Vergütung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren; Berücksichtigung von Zeitansätzen für die Supervision eines
Zusatzsachverständigen durch einen Hauptsachverständigen; Begründung eines Kausalitätsgutachtens bei der Feststellung des
Leistungsvermögens in der gesetzlichen Rentenversicherung
Gründe:
I. In dem Berufungsverfahren N. H .../. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (L 6 R 403/09) beauftragte der Berichterstatter des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 16. August 2012
die Erinnerungsführerin, Ärztin für Psychiatrie und Neurologie, mit der Erstellung eines Gutachtens nach §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Auf ihren Antrag, den sie mit dem Fehlen einer psychologischen Begutachtung, mit "umfangreicher Sachlage"und mit der Klärung
der Ein- und Umstellungsfähigkeit des Klägers begründete, ernannte er mit Beweisanordnung vom 4. Oktober 2012 Dipl.-Psych.
G. zum Zusatzsachverständigen. Die Befragung des Klägers am 24. Oktober 2012 wurde in 5 von 6 Stunden von beiden Sachverständigen
gemeinsam vorgenommen. Der Zusatzsachverständige erstellte sein Gutachten unter dem 12. November 2012 auf 57 Blatt; Ausführungen
zur Umstellungsfähigkeit enthält es nicht. Unter dem 19. November 2012 fertigte die Erinnerungsführerin ihr Gutachten aufgrund
ambulanter Untersuchungen am 24. und 25. Oktober 2012 auf insgesamt 32 Blatt. In ihrer Kostenrechnung vom 19. November 2012
machte sie eine Vergütung von insgesamt 5.407,60 Euro geltend (52 Stunden Zeitaufwand (10 Stunden Aktenstudium, 17 Stunden
Erhebung der Vorgeschichte am 24. und 25. Oktober 2012, 18 Stunden Abfassung der schriftlichen Beurteilung, 6,5 Stunden Diktat
und Korrektur) x 85,00 Euro, Porto 20,00 Euro, Schreibgebühren/Kopien 104,20 Euro, MWSt 863,40 Euro). Bezüglich der Einzelheiten
wird auf Blatt 34 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 5. Februar 2013 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
die Vergütung auf 3.350,80 Euro und legte einen notwendigen Zeitaufwand von 44,9 Stunden (14,8 Stunden Aktenstudium, 17 Stunden
Vorgeschichte/Untersuchung, 6,6 Stunden Beurteilung, 6,5 Stunden Diktat und Korrektur), aufgerundet 45 Stunden und einen Stundensatz
von 60,00 Euro (M2) zugrunde.
Am 8. Februar 2013 hat sich die Erinnerungsführerin gegen die Festsetzung gewandt und in ihrer Begründung u.a. vorgetragen,
sie habe ein individuell angefertigtes und schlüssiges Gutachten mit differentialdiagnostischer Würdigung gefertigt. Der Arbeitsaufwand
für die gutachterliche Äußerung sei erheblich gewesen. Der hohe Schwierigkeitsgrad ergebe sich aus den Darlegungen im Gutachten
sowie dem erstmalig hergestellten Zusammenhang zwischen Unfalleinwirkung und Krankheitszustand und der Wertung der Vorgutachten.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
die Vergütung für das Gutachten vom 19. November 2012 auf 5.407,60 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Vergütung auf 3.860,60 Euro festzusetzen.
Nach seiner Ansicht kann der beantragte Zeitansatz ausgehend von einer Stundenzahl von 46,2 Stunden und einer "Marge" von
15 v.H. akzeptiert werden. Hinsichtlich der Honorargruppe M2 schließe er sich den Ausführungen der Urkundsbeamtin an.
Diese hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 8. Februar 2013) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt. Auf Nachfrage
des Senatsvorsitzenden hat die Erinnerungsführerin u.a. vorgetragen, es sei für sie selbstverständlich gewesen, die Zusatzuntersuchung
des Dipl.-Psych. G. zu supervidieren. Dies sei auch wesentlich gewesen, die dort erhaltenen Informationen aufzunehmen und
die Authentizität der Beschwerden nochmals zu überprüfen. Zudem sei bei einer posttraumatischen Belastungsstörung im Rahmen
der Begutachtung immer wieder mit einer Retraumatisierung zu rechen. Sie habe als Ärztin während der gesamten Zeit anwesend
sein müssen, um im Notfall Hilfe leisten zu können.
Der Senatsvorsitzende hat mit Beschluss vom 12. August 2013 das Verfahren dem Senat übertragen.
II. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die
Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG)) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche
Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen
worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Die Erinnerungsführerin ist Berechtigte im Sinne dieser Vorschrift.
Bei der Erinnerungsentscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig
davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 1. Dezember 2011 - L 6 SF 1617/11 E; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 10. Oktober 2005 - 1 B 97.1352, nach juris). Bei der Festsetzung ist der Senat weder an die Höhe der Einzelansätze
noch an den Stundenansatz oder die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch die Urkundsbeamtin oder den Antrag der
Beteiligten gebunden; er kann lediglich nicht mehr festsetzen als beantragt wurde. Es kommt insofern nicht darauf an, dass
der Beschwerdegegner den vorgetragenen Zeitansatz akzeptieren will, denn das Begehren wurde weder voll anerkannt noch vergleichsweise
erledigt.
Nachdem die Erinnerung kein Rechtsbehelf ist, gilt das Verschlechterungsverbot (sog. "reformatio in peius") bei der erstmaligen
richterlichen Festsetzung nicht (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 16. März 2012 - L 6 SF 151/12 E m.w.N., Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen
Richtern nach dem JVEG, 25. Auflage 2011, § 4 Rdnr. 4.3; Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage 2010, § 4 JVEG Rdnr. 10). Eine Herabsetzung unter den Antrag beider Beteiligten ist - wie hier - daher möglich.
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits
begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs.
1).
Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand
eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher
Arbeitsintensität orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98, beide nach juris; Senatsbeschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Hartmann in Kostengesetze, 40. Auflage 2010, § 8 JVEG Rdnr. 35). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantworteten Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf
dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember
2003 - X ZR 206/98; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 841). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die
Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006
- L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 - L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg
vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v.H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung
anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 -
L 6 B 22/06 SF; Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Mai 2012 - L 15 SF 104/11, nach juris).
Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen
Sachverständigen" grundsätzlich in fünf Bereichen: a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, b) Erhebung der Vorgeschichte,
c) notwendige Untersuchungen, d) Abfassung der Beurteilung, e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.
Für das Gutachten vom 19. November 2012 war angesichts der übersandten Unterlagen und Angaben sowie unter Berücksichtigung
der üblichen Erfahrungswerte ein Zeitaufwand von (aufgerundet) 38,5 Stunden erforderlich. Die von der Erinnerungsführerin
geforderten Ansätze entsprechen nicht der Senatsrechtsprechung.
Nicht plausibel ist der beantragte Ansatz für die Aktendurchsicht. Relevant waren hier 990 Blatt, für die nach der Senatsrechsprechung
ein Zeitansatz von 13,3 Stunden (medizinische Unterlagen 6,8 Stunden, Verwaltungsakten 6,5 Stunden) akzeptiert werden. Der
Senat unterstellt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Sachverständiger für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen
einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten ohne Doppelheftungen einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für etwa
80 Blatt mit ca. ¼ medizinischem Inhalt benötigt (vgl. u. a. Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - L 6 B 172/07 SF und 11. Februar 2003 - L 6 B 6/03 SF). Ist der medizinische Anteil (wie hier: ca. 33 v.H.) höher, sind die Akten mit allgemeinem und mit medizinischem Inhalt
getrennt zu erfassen und wie folgt unterschiedlich zu bewerten (vgl. Senatsbeschluss vom 27. August 2008 - L 6 SF 36/08): medizinische Unterlagen ca. 1 Stunde für 50 Blatt, sonstige Unterlagen ca. 1 Stunde für 100 Blatt. Nicht berücksichtigt
werden bei beiden Berechnungen Doppelheftungen. Hier lagen der Erinnerungsführerin 1.258 Blatt Unterlagen, davon 268 Doppelheftungen
(in der Hauptsache durch Abheftung der Unterlagen des Verfahrens L 1 RJ 372/04 in den Akten der Beklagten) vor:
- Gerichtsakte L 6 R 403/09 mit 202 Blatt, davon 84 Blatt medizinische Unterlagen,
- Gutachten Dipl.-Psych. G. vom 12. November 2012 mit 57 Blatt,
- Gerichtsakte L 1 RJ 372/04 mit 321 Blatt (5 Doppel aus Verwaltungsakte), davon 142 Blatt medizinische Unterlagen,
- "Notakte" der Beklagten mit 53 Blatt Verwaltungsakte und 37 Blatt medizinische Beiakte, darin 35 Blatt medizinische Unterlagen
(davon 33 Doppel),
- Versichertenakte mit 387 Blatt Leistungsakte (davon 93 Doppel) und 191 Blatt medizinische Beiakte (137 Doppel), 10 Blatt
Vorheftung, davon 1 Blatt medizinische Unterlagen.
In ihrer Kostenrechnung unterscheidet die Erinnerungsführerin nicht zwischen Erhebung der Vorgeschichte und Untersuchung.
Der Ansatz von - aufgerundet - 17 Stunden für beide Bereiche kommt nicht in Betracht; berücksichtigt werden können höchstens
11,75 Stunden. Nach den Angaben im Gutachten war der Kläger am 24. Oktober 2012 6 Stunden und am 25. Oktober 10,75 Stunden
anwesend. Am 24. Oktober hat allerdings der Zusatzsachverständige Dipl.-Psych. G. nach seiner Kostenrechnung 5 Stunden exploriert
und Tests durchgeführt. Dies wird von der Erinnerungsführerin nicht bestritten. Damit kann der Ansatz bei der Erinnerungsführerin
nicht zusätzlich berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit in diesem Zeitraum erschließt sich dem Senat nicht.
Sie hatte selbst die Beauftragung des Zusatzsachverständigen beantragt. Ein solcher Vorschlag kommt aber nur dann in Betracht,
wenn die Begutachtung eine Sachkunde erfordert, über die der ernannte Sachverständige selbst nicht verfügt (vgl. §
407a Abs.
1 der
Zivilprozessordnung (
ZPO)), hier also die psychologische Begutachtung. Der Senat unterstellt, dass die Erinnerungsführerin diese Vorschrift kennt
und beachtet. Allein die "umfangreiche Sachlage" hätte kein Zusatzgutachten begründet. Dementsprechend hat Dipl.-Psych. G.
den Kläger nach seinem Gutachten exploriert sowie die testpsychologische Untersuchung einschließlich der Validierung vorgenommen
und hieraus seine Beurteilung abgeleitet. Die von der Erinnerungsführerin vorgetragene Begründung zur Notwendigkeit ihrer
gleichzeitigen Anwesenheit überzeugt nicht. Eine Supervision kommt nicht in Betracht. Dabei handelt es sich um die Beobachtung
und Analyse des Verhaltens eines Therapeuten durch einen Supervisor zur Aufdeckung und Korrektur methodischer Fehler zur Beurteilung
seiner Kompetenz (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Auflage 1990). Eine "Supervidierung" des vom Gericht ernannten
Zusatzsachverständigen durch den Hauptsachverständigen kommt nicht in Betracht und greift unzulässig in dessen Rechte ein.
Dipl.-Psych. G. war ein vom Gericht ernannter unabhängiger Sachverständiger, der für sein Gutachten allein persönlich und
uneingeschränkt verantwortlich ist (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 341). Die Supervision
ist zwar im Klinikalltag sicher durchaus üblich und auch erforderlich, scheidet jedoch bei der gerichtlich angeordneten Gutachtenserstellung
aus. Im Übrigen überzeugt auch die weitere Begründung der Erinnerungsführerin nicht. Es erschließt sich dem Senat nicht, weshalb
sie verbale und paraverbale Botschaften im Rahmen der Befragung durch Dipl.-Psych. G. feststellen musste. Hierfür wäre der
lange Zeitraum der eigenen Befragung (12 Stunden) durchaus ausreichend gewesen. Nicht nachvollziehbar ist die spätere Behauptung
der Erinnerungsführerin, sie habe anwesend sein müssen, um wegen einer Retraumatisierung im Notfall Hilfe leisten zu können.
Dipl.-Psych. G. ist ausgebildeter Psychologe und hätte in einem solchen Fall sicher angemessen reagieren können. Es ist überdies
nicht ersichtlich, weshalb sich bereits vor dem Termin und der Diagnosestellung einer posttraumatischen Belastungsstörung
diese Gefahr aufdrängte. Die Diagnose konnte sich frühestens im Verlauf der Untersuchung ergeben. Zumindest in den Vorgutachten
des Dr. M. und des Dr. Sch. werden sie nicht genannt.
Für die Abfassung der Beurteilung können angesichts der Schreibweise 6,6 Stunden berücksichtigt werden. Sie umfasst die Beantwortung
der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner
Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen
Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Der Senat geht seit März 2012 in seiner Rechtsprechung
davon aus, dass ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung für die gedankliche Erarbeitung
durchschnittlich eine Stunde für ca. 1 ½ Blatt benötigt (vgl. u.a. Beschluss vom 26. März 2012 - L 6 SF 132/12 E). Dabei handelt sich allerdings nur um einen Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15.
März 2012 - L 6 SF 224/12 B und 13. März 2012 - L 6 SF 197/12 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. November 2011 - L 5 P 55/10, nach juris), um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Maßgebend ist im Zweifelsfall
der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der im Gutachten zum Ausdruck kommt. Insofern ist in begründeten
Sonderfällen durchaus eine Abweichung (positiv wie negativ) bei dem genannten Ansatz erforderlich. Die Beurteilung erstreckt
sich hier angesichts der Schreibweise auf allenfalls ca. 10 Blatt und ist im Gutachten auf folgenden Seiten enthalten: 21
bis 26 sowie auf Blatt 28 bis 31 (hier in unterschiedlichem Umfang). Nach der Rechtsprechung des Senats sind hierfür 6,7 Stunden
zu veranschlagen. Zu der Beurteilung gehören nicht die eigenen Stellungnahmen des Klägers zu Vorgutachten oder deren inhaltliche
Wiederholung. Aus dem Gutachten und Stellungnahmen der Erinnerungsführerin ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte,
dass der objektive Arbeitsaufwand der Erinnerungsführerin höher war.
Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens werden unter Berücksichtigung der Schreibweise die beantragten 6,5 Stunden
berücksichtigt.
Die Schreibauslagen werden nach § 12 Abs. 1 S. 2 JVEG ersetzt.
Das Gutachten ist nach der Honorargruppe M2 (60,00 Euro) zu berechnen (§ 9 Abs. 1 JVEG). Sie wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller
Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, z.B. Gutachten
in Verfahren nach dem SchwbG oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Die Honorargruppe M3 kommt nur bei Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad
in Betracht. Als Beispiel nennt das Gesetz Begutachtungen spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differentialdiagnostischer
Probleme und/oder Beurteilungen der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen genannt sowie 16 Beispielsfälle.
In den Beispielen beider Honorargruppen sind Gutachten zur Überprüfung der Erwerbsfähigkeit nicht enthalten. Der Begriff "Minderung
der Erwerbsfähigkeit" bei der Definition der Honorargruppe M2 ist rechtstechnisch tatsächlich der gesetzlichen Unfallversicherung
und dem sozialen Entschädigungsrecht zugeordnet (so zu Recht LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A). Deshalb muss die Zuordnung nach billigem Ermessen erfolgen (§ 9 Abs. 1 S. 3 2. Halbs. JVEG). Zustandsgutachten wie Gutachten zur Feststellung der Leistungsfähigkeit werden nach der ganz h.M. im Regelfall in die Honorargruppe
M2 eingeordnet (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B m.w.N., Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. September 2009 - L 15 SF 188/09; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 -L 2/9 SF 82/04, beide nach juris; Reyels in jurisPR-SozR 18/2010 Anm. 6),
denn es handelt sich um typische Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige,
12. Auflage 2007, Rdnr. 872). Eine Honorierung in M3 kommt allerdings ausnahmsweise dann in Betracht, wenn umfassende und
vielschichtige Überlegungen erforderlich waren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A; nach juris); die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen. Auch andere Gründe
sind denkbar, z.B. eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben.
Hier erstellte die Erinnerungsführerin kein Kausalitätsgutachten, denn im Rentenverfahren geht es nur um die Leistungsfähigkeit
des Klägers. Die Stellung einer bestimmten Diagnose (posttraumatische Belastungsstörung) aufgrund eines Unfalls führt nicht
zu einem Kausalitätsgutachten, denn die Ursache einer Erkrankung ist im Rentenverfahren ohne Bedeutung. Die Auseinandersetzung
mit Vorgutachten begründet allein ebenfalls nicht die Honorargruppe M3 (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom
1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B, 8. Mai 2009 - L 6 SF 35/08, 27. August 2008 - L 6 SF 36/08), ebenso wenig die Abweichung von deren Einschätzung. Zwar hat die Erinnerungsführerin hier durchaus differentialdiagnostische
Überlegungen angestellt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sie einen hohem Schwierigkeitsgehalt hatten (vgl. Senatsbeschluss
vom 15. März 2010 - L 6 B 209/09 SF) und hinsichtlich Schwierigkeiten und Aufwand ein "normales" Zustandsgutachten deutlich übersteigen. Im Übrigen hat die
Erinnerungsführerin hier Dipl.-Psych. Gerl die erforderliche (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 2012 - L 6 R 592/09) Beschwerdevalidierung überlassen und seine Tests und deren Auswertung in ihr Gutachten übernommen. Eine - wenn nicht die
- Kernaufgabe der ärztlichen Begutachtung ist gerade die Klärung der Frage, ob und inwieweit die vom Begutachtenden geklagten
Beschwerden und Funktionsstörungen bestehen (vgl. Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen,
AWMF-Register Nr. 030/102, Klasse S2k, Stand Mai 2012), insbesondere bei solchen, die subjektivem Erleben unterliegen, wie
Befindlichkeitsstörungen sowie das gesamte Spektrum somatoformer, depressiver und sonstiger psychischer Störungen (vgl. Widder,
Beurteilung der Beschwerdevalidität in Widder/Gaidzig, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, Bl. 64). Dann ist
immer eine gezielte Beschwerdevalidierung, u.a. durch Selbstbeurteilungsskalen und Beschwerdevalidierungstests, erforderlich.
Dass die Erinnerungsführerin diese Aufgabe Dipl.-Psych. G. überlassen hat, legt nahe, dass sie selbst insoweit nicht über
die notwendige Kompetenz für diese interdisziplinäre Aufgabe verfügte (vgl. LSG Mainz Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. September
2009 - L 6 R 303/09 B, nach juris). Dann kommt die Einordnung als Gutachten mit dem bei M3 geforderten hohen Schwierigkeitsgrad nicht in Betracht.
Die Vergütung der Erinnerungsführerin errechnet sich damit wie folgt:
38,5 Stunden x 60,00 Euro (Honorargruppe M2)
|
2.310,00 Euro
|
Schreibauslagen
|
104,20 Euro
|
Aufwendungen
|
20,00 Euro
|
|
2.434,20 Euro
|
MWSt.
|
462,50 Euro
|
Gesamtbetrag
|
2.896,70 Euro
|
Nachdem die Erinnerungsführerin bereits 3.360,80 Euro erhalten hat, ist sie zur Rückzahlung von 464,10 Euro verpflichtet.
Dies erfordert keine zusätzliche gesetzliche Grundlage (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2013 - L 6 SF 1445/12 B). Das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und das Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz (ThürVwVfG) sind mangels Verwaltungsaktscharakter der Überweisung nicht einschlägig; eine analoge Anwendung kommt mangels Lücke nicht
in Betracht. Die Berechnung und Auszahlung der Sachverständigenentschädigung steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt einer
anderweitigen Festsetzung durch das Gericht nach § 4 JVEG (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juni 2007 - L 6 B 131/06 SF; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 3 So 146/09; KG, Beschluss vom 6. Mai 2003 - 1 W 308/01, alle nach juris; im Ergebnis auch Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, § 2 Rdnr. 2.10).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).