Umfang des Rückforderungsanspruchs bei regelmäßig wiederkehrendem Unterhaltsbedarf des Schenkers
Tatbestand:
Mit Vertrag vom 25. Oktober 1991 übertrug die Klägerin ihren Anteil von 1/4 am Nachlaß ihrer am 14. Oktober 1991 verstorbenen
Mutter auf die Beklagte, ihre Tochter. Zum Nachlaß gehörte ein Hausgrundstück in B., das die Beklagte und die weiteren Miterben
nach der Mutter der Klägerin mit Vertrag vom 16. März 1992 für 1.000.000 DM verkauften.
Mit Schreiben vom 24. August 1992 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe "der Hälfte des schon ausgezahlten
Nachlasses". Die Beklagte lehnte dies ab. Darauf erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 4. November 1992 die Anfechtung des
Erbteilsübertragungsvertrages wegen arglistiger Täuschung.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 250.000 DM in Anspruch. Sie hat geltend gemacht, ihren Anteil am Nachlaß ihrer
Mutter habe sie der Beklagten aufgrund eines Treuhandvertrages übertragen. Die Beklagte habe ihr bei der Sicherung des Anteils
vor Zugriffen Dritter behilflich sein wollen. Sie habe ihr zugesagt, sich um die Angelegenheiten der Klägerin zu kümmern und
das zu übertragende Vermögen zu verwalten.
Die Beklagte hat eine Treuhandabrede bestritten und behauptet, die Parteien seien über eine Schenkung des Nachlaßanteils einig
gewesen. Daraufhin hat die Klägerin ihren Anspruch hilfsweise auf Herausgabe des Geschenks gestützt. Sie sei außerstande,
ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Weil sie als Frührentnerin nur geringe Renteneinkünfte habe, müsse sie Sozialhilfeleistungen
in Anspruch nehmen.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
ist - nachdem die Klägerin die Klage in Höhe eines Betrages von 750, 12 DM zurückgenommen hatte - erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, der Klägerin stehe gegen die Beklagte in Höhe der noch geltend gemachten 249.249,88 DM ein
Rückforderungsanspruch wegen Notbedarfs (§§
528 Abs.
1,
812
BGB) zu. Dazu führt es aus: Bilde - wie die Beklagte selbst vortrage - ein Schenkungsvertrag zwischen den Parteien den Rechtsgrund
für die Erbteilsübertragung, könne die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe des an die Stelle des Nachlaßanteils getretenen
Geldbetrages verlangen. Die Klägerin benötige den (noch geltend gemachten) Betrag zur Deckung ihres angemessenen Unterhalts.
Sie erhalte nur eine Rente von 303 DM monatlich und müsse im übrigen Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen. Sie sei mithin
außerstande, ihren angemessenen Unterhalt selbst zu bestreiten. Allerdings bestehe ein Anspruch auf Herausgabe des Geschenks
oder des an seine Stelle getretenen Surrogats nur, soweit der Schenker nach der Schenkung außerstande sei, seinen angemessenen
Unterhalt zu bestreiten. Ein Rückforderungsanspruch sei deshalb nur in dem Umfang anzuerkennen, in dem der Schenkungsgegenstand
- hier der Betrag von noch 249.249, 88 DM - zur Deckung des angemessenen Unterhalts erforderlich sei. Der angemessene Unterhalt
der Klägerin mache monatlich wenigstens 2.000 DM aus. Die Zinseinkünfte aus dem Betrag von 249.249,88 DM reichten nicht aus,
um diesen Bedarf zu decken; es sei ein Rückgriff auf die Substanz des Vermögens erforderlich. Die Klägerin könne deshalb Rückzahlung
des gesamten Betrages verlangen. Von der Abwendungsbefugnis des §
528 Abs.
1 S. 2
BGB habe die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Das bloße - unbezifferte - Angebot, der Mutter angemessenen Unterhalt zu gewähren,
genüge hierfür nicht.
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe des Geschenks gemäß §
528 Abs.
1
BGB setzt zunächst voraus, daß die Klägerin außerstande ist, ihren angemessenen Unterhalt (vgl. §
1610
BGB) zu bestreiten. Das stellt das Berufungsgericht - entgegen der Auffassung der Revision - rechtsfehlerfrei fest.
Unstreitig erhält die Klägerin als Frührentnerin nur eine geringe Rente. Die Beklagte selbst hat vorgetragen, das Sozialamt
erstatte der Klägerin die Miete und zahle ihr darüber hinaus Kohle-, Kleider- und Diabetesgeld. Zwar ist bei der Feststellung
des Unterhaltsbedarfs grundsätzlich auch zu berücksichtigen, ob der Schenker zu dessen Deckung sonstiges Vermögen einsetzen
kann, unter Umständen auch, ob er fehlende Mittel durch zumutbare Erwerbstätigkeit zu beschaffen vermag (vgl. RGRK/Mezger,
BGB 12. Aufl. §
528 RdNr. 2). Für solche Möglichkeiten der Bedarfsdeckung besteht hier - auch unter Berücksichtigung der Behauptungen der Beklagten
- aber kein Anhalt. Demgemäß war schon nach dem Vortrag der Parteien davon auszugehen, daß die Klägerin zur Deckung des angemessenen
Unterhalts regelmäßig auf Leistungen des Sozialhilfeträgers angewiesen ist. Schon dieser Umstand (vgl. MünchKomm/Kollhosser,
BGB 3. Aufl. §
528 RdNr. 4) bot hier eine ausreichende Grundlage für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei außerstande, ihren
angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Darauf, ob die Klägerin - wie das Berufungsgericht zusätzlich ausführt - über die genannten
Hilfeleistungen hinaus nunmehr laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, kam es nicht mehr an. Es kann deshalb auf sich beruhen,
ob das Berufungsgericht eine solche Feststellung verfahrensfehlerfrei den Prozeßkostenhilfeunterlagen der Klägerin entnehmen
konnte.
Daß die Klägerin schon vor Übertragung des Nachlaßanteils Sozialhilfeleistungen erhalten hat, stellt die Anwendbarkeit des
§
528 Abs.
1
BGB nicht in Frage. Ohne schenkweise Übertragung des Nachlaßanteils wäre sie in der Lage gewesen, nach Veräußerung des Grundstücks
ihren angemessenen Unterhalt aus dem Erlösanteil zu bestreiten. Die Vollziehung der Schenkung hat demgemäß dazu geführt, daß
sie dazu nunmehr außerstande ist.
b) Das Berufungsgericht nimmt an, der angemessene Unterhaltsbedarf der Klägerin sei auf wenigstens 2.000 DM zu beziffern.
Da dieser Bedarf durch Zinsen aus dem Schenkungskapital nicht gedeckt werden könne, sei ein Rückgriff auf die Substanz des
Vermögens unvermeidbar. Die Klägerin habe deshalb Anspruch auf Herausgabe des Gesamtbetrages.
Das erweist sich im Ergebnis auch dann als rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht den Unterhaltsbedarf der Klägerin zutreffend
bemessen hat.
aa) Nach §
528 Abs.
1 S. 1
BGB hat der Schenker Anspruch auf Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, allerdings
nur, "soweit" er außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Der Rückforderungsanspruch besteht mithin lediglich
in dem Umfang, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen Unterhalts erforderlich ist. Bedarf der Schenker
nur eines Teils des Geschenks, so kann bei teilbarem Schenkungsgegenstand auch nur ein diesem Bedürfnis entsprechender realer
Bruchteil herausverlangt werden; selbst wenn der Schenkungsgegenstand nicht teilbar ist, richtet sich der Anspruch aus §
528 Abs.
1 S. 1
BGB von vornherein auf Zahlung in Höhe des der Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertteils des Geschenks (BGHZ 94, 141, 143f.).
bb) Dieser Begrenzung des Rückforderungsanspruchs ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn ein wiederkehrender Unterhaltsbedarf
des Schenkers besteht, wie dies etwa bei anfallenden Heimunterbringungs- oder Pflegekosten aber auch dann der Fall sein kann,
wenn der Schenker - wie hier - voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sein wird, seinen angemessenen Unterhalt ohne Inanspruchnahme
von Sozialhilfeleistungen zu sichern. In einem solchen Falle regelmäßig wiederkehrenden Bedarfs richtet sich der Anspruch
aus §
528 Abs.
1 S. 1
BGB deshalb auf wiederkehrende Leistungen des Beschenkten in einer dem angemessenen Unterhaltsbedarf entsprechenden Höhe, bis
der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1992 - 5 C 37/88 - NJW 1992, 3312; MünchKomm/Kollhosser, a.a.O., RdNr. 5). Denn nur mit einer solchen Begrenzung des Anspruchs kann auch in Fällen wiederkehrenden
Bedarfs gesichert werden, daß das Geschenk nur in dem Maße ("soweit") in Anspruch genommen wird, wie dies dem Bedarf des Schenkers
entspricht. Zugleich werden dadurch mögliche Rückforderungsansprüche des Beschenkten vermieden, die diesem nach Herausgabe
des Gesamtwertes des Geschenks und späterem Wegfall des Unterhaltsbedarfs zustehen könnten (vgl. RGRK/Mezger, a.a.O., RdNr.
5).
Ist aber der Rückforderungsanspruch nach §
528 Abs.
1 S. 1
BGB bei wiederkehrendem Bedarf von vornherein in dieser Weise begrenzt, bleibt für die Anwendung der Ersetzungsbefugnis in §
528 Abs.
1 S. 2
BGB kein Raum. Der Anspruch des Schenkers ist in diesem Falle von vornherein ohnehin nur auf das gerichtet, was der Beschenkte
in Ausübung der Ersetzungsbefugnis zu leisten hätte.
Demgemäß schuldet die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Herausgabe des gesamten - aus dem ihr
übertragenen Nachlaßanteil erlösten - Geldbetrages, sondern nur regelmäßig wiederkehrende Leistungen in Höhe des zur Deckung
des angemessenen Unterhalts der Klägerin erforderlichen Betrages.
3. a) Das Berufungsgericht hat den angemessenen Unterhalt der Klägerin auf "wenigstens" 2.000 DM monatlich beziffert. Diese
Wortwahl läßt die Möglichkeit offen, daß das Berufungsgericht damit nur eine in jedem Falle erreichte untere Grenze bezeichnet
hat, weil es nach seiner Rechtsauffassung auf die Bestimmung des genauen monatlichen Bedarfs nicht ankam. Sollte es im neuerlichen
Verfahren darauf ankommen, ob der Klägerin ein Anspruch gemäß §
528 Abs.
1
BGB zusteht, wird das Berufungsgericht festzustellen haben, welcher Betrag zur Deckung des angemessenen Unterhalts der Klägerin
erforderlich ist. Dazu wird der insoweit beweisbelasteten Klägerin Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.
b) Das Berufungsgericht wird auch zu beachten haben, daß die Klägerin ihren Anspruch auf Rückzahlung der gesamten (noch geltend
gemachten) 249.249, 88 DM auch auf andere Rechtsgründe und nur hilfsweise auf §
528 Abs.
1
BGB gestützt hat.