Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheides nach Nichteinhaltung einer Eingliederungsvereinbarung;
Fehlen einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheides und eines damit in Zusammenhang stehenden Aufhebungsbescheides.
Die am 1986 geborene Klägerin stand seit Juni 2005 im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II (Alg II) bei der Beklagten.
Für die Zeit von Januar bis April 2007 wurden ihr mit Bescheid vom 13. Dezember 2006 Leistungen in Höhe von monatlich 401,52
Euro bewilligt. Am 13. Oktober 2006 schlossen Klägerin und Beklagte eine schriftliche Eingliederungsvereinbarung. Inhalt der
Vereinbarung war das Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Rahmen des Projekts "Job for Junior"
der D in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 31. Januar 2007. Die Klägerin verpflichtete sich ua, regelmäßig und zuverlässig
an dem Projekt teilzunehmen. Die Vereinbarung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung mit folgendem Inhalt:
"Rechtsfolgenbelehrung:
Mir ist bekannt, dass ich nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zwar eine Förderung beanspruchen kann, daneben aber
in erster Linie selbst gefordert bin, konkrete Schritte zur Beseitigung meiner Hilfebedürftigkeit zu unternehmen. Ich bin
verpflichtet, mich selbständig zu bemühen, meine Erwerbslosigkeit zu beenden und aktiv an allen Maßnahmen mitzuwirken, die
dieses Ziel unterstützen.
Das Gesetz sieht bei pflichtwidrigem Verhalten unterschiedliche Leistungskürzungen vor. Die Leistung kann danach - auch mehrfach
nacheinander oder überschneidend - gekürzt werden oder ganz entfallen.
Grundpflichten
1. Eine Verletzung Ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn Sie sich weigern,
- eine Ihnen angebotene Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II abzuschließen,
- die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen
nachzuweisen,
- eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Sofortangebot oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung
festgelegte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen
oder
- Sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben.
2. Bei einer Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von
Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung.
3. Haben Sie das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet, wird das Arbeitslosengeld II im Fall der
in Punkt 1 genannten Pflichtverletzungen auf die Leistungen nach § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) beschränkt.
Diese sollen direkt an den Vermieter oder sonstigen Empfangsberechtigten gezahlt werden.
Meldepflicht
4. Eine Verletzung der Meldepflicht nach §
59 SGB II i.V.m. §
309 SGB III liegt vor, wenn Sie der Aufforderung Ihres zuständigen Trägers der Grundsicherung, sich persönlich zu melden oder zu einem
ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen.
5. Bei einer Verletzung der Meldepflicht wird das Arbeitslosengeld II um 10 % der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von
Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung.
6. Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Punkt 4 von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch
nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wird das Arbeitslosengeld II um den Prozentsatz der Regelleistung zur Sicherung
des Lebensunterhaltes gemindert, der sich aus der Summe des im vorliegenden Fall relevanten Prozentsatzes und des Prozentsatzes
der vorangegangenen Absenkung ergibt.
Gemeinsame Vorschriften
7. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zustellung des entsprechenden Bescheides
über die Sanktionen. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
(Sozialhilfe). Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet
haben, können Absenkung und Wegfall der Regelleistung im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden.
8. Die Absenkung des Arbeitslosengeldes II und der Wegfall des Zuschlags treten nicht ein, wenn Sie für die Pflichtverletzung
einen wichtigen Grund nachweisen können.
9. Bei einer Minderung der Regelleistung um mehr als 30% können Ihnen ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen
erbracht werden. Diese werden in der Regel erbracht, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben.
Hinweis: Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften können Sie bei Ihrem Träger der Grundsicherung einsehen."
Die Klägerin nahm die ihr angebotene Arbeitsgelegenheit im Rahmen des Projekts "Job for Junior" bei der D zunächst auf, kündigte
aber gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 an, bis zur Klärung ihrer Urlaubsansprüche nicht mehr zur
Arbeit zu erscheinen. Daraufhin wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2007 darauf hin, dass sie auf Grund
der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet sei, die ihr zugewiesene Arbeitsgelegenheit regelmäßig auszuführen. Weiter hieß
es: "Eine Niederlegung der Arbeitsgelegenheit müsste hier als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden und würde zur Kürzung
Ihres Leistungsanspruchs führen."
Nachdem die Klägerin vom 8. Januar 2007 bis zum 15. Januar 2007 sowie vom 18. Januar bis zum 31. Januar 2007 bei der D unentschuldigt
gefehlt hatte, beschränkte die Beklagte zum einen mit Bescheid vom 21. Februar 2007 unter Anrechnung ihres vorhandenen Einkommens
und unter Aufhebung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung das Alg II der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2007 bis
31. Mai 2007 auf die Kosten der Unterkunft. Zum anderen bewilligte sie mit einem weiteren Bescheid vom 21. Februar 2007 unter
Aufhebung der "bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen insoweit" für die Monate März und April 2007 nur noch
Leistungen in Höhe von 56,52 Euro. Die Widersprüche hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 18. und 19.
Juni 2007 zurück.
Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 14. April 2008). Die Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids
ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte die Klägerin nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise über
die Rechtsfolgen informiert habe, die aus der Weigerung folgten, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Verpflichtungen
zu erfüllen. Eine solche Rechtsfolgenbelehrung müsse, um ihrer Warn- und Erziehungsfunktion zu genügen, konkret, eindeutig,
verständlich, verbindlich und zutreffend sein. Abzustellen sei auf die zuletzt vor dem Eintritt der potentiellen Pflichtverletzung
erteilte Rechtsfolgenbelehrung. Die Belehrung im Schreiben vom 4. Januar 2007 sei zwar einzelfallbezogen, weise aber insoweit
nicht die erforderliche Eindeutigkeit auf, als weder der genaue Absenkungszeitraum, noch die Höhe der drohenden Leistungsabsenkung
benannt worden sei. Die (frühere) Belehrung, die die Beklagte der Klägerin in der Eingliederungsvereinbarung erteilt habe,
erschöpfe sich dagegen in einer abstrakten und formelhaften Wiedergabe des Gesetzeswortlauts.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 31 SGB II. Die im Zusammenhang mit der Eingliederungsvereinbarung
erteilte Rechtsfolgenbelehrung sei zwar pauschal, für die Klägerin jedoch nachvollziehbar gewesen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. April 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen, §
170 Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Das SG hat zu Recht die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben.
1. Die Revision der Beklagten ist zulässig.
a) Das SG hat die Sprungrevision gemäß §
161 Abs
1 Satz 1
SGG im Urteil zugelassen. Die Beklagte hat ihrer Revisionsschrift die Zustimmungserklärung der Klägerin in Kopie beigefügt. Dies
reicht zur Wahrung der Anforderungen des §
161 Abs
1 Satz 3
SGG aus (vgl Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. März 1997 - 6 RKa 36/95 - SozR 3-1500 §
161 Nr 12 S 27; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
161 RdNr 10a, 4a mwN).
b) Die Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des §
164 Abs
2 Satz 3
SGG. Den Ausführungen kann noch entnommen werden, dass die Beklagte die Beurteilung der Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II durch das SG angreift. Da das prozessuale Ziel der Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils erkennbar ist, ist dem Erfordernis des §
164 Abs
2 Satz 3
SGG hier in gerade noch ausreichender Weise Rechnung getragen, obwohl weder die Revisionsschrift noch die Revisionsbegründungsschrift
einen förmlichen Antrag enthalten (vgl BSG, Urteil vom 4. Juli 1995 - 2 RU 33/94 - SozR 3-2200 § 571 Nr 3 S 8).
c) Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 21. Februar 2007 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 18. und 19. Juni 2007. Mit dem einen Bescheid hat die Beklagte die Leistungen der Klägerin wegen eines in § 31 SGB II
geregelten Sanktionstatbestandes für die Monate März bis Mai 2007 auf die Leistungen für die Unterkunft beschränkt (Sanktionsbescheid),
mit dem anderen hat sie die sich aus dieser Leistungsbeschränkung für die bestehenden Bewilligungsentscheidungen ergebenden
Änderungen leistungsrechtlich nachvollzogen und die konkrete Leistungshöhe festgesetzt (Änderungsbescheid).
2. Das SG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Es kann offen bleiben, ob es bei der Absenkung des Alg II nach § 31
SGB II eines gesonderten Bescheides über die Feststellung der Sanktion bedarf oder ob der Erlass eines Aufhebungsbescheides
ausreicht (so BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 14, 15). Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. Dezember 2006 nach § 40 Abs 1
Satz 2 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung iVm § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltung und Sozialdatenschutz (SGB X) wegen der Verwirklichung eines Sanktionstatbestandes nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II liegen jedenfalls nicht vor. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die bei dem Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben, ist nicht eingetreten, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs
1 SGB II für eine Absenkung des Alg II nicht erfüllt waren. Sowohl der Sanktionsbescheid als auch der Änderungsbescheid sind
rechtswidrig.
a) Der Bescheid über die Absenkung des Alg II wegen des Eintritts einer Sanktion ist rechtswidrig, weil es an einer ordnungsgemäßen
Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung
für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 [BGBl I 1706]) fehlt. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II wird das Alg II unter Wegfall des
Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden
Regelleistung abgesenkt, wenn entweder (Nr 1) der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen
weigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen (lit a), in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte
Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen (lit b), eine zumutbare Arbeit, Ausbildung,
Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme
aufzunehmen oder fortzuführen (lit c) oder zumutbare Arbeit nach § 16 Abs 3 Satz 2 auszuführen (lit d), oder (Nr 2) der erwerbsfähige
Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder
Anlass für den Abbruch gegeben hat. Dies gilt nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige
einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Nach § 31 Abs 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das Alg II ua unter den in Abs 1 genannten Voraussetzungen
auf die Leistungen nach § 22 beschränkt. Die nach § 22 Abs 1 angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollen an den
Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden.
aa) Es kann offen bleiben, welche Anforderungen an die Eingliederungsvereinbarung und das Angebot einer Arbeitsgelegenheit
zu stellen sind (vgl hierzu BSGE 102, 201, 209 = SozR 44200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 31 ff). Ebenso kann dahinstehen, ob als Rechtsgrundlage für eine Sanktion hier
die im Bescheid vom 21. Februar 2007 genannte Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB II (Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung
festgelegte Pflichten zu erfüllen) oder die im Widerspruchsbescheid genannte Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst
c SGB II (Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit ... oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung
vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen) in Betracht kommt. In beiden Fällen werden jedenfalls Verstöße gegen in
einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten erfasst (vgl Spellbrink in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar
zum Sozialrecht 2009, § 31 SGB II RdNr 13). Die Klägerin hat sich in der Eingliederungsvereinbarung zur regelmäßigen Wahrnehmung
einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 SGB II ausdrücklich verpflichtet. Ob sie für ihr pflichtwidriges Verhalten einen
wichtigen Grund iS des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB II hatte, ist hier ebenso wenig entscheidungserheblich wie das Verhältnis der
Sanktionstatbestände des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b und c SGB II zueinander. Der Sanktionsbescheid ist jedenfalls ungeachtet
der Pflichtverletzung deshalb rechtswidrig, weil der Klägerin keine Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde, die den gesetzlichen
Anforderungen genügt.
bb) Die in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen sämtlich voraus, dass der Hilfebedürftige über
die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22). Der 4. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass Rechtsfolgenbelehrungen nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II konkret,
verständlich, richtig und vollständig sein müssen (BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 36-37; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22). Das entspricht der ganz überwiegend vertretenen Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl
Landessozialgericht [LSG] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juli 2009 - L 5 AS 131/08; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juni 2009 - L 5 AS 79/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2009 - L 19 B 68/09 AS) und in der Literatur (vgl Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 44; Berlit in Münder, SGB II, 3.
Aufl 2009, § 31 RdNr 68; A. Loose in Hohm, SGB II, Stand Januar 2010, § 31 RdNr 65; Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II,
Stand Dezember 2009, § 31 RdNr 78; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand November 2009, § 31 RdNr 70; Sonnhoff in jurisPK-SGB
II, 2. Aufl 2007, § 31 RdNr 139; Lauterbach, NJ 2008, 241, 244; Spellbrink in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, aaO, § 31 RdNr 32). Auch der erkennende Senat schließt sich dem an.
Zu fordern ist insbesondere eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, so dass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt
generellem Inhalt nicht ausreicht (BSGE 102, 201, 211 = SozR, aaO, jeweils RdNr 36-37). Diese strengen Anforderungen sind insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen
des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen zu stellen (vgl BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22).
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht
entwickelten Grundsätzen (vgl BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 36-37; Spellbrink, aaO, RdNr 32 ff). Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran
an, indem sie darauf hinweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen
in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in §
31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen (BT-Drucks
15/1516 S 61 [zu Abs 2]). Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung
als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im
Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen
Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung
betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung
(insbesondere einer sperrzeitbegründenden Arbeitsablehnung) zu warnen (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere
Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung
herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise
eine noch größere Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts.
(1) Die der Klägerin bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung genügt diesen Anforderungen
nicht. Die Rechtsfolgenbelehrung erfolgte zwar nicht lediglich mittels eines gesondert ausgehändigten Merkblatts, sondern
war Bestandteil der Vereinbarung. Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung wurden jedoch nicht hinreichend konkret aufgezeigt.
Die Belehrung erschöpfte sich vielmehr im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzestextes. Damit nannte sie eine Vielzahl
von Sachverhaltsvarianten, die keinen Bezug zu den konkreten Pflichten der Klägerin aufwiesen. So hatte sich die Klägerin
weder geweigert, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, noch bezog sie einen Zuschlag nach § 24 SGB II. Meldepflichten
waren nicht Gegenstand der Eingliederungsvereinbarung. Infolge der undifferenzierten Auflistung - fast - aller Sanktionstatbestände
und einer Vielzahl der möglichen Rechtsfolgen war die Rechtsfolgenbelehrung nicht nur unübersichtlich, sondern in keiner Weise
individualisiert. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid und in der Revisionsbegründung selbst eingeräumt, dass in der Rechtsfolgenbelehrung
pauschaliert alle Möglichkeiten der Pflichtverletzungen sowie die daraus resultierenden Konsequenzen aufgeführt seien. Sie
war damit nicht geeignet, der Klägerin in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen
sich aus einem unentschuldigten Fernbleiben von der Arbeitsgelegenheit bei der D ergeben würden.
Ausreichend, aber auch erforderlich wäre es gewesen, wenn die Beklagte darauf hingewiesen hätte, dass bei einem Verstoß gegen
die in Punkt 2 der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Teilnahmepflicht ohne einen wichtigen Grund das Alg II auf die Leistungen
für Unterkunft und Heizung nach § 31 Abs 5 Satz 1 SGB II beschränkt wird und dass diese Leistungen im Regelfall an den Vermieter
gezahlt werden. Der Benennung eines konkreten Betrages, um den die Leistung abgesenkt wird, hätte es entgegen der Auffassung
des SG an dieser Stelle grundsätzlich noch nicht bedurft, zumal die Höhe der Regelleistung zweifelsfrei aus dem Bewilligungsbescheid
zu ersehen ist und weitere Rechenschritte im Fall des § 31 Abs 5 Satz 1 SGB II nicht erforderlich sind. Erforderlich war aber
weiter der Hinweis auf den Beginn und die Dauer der Leistungsbeschränkung sowie die mögliche Verkürzung des Zeitraums nach
§ 31 Abs 6 Satz 3 SGB II. Schließlich musste der Klägerin mitgeteilt werden, dass sie während der Leistungsbeschränkung keinen
Anspruch auf ergänzende Sozialhilfeleistungen haben würde, die Beklagte aber in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen
oder geldwerte Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erbringen könnte, § 31 Abs 6 Satz 4 und Abs 3 Satz 6 SGB II.
Der Senat folgt der Rechtsprechung des 4. Senats auch darin, dass maßgeblich für eine hinreichende Belehrung nicht das Kennen
oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen ist, sondern dass es allein auf den objektiven Erklärungswert ankommt (BSG, Urteil vom
17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 24). Entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten ist es daher unerheblich, ob gerade die Klägerin unter Zuhilfenahme
der bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung abstrakt erteilten Rechtsfolgenbelehrung hätte erkennen können, dass ihr
Verhalten eine Pflichtverletzung darstellt und welche Rechtsfolgen diese Pflichtverletzung bezogen auf ihre Person auslöst.
Die ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung ist in jedem Einzelfall zwingende Voraussetzung für die Absenkung des Alg II nach
§ 31 Abs 1 SGB II. Entsprechend dem formalen Ordnungscharakter der Rechtsfolgenbelehrung kommt es nicht auf das Kennen oder
Kennenmüssen der Rechtsfolgen beim Leistungsberechtigten an, sondern nur auf das formell ordnungsgemäße Handeln der Behörde
(BSGE 53, 13, 16 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 88 f).
(2) Auch im Schreiben vom 4. Januar 2007 findet sich keine diesen Anforderungen genügende Rechtsfolgenbelehrung. Zu diesem
Zeitpunkt hätte noch nachträglich eine den Anforderungen des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II entsprechende Rechtsfolgenbelehrung
erfolgen können, weil die Klägerin ihr zukünftiges pflichtwidriges Verhalten angekündigt hat und eine Belehrung zu diesem
Zeitpunkt ihr noch die Möglichkeit gegeben hätte, ihr Verhalten danach einzurichten. Neben dem erneuten Hinweis auf ihre Pflicht,
die zugewiesene Arbeitsgelegenheit regelmäßig auszuführen, enthält das Schreiben aber lediglich eine undifferenzierte Ankündigung
einer Leistungskürzung. Bereits die Formulierung im Konjunktiv - eine Niederlegung der Arbeitsgelegenheit müsste als unentschuldigtes
Fehlen gewertet werden und würde zur Kürzung des Leistungsanspruchs führen - verweist die Rechtsfolge lediglich in den Bereich
des Möglichen. Die Rechtsfolge wird darüber hinaus aber auch nicht so konkret benannt, wie das erforderlich gewesen wäre.
Insbesondere wurde der Klägerin nicht konkret vor Augen geführt, in welchem Umfang eine Leistungsabsenkung erfolgen würde.
(3) Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass es auf eine etwaige mündliche Rechtsfolgenbelehrung vor Abschluss der Eingliederungsvereinbarung
hier nicht ankommt. Zwar stimmt der Senat insofern mit der Rechtsprechung des 4. Senats überein, dass grundsätzlich auch eine
mündliche Belehrung in Betracht kommt. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn die mündliche Belehrung in engem zeitlichen
Zusammenhang vor dem sanktionsbewehrten Verhalten erfolgt ist (vgl BSGE 102, 201, 210 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 35). Davon kann aber nicht mehr die Rede sein, wenn eine - mündliche - Belehrung
vor dem Beginn der Maßnahme erfolgt und das die Sanktion auslösende Verhalten drei Monate später eintritt.
b) Auch der Änderungsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2007, mit
dem die Beklagte die in dem Sanktionsbescheid verfügte Absenkung leistungsrechtlich nachvollzogen und die konkret verbleibende
Leistung festgesetzt hat, ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin. Da die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB
II für die Absenkung des Alg II nicht vorgelegen haben und damit auch keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist, bestand kein Raum für eine vom Bescheid vom 13. Dezember 2006 abweichende Leistungsbewilligung.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.