingend. Sie benötige immer den Kontakt zu jemandem,
den sie im Heim nicht erhalte, und könne sich maximal 30 bis 45 Minuten mit sich selbst beschäftigen. Es sei nicht davon auszugehen,
dass sich die Situation in einem anderen Heim bessern würde. In ihrer Entwicklung habe sie nun einen Sprung gemacht. Um eine
Wohngemeinschaft habe sie sich bereits bemüht. Es finde sich aber niemand, der auf demselben Entwicklungsstand wie sie selbst
sei. Sie wolle eine Zwei-Raum-Wohnung in der L. W. anmieten und die Förderung und Betreuung durch den Behinderten-Verband
W. und das A. in W. in Anspruch nehmen. Die Umsetzung der Assistenz solle in der Weise erfolgen, dass die Anweisung der Arbeitskräfte
in der eigenen Wohnung durch ihre gesetzliche Betreuerin erfolgen solle, über die auch "die Arbeitsverhältnisse laufen würden".
Teilweise solle die Pflege durch ihre Betreuerin gewährleistet werden. In zeitlicher Hinsicht seien täglich acht Stunden Bereitschaftspflege
und 16 Stunden aktive Assistenz und Pflege erforderlich.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nach der Protokollierung des Antrags der Klägerin beantragt, die Klage abzuweisen.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung die Zeugin T. (Mitarbeiterin des Behindertenverbandes W.), die Zeugin E. (Geschäftsführerin
des Behindertenverbandes W. und Budgetberaterin), die Zeugin G. (Leiterin des Wohnheims) und die Zeugin H. (Heilerziehungspflegerin
im Wohnheim) vernommen. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, Blatt
145 bis 151 Bd. I der Gerichtsakten, Bezug genommen.
Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 13. November 2013 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 8. Juli 2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 verurteilt, der Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege
für eine 24-Stunden-Assistenz in der eigenen Häuslichkeit zu gewähren. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze
die Klägerin in ihren Rechten. Sie habe dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne der
§§ 53, 54 SGB XII sowie zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII für eine 24-Stunden-Assistenz in einer eigenen Häuslichkeit. Die Klägerin sei nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII leistungsberechtigt. Die Kammer sei vorliegend zu der Auffassung gelangt, dass eine stationäre Unterbringung in einem Wohnheim
für behinderte Menschen für die Klägerin auf Grund von in ihrer Person liegenden Umständen unzumutbar sei, wodurch auf einen
Kostenvergleich gemäß § 13 Abs. 3 Satz 6 SGB XII nicht mehr abgestellt werden könne. Anhaltspunkte dafür, dass das Wohnheim, in dem die Klägerin betreut werde, keine fachgerechte
und menschenwürdige Betreuung für geistig behinderte Menschen abdecken könne, gebe es allerdings nicht. Die von der Klägerseite
geäußerten Vorwürfe seien insoweit nicht haltbar. Die Unterbringung der Klägerin in einem Wohnheim entspreche aber nicht ihren
individuellen Erfordernissen. Sie benötige erhöhte Aufmerksamkeit. Das stark ausgeprägte Mittelpunktstreben und häufige egoistische
Verhalten entspreche ihrer Natur, was sich bereits seit ihrer Erstaufnahme im Heim 1997 ausweislich der fortlaufenden Entwicklungsberichte
herausgestellt habe. Die Privatsphäre der anderen Bewohner und deren Bedürfnisse würden von ihr nicht akzeptiert und respektiert.
Sie bedürfe der ständigen Verfügbarkeit eines Ansprechpartners. Sie habe auch den Wunsch, dass ein Betreuer ganz allein für
sie da sei. Bei Zurückweisung reagiere sie aggressiv. Eine 1:1-Betreuung sei in der bestehenden Wohnform aber nicht möglich.
Die geistige Behinderung der Klägerin stehe rationalen Erklärungsversuchen entgegen. Ziel der Eingliederungshilfe müsse aber
die ständige Förderung der Entwicklung des behinderten Menschen sein. Das Aufzwingen einer Gruppenfähigkeit halte die Kammer
vorliegend nicht für den richtigen Weg. Es müsse ein zwar strukturierter, jedoch individuell gestalteter und abwechslungsreicher
Tagesablauf für die Klägerin gestaltet werden, bei welchem sie teilweise auch Planungen selbst vornehmen könne. Die Möglichkeiten
im Wohnheim seien erschöpft, sodass der Verbleib zu einer Stagnation der Entwicklung der Klägerin führen würde. Bei der Klägerin
habe sich der unumkehrbare Wunsch nach einem Leben in einer eigenen Wohnung seit der Heimaufnahme aus eigenem Antrieb manifestiert.
Sie sei mit kontinuierlichen Anleitungen in ruhiger Atmosphäre und ständiger Motivation fähig, einfache Tätigkeiten selbst
auszuführen. Sie bedürfe einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung, also der Anwesenheit eines Ansprechpartners während der Nachtzeiten,
wobei die Betreuung werktags stundenweise durch den Besuch der Förderangebote des Behindertenverbandes abgedeckt werden könne.
Ein alleiniger Verbleib ohne Aufsicht sei der Klägerin nach ihrem derzeitigen Entwicklungsstand nicht möglich. Überdies habe
sie Anspruch auf häusliche Pflege, weil ihr eine anderweitige Pflege, insbesondere in Form der stationären Unterbringung,
nicht zumutbar sei.
Gegen das ihm am 19. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am Montag, den 20. Januar 2014, Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels führt er im Wesentlichen aus, dem Wunsch- und Wahlrecht der
Klägerin sei nur insoweit Rechnung zu tragen, als die Wünsche auch angemessen seien. Soweit die Klägerin den Wunsch nach erhöhter
Aufmerksamkeit habe, müsse sie mit pädagogischer und psychiatrischer Unterstützung lernen, ohne die erhöhte Aufmerksamkeit
auszukommen bzw. diese nicht ständig einzufordern. Den Wünschen der Klägerin zu entsprechen, unterstütze nicht das Ziel ihrer
Eingliederung in die Gesellschaft. Hingegen sei eine stationäre Betreuung zumutbar und angemessen. Die Klägerin habe Kontakte
zu ihrer Mutter und dem Behindertenverband. Die von ihr besuchte Einrichtung sei geeignet. Es könne hier nicht von einem aufgezwungenen
Leben in der Gruppe ausgegangen werden. Vielmehr habe die Klägerin im Wohnheim ein Einzelzimmer, in das sie sich zurückziehen
könne. Es bestehe auch kein Zwang, die von der Einrichtung angebotenen Beschäftigungsangebote anzunehmen. Es seien daher keine
Gründe ersichtlich, nicht von einem Kostenvergleich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auszugehen. Selbst wenn man der Auffassung des SG folge und die begehrte Leistung gewähren würde, sei offen geblieben, wie eine Betreuung der Klägerin in der eigenen Häuslichkeit
umgesetzt werden könne, wenn täglich Verhaltensprobleme aufträten, die Klägerin sich nicht an Regeln halte und sich provozierend
verhalte. Auch bei einer Betreuung zu Hause könne sie den oder die Betreuer nicht ständig für sich vereinnahmen und müsse
sich an Regeln halten. Für die Erbringung von Leistungen in Form eines Persönlichen Budgets fehle es bereits an der Zielvereinbarung
im Sinne des § 4 BudgetV.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 13. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die gesetzliche Betreuerin solle nicht selbst Vertragspartnerin für die Hilfeleistungen
werden. Das Selbstkontrahierungsverbot im Rahmen der gesetzlichen Betreuung sei hier nicht einschlägig. Sie habe wiederholt
darauf hingewiesen, dass mit dem Antrag vom 30. April 2009 kein Persönliches Budget gemeint gewesen sei, sondern MEHRLEISTUNGEN
(Hervorhebung durch die Klägerin). Das sei daraus zu entnehmen, dass dort ausgeführt worden sei: "Der Budgetumfang errechnet
sich aus 22,75 h täglichem Hilfebedarf bzw. Betreuungsbedarf und ist im Anhang detailliert dargestellt". Anträge seien auszulegen
und der wahre Wille zu erforschen. Hier sei ihr wahrer Wille "nicht vordergründig das Persönliche Budget, sondern die PERSÖNLICHE
ASSISTENZ" (Hervorhebung durch die Klägerin), die ganz typischerweise vom Volksmund zu Unrecht als "Persönliches Budget" bezeichnet
werde.
Mit bei dem Landkreis W. am 29. Mai 2015 eingegangenem Schreiben vom 26. Mai 2015 beantragte die Klägerin ("nochmals") Leistungen
in Form einer Persönlichen Assistenz für 24 Stunden täglich. Sie solle in ihrer eigenen Wohnung rund um die Uhr von Assistenten
betreut werden.
Die Unterlagen aus diesem Verfahren sind von dem Senat beigezogen worden. Nach dem Gutachten des MDK vom 6. August 2014 ist
bei der Klägerin eine vollstationäre Pflege nicht erforderlich. Seit November 2009 seien die Voraussetzungen der Pflegestufe
I nach dem
SGB XI gegeben. Die Alltagskompetenz der Klägerin sei in erhöhtem Maße eingeschränkt. Sie benötige Hilfe, Kontrolle und Anleitung
beim Waschen, Kleiden, bei der Inkontinenzversorgung, der Ernährung und der Hauswirtschaft. Sie sei sturzgefährdet (sehe Hindernisse
nicht) und benötige Hilfe beim Gehen. Sie erkenne vertraute Personen und finde sich im Wohnbereich zurecht. Außerhalb sei
ihr dies nur mit Begleitung durch eine Pflegeperson möglich. Sie könne die Uhr lesen, aber Tag und Datum nicht korrekt angeben.
Die Tagesstruktur müsse ihr vorgegeben werden. Ihre Situation könne die Klägerin nicht richtig einschätzen; die Mutter regele
alles. An Beschäftigungsangeboten nehme sie teil, manchmal widerwillig. Die Stimmung sei sehr schwankend und sehr fordernd
gegenüber ihrer Mutter. Der erforderliche Pflegeaufwand von 5,30 Stunden pro Woche ergebe sich aus dem Zeitaufwand für Grundpflege
von 61 Minuten pro Tag und dem Zeitaufwand für Hauswirtschaft (im Wochendurchschnitt) von 45 Minuten pro Tag. Mit einer pflegestufenrelevanten
Abnahme des Hilfebedarfes sei nicht zu rechnen; Verbesserungspotential sei nicht vorhanden.
In dem Entwicklungsbericht des Wohnheimes vom 4. März 2015 wird bereits im Eingang besonders darauf hingewiesen, dass die
Klägerin sich in der Einrichtung entgegen ihrer ganz individuellen Lebensplanung befinde und die Einrichtung weiterhin an
einer für die Klägerin zufriedenstellenden und baldigen Lösung interessiert sei. Diese habe zum Ausdruck gebracht, nie mehr
in einem Heim leben zu wollen. Sollte ihr Persönliches Budget nicht ausreichen, würde sie eine "Wohngemeinschaft mit Partner"
akzeptieren. Sie wolle sich selbst versorgen, in ihrer Freizeit Kataloge anschauen, einkaufen, ausmalen, Kaffee trinken und
für ihre Wohnung regelmäßig arbeiten gehen. Als Rahmenziele seien in der Einrichtung die Erhaltung der motorischen Fähigkeiten,
die Förderung von einfachen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten (u.a. das Erlernen des Ab- und Beziehens eines Bettes mit Assistenz)
vorgesehen, was ihr aktuell nicht eigenständig gelinge. Für den Zeitraum von Februar 2015 bis Januar 2017 sei geplant, dass
sie ab Februar 2017 mit Anleitung und umfassender Hilfestellung einmal wöchentlich innerhalb einer Kleinstarbeitsgruppe mit
einem weiteren Bewohner an Lern- und Arbeitsangeboten teilnehme. Im laufenden Berichtszeitraum sei es der Klägerin selten
gelungen, ihre tägliche Arbeitszeit pünktlich zu beginnen und konzentriert länger als zehn Minuten zu arbeiten. Ihre Gedanken
kreisten um das Beziehen einer eigenen Wohnung. Dass dort viel Arbeit und Verantwortung auf sie zukomme, verdränge bzw. realisiere
die Klägerin nicht und verweise auf die Tätigkeit von Assistenten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege für eine
24-Stunden-Assistenz in der eigenen Häuslichkeit zu gewähren. Hierbei versteht der Senat das angefochtene Urteil - mangels
einer konkreten Fassung des Tenors - dahingehend, dass der Klägerin die Leistungen wohl ab Verkündung des angefochtenen Urteils
am 13. November 2013 gewährt werden sollten.
Die Klage ist in Bezug auf die zugesprochene Leistung unzulässig.
Die Klage ist mit der rügelosen Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG dahingehend geändert worden, dass ein Persönliches Budget nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits ist. Dies hat die Klägerin
auch auf Nachfrage des Berichterstatters gegeüber dem Berufungsgericht mit Schriftsatz vom 21. Mai 2015 ausdrücklich bestätigt.
Die Berufung muss bereits aus diesem Grund Erfolg haben, weil im Klageverfahren nur ein belastender Bescheid über die Ablehnung
des Persönlichen Budgets zur Überprüfung gestanden hat. Bezüglich einer Entscheidung über einen geänderten Hilfebedarf, der
nicht Gegenstand eines Persönliche Budgets sein soll, fehlt es inbesondere an der Durchführung eines Vorverfahrens im Sinne
des §
78 Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die Klägerin hat mit ihrem Antrag vom 30. April 2009 die Bewilligung eines Persönlichen Budgets beantragt. Auch der im vorliegenden
Verfahren angefochtene Bescheid vom 8. Juli 2009 regelt ausschließlich die Versagung eines Persönlichen Budgets, weil es an
einer Zielvereinbarung fehlte und damit (nur) über die konkrete Höhe des Persönlichen Budgets keine Einigung hatte erzielt
werden können. Es handelt sich bei dem Persönlichen Budget um einen Rechtsbegriff, der auch von der anwaltlich vertretenen
Klägerin in ihre Klageschrift ("wegen 24-Stunden-Assistenz im Rahmen eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets") und
im Klageantrag zunächst aufgenommen worden ist. Der Begriff der "persönlichen Assistenz" findet sich demgegenüber nicht im
Gesetz und lässt eine eindeutige Zuordnung des Gewollten nicht zu. Persönliches Budget und Dienst-, Sachleistung bzw. Erstattung
nachgewiesener Kosten stehen nicht in dem Verhältnis eines "mehr oder weniger" zueinander, sondern unterscheiden sich grundsätzlich.
In das Persönliche Budget gehen nach der gesetzgeberischen Konzeption insbesondere Leistungen anderer Sozialleistungsträger
ein (so genannte "Komplexleistung"). Auch führt der Leistungsberechtigte im Rahmen des Persönlichen Budgets die Vertragsverhältnisse
über die Leistungserbringung selbst im eigenen Namen durch. Soweit nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch die Erstattung von Kosten selbstbeschaffter Pflegekräfte vorgesehen ist, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn von
dieser Regelung werden bestimmte Aufwendungen der Pflegekräfte, nicht indes die von der Klägerin geltend gemachten Lohnansprüche
von Assistenzkräften erfasst (vgl. z.B. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar 4. Aufl. 2012, § 65 RdNr. 5). Auch die Kostenerstattung für selbstbeschaffte Pflegekräfte nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII steht unter einer strikten Anbindung an den festgestellten Pflegebedarf und ist im Übrigen nachrangig zu entsprechenden Leistungen
nach dem
SGB XI. Eine Vergleichbarkeit zu Leistungen im Rahmen eines Persönlichen Budgets, die nicht im Einzelnen mit dem Sozialleistungsträger
abzurechnen sind, besteht auch insoweit nicht.
Der Klägerin steht auch in der Sache ein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege für eine
24-Stunden-Assistenz in der eigenen Häuslichkeit nicht zu, weil sie nicht in einer eigenen Wohnung lebt. Ein durch die bereits
bewilligten Leistungen nicht abgedeckter Bedarf an Leistungen der ambulanten Pflege bzw. Eingliederungshilfe während der Versorgung
der Klägerin im Wohnheim ist nicht ersichtlich.
Auch die Voraussetzungen einer entsprechenden Zusicherung sind nicht erfüllt. Soweit man davon ausgehen kann, dass die Klägerin
sicherlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Leistungen für einen zukünftigen Hilfebedarf wünscht, lässt sich dieses
Begehren schon nicht von dem beantragten Persönlichen Budget trennen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass ein Persönliches
Budget zeitlichen Bindungen unterliegt, die vor einer tatsächlichen Änderung des Hilfebedarfs nicht in einer Zielvereinbarung
umgesetzt werden können.
Im Übrigen lagen auch die Voraussetzungen einer Zusicherung hier nicht vor. Eine Zusicherung ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) ein von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen
und bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Nach überwiegender Auffassung handelt es sich hierbei um einen Verwaltungsakt
(vgl. z.B. Kepert in: JurisPraxiskommentar zum SGB X, 2013, § 34 RdNr. 10 m.w.N.). Die Zusicherung kann sich nur auf den späteren Erlass (oder das Unterlassen) eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes
für einen bereits bestimmten Sachverhalt beziehen (vgl. Kepert, a.a.O. RdNr. 15 und 16). Dabei steht die Erteilung einer Zusicherung
im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, soweit nicht spezialgesetzlich ein gebundener Anspruch (wie z.B. in § 22 Abs. 4 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) normiert ist.
Im vorliegenden Fall liegt weder eine Ermessensreduzierung auf Null vor, aus der sich eine Verpflichtung des Beklagten auf
Erteilung einer Zusicherung ergeben könnte, noch liegen die Voraussetzungen einer Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung
des Antrags der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senates vor.
Sachlich und örtlich zuständig ist sowohl für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als auch für Leistungen
der Hilfe zur Pflege ausschließlich der Beklagte (§ 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, S. 8; § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die in § 4 AG SGB XII geregelte Möglichkeit der Heranziehung des örtlichen Trägers führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung im Sinne einer
daran anknüpfenden Passivlegitimation. Das ergibt sich bereits daraus, dass der örtliche Träger bei einer Heranziehung nach
§ 6 Satz 2 AG SGB XII zwingend im Namen des zuständigen (hier überörtlichen) Trägers entscheidet.
Das Begehren der Klägerin ist in Bezug auf den medizinisch zu begründenden Hilfebedarf vorrangig auf Leistungen der Hilfe
zur Pflege im Sinne der §§ 61 ff. SGB XII gerichtet. Die hiervon abzugrenzenden Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff. SGB XII) dienen nicht dem Zweck, dauerhaft eine notwendige Pflege sicherzustellen, wenn eine Besserung oder Milderung des körperlichen
Zustands bzw. der Folgen einer Behinderung zwar angestrebt wird, aber nicht mehr im Vordergrund der Bemühungen steht (vgl.
Scheider in: Schellhorn u.a., SGB XII - Sozialhilfe, 18. Aufl. 2010, § 53 SGB XII, RdNr. 68).
Grundsätzlich sind von der Hilfe zur Pflege im Sinne der § 61 ff. SGB XII auch Leistungen der häuslichen Pflege umfasst. Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII kann Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege, durch Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre
Pflege gewährt werden. Gleichzeitig genügt der Pflegebedarf der Klägerin aber nicht, um die von ihr gewünschte Rund-um-die-Uhr-Betreuung
abzudecken.
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Pflegebedürftigen im Sinne des § 61 Abs. 1 SGB XII die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten; auch können angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der
Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. Stellen
Pflegebedürftige ihre Pflege durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicher, können sie nach § 66 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB XII nicht auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen nach dem
SGB XI verwiesen werden; vielmehr ist das Pflegegeld nach dem
SGB XI vorrangig auf die Leistung nach § 65 Abs. 1 SGB XII anzurechnen.
Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und
regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate,
in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Diese gesundheitlichen Voraussetzungen der
Pflegebedürftigkeit sind bei der Klägerin nach den hier bindenden Feststellungen der Pflegekasse (§ 62 SGB XII) nur im Umfang eines Pflegebedarfs nach der Pflegestufe I erfüllt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der pflegerische
Hilfebedarf der Klägerin mit den Leistungen nach der Pflegestufe I nicht abgedeckt werden kann.
Die von der Klägerin begehrten Leistungen, die Gegenstand der 24-Stunden-Assistenz sein sollen, entsprechen weder einer Grundpflege
noch einer hauswirtschaftlichen Versorgung oder einem sonstigen Bedarf der Pflege. Diese Feststellungen des Senats stützen
sich insbesondere auf die Gutachten des MDK vom 17. Juni 2003 und vom 6. August 2014.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe lässt sich der von der Klägerin geltend gemachte Hilfebedarf weder begründen
noch abdecken.
Rechtlich steht es der Klägerin, wie jedem anderen Staatsbürger, im Rahmen der Freizügigkeit frei, ihren Wohnsitz zu nehmen,
wo sie möchte. Die von vornherein nicht dem Bereich der Sozialhilfe zuzuordnende Einschränkung dieses Rechtes ist nicht Gegenstand
des vorliegenden Berufungsverfahrens. Der Rechtsstreit betrifft vielmehr die Frage, ob der Beklagte die Klägerin durch die
Übernahme der Kosten für eine Rund-um-die-Uhr-Beaufsichtigung in die Lage versetzen muss, außerhalb einer geschützten Umgebung
zu leben, da sie es ohne diese Beaufsichtigung nicht könnte. Die nach Art.
11 Abs.
1 GG allen Deutschen garantierte Freizügigkeit einschließlich des Rechts, den eigenen Wohnsitz innerhalb Deutschlands frei zu
wählen, kann auch durch Maßnahmen im Rahmen der Leistungsverwaltung im Sinne einer Zuweisung des Aufenthaltsortes berührt
werden (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 10. Januar 1986 - 9 TG 857/85 - juris). Im vorliegenden Fall liegt nur eine mittelbare Auswirkung der Leistungsbewilligung
auf die freie Wahl der Wohnform und damit u.U. auch des Wohnorts in dem Sinne vor, dass die Kosten der Versorgung nicht in
Abhängigkeit von dem jeweiligen Wohnsitz/der jeweiligen Wohnform in voller Höhe im Rahmen der Sozialhilfe als Bedarf anerkannt
werden. Die eine unmittelbare Beschränkung der Freizügigkeit betreffende Regelung in Art.
11 Abs.
2 GG lässt erkennen, dass die Freizügigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes insbesondere für die Fälle eingeschränkt
werden kann, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten
entstehen würden. Eine entsprechende Möglichkeit, mittelbar im Rahmen einer Leistungsbeschränkung auf die Wahl des Wohnsitzes
Einfluss zu nehmen, begegnet vor diesem Hintergrund hier keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Besondere rechtliche Vorgaben für den hier zu prüfenden Leistungsanspruch der Klägerin lassen sich auch Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG nicht entnehmen. Nach dieser Regelung darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Eine Benachteiligung in
diesem Sinn kann auch in dem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt verwirklicht
werden, soweit ein solcher Ausschluss nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme so weit kompensiert ist,
dass er nicht benachteiligend wirkt (vgl. zur integrativen Beschulung: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 8.
Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 -, juris, RdNr. 69 ff.). Von einem solchen Ausschluss der Klägerin von Möglichkeiten ist im vorliegenden Fall indes nicht
auszugehen, da sie begehrt, dass nur für sie ein besonderes Angebot der Entfaltung bereitgestellt wird.
Auch aus den auf einfachgesetzlicher Ebene geregelten Benachteiligungsverboten im AGG lässt sich im hier maßgebenden Kontext ein Leistungsanspruch der Klägerin nicht herleiten. Insoweit kann hier offenbleiben,
in welchem Umfang nach § 2 Abs. 2 AGG eine Einschränkung der Anwendung des AGG bei Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu berücksichtigen ist (vgl. zur Auslegung als Kollisionsregelung: Bauer/Krieger,
AGG Kommentar, 4. Aufl. 2015, § 2 RdNr. 45). Denn die von der Klägerin für einen Anspruch in Bezug genommenen Regelungen des SGB XII wenden sich sämtlich ausschließlich an Menschen mit Behinderungen, sodass die von dem abschließenden Katalog der unzulässigen
Benachteiligungen in § 2 Abs. 1 AGG (vgl. Bauer/Krieger, a.a.O. RdNr. 54) allein in Betracht kommende Benachteiligung in Bezug auf die sozialen Vergünstigungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 AGG) hier keine Besserstellung der Klägerin bewirken kann.
In Bezug auf die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs der Klägerin nach dem SGB XII und dem
SGB IX ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits nach ihrem eigenen Vorbringen nicht im eigentlichen Sinne selbstbestimmt
in einer eigenen Häuslichkeit leben kann, da sie insbesondere nicht in der Lage ist, ihren Tagesablauf, finanzielle Dinge,
die Teilnahme am Straßenverkehr und das frei bestimmte Verlassen der Wohnung zu bewältigen. Die bei der Klägerin erforderliche
Beaufsichtigung, Anweisung und Gewährleistung von Aufmerksamkeit ist nicht mit der Teilhabe an der Gemeinschaft gleichzusetzen.
Vielmehr sollen hier die Leistungen der Eingliederungshilfe der Klägerin einen eigenen Bezugsbereich als Gemeinschaft erst
schaffen, d.h. sie nicht in die Gemeinschaft eingliedern.
Hinsichtlich des von der Klägerin favorisierten Modells der von der Betreuerin organisierten Assistenz, die in Bezug auf diese
besondere Funktion der Schaffung eines Beziehungsgefüges durch eine eigene Auswahl von Personen unabdingbar sein dürfte, ist
für den Senat nicht erkennbar geworden, in welchem rechtlichen Kontext das Modell nach Maßgabe des Betreuungsrechts genehmigungsfähig
sein könnte. Insoweit müsste die Klägerin zunächst ein Konzept darlegen, in welchem insbesondere ihre besonderen Bedürfnisse
nach persönlicher Zuwendung tatsächlich umgesetzt werden könnten. Eine Zusicherung kann von dem Beklagten nur für eine Leistungserbringung
verlangt werden, die mit der Rechtsordnung insgesamt übereinstimmt, d.h. insbesondere auch den betreuungsrechtlichen Vorgaben
genügen würde.
Insoweit führt hier weder eine Leistungserbringung im Rahmen von durch den Beklagten bereitgestellten Dienstleistungen noch
eine Betreuung durch von der Klägerin angestellte Personen zum Ziel. Während die Leistungserbringung durch einen zugelassenen
Leistungserbringer an den engen menschlichen Kontakten, welche hier begründet werden sollen, scheitern dürfte, würde das von
der Klägerin geforderte Modell einer persönlichen Assistenz durch von ihr ausgesuchte Personen daran scheitern, dass die hierfür
entstehenden Kosten nicht diejenigen der Dienstleistungen übersteigen dürfen. Damit ist insbesondere für einen Wechsel von
Pflegepersonen auf Grund von persönlichen Vorlieben, Antipathien etc. kein Raum, da es sich bei der Anstellung von Assistenzkräften
um dem Arbeitsrecht unterliegende Vertragsbeziehungen handelt. Vor dem Hintergrund der erheblichen finanziellen Risiken, welche
die Anstellung von mindestens drei Beschäftigten birgt, wäre insoweit auch nicht ohne Weiteres von einer Genehmigung durch
das Betreuungsgericht nach § 1908i Abs.
1 Satz 1
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) i.V.m. §
1823 BGB auszugehen. Ob die betreuungsrechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme einer Arbeitgeberstellung durch die Klägerin mit
den entsprechenden Pflichten erfüllt wären, ist dem Senat auch auf besondere Nachfrage nicht nachgewiesen worden.
Neben den rechtlichen Problemen im Zusammenhang mit dem Abschluss der Arbeitsverträge bestehen auch mit den Anforderungen
des Arbeitsrechts nicht vereinbare Schwierigkeiten in der Durchführung der Arbeitsverhältnisse. Die Klägerin geht im Wesentlichen
davon aus, dass sich die Situation ähnlich darstellen würde, wie bei ihrer aktuellen Betreuung an drei Tagen der Woche durch
ehrenamtliche Helfer des Behindertenverbandes. Diese Vorstellung ist aber weder realistisch noch mit dem Arbeitsrecht in Einklang
zu bringen. Im Rahmen der Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuerin der Klägerin mit Beschluss des Amtsgerichts W. vom
25. Februar 2015 um Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten ist ein Einwilligungsvorbehalt nicht angeordnet worden,
sodass die Klägerin selbst das Direktionsrecht als Arbeitgeberin wirksam wahrnehmen könnte. Sie soll damit durch Personen
beaufsichtigt werden, die ihren, der Klägerin, Weisungen als Arbeitgeberin unterliegen. Zumindest bei einem Konfliktfall ist
diese Konstellation praktisch nicht umsetzbar.
Die Betreuerin der Klägerin kann nicht im eigenen Namen Arbeitsverträge über eine Betreuung der Klägerin schließen, soweit
hierfür eine Finanzierung aus der Klägerin gewährten Leistungen der Sozialhilfe erfolgen soll. Dem stehen bereits die Regelungen
des Betreuungsrechts entgegen, da die Betreuerin von Geschäftsbeziehungen mit der Klägerin ausgeschlossen ist (§ 1908i Abs.
1 Satz 1 i.V.m. §
1795 Abs.
2 und §
181 BGB) und die Betreuerin Vermögen des Mündels für sich nicht verwenden darf (§ 1908i Abs.
1 Satz 1 i.V.m. §
1805 Satz 1
BGB). Damit kann dahinstehen, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch einer Abtretung von Sozialhilfeansprüchen entgegensteht.
Die vorgennannte Problematik ist der Frage einer Zumutbarkeit der stationären Unterbringung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII vorgelagert. Im Übrigen verbleibt auch unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Auslegung der vorgenannten Regelung
nach Maßgabe insbesondere der Art.
2 Abs.
1,
3 Abs.
2 und Art.
11 GG ein grundsätzlicher Spielraum für eine Abwägung der Interessen der Klägerin, ihr Leben selbstbestimmt im Rahmen einer individuell
gewählten pflegerischen Versorgung zu gestalten, und den Interessen der Allgemeinheit an einer wesentlich kostengünstigeren
Pflege in einer anderen Wohnform. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 13 Abs. 1 SGB XII, die inhaltlich mit der vergleichbaren Vorgängerregelung in § 3a Satz 2 und 3 BSHG übereinstimmt, sind für den Senat nicht erkennbar geworden (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 12 CE 04.2041 - juris). Die von der Klägerin vorgebrachten Argumente einer Unzumutbarkeit
der Heimunterbringung sind vor dem Hintergrund der vielleicht der Klägerin nicht deutlich gewordenen, aber tatsächlich nicht
zu vermeidenden Beschränkungen bei dem Wohnen in einer eigenen Wohnung nicht tragfähig. Eine für die Klägerin ungeeignete
Bewohnerstruktur des Wohnheims steht für den Senat nicht fest. Die von ihr vorgetragene Beeinträchtigung durch das Tragen
von Nachtwäsche bei der Abendmahlzeit ist von der Einrichtung inzwischen beseitigt worden. Die Klägerin nutzt das Beschäftigungs-,
Freizeit- und Essensangebot des Behindertenverbandes bereits, sodass diesbezüglich eine Änderung durch eine andere Wohnform
nicht erreicht werden kann. Die "Bevormundung" würde sich im Rahmen des Wohnens in einer eigenen Wohnung mit einer 1:1-Betreuung
deutlich engmaschiger gestalten, als dies in einem Wohnheim regelmäßig möglich ist. Auch ist zu berücksichtigen, dass die
von der Klägerin favorisierte Versorgung nicht mehr der Heimaufsicht unterliegen würde, sodass die Wahrung der Belange der
Klägerin im Wesentlichen über das Betreuungsgericht stattfinden müsste.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.