Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der
Arbeitsuche ergibt
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren L 13 AS 365/10 ER-B Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung gewährt und Rechtsanwalt St., Re., beigeordnet.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Re. vom 21. Dezember 2009 wird, soweit damit der Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die nach §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beim Sozialgericht Re. (SG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Antragsteller
können im Wege der einstweiligen Anordnung nicht die Verpflichtung des Antragsgegners verlangen, ihnen vorläufig ab 1. Dezember
2009 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren. Das SG hat zutreffend den für die beantragte Leistungsgewährung maßgeblichen Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als erfüllt angesehen. Das Aufenthaltsrecht der Antragsteller ist allein aus dem Zweck der Arbeitssuche
begründet.
Der Senat verweist hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und der rechtlichen Würdigung auf die überzeugende Begründung des SG im angefochtenen Beschluss (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Ergänzend ist anzuführen, dass die Antragsteller das vor der Ausreise nach Italien im Juni 2006 erworbene Daueraufenthaltsrecht
des § 4a des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) nach dessen Absatz 7 verloren
haben, da die Abwesenheit mehr als zwei aufeinander folgende Jahre andauerte und nicht nur seiner Natur nach aus einem vorübergehenden
Grund erfolgte. Die Abwesenheit dauerte von Juli 2006 bis August 2008, also länger als zwei Jahre. Die Mitteilungen des Antragstellers
Ziff. 1 am 24. Mai und 12. Juni 2006 wiesen, ohne dass ein vorübergehender Grund genannt wurde, darauf hin, dass die Antragsteller
nach Italien zurückgehen werden. Aus der Kündigung des Mietvertrages, der Abmeldung des Sohnes P. aus der Schule sowie aus
der polizeilichen Abmeldung zum 17. Juni 2006 und der Tatsache, dass das Konto bei der K. Re. aufgelöst wurde (s. die Eröffnung
des Privatgirokontos vom 1. September 2008 bei derselben Bank) folgt für den Senat, dass ein vorübergehender Grund für die
Abwesenheit nicht vorlag, sondern eine dauerhafte Rückkehr ins Heimatland beabsichtigt war. Ein Freizügigkeitsrecht nach §
2 Abs. 2 Nr. 6 Freizügigkeitsgesetz/EU scheidet damit aus.
Der Antragsteller Ziff. 1 hat auch das vor der Ausreise nach Italien im Juni 2006 erworbene Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer
verloren. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU sind Unionsbürger als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt. Nach
§ 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU bleibt dieses Recht aber nur unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur
für Arbeit (BA) bestätigter Arbeitslosigkeit (nach mehr als einem Jahr Tätigkeit). Hieraus folgt für den Senat, dass die Arbeitslosigkeit
gemäß §
119 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) Tatbestandsvoraussetzung für die Aufrechterhaltung dieses Freizügigkeitsrechts ist; die Arbeitnehmereigenschaft besteht
nur solange fort, wie Arbeitslosigkeit in diesem Sinne gegeben ist (vgl. dazu auch Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss
vom 14 Dezember 2005 - 3 Bs 79/05 - veröffentlicht in Juris). Der Antragsteller Ziff. 1 ist spätestens seit der Ausreise nach Italien nicht mehr arbeitslos
gewesen, da er den Vermittlungsbemühungen der BA nicht zur Verfügung stand (§
119 Abs.
1 Nr.
3, Abs.
5 SGB III). Da die anderen Antragsteller ebenfalls ausreisten, erlosch auch deren -abgeleitetes- Freizügigkeitsrecht (vgl. § 3 Freizügigkeitsgesetz/EU).
Mangels anderslautender gesetzlicher Regelung folgt für den Senat bereits aus dem Verlust des Freizügigkeitsrechts (als Arbeitnehmer),
dass die damaligen Zeiten der das Freizügigkeitsrecht begründenden Beschäftigung nicht mit den nach der Wiedereinreise verrichteten
Zeiten der Beschäftigung für die Wiederbegründung eines neuen Freizügigkeitsrechts zusammengerechnet werden können.
Des Weiteren hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der Leistungsausschluss europarechtskonform ist, da die 3. Kammer des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Urteil vom 4. Juni 2009, C-22/08, C-23/08, ohne nähere Darlegung sogar einen fehlenden Anspruch eines Unionbürgers billigte, wenn ein Drittstaatsangehöriger eine bessere
Rechtsstellung innehat. Die Leistungen des SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts sind auch als Sozialhilfeleistung im
Sinne des Artikel 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie (Richtline 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei
zu bewegen und aufzuhalten [ABl. L 158/77]) anzusehen (so überzeugend Beschluss des Landessozialgerichts [LSG] Niedersachsen-Bremen
vom 29. September 2009, L 15 AS 909/09 B-ER m.w.N.). Denn das zum 1. Januar 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II ist in Anlehnung an die Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch (SGB XII) ausgestaltet. Es umfasst eine pauschalierte, dem Regelsatz zur Sozialhilfe vergleichbare Regelung
zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Ähnlich wie in
der Sozialhilfe sind für verschiedene Bedarfslagen Leistungen für Mehrbedarfe vorgesehen (vgl. § 21 SGB II). Die nunmehr bestehende
Aufteilung in erwerbsfähige (SGB II) und nichterwerbsfähige (SGB XII) Hilfebedürftige ist für die Zuordnung zur Lebensunterhaltssicherungsfunktion
unerheblich. Jedenfalls stellen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II keine
solche Leistungen dar, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen aaO. m.w.N.; LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Dezember 2009, L 34 AS 1350/09 B ER).
Nachdem ein Anordnungsanspruch nach abschließender Prüfung nicht besteht, brauchte der Senat nicht entscheiden, ob die Versorgung
der Antragsteller durch die C. (Barscheck in Höhe von 1200 EUR für die Miete und Strom für Januar und Februar 2010 sowie Lebensmittelgutscheine)
und die Möglichkeit -ggfs. auch durch Rückkehr- staatliche Unterstützung des Heimatlandes zu erhalten (s. hierzu LSG Berlin-Brandenburg,
aaO.), einem Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) entgegensteht.
Die Rechtsverfolgung bietet allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife eine hinreichende Erfolgsaussicht gemäß §
73a SGG i.V.m. §
114 Zivilprozessordnung und erscheint nicht mutwillig, weshalb den Antragstellern, die die Kosten der Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln aufbringen
können, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt St. für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen ist. Denn eine
hinreichende Erfolgsaussicht kann nicht abgelehnt werden, wenn die Entscheidung der Hauptsache -wie hier- von der Beantwortung
schwieriger Rechtsfragen abhängt (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, aaO.)
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).