Höhe von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe der Beiträge zur
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Der 1954 geborene Kläger bezog von 2013 bis 2014 Arbeitslosengeld, seit 2015 erhält er Altersrente. Im November und Dezember
2014 zahlte ihm eine private Lebensversicherung AG zwei Kapitalleistungen in Höhe von 48.697,07 Euro und 41.563,28 Euro aus.
Ursprünglich war der Kläger seit 1977 Versicherungsnehmer, ab 1986 übernahm sein Arbeitgeber den Vertrag als Versicherungsnehmer.
Nach Ausscheiden aus der Beschäftigung 2012 wurden die Versicherungsverträge vom Kläger fortgeführt. Die beklagte Krankenkasse
legte jeweils ein 1/120 des Zahlbetrags als Ausgangswert für die Beitragserhebung zugrunde. Widerspruch, Klage und Berufung
sind ohne Erfolg geblieben. Während des Berufungsverfahrens ergingen weitere Bescheide zur Beitragshöhe, mit denen die Beklagte
die vom LSG angeforderte prämienratierliche Berechnung des Versicherungsunternehmens und dessen Mitteilung über die Höhe der
Beitragsrückgewähr aus der Berufshaftpflicht-Zusatzversicherung berücksichtigte. Diesbezüglich hat das LSG die Klage abgewiesen.
Die Beitragserhebung und -berechnung entspreche §
229 Abs
1 Satz 1 Nr
5, Satz 3
SGB V unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Beitragspflicht stehe insbesondere nicht entgegen, dass
der Kläger keine laufenden Leistungen, sondern Einmalzahlungen erhalten habe. Dass es sich insoweit um eine Vereinbarung handeln
müsse, die eine zunächst vorgesehene Zahlung von Versorgungsbezügen abändere, lasse sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Von der Beitragspflicht ausgenommen seien nur Kapitalleistungen, die auf Beiträgen
beruhten, die ein Arbeitnehmer vor Beginn oder nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit unter Einrücken in die Stellung als
Versicherungsnehmer eingezahlt habe. Diesen Vorgaben habe die Beklagte entsprochen. Zutreffend habe die Beklagte auch die
Beitragsrückgewährsumme aus der Berufshaftpflicht-Zusatzversicherung nicht (mehr) verbeitragt (Urteil vom 21.7.2021). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Sämtliche mit der Beschwerdebegründung geltend gemachten Zulassungsgründe sind entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Der Kläger macht mit der Beschwerdebegründung geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil sich alle bisher
befassten Gerichte nicht an gültigem Recht/Gesetz orientiert hätten und auch noch aktuell so verfahren würden. Hiervon seien
Millionen der so genannten Direktversicherungsgeschädigten betroffen. Das Berufungsurteil verletze materielles Recht in schwerem
Ausmaß. Die Beitragsforderung der Beklagten entbehre jeglicher Gesetzesgrundlage. Es liege eine Fehlinterpretation des Gesetzes
auch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Die Begrifflichkeiten - ua Rente, Versorgungsbezug, Direktversicherung,
Kapitalisierung, Kapitalabfindung und Kapitalleistung - würden falsch verwendet. Die Kapitalleistung habe keine rentenähnliche
Zwecksetzung, sie falle damit nicht unter die Bestimmungen des §
229 SGB V. Nur eine aus zuvor vereinbarten wiederkehrenden Zahlungen geflossene Abfindung solle nach dem Willen des Gesetzgebers mit
der daraus resultierenden Umgehungsmöglichkeit vermieden werden. Die Versicherungsnehmereigenschaft des Arbeitgebers sei lediglich
als Vertragsmodalität gewählt worden, um durch seine Einbeziehung die Effizienz (Rabattierung) kollektiv organisierter Gruppenverträge
nutzen zu können. Auch das BVerfG (Beschluss <Kammer> vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) habe statt an einer Orientierung am klaren Wortlaut ohne Bezug zu einer gesetzlichen Regelung - Versicherungsnehmereigenschaft
- entschieden und einen Irrweg beschritten.
Mit seinen Ausführungen hat der Kläger schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder
zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit
das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Unabhängig davon legt der Kläger auch die Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Thematik nicht hinreichend dar. Er macht
statt dessen geltend, dass die zu §
229 SGB V ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung und die dieser folgende Entscheidung des LSG materiell-rechtlich falsch seien.
Mit der Behauptung, das Urteil des LSG sei inhaltlich rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision nicht erreichen
(vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = juris RdNr 9). Dass trotz vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung weiterer Klärungsbedarf bestehe, hat der Kläger nicht ausreichend
aufgezeigt. Er legt insbesondere nicht dar, dass und mit welchen Gründen den hier einschlägigen Senatsentscheidungen im Schrifttum
oder in der Rechtsprechung substanziell widersprochen worden sei (vgl BSG Beschluss vom 18.2.2021 - B 10 ÜG 8/20 B - juris RdNr 6) oder dass sich inzwischen völlig neue Gesichtspunkte ergeben hätten, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG Beschluss vom 23.6.2010 - B 12 KR 14/10 B - juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 16.7.2021 - B 12 KR 75/20 B - juris RdNr 9). Allein aufgrund der Darlegung der eigenen abweichenden Rechtsauffassung werden höchstrichterlich entschiedene Rechtsfragen
nicht erneut klärungsbedürftig.
Auch mit dem Hinweis auf das "geschützte Eigentum/Ersparnisse" (S 11 der Beschwerdebegründung) wird die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargetan. Wird eine verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen, darf sich
die Begründung nicht auf die bloße Behauptung der Verletzung einer Norm des
Grundgesetzes beschränken. Vielmehr muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG substantiiert ausgeführt werden, woraus sich im konkreten Fall die vermeintliche Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Auch daran fehlt es hier.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Der Kläger führt hierzu jedoch lediglich aus (S 19 der Beschwerdebegründung), es seien "hinreichende Divergenzgründe" zur Annahme der Revision dargelegt worden, welche zu einer Aufhebung der Urteile
der beiden unteren Fachgerichte führen müssten. Eine den Zulässigkeitsanforderungen entsprechende Darlegung einer entscheidungserheblichen
Abweichung kann der Beschwerdebegründung damit nicht entnommen werden. Der Kläger beanstandet vielmehr an anderer Stelle gerade,
dass die unteren Fachgerichte nicht ihre Unabhängigkeit aufgeben dürften, indem sie die sich nicht am Gesetz orientierenden
Urteile der obersten Gerichte abschreiben würden.
3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht.
Der Kläger behauptet auf Seite 8 der Beschwerdebegründung, das Berufungsurteil verstoße gegen Verfahrensrecht. Er zeigt aber
schon nicht auf, welche verfahrensrechtliche Norm das LSG verletzt haben soll. Mit dem Vorbringen, das LSG habe das von ihm
in Bezug genommene Gutachten des Prof. Dr. Bieback zwar in den Tatbestand des Urteils aufgenommen, aber nicht inhaltlich erörtert,
wird ein Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt. Soweit er einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) rügen sollte, fehlt es schon an einer Konkretisierung des vermeintlich nicht berücksichtigten, entscheidungserheblichen Vorbringens.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.