Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine Beitragsforderung
der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin betreibt ein Alten- und Pflegeheim. Mit Bescheid vom 20. November 2018 forderte die Antragsgegnerin von
ihr rückständige Sozialversicherungsbeiträge für Pflegekräfte in Höhe von 20.550,70 EUR einschließlich Säumniszuschlägen.
Zur Begründung verwies sie darauf, dass bei der Firma P A eine Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund
stattgefunden hätte mit u. a. der Prüfung der Versicherungspflicht der entliehenen Pflegekräfte in allen Zweigen der Sozialversicherung.
Da die Firma A zahlungsunfähig sei, hafte die Antragstellerin als Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die ihr
überlassenen Arbeitnehmer. Daraus resultiere die Beitragsforderung.
Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch. Da es um Zeiträume bis 2013 gehe, mache sie zunächst eine Verjährung der
Beitragsforderung geltend. Zudem seien Leiharbeitsverhältnisse nicht vereinbart und vollzogen worden, weil die Pflegekräfte
selbstständig tätig gewesen seien. So seien sie nicht in ihrem Betrieb eingegliedert gewesen, hätten keinem Weisungsrecht
unterlegen. Sie hätten die Pflegeaufträge ablehnen können und an Dienstbesprechungen oder Schulungen nicht teilnehmen müssen.
Auch eine Schichtleitung und Behandlungspflege hätten sie nicht übernehmen müssen. Sie hätten ihre eigene Kleidung genutzt,
seien für eine Vielzahl von Auftraggebern tätig gewesen und hätten solche auch selbst akquiriert. Ihre Vergütung habe deutlich
über den Stundensatz der beschäftigten Pflegekräfte gelegen, so dass auch nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts von einer Selbstständigkeit auszugehen sei.
Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid zurück. Die Rentenversicherung habe im Rahmen ihrer Betriebsprüfung
eine sozialversicherungsrechtliche Bewertung zum Status der Pflegekräfte vorgenommen und ihre Beschäftigung bejaht. Damit
sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Die Antragstellerin hat am 15. Februar 2019 beim Sozialgericht Lübeck mit der Begründung Klage erhoben, ein Betriebsprüfbescheid
sei ihr nicht übersandt worden. Soweit bekannt, habe Frau A gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt und dieser Prüfbescheid
sei bisher nicht bestandskräftig. Zur Frage der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide hat die Antragstellerin ihr bisheriges
Vorbringen aus dem Widerspruch wiederholt. Vor diesem Hintergrund bitte sie die Beklagte um Aussetzung der Vollziehung bis
zur Entscheidung in der Hauptsache. Die Antragsgegnerin hat eine Aussetzung abgelehnt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen
habe sie den für den Pflegedienst A bestimmten Betriebsprüfbericht nicht beigefügt. Der Bevollmächtigte habe ausgeführt, dass
er gegen den Betriebsprüfbericht Widerspruch eingelegt habe. Dieses Verfahren dürfte bei der Deutschen Rentenversicherung
anhängig sein. Die Antragsgegnerin habe hierzu jedoch keine Erkenntnisse.
Daraufhin hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Lübeck am 27. Juni 2019 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer
Klage beantragt und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Ihr sei der Vorwurf der illegalen Beschäftigung erst durch den Bescheid
vom 20. November 2018 bekannt geworden. Das schließe einen Vorsatz aus. Eine abschließende versicherungsrechtliche Entscheidung
zum Sozialversicherungsstatus der Pflegekräfte liege bisher nicht vor. Es habe auch keine Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen.
Dazu hätte weder die DRV Bund noch die Antragsgegnerin Nachweise oder ähnliches vorgelegt, noch hätte diese dazu Näheres im
angefochtenen Bescheid ausgeführt oder dargelegt. Die pauschale Bezugnahme auf den Bericht der DRV Bund reiche als Begründung
nicht. Insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts sei von Bedeutung,
dass die vereinbarte Vergütung mit 20,00 EUR pro Stunde weit oberhalb der Vergütung für angestellte Pflegekräfte im Hause
der Antragstellerin nach dem AVB mit seinerzeit 8,59 EUR für Pflegehilfskräfte oder 10,02 EUR für examinierte oder 11,80 EUR
für angestellte Pflegekräfte gelegen habe.
Die Antragsgegnerin vermag weiterhin keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Bescheides zu erkennen und sieht
eine wirtschaftliche Notlage nicht als vorliegend an.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 19. Juli 2019 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin
vom 20. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2019 angeordnet und zur Begründung ausgeführt:
"Das Gericht hat aufgrund des gegenwärtigen Erkenntnisstandes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides.
Dabei gilt nach der gesetzlichen Konstruktion grundsätzlich, dass bei der Ermittlung der Erfolgsaussichten eine Risikoverteilung
zu Lasten des Zahlungspflichtigen vorgesehen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde unterlaufen, wenn bereits bei offenem
Ausgang im Hauptsacheverfahren die Vollziehung ausgesetzt würde (vgl. Keller aaO. § 86a Rn. 27a). Vielmehr sind die Voraussetzungen
für die Aussetzung der Vollziehung bzw. für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann erfüllt, wenn der Erfolg des
Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. z.B. Thüringer Landessozialgericht vom 9. März 2006, Az. L 6 R 967/05 ER - juris). Ein offener Ausgang des Verfahrens ist aber dann ausreichend für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, wenn
sich aus den Bescheiden und Unterlagen des Sozialversicherungsträgers keine hinreichenden Informationen für die Annahme der
Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht entnehmen lassen. So verhält es sich hier. Die Kammer lässt es zunächst ausdrücklich
dahinstehen, ob die Einwände der Antragstellerin zur Verjährung der Forderung durchgreifen, hält diese aber eher für nicht
stichhaltig. Im Ergebnis hat das Gericht aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen. Die
Rechtmäßigkeit des auf §
28e Abs.
2 Satz 1 des
Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB IV) gestützten Bescheides hängt unter anderem davon ab, ob sich die von der Antragstellerin eingesetzten Personen im Rahmen
der für diese geleisteten Arbeit als Selbständige oder abhängig Beschäftigte im Sinne des §
7 Abs.
1 SGB IV qualifizieren lassen. Dabei ist nicht auf das Verhältnis zwischen der Antragstellerin und den betreffenden Personen abzustellen,
sondern auf deren Verhältnis zu der zahlungsunfähigen P A. Darüber hinaus wäre ein wirksamer Vertrag über die Arbeitnehmerüberlassung
zwischen der Antragstellerin und der P A erforderlich. Hier lässt sich nicht im Ansatz feststellen, ob ein solcher Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen worden ist. Weder den angegriffenen Bescheiden noch der von der Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren übersandten
Verwaltungsakte lassen sich irgendwelche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung entnehmen. Allein
aus dem Umstand, dass der P A ab dem 5. Mai 2011 eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erteilt worden ist, lässt sich
ein solches Vertragsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der P A nicht entnehmen. Ebenso wenig führt der Umstand, dass
unstreitig die betreffenden Personen von der P A an die Antragstellerin vermittelt worden sind, dazu, dass ein Vertrag über
eine Arbeitnehmerüberlassung als belegt anzusehen wäre. Auch eine Umdeutung in eine Haftung der Antragstellerin nach §
28e Abs.
2 Satz 3 und
4 SGB IV kommt nicht in Betracht. Hiernach haftet der Entleiher bei einer unwirksamen oder rechtswidrigen Arbeitnehmerüberlassung
für die Sozialversicherungsbeiträge unmittelbar, da er in diesem Fall selbst als Arbeitgeber gilt. Insofern lässt sich aber
anhand der vorliegenden Unterlagen nicht im Ansatz feststellen, worauf die Beklagte die eigene Feststellung stützt, die fraglichen
Pflegekräfte seien abhängig beschäftigt gewesen. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts für die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status die konkreten Umstände des Einzelfalls
zu bewerten sind. Eine Einordung nach Berufsgruppen oder anderen pauschalen Kriterien ist nicht möglich, da grundsätzlich
jede Tätigkeit sowohl im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung wie auch selbständig ausgeübt werden kann. Dies gilt selbstverständlich
auch für Pflegekräfte - die Antragstellerin hat insoweit zutreffend auf die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts
verwiesen. Vorliegend lassen sich weder den angegriffenen Bescheiden noch den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen
irgendwelche tatsächlichen Feststellungen entnehmen, auf die die Antragsgegnerin ihre Einschätzung gründet. Die Antragsgegnerin
stellt vielmehr allein das Prüfungsergebnis als vermeintliche Tatsache fest. Insofern leiden die Bescheide schon an einem
- grundsätzlich nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X behebbaren - Begründungsmangel. Im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens bedeutet dies aber, dass die Feststellung
der Antragsgegnerin schlicht nicht überprüfbar ist, da insoweit keinerlei Informationen vorliegen.
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 19. August 2019. Sie habe sich bei ihrer Entscheidung
auf das Ergebnis der Betriebsprüfung der DRV Bund gestützt, die für die Einzugsstellen verbindlich die Höhe der rückständigen
Gesamtsozialversicherungsbeiträge regele. Die DRV Bund habe in dem Betriebsprüfbericht zur Frage des versicherungsrechtlichen
Status entschieden und sei hierzu auch berechtigt. Das gelte auch zu der Frage der Verjährung. Sie, die Antragsgegnerin, habe
keinen Zweifel an den Feststellungen der DRV Bund.
Die Antragstellerin ist weiterhin der Auffassung, dass es bereits an einer Arbeitnehmerüberlassung fehle und die Arbeitnehmereigenschaft
der Pflegekräfte nicht nachgewiesen sei. Mit dem konkreten Sachverhalt und der Prüfung hätten sich weder die Antragsgegnerin
noch die DRV Bund befasst.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts
Lübeck ist nicht zu beanstanden. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Voraussetzungen für die
beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bejaht. Darauf nimmt der Senat daher zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG). Ergänzend zu den Ausführungen des Sozialgerichts weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Grundvoraussetzung für die Entleiherhaftung der Antragstellerin ist die Arbeitnehmereigenschaft der von ihr eingesetzten Pflegekräfte,
für die die Antragsgegnerin die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen fordert. Maßgebend dafür ist ein Beschäftigungsverhältnis,
wie es in §
7 Abs.
1 SGB IV als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis definiert ist und als Anhaltspunkte für eine Beschäftigung
die Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers angeführt werden. Ob ein
solches Beschäftigungsverhältnis als Grundlage der Sozialversicherungspflicht besteht, ist anhand von in der Sozialgerichtsbarkeit
entwickelten Indizien, die für oder gegen eine solche Beschäftigung sprechen und anschließend in einer Gesamtabwägung zu klären.
Dabei sind, worauf das Sozialgericht zutreffend hinweist, die konkreten Umstände des Einzelfalles zu bewerten. Da es sich
hierbei um die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Entscheidung des Status handelt, müssen Verwaltungsakte,
die diesen Status, wie etwa hier der Beitragsbescheid, als Grundlage haben, in ihrer Begründung darauf eingehen (§ 35 Abs. 1 SGB X). Das ist bei den hier angefochtenen Bescheiden der Antragsgegnerin nicht ansatzweise der Fall, wie das Sozialgericht in
dem angefochtenen Beschluss ebenfalls zu Recht festgestellt hat. Nur eine solche Begründung versetzt den Entleiher in die
Lage, sich gegen einen belastenden Beitragsbescheid zu wehren. Und dass Pflegekräfte nicht ausnahmslos in einem Beschäftigungsverhältnis
ihre Tätigkeit verrichten, hat der Senat in mehreren Entscheidungen, die zum Teil von der Antragstellerin zitiert werden,
entschieden. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Urteilen am 7. Juni 2019 entschieden, dass die als Honorarpflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen tätigen
Pflegekräfte in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen sind, sondern als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht
unterliegen. Es hat aber nach der bisher erst vorliegenden Pressemitteilung auch entschieden, dass allein weder der Versorgungsauftrag
einer stationären Pflegeeinrichtung noch die Regelungen über die Erbringung stationärer Pflegeleistungen nach dem
SGB XI oder das Heimrecht des jeweiligen Landes eine zwingende Einordnung des sozialversicherungsrechtlichen Status bedingen. Weiter
ist in dem Pressebericht ausgeführt, dass Selbstständigkeit in diesem Bereich hier ausnahmsweise angenommen werden könne,
wofür dann gewichtige Indizien sprechen müssten. Eine solche Prüfung ist hier mangels entsprechender Begründung in den angefochtenen
Bescheiden nicht möglich.
Darüber hinaus enthalten die Bescheide auch keinen Hinweis über den Stand des Verfahrens zwischen der P A und der Deutschen
Rentenversicherung. Hierzu hat die Antragsgegnerin lediglich in der Klageerwiderung mitgeteilt, dass ein Verfahren bei der
Deutschen Rentenversicherung anhängig sein dürfte, hierzu sie jedoch keine Erkenntnisse habe, obwohl dieses Verfahren auch
auf den Anspruch gegen den Entleiher unzweifelhaft Einfluss hat.
Dieser Begründungsmangel der angefochtenen Bescheide hat zur Folge, dass jedenfalls im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
gebotenen summarischen Prüfung ausreichende ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte bestehen,
die zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen.
Bei der Festsetzung des Streitwertes geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
gegen einen Beitragsbescheid, das allein zum Zwecke des Zahlungsaufschubs geführt wird, der Streitwert auf ein Drittel des
Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist. Dem hat sich das Sozialgericht angeschlossen. Aus diesem Grund bestimmt der Senat auch
für das Beschwerdeverfahren den Streitwert in entsprechender Höhe auf 6.850,23 EUR.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).