Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge in der gesetzlichen Unfallversicherung; Beweisverwertungsverbot
bei gutachterlichen Stellungnahmen
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob weitere Gesundheitsstörungen als Folgen des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls
vom 13.05.2006 festzustellen sind und ob dem Kläger, der bis zum 09.11.2007 Verletztengeld bezog und seit Mai 2012 eine Rente
wegen voller Erwerbsminderung bezieht, ab dem 10.11.2007 eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der 1968 im Kosovo geborene Kläger besuchte dort acht Jahre die Schule. Nach seinen eigenen Angaben nahm er im letzten Schuljahr
an einer Demonstration teil, bei der er mit Freunden Kartoffeln mit Nägeln bestückt und diese auf die Polizei geworfen habe,
so dass er von dieser gefangen genommen und verhört worden sei. Der Besuch einer Gartenbauschule führte nicht zum Abschluss
einer Berufsausbildung. Der Kläger wurde vielmehr zum Armeedienst eingezogen, wobei er nach eigenen Angaben von der Armee
bereits nach 36 Tagen desertiert sei. Im Jahr 1991 siedelte er dann in die Bundesrepublik Deutschland über. Zuletzt war er
bei der P. G. GmbH, A., als Gerüstbauwerker beschäftigt.
Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bei der P. G. GmbH erlitt der Kläger am 13.05.2006 einen Arbeitsunfall, als bei einem
G. einem Mitarbeiter in der 3. Etage (ca. 4 Meter Höhe) ein Bordbrett entglitt und den (auf dem Boden arbeitenden) Kläger
am Kopf traf, wobei dieser einen Bauhelm trug, der hierdurch beschädigt wurde. Der Kläger wurde vom Notarzt in die Berufsgenossenschaftliche
Unfallklinik T. verbracht. Im dortigen Durchgangsarztbericht vom 15.05.2006 vermerkte Prof. Dr. W., fremdanamnestisch habe
keine Bewusstlosigkeit vorgelegen und der Kläger sei zu Ort, Zeit und Person orientiert sowie wach und ansprechbar gewesen.
Allerdings liege eine ausgeprägte Amnesie im Hinblick auf das Unfallereignis vor. Zwischen den Augenbrauen habe sich eine
2 cm lange Kopfplatzwunde (keine Stufe tastbar) und im Bereich der oberen Vorderzähne eine Lockerung gezeigt. Das Röntgenergebnis
habe keine Hinweise auf eine frische knöcherne Verletzung erbracht und nach der Computertomographie bestünde auch kein Hinweis
auf eine intrakranielle Blutung. Als Erstdiagnose gab er an: Commotio cerebri, Kopfplatzwunde und Lockerung des Schneidezahnes
(2/1). Der Kläger wurde zur Überwachung stationär bis zum 23.05.2006 aufgenommen. Im Entlassungsbericht vom 21.06.2006 gab
Prof. Dr. W. an, der Helm sei frontal eingedrückt gewesen und es habe eine kurze Bewusstlosigkeit mit retrograder Amnesie
und Übelkeit bestanden. Neurologisch habe sich ein fortbestehender Schwindel und Tinnitus gezeigt. Ansonsten bestünden keine
Auffälligkeiten. Allerdings habe der Kläger bei der Durchführung eines MRT einen Krampfanfall erlitten. Am 12.06.2006 ging
bei der Beklagten die Unfallanzeige des Arbeitgebers ein.
Die Beklagte holte daraufhin bei dem Neurologen und Psychiater Dr. S. den Befundbericht vom 14.06.2006 ein. Danach habe der
neurologische Befund keine Auffälligkeiten gezeigt. Wegen der geklagten Kopfschmerzen und der Schwindelbeschwerden, bei denen
eine psychosomatische Komponente nicht sicher auszuschließen sei, sei ein medikamentöser Behandlungsversuch empfehlenswert.
Vom 23.05. bis 01.06.2006 wurde der Kläger sodann nochmals in der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T. stationär
behandelt. Im Entlassungsbericht vom 14.06.2006 gab Prof. Dr. W. an, ein neurologisches Defizit bestehe beim Kläger nicht.
Eine MRT-Untersuchung habe der Kläger aufgrund ausgeprägter Angst wiederholt abgebrochen. Insgesamt sei am ehesten von einer
funktionellen Störung auszugehen.
Ausweislich des Nachschauberichts vom 02.08.2006 nahm der Kläger seine Arbeit am 31.07.2006 wieder auf, stellte diese jedoch
wegen starker Kopfschmerzen bereits am Folgetag wieder ein. Ein weiterer Arbeitsversuch am 07. und 08. August 2006 wurde ebenfalls
wegen starker Kopfschmerzen wieder eingestellt.
Im Zwischenbericht vom 28.08.2006 gab Prof. Dr. W. an, der Kläger klage über tägliche Kopfschmerzen und häufigen Schwindel.
Die Beklagte holte sodann den Befundbericht des Dr. S. vom 09.08.2006 ein, wonach eine Kernspintomographie des Schädels am
07.08.2006 keine posttraumatischen Läsionen gezeigt habe. Insgesamt bestehe eine deutliche Diskrepanz zwischen unauffälligem
neurologischem Befund und den geklagten Beschwerden. Wegen einer möglichen Somatisierung von psychischen Problemen (vgl. Zwischenbericht
vom 20.09.2006) wurde der Kläger vom 26.09. bis 09.11.2006 stationär auf der psychosomatischen Station des Universitätsklinikums
T. behandelt. Prof. Dr. Z. gab im Entlassungsbericht vom 15.01.2007 an, der Kläger leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung
(PTBS) nach Arbeitsunfall. Er habe eine ausgeprägte Unruhe, Zittern, Alpträume, Ängste und körperliche Missempfindungen entwickelt.
Angesichts der Biographie mit wiederholten Traumatisierungen einerseits und dem Wunsch nach Sicherheit für sich und seine
Familie andererseits verbunden mit Ängsten, Hass- aber auch Schuldgefühlen, sei man zunächst von einer PTBS ausgegangen. Ob
sich die Diagnose einer PTBS bestätige oder doch eine beginnende Psychose vorliege, werde der Verlauf zeigen müssen. Daraufhin
holte die Beklagte das neurologische Gutachten des Dr. S. vom 19.04.2007 ein, wobei sich der ursprüngliche Gutachtensauftrag
an den Mitpraxisinhaber Dr. Dr. R. gerichtet hatte, der den Gutachtensauftrag an Dr. S. weitergeleitet hatte. Der Gutachter
gab an, dass die Befragung des Klägers durch ständiges Zittern stark gestört gewesen sei. Die Tatsache, dass bei Beschäftigung
und Ablenkung das Zittern gestoppt habe, spreche für ein willkürliches Zittern der Extremitätenmuskulatur. Der Kläger sei
sehr angespannt und gereizt gewesen. Von Anfang an hätten bei der neurologischen Untersuchung erhebliche Diskrepanzen zwischen
mehrfachem unauffälligem neurologischem Befund und auch unauffälligen apperativen Zusatzbefunden und den geklagten erheblichen
Beschwerden bestanden. Insofern seien die "Beschwerden nicht ganz frei von Aggravation". Diagnostisch sei von einer dissoziativen
Bewegungsstörung und posttraumatischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp auszugehen. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei
bis zum Abschluss der stationären Behandlung in der Psychiatrischen Klinik in T. (also bis zum 18.01.2007) anzunehmen. Ab
Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit liege noch eine MdE von 30 v.H. vor. Insgesamt sei eine Verbesserung der Unfallfolgen
aus nervenärztlicher Sicht zu erwarten. Eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess sei dringend empfehlenswert.
Im Hinblick auf ein Heilverfahren holte die Beklagte den Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr.
S. vom 19.10.2007 ein. Dieser gab an, bei der Prüfung der Motorik sei aufgefallen, dass der Kläger eine allseitige, schlaffe
Lähmung demonstriert habe, die sich nicht segmental habe zuordnen lassen und bei Ablenkung prompt verschwunden sei. Das Gangbild
mit offenen Augen habe ein wechselnd ausgeprägtes Hinken gezeigt, welches sich keiner bekannten Gangstörung zuordnen lasse.
Im Romberg'schen Stehversuch habe der Kläger zunächst geschwankt und eine Fallneigung nach hinten demonstriert, welche bei
Ablenkung (Durchführung von Zeigeversuchen bei weiterhin geschlossenen Augen) prompt aufgehört habe. Beim Zeigeversuch sei
es links zu einem systematischen Vorbeizeigen gekommen, wobei kein Unterschied bestanden habe, ob die Augen geschlossen oder
geöffnet gewesen seien. Bei der Erfassung von Simulations- und Ausgestaltungstendenzen habe der Kläger einen Punktwert von
22 erreicht, was für massive Ausgestaltungstendenzen spreche. Ein krankhafter neurologischer oder körperlicher Befund sei
zu keinem Zeitpunkt erhoben worden. Zeitweilig habe der Kläger Krampfanfälle, das Bild einer schizophrenen Psychose sowie
das Bild einer dementiellen Erkrankung demonstriert. Der Kläger sei offensichtlich bestrebt, die Krankenrolle unter der Nachahmung
wechselnder Krankheitsbilder beizubehalten. Tatsächlich bestehe bei ihm Simulation. Der Kläger habe auf diesen Einwand hin
damit gedroht, sich umzubringen, weshalb er kurzfristig noch auf die geschlossene Abteilung der Klinik verlegt worden sei.
Dort sei er alsbald weiteren Gesprächen zugänglich gewesen und habe zudem von seinem demonstrativen Verhalten abgelassen und
habe schnellstmöglich aus der Klinik entlassen werden wollen, um mit dem Arbeitgeber wieder Kontakt aufzunehmen. Beim Kläger
lägen insgesamt keine erkennbaren Gesundheitsstörungen vor. Insofern bestünden auch keine Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet, weshalb mit einer MdE wegen des Unfalls vom 13.05.2006 nicht zu rechnen sei. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme
vom 06.11.2007 führte Prof. Dr. S. zudem aus, dass das Gutachten des Dr. S. nicht schlüssig sei. Die Beklagte holte daraufhin
den Befundbericht Dr. S. vom 21.11.2007 ein, in dem er mitteilte, für eine weitere Krankmeldung sehe er aus neurologischer
Sicht keine Grundlage. Ein Wiederbeginn der Arbeit sei möglich. Der Kläger habe ihm jedoch erklärt, er sei nicht bereit, zu
arbeiten. Der beratende Arzt Dr. K., Facharzt für Chirurgie, gab in seiner Stellungnahme vom 06.03.2008 die Einschätzung ab,
beim Kläger liege eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 30.07.2006 vor. Mit Bescheid vom 17.07.2008 teilte die Beklagte
dem Kläger mit, dass wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls am 13.05.2006 kein Anspruch auf Gewährung einer Rente bestehe.
Die Erwerbsfähigkeit sei nicht über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs
um wenigstens 20 v.H. gemindert. Der Arbeitsunfall habe zu einer folgenlos verheilten Schädelprellung geführt. Den hiergegen
eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2008 zurück. Nach Auswertung der
vorliegenden Unterlagen sei keine unfallbedingte MdE messbaren Grades vorhanden. Soweit Dr. S. in seinem Gutachten vom 19.04.2007
von einer unfallbedingten MdE von 30 v.H. ausgehe, könne dem nicht gefolgt werden. Prof. Dr. S. habe in seiner Stellungnahme
vom 06.11.2007 zu Recht ausgeführt, dass krankhafte Befunde weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet erhoben
worden seien. Insofern seien die von Dr. S. angegebenen Diagnosen weder nachvollziehbar noch seien sie in seinem Gutachten
begründet worden.
Hiergegen hat der Kläger am 18.11.2008 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Gutachten des Dr. S. sei zutreffend. Er behalte sich ein strafrechtliches
Vorgehen gegen Prof. Dr. S. vor, der offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, Ressentimentes gegenüber ihm als Ausländer
aus der Bewertung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen herauszuhalten. Zur weiteren Begründung hat er den Entlassungsbericht
der Fachärztin für Psychiatrie Dr. G. vom 22.01.2009 (teilstationärer Aufenthalt vom 15.09. bis 22.11.2008 und vom 02.12.2008
bis 22.01.2009) sowie den Arztbrief des Facharztes für Psychiatrie Dr. A. vom 05.02.2009 vorgelegt. Dr. G. hat als Diagnosen
angegeben: PTBS, andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, mittelgradige depressive Episode, anhaltende somatoforme
Schmerzstörung, sekundäre Hypertonie unter chronischem Schmerzsyndrom, chronische sekundäre (posttraumatische) Trigeminusneuralgie
des Nervus frontalis links sowie Spannungskopfschmerz. Der Kläger habe angegeben, neulich in suizidaler Absicht Essig getrunken
zu haben, aber seine Frau habe es mitbekommen. Während der körperlichen Untersuchung habe der Kläger auch im Liegen ständig
im rechten Bein Muskelzuckungen gezeigt, die nur wenige Augenblicke lang unter Ablenkung unterbrochen gewesen seien. Dr. A.
hat als Diagnosen eine PTBS, eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung sowie dissoziative Bewegungsstörungen
angegeben.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 28.08.2009 eingeholt. Der Kläger habe ihm gegenüber angegeben,
er leide an Schlafstörungen, d. h. an "schlechten Träumen". Er habe dann das Gefühl, dass er von Personen beobachtet werde.
Auch wenn er aufwache, sei er nicht sicher, ob nicht Fremde im Raum seien. Er fühle sich verfolgt. Er habe immer wieder den
Traum, dass Personen mit Kapuzen ihm seine Kinder wegnehmen wollten. Diese Beschwerden würden seit dem Unfall am 13.05.2006
bestehen. Er sei bereits in seinem Heimatland Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Er sei bei Demonstrationen geschlagen worden
und habe auch Verletzungen erlitten. Zur vita sexualis habe er angegeben, dass "nichts mehr gehe". Darauf angesprochen, dass
er doch zwei Kinder im Alter von 3 Jahren und 14 Monaten habe, habe er geantwortet, er wisse nicht, wie es passiert sei. Nach
subjektivem Empfinden sei dies für ihn unerklärbar. Beim psychischen Befund habe kein Anhalt für eine bewusstseinsnahe Aggravation
oder gar Simulation bestanden. Als der Bizeps brachii habe untersucht werden sollen, sei der Kläger unvermittelt aufgeschreckt
und habe sich in der hintersten Ecke des Untersuchungszimmers verkrochen und dabei eine bedrohliche "Boxerhaltung" eingenommen.
Dabei habe er einen angstverzerrten Gesichtsausdruck gezeigt. Er habe jedoch wieder einigermaßen beruhigt werden können. Insgesamt
habe man nicht den Eindruck gewonnen, dass der Kläger die für ihn bedrohliche Situation "gespielt" habe. Dies liege durchaus
auch in der Verhaltensstruktur des Klägers. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet leide der Kläger an einer PTBS, an
einem Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma und an einer anhaltenden depressiven Phase mit erheblichen regressiven Symptombildungen.
Als Unfallfolge sei eine PTBS im Sinne einer Verschlimmerung anzuerkennen. Abzugrenzen seien die schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen
im diagnostischen Sinne durch die erlittenen Traumata im Rahmen der ausführlich geschilderten traumatischen Belastungen im
Heimatland. Zu beachten sei, dass der Kläger bis zum Unfallzeitpunkt die früheren Schädigungen weitgehend kompensiert habe.
Mit Sicherheit sei davon auszugehen, dass die bisher kompensierten traumatischen Belastungsstörungen, die durch die Erlebnisse
im Heimatland hervorgerufen worden seien, in entscheidender Weise durch den Arbeitsunfall aktiviert worden seien. Im Sinne
von Flashbacks seien auch die bisherigen Behandlungs- und Untersuchungsmaßnahmen zu deuten. Ursächlich sei die PTBS im Sinne
einer Verschlimmerung im Rahmen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, hervorgerufen durch das betriebsbedingte Trauma.
Die durch das berufliche Trauma hervorgerufene MdE sei mit 50 v.H. zu bewerten, den Gesamtgrad der Schädigung (GdS) mit 70.
Prof. Dr. S.sei nicht auf die Vorgeschichte und Traumatisierung im Heimatland des Klägers eingegangen.
Die Beklagte legte daraufhin unter anderem das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK S.-B. vom 21.01.2010, den Befundbericht der
den Kläger behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 31.01.2010 sowie den Arztbrief des Chirurgen
Dr. K. vom 24.03.2005 vor. Dr. P. nahm in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 02.08.2010 zu den eingeholten Unterlagen Stellung
und verwies darauf, dass der Kläger bis zum Unfallereignis die im Heimatland traumatisch erlebten Ereignisse gut kompensiert
habe. Nach seiner Einschätzung habe das Trauma in seiner plötzlichen, unvorhersehbaren, von außen einwirkenden Gewalterfahrung
zu den mehrfach dokumentierten traumabedingten gesundheitlichen Störungen geführt. Im Übrigen werde die Symptomatologie typisch
im Sinne einer PTBS geschildert, "durchaus entsprechend den Kriterien des ICD".
Mit Urteil vom 13.01.2011 hat das SG die Beklagte verurteilt, unter Abänderung der angegriffenen Entscheidung eine PTBS als Funktionsbeeinträchtigung des Arbeitsunfalls
vom 13.05.2006 festzustellen und dem Kläger hieraus folgend vom 10.11.2007 bis 30.09.2011 nach einer MdE von 50 Verletztenrente
entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, das von Dr. P. erstellte Gutachten mit der Feststellung einer PTBS sei inhaltlich zutreffend, in sich schlüssig
und nachvollziehbar. Der Gutachter führe in dem ihm eigenen Stil ausführlich die Folgen des streitgegenständlichen Vorfalls
dar und lege hierbei ersichtlich das Diagnoseschema ICD zugrunde. Es gelinge ihm, das nach Aktenlage divergierende Beschwerdebild
insgesamt einzuordnen. Für die Kammer ergäben sich im Hinblick auf die Annahme einer PTBS auf Grundlage eines entsprechend
schweren Ereignisses keine Zweifel. Ob der Kläger den Vorgang ohne den beschädigten Schutzhelm überhaupt überlebt hätte, sei
zweifelhaft, so dass etwaige Ängste diesbezüglich nachvollziehbar seien. Dr. P. habe dargelegt, weshalb aus der Lebensgeschichte
des Klägers zwar eine erhöhte Vulnerabilität, jedoch kein Ausschluss für die Annahme einer rechtlich nicht wesentlichen Teilursache
folge. Die Beklagte könne die Diagnose einer PTBS nicht einfach leugnen. Einer vertieften Auseinandersetzung mit der Stellungnahme
von Prof. Dr. S. bedürfe es nicht. Offenbar sei die Situation zwischen dem Kläger und diesem eskaliert. Prof. Dr. S. sei auch
deshalb zu einer anderen Einschätzung gelangt, da dieser im Gegensatz zu Dr. P. nicht auf die Vorgeschichte im Heimatland
des Klägers sowie die weiteren Unfälle in Deutschland eingegangen sei. Schließlich folge Prof. Dr. S. auch einer "anderen
medizinischen Schule". Die Gewährung einer Dauerrente komme hingegen nicht in Betracht. Die Annahme einer PTBS-bedingten Schädigung
über einen erheblich weiteren Zeitraum als zwei Jahre lasse sich auf der Basis der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht
nachweisen. Der Kläger müsse sich, sofern er weitere Rentenansprüche gegen die Beklagte geltend mache, jeweils einer erneuten
Überprüfung stellen. Das Urteil ist dem Klägerbevollmächtigten am 08.06.2011 und der Beklagten am 20.06.2011 zugestellt worden.
Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte am 22.06.2011 und der Kläger am 07.07.2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, der Tenor des SG-Urteils sei offensichtlich unrichtig, da das SG in den Entscheidungsgründen dargelegt habe, dass lediglich eine zweijährige Rentengewährung in Betracht komme. Darüber hinaus
sei keineswegs eine PTBS mit dem erforderlichen Vollbeweis bewiesen. Diese Diagnose dürfe nur bei Ereignissen mit außergewöhnlicher
Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem Menschen belastend wären und eine tiefe Verzweiflung hervorrufen
würden, gestellt werden. Unter einem solchen Ereignis könne der Kläger schon deshalb nicht leiden, weil er sich nach seinen
eigenen Angaben an einen Unfall überhaupt nicht erinnere. Insofern handele es sich bei der Diagnose einer PTBS um eine Fehldiagnose.
Auch ein anderer durch den Unfall vom 13.05.2006 erlittener psychischer Schaden scheide aus. Der Kläger habe vielmehr nach
dem Unfall Beschwerden angegeben, die sich nicht objektivieren ließen und die mit zunehmendem Abstand zum Unfall angeblich
immer stärker würden. Bereits Dr. S. habe in seinem Bericht vom 09.08.2006 auf das aggravatorische Verhalten des Klägers hingewiesen.
Dem entspreche auch sein Verhalten bei der Begutachtung vom 19.04.2007 durch Dr. S.. Hiermit in Übereinstimmung stehe die
Beurteilung des Verhaltens durch Prof. Dr. S.. Nach alledem lägen Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet
nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.01.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen
sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.01.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, beim ihm unter Abänderung
des Bescheids vom 17.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2008 eine PTBS als Funktionsbeeinträchtigung
des Arbeitsunfalls vom 13.05.2006 festzustellen und hieraus folgend ab dem 10.11.2007 nach einer MdE von 50 zeitlich unbeschränkt
Verletztenrente in gesetzlicher Höhe zu bewilligen
sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. P. (August 2009), also drei Jahre nach dem Arbeitsunfall,
hätten keinerlei Hinweise dafür bestanden, dass künftig mit einer Besserung seines Gesundheitszustandes gerechnet werden könne.
Es sei nicht nachvollziehbar, dass das SG davon ausgehe, dass die PTBS ihrem Wesen nach nur eine vorübergehende medizinische Erscheinung sei. Auf die Begutachtung
durch Dr. S. könne nicht verwiesen werden, da diese zwei Jahre und vier Monate vor der Begutachtung durch Dr. P. erfolgt sei,
ohne dass es in irgendeiner Weise zu einer Besserung seines Gesundheitszustandes gekommen sei. Vielmehr habe sich sein Gesundheitszustand
weiterhin verschlechtert bzw. sei gleich schlecht geblieben. Auf die Berufung der Beklagten sei zu entgegnen, dass das SG die Zweijahresfrist ab dem schriftlichen Gutachten des Dr. P. errechnet habe. Die Beklagte begnüge sich damit, ihn als Simulant
darzustellen, welcher sich Sozialleistungen erschleichen wolle. Sämtliche behandelnden Ärzte sowie die Gutachter Dr. S. und
Dr. P. seien zu dem Ergebnis gelangt, dass er an einer PTBS leide.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. mit der Erstellung
eines nervenärztlichen Fachgutachtens beauftragt. Dieser hat den Kläger am 12.03.2012 ambulant untersucht. In seinem Gutachten
vom 19.03.2012 hat er ausgeführt, bei der Bestimmung der Hörschwelle der akustisch evozierten Potentiale habe der Kläger trotz
mehrerer Nachfragen etwas überraschend angegeben, dass diese bei 65 dB liege, d.h. er höre erst bei dieser durchaus beträchtlichen
Lautstärke ein leises Klicken. Nach Beginn der Untersuchung mit dann deutlich über der angegebenen Hörschwelle liegenden Lautstärke
sei er aufgesprungen, habe begonnen zu zittern und habe sich dann in eine Ecke gedrückt und den Raum verlassen. Er habe den
Kläger heftig zitternd im Wartebereich unruhig auf- und abgehend vorgefunden. Später sei der Kläger wieder erschienen und
habe erklärt, dass er jetzt bereit sei, die Begutachtung durchzuführen. Der Kläger sei während der Exploration sehr unruhig
gewesen und habe mit den Beinen laufend hin und her gewippt. Auf die Frage, ob es ihm nicht gut gehe, habe er ihn nur wortlos
angesehen. Auf die ergänzende Frage, warum er so unruhig sei, habe der Kläger erklärt, er dürfe dies nicht sagen. In diesem
Augenblick sei er unvermittelt aufgestanden, habe erklärt, er sehe etwas und wolle hinaus nach Hause gehen. Er habe heftigst
an der Tür gerüttelt und zu schreien angefangen. Er habe jedoch nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, die Tür nach außen gedrückt,
um den Raum zu verlassen, sondern habe die Türklinke herausgerissen. Mit dieser habe er sich weiterhin schreiend in eine Ecke
neben der Tür zurückgezogen und habe vehement mit der Türklinke auf einen dort sich befindenden Glastisch mit Akten eingeschlagen,
der daraufhin zerbrochen sei. Des Weiteren habe er schreiend auf einen neben ihm befindlichen Schrank eingeschlagen und eine
Tür nach innen gedrückt. Ihm gegenüber (dem Gutachter) habe er kurzzeitig eine drohende Haltung eingenommen, ihn jedoch nicht
körperlich angegriffen. Nachdem er (der Gutachter) die Tür mit dem Schlüssel habe öffnen können, sei der Kläger nach kurzer
Zeit im Flur verschwunden. Zusammenfassend habe der Kläger im Rahmen des beschriebenen Ablaufs zwar eine deutliche Gespanntheit
gezeigt, seine Aktivitäten hätten jedoch keinen eindeutigen psychotischen, sondern durchaus gezielten Eindruck erweckt, indem
Selbstverletzungen recht bewusst durch Auswahl entsprechender "Werkzeuge" bzw. eines nachgebenden Schrankes vermieden worden
seien. Auch schon zuvor sei bei der Ableitung der akustisch evozierten Potentiale ersichtlich gewesen, dass die Angabe einer
derart hohen Hörschwelle nicht intendiert gewesen sei, bei ansonsten nicht ersichtlicher Schwerhörigkeit im Rahmen des weiteren
Kontakts.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat der Senat das Gutachten des Arztes für Psychiatrie Dr. A. vom 13.09.2012 eingeholt. Der Kläger habe ihm gegenüber angegeben,
zum letzten Gutachten sei er mit der Bahn angereist, deswegen sei "die Untersuchung schief gegangen". Er sei mit der Untersuchung
völlig überfordert gewesen, habe sich bedrängt erlebt und massive Ängste gehabt. Zum Unfallgeschehen habe er angegeben, er
habe das Empfinden gehabt, sein Kopf sei offen und das Blut laufe ihm am Gesicht herunter. Dieses Empfinden habe er immer
noch häufig. Häufig sehe er auch flash-backartig eine Uhr, die im Krankenhaus gewesen sei und höre verschwommene Stimmen und
Schritte. Oft habe er das Empfinden, unmittelbar wieder in dieser Situation zu sein. Das sei insbesondere so, wenn laute Geräusche
um ihn herum seien. Dann höre er auch Fußschritte, die er im Krankenhaus gehört habe. Einer Baustelle könne er sich in keiner
Weise nähern. Er habe auch große Angst vor schwarzen Männern. Er könne aber nicht sagen, woher so ein Empfinden komme. Er
habe massive Ängste, man verfolge ihn. Auf die Frage, was er befürchte, habe der Kläger auf einem Papier einen Galgen gemalt.
Nach etwa einer Stunde Untersuchungszeit sei der Kläger mehrfach aufgestanden, unruhig im Untersuchungszimmer umhergelaufen,
habe einen verzerrten und verzweifelten Gesichtsausdruck gezeigt und auch schwer geatmet. Da er angegeben habe, er müsse unmittelbar
die Praxis verlassen, sei man mit ihm die C. Straße in S. auf und ab gegangen und habe hierbei das Untersuchungsgespräch fortgesetzt.
Der Kläger habe sich aber geweigert, weiter zu gehen, da er vermutet habe, er (der Gutachter) wolle ihn auf eine Baustelle
führen. Die Untersuchung sei kurzfristig abgebrochen worden. Zehn Minuten später sei der Kläger jedoch wieder in der Untersuchungspraxis
erschienen. In diesem Kontext hätten sich keine relevanten Hinweise auf Simulation, Aggravation oder Bagatellisieren ergeben.
Der Kläger leide an einer Folgestörung einer PTBS, einer Persönlichkeitsänderung nach Unfallerfahrung und es bestehe ein Verdacht
auf einen schizotypen Verfolgungswahn. Der Kläger habe eine Beschwerdesymptomatik gezeigt, welche einer Folgestörung einer
PTBS entspreche. Hieraus resultiere eine Minderung der MdE in Höhe von 50 vom Unfallereignis bis zum 30.09.2011. Ab dem 01.10.2011
sei dann von einer MdE in Höhe von 40 v.H. auszugehen, nachdem eine wahnhafte Störung in den Vordergrund getreten sei und
mit den anderen Beschwerden interferiere. Prof. Dr. S. und Dr. P. hätten offenbar kein ausreichendes Vertrauensverhältnis
in der Untersuchungssituation aufbauen können. Es sei nicht nachvollziehbar, wie Dr. P. zu einer Kausalität der früheren Erlebnisse
aus der Heimat komme, nachdem bei dem Kläger eine Traumatisierung im Heimatland nicht nachweisbar vorliege. Dies von den Erlebnissen
im Rahmen der Demonstration mit Verhör durch die Polizei nach Werfen von mit Nägeln bestückten Kartoffeln abzuleiten, müsse
eher bezweifelt werden. Relevant erscheine jedoch die hinzugetretene schizotype paranoide Störung bezüglich der Verfolgungsängste,
welche nicht in einen gesicherten Zusammenhang mit dem Unfallereignis gebracht werden könne.
Die Beklagte hat hierzu die "2. beratende Stellungnahme nach Aktenlage" des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.
M. vom 06.12.2012 vorgelegt. Dieser hat darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage kein psychischer Primärschaden im Sinne einer
akuten Belastungsreaktion belegt sei. Hiermit vereinbar sei die Angabe einer Erinnerungslücke bzw. Amnesie für das Unfallereignis.
Der Aspekt einer zielgerichteten Agitation bei Prof. Dr. W., ohne sich selbst zu beschädigen, sei gut zu vereinbaren mit einer
querolatorischen Begehrenshaltung, wie bei einer Rentenneurose häufig anzutreffen. Dies spreche auch gegen einen schizotypen
Verfolgungswahn, wobei dies zu beurteilen, nicht "Aufgabe eines Gutachtens nach Aktenlage" sei. Die Kriterien für eine PTBS
seien unter Beachtung der Literatur nicht erfüllt.
Der Kläger hat hierzu ausgeführt, bei der "Stellungnahme" des Dr. M. handele es sich um ein Gutachten. Die Beklagte hätte
ihn vorher darauf hinweisen müssen, dass sie beabsichtige, bei Herrn Dr. M. ein Gutachten einzuholen. Wäre ihm dies mitgeteilt
worden, hätte er hierzu sein Einverständnis nicht erteilt und werde dies auch künftig nicht tun, weshalb das Gutachten aus
der Akte zu entfernen sei. Anderenfalls müsse Dr. A. zur mündlichen Verhandlung geladen werden. Mit Schreiben vom 25.02.2013
hat der Kläger schriftsätzlich beantragt, Dr. A. - zur Erläuterung seines Gutachtens" zu laden und ihm zur Vorbereitung die
Stellungnahme des Dr. M. zu übersenden.
Der Senat hat die beteiligten mit Schreiben vom 27.02.2013 darauf hingewiesen, dass er die "2. beratende Stellungnahme nach
Aktenlage" des Dr. M. bei der Entscheidungsfindung nicht zur Kenntnis und nicht verwerten werde. Die Beteiligten erhielten
Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Beklagte hat ihr Einverständnis mit dieser Vorgehensweise erklärt. Im übrigen haben die
Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Beklagten und des Klägers über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§
124 Abs.
2 SGG), sind statthaft und zulässig. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, eine PTBS "als Funktionsbeeinträchtigung des Arbeitsunfalls vom 13.05.2006" festzustellen
und dem Kläger eine Verletztenrente vom 10.11.2007 bis 30.09.2011 nach einer MdE von 50 v.H. zu gewähren. Denn der Bescheid
der Beklagten vom 17.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2008 (§
95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist weder verpflichtet, aufgrund des Arbeitsunfalls
vom 13.05.2006 eine PTBS als Unfallfolge anzuerkennen noch hat der Kläger Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente. Die
Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Feststellung von Unfallfolgen ist gemäß §
54 Abs.
1 SGG statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls
ist, nicht nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne des §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG, §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG geltend machen. Er kann vielmehr wählen, ob er stattdessen sein Begehren mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage
gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakts und einer Verpflichtungsklage verfolgen
will (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 RdNr. 12 ff.). Beide Rechtsschutzformen sind grundsätzlich gleich rechtsschutzintensiv (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R = NZS 2012, 909). Für das Begehren auf Gewährung von Verletztenrente hat der Kläger die Anfechtungsklage gemäß §
54 Abs.
4 SGG zulässig mit der unechten Leistungsklage auf Gewährung von Verletztengeld bzw. Verletztenrente kombiniert.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, eine PTBS als Unfallfolge anzuerkennen. Denn der Senat kann das Vorliegen einer derartigen
Gesundheitsstörung nicht (den Anforderungen eines Vollbeweises entsprechend) feststellen.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Anerkennung von Unfallfolgen ist §
102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII). Danach haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge
(oder eines Versicherungsfalls), wenn ein Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls oder
infolge der Erfüllung eines Tatbestands des §
11 SGB VII rechtlich wesentlich verursacht wird. §
102 SGB VII ist damit nicht nur eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsaktes für den Unfallversicherungsträger,
sondern zugleich auch Anspruchsgrundlage für den Versicherten (ausführlich hierzu BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -, a.a.O., RdNr. 15 ff.). Der Tatbestand des §
102 SGB VII setzt voraus, dass der Versicherte einen Versicherungsfall und, soweit die Feststellung von Unfallfolgen begehrt wird, weitere
Gesundheitsschäden erlitten hat, die im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einen (u.U. nur behaupteten)
Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind.
Versicherungsfälle sind nach §
7 Abs.
1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz
nach §§
2,
3,
6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder
zum Tod führen (§
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit
zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den
Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder
den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen
aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines
Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -).
Bei dem Unfall des Klägers am 13.05.2006 handelt es sich um einen Arbeitsunfall in diesem Sinne, denn er befand sich im Rahmen
seiner Tätigkeit als Gerüstbauwerker bei der Demontage eines Gerüstes, als einem weiteren Mitarbeiter in der dritten Etage
des Gerüstes ein Bordbrett entglitt und ihm am Kopf traf. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Beklagte
hat dieses Ereignis im Bescheid vom 17.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2008 selbst als Arbeitsunfall
bezeichnet.
Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls im Sinne des §
8 SGB VII, wenn sich spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des - hier anerkannten - Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden
ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene
Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht
worden ist. Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinne zuzurechnen
ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung
(st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 RdNr. 28 ff. m.w.N.).
Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten: Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden
im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich
nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden
Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht
werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen
Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis
ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt
werden.
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm
aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend)
ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des BSG gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. nur BSG, Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 RdNr. 15 ff. m.w.N.). Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich.
Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder
sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die
zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit
als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen
als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung
mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die
Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer,
in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben
Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum
Vorstehenden insgesamt BSG, a.a.O.).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge
geltend gemachte - konkrete und klar definierte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O) - Gesundheitsstörung müssen i.S. eines Vollbeweises erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung
des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen
werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden
Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen
Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt
nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang
zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss.
Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche
Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr
führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende
Umstände auszuschließen.
Wie auch bei der Feststellung organischer Verletzungsfolgen ist Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen
als Unfallfolge zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit
mindern (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 RdNr. 22). Das BSG hat in der genannten Entscheidung weiter klargestellt, dass die Gesundheitsstörung aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme
und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen muss, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B.
ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme
der WHO, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information <DIMDI> ins Deutsche übertragen, herausgegeben
und weiterentwickelt, Stand 2013; DSM-IV-TR = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen
psychiatrischen Vereinigung mit Textrevision, deutsche Bearbeitung von Saß/Wittchen/Zaudig/Houben, 2003). Begründete Abweichungen
von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit aber
nicht ausgeschlossen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze vermag der Senat nicht festzustellen, dass der genannte Arbeitsunfall vom 13.05.2006 beim
Kläger zu einer PTBS geführt hat. Denn die Anforderungen an eine derartige Diagnose sind nach den international anerkannten
Diagnosesysteme (ICD-10-GM 2013 und DSM-IV-TR) nicht erfüllt.
Nach ICD-10-GM 2013 F 43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis
oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei
fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische
Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms
senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten
der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallererinnerungen,
Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit
auftreten. Nach den Kriterien des DSM-IV-TR muss für die Anerkennung einer PTBS die Person mit einem traumatischen Ereignis
konfrontiert worden sein, bei dem die folgenden Kriterien vorhanden waren: (1) die Person erlebte, beobachtete oder war mit
einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr
der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhalteten und (2) die Reaktion der Person umfasste
intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen (sog. A-Kriterium). Darüber hinaus muss das traumatische Ereignis beharrlich
wiedererlebt werden (B-Kriterium) und Reize, die mit dem Trauma verbunden sind, müssen anhaltend vermieden werden (C-Kriterium).
Hinzu kommen müssen weitere Symptome wie z.B. Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen (D-Kriterium) und das Störungsbild
muss länger als ein Monat andauern (E-Kriterium). Schließlich muss das Störungsbild in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder
Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen (F-Kriterium).
Vorliegend fehlt es an einem "belastenden Ereignis oder einer Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem
Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" sowie an einem extrem traumatischen Ereignis (vgl. Saß/Wittchen/Zaudig/Houben,
DSM-IV-TR, Seite 515), das einen "drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit
der eigenen Person oder anderen Personen" beinhaltete (Kriterium A 1) und das beim Kläger zu einer "intensiven Furcht, Hilflosigkeit
oder Entsetzen" (Kriterium A 2) geführt hat. Hierbei geht der Senat von der Schilderung des Unfallherganges des Arbeitgebers
in dessen Unfallanzeige, die am 12.06.2006 bei der Beklagten einging, aus, die sich auch im Wesentlichen mit den Angaben des
Klägers deckt. Danach entglitt einem früheren Arbeitskollegen des Klägers in der dritten Etage ein Bordbrett, welches den
Kläger, der sich am Boden befand, am Kopf traf, wobei der Kläger einen Bauhelm trug. Dabei geht der Senat weiter davon aus,
dass durch diesen Unfall eine kurze Bewusstlosigkeit mit retrograder Amnesie und Übelkeit hervorgerufen wurde. Dies ergibt
sich aus dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. W. vom 21.06.2006. Zwar wurde im Durchgangsarztbericht vom 15.05.2006 noch angegeben,
dass fremdanamnestisch keine Bewusstlosigkeit vorgelegen habe. Der Kläger hat sich jedoch durchgehend dahingehend eingelassen,
dass er kurz bewusstlos war und sich auch an den Unfall selbst nicht mehr erinnern kann. Dies ergibt sich auch bereits aus
dem neurologischen Befundbericht des Dr. S. vom 14.06.2006 sowie aus dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. W. (ebenfalls) vom
14.06.2006. In dem vom Arbeitgeber und vom Kläger geschilderten Unfallhergang kann jedoch keine "außergewöhnliche Bedrohung"
oder ein Ereignis mit "katastrophenartigem Ausmaß", dass bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, gesehen
werden, so dass bereits deshalb die Voraussetzungen des ICD-10-GM 2013 F 43.1 nicht vorliegen. Denn eine Bedrohung oder ein
katstrophenartiges Ausmaß des Unfalls liegen nicht vor. Vielmehr entglitt nach den Angaben des Arbeitgebers und des Klägers
dem Mitarbeiter unvorhergesehen das Bordbrett. Aber auch eine dramatische Erfahrung im Sinne des DSM-IV-TR liegt nicht vor.
Zu derartigen traumatischen Erfahrungen zählen kriegerische Auseinandersetzungen, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person
(Vergewaltigung, körperlicher Angriff, Raubüberfall, Straßenüberfall), Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung,
Kriegsgefangenschaft, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, schwere
Autounfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit (vgl. Saß/Wittchen/Zaudig/Huoben, a.a.O., Seite 515). Mit
derartigen Erfahrungen lässt sich der Unfall am 13.05.2006, bei dem dem Kläger - wie bereits festgestellt - ein Bordbrett
aus der dritten Etage auf den Kopf fiel und hierdurch eine 2 cm lange Kopfplatzwunde sowie und im Bereich der oberen Vorderzähne
eine Lockerung verursachte (Durchgangsarztbericht vom 15.05.2006), nicht vergleichen.
Selbst wenn jedoch zu Gunsten des Klägers von einem entsprechenden "belastenden Ereignis oder Situation" bzw. "traumatischen
Ereignis" auszugehen wäre, wären die weiteren Kriterien für die Anerkennung einer PTBS nicht erfüllt. Denn beim Kläger liegt
weder ein "wiederholtes Erleben des Trauma in sich aufdrängenden Erinnerungen" (ICD-10-GM 2013 F 43.1) noch eine dokumentierte
Reaktion "intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen" (A 2-Kriterium) bzw. ein Wiedererleben des traumatischen Ereignisses
(B-Kriterium) vor. Der Senat stützt sich hierbei auf die Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. P.. Dieser hat in
seinem Gutachten vom 28.08.2009 angegeben, dass der Kläger "schlechte Träume" geschildert habe, wobei er das Gefühl habe,
dass er von Personen beobachtet werde. Er habe immer wieder den Traum, dass Personen mit Kapuzen, fremde Männer, ihm seine
Kinder wegnehmen wollten. Diese (Alp-) Träume wiederholen jedoch offensichtlich nicht den Unfallhergang. Hinzu kommt, dass
er sich nach seinen eigenen Angaben an den Unfall nicht mehr erinnert. So hat er gegenüber Dr. P.angegeben, lediglich noch
"viele Stimmen, Sprachen und" bzw. das "Klappern von Schuhen an der Unfallstelle" zu hören. Mehr wisse er jedoch nicht mehr
von dem Unfall. Nachhallerinnerungen oder Flashbacks können daher nicht festgestellt werden. Gegenüber Dr. A. hat er angegeben
(Gutachten vom 13.09.2012), er sehe "auch Flash-backartig eine Uhr, die im Krankenhaus gewesen sei, höre verschwommene Stimmen
und Schritte", wobei dies "als Erinnerung aus dem Krankenhaus" haften geblieben sei. Auch hieraus ergibt sich, dass sich der
Kläger an den Unfall nicht mehr erinnert, sondern lediglich an die erst (zeitlich spätere) Situation im Krankenhaus.
Soweit Dr. P. und Dr. A. vom Vorliegen einer PTBS ausgegangen sind, da nach ihrer Ansicht die vom Kläger geschilderte und
dargebotene Symptomatik Ausdruck einer PTBS sei, überzeugt dies den Senat nicht. Denn beide Gutachter haben sich nicht mit
den bereits genannten internationalen anerkannten Diagnosensysteme ICD-10-GM und DSM-IV-TR auseinandergesetzt. Dr. P. geht
"durchaus entsprechend den Kriterien des ICD-10" von einer "posttraumatischen Belastungsstörung im Sinne einer Verschlimmerung"
aus, wobei er sich im Wesentlichen auf im Heimatland erlittene Traumata stützt, die der Kläger bis zum Arbeitsunfall weitgehend
kompensiert habe. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass entsprechende Traumata im Kosovo weder von Dr. P. hinreichend genau
beschrieben werden noch vom Kläger konkret behauptet werden. In diesem Zusammenhang hat Dr. A. in seinem Gutachten vom 13.09.2012
darauf hingewiesen, dass es nicht nachvollziehbar ist, wie Dr. P. zu einer Kausalität zu früheren Erlebnissen aus der Heimat
kommt, nachdem bei dem Kläger eine Traumatisierung nicht nachweisbar sei. Dr. A. sieht insofern auch keinen Traumanachweis
im Hinblick auf die Demonstration im Heimatland mit Verhör durch die Polizei nach dem Werfen von mit Nägeln bestückten Kartoffeln.
Insofern bestätigt Dr. A. die Auffassung des Senats, dass der Kläger auch nach seinen eigenen Schilderungen keine (Traumata-)Beschwerdesymptomatik
im Rahmen früherer Erlebnisse in der Heimat entwickelt hat. Dr. A. weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass es keinerlei
wissenschaftliche Literatur gibt, welche belegen würde, dass eine PTBS erst ca. 25 Jahre nach einer vermuteten Belastung auftreten
könnte. Wenn jedoch schon kein Trauma im Heimatland nachweisbar ist, so kann es auch durch den Arbeitsunfall vom 13.05.2006
nicht zu einer Verschlimmerung im Sinne einer Retraumatisierung gekommen sein.
Dr. A. hingegen stützt seine Diagnose "Folgestörung einer posttraumatischen Belastungsstörung" allein auf die vom Kläger geschilderte
und dargebotene "Beschwerdesymptomatik, welcher einer Folgestörung einer posttraumatischen Belastungsstörung entspricht".
Die vom Kläger dargestellte Beschwerdesymptomatik entspreche danach den typischen Beschwerden einer PTBS mit schwerer Ausprägung,
wobei sich ein eindeutiger Bezug zum Unfallereignis herstellen lasse, zumal das Unfallereignis als Auslöser einer PTBS "durchaus
geeignet" sei. Der Schluss von der dargestellten Beschwerdesymptomatik auf das Vorliegen einer "Folgestörung einer posttraumatischen
Belastungsstörung" überzeugt jedoch nicht, da sich Dr. A. nicht hinreichend mit Aggravations- und Simulationstendenzen des
Klägers auseinandergesetzt hat. Gleiches gilt im Übrigen auch für das Gutachten des Dr. P. vom 28.08.2009. Für beide Gutachter
hätte jedoch aufgrund des für sie ersichtlichen Akteninhalts Anlass bestanden, hierzu konkret und näher Stellung zu nehmen,
zumal Schilderungen der Beschwerden keine tragfähige Grundlage für die Feststellung einer psychischen Störung sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 148). Bereits Dr. R. hat in seinem neurologischen Befundbericht
vom 09.08.2006 auf die deutliche Diskrepanz zwischen unauffälligem neurologischen Befund und den geklagten Beschwerden hingewiesen(Bl.
35 der Verwaltungsakte). In seinem Gutachten vom 19.04.2007 hat er angegeben, dass die Befragung durch ständiges Zittern des
Klägers stark gestört gewesen sei, allerdings bei Beschäftigung und Ablenkung das Zittern gestoppt habe, was für ein willkürliches
Zittern der Extremitätenmuskulatur spreche (Bl. 95 der Verwaltungsakte). In diesem Zusammenhang nannte er auch nochmals erhebliche
Diskrepanzen zwischen mehrfachem unauffälligem neurologischem Befund und auch unauffälligen aperativen Zusatzbefunden, sodass
die Beschwerden nicht ganz frei von Aggravation gewesen seien (Bl. 97 der Verwaltungsakte). Prof. Dr. S. hat in seinem Befundbericht
vom 19.10.2007 berichtet, dass eine allseitig demonstrierte schlaffe Lähmung bei Ablenkung prompt verschwunden sei, dass eine
Fallneigung nach hinten ebenfalls bei Ablenkung aufgehört habe, der Kläger beim Simulationstest einen Wert von 22 Punkten
erreicht habe, was für eine massive Ausgestaltungstendenz spreche, und nach Einweisung in die geschlossene Abteilung der Klinik
von seinem demonstrativen Verhalten abgesehen habe (Bl. 111 ff. der Verwaltungsakte). Auch Dr. G. hat in ihrem Entlassungsbericht
vom 22.01.2009 angegeben, dass die vom Kläger dargebotenen Muskelzuckungen bei Ablenkung unterbrochen gewesen seien. Schließlich
hat Dr. P. den Kläger selbst auf die unverständliche Angabe hinsichtlich seiner vita sexualis ("es gehe nichts mehr") und
den Umstand, dass er doch zwei Kinder im Alter von 3 Jahren und 14 Monaten habe, hingewiesen. Hinzu kommt, dass Prof. Dr.
W. in seinem Gutachten vom 19.03.2012 angegeben hat, dass die Reaktion des Klägers im Rahmen der Begutachtung am 12.03.2012
einen gezielten Eindruck erweckt habe, indem Selbstverletzungen recht bewusst durch Auswahl entsprechender "Werkzeuge" bzw.
eines nachgebenden Schrankes vermieden worden seien. Auch bei der Ableitung der akustisch evozierten Potentiale habe sich
gezeigt, dass die Angaben des Klägers im Hinblick auf die Hörschwelle unglaubwürdig gewesen seien, da im Rahmen des weiteren
Kontaktes eine Schwerhörigkeit nicht habe festgestellt werden können. Vor diesem Hintergrund bestanden sowohl für Dr. P. als
auch für Dr. A. hinreichende Anhaltspunkte dafür, sich mit Aggravations- und Simulationstendenzen des Klägers im Rahmen ihres
Gutachtens konkret und näher auseinander zu setzen. Die Aussage von Dr. P., wonach "kein Anhalt für bewusstseinsnahe Aggravation
oder gar Simulation" bestehe (Bl. 66 der SG-Akte) bzw. die Angabe des Dr. Abele, es bestünden "keine relevanten Hinweise auf Simulation, Aggravation oder Bagatellisieren"
(Bl. 102 der LSG-Akte), genügen daher im vorliegenden Fall nicht, so dass letztendlich auch deshalb ihre Diagnoseeinschätzung
den Senat nicht überzeugt.
Schließlich stützt sich der Senat auch auf das Schreiben der behandelnden Nervenärztin Dr. R. vom 31.01.2010. Diese hat lediglich
von einer ausgeprägten emotionalen Labilität, einer ausgeprägten psychomotorischen Unruhe sowie einer dissoziativen Bewegungsstörung
berichtet, nicht aber über eine PTBS.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. Z. vom 15.01.2007. Dort wird zwar als Hauptdiagnose
eine PTBS nach Arbeitsunfall genannt. Dabei hat Prof. Dr. Z. jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er aufgrund der
"Biographie mit wiederholten Traumatisierungen einerseits und dem Wunsch nach Sicherheit für sich und seine Familie andererseits
verbunden mit Ängsten, Hass- aber auch Schuldgefühlen [...] zunächst von einer posttraumatischen Belastungsstörung" ausgegangen
sei. Ob sich die Diagnose einer PTBS bestätige oder doch eine beginnende Psychose vorliege, müsse der Verlauf zeigen. Wie
bereits dargelegt, konnten wiederholte Traumatisierungen weder im Heimatland noch in der BRD festgestellt werden, so dass
die (vorläufige) Arbeitsdiagnose einer PTBS des Prof. Dr. Z.l ebenfalls nicht überzeugt. Soweit Dr. G. (Entlassungsbericht
vom 22.01.2009) und Dr. A. (Arztbrief vom 05.02.2009) die Diagnose einer PTBS angegeben haben, so fehlt auch hier eine Auseinandersetzung
mit den international anerkannten Diagnosensysteme ICD-10-GM und DSM-IV-TR.
Zwar begehrt der Kläger lediglich die Anerkennung einer PTBS als Unfallfolge. Der Senat weist in diesem Zusammenhang aber
ergänzend daraufhin, dass nach den vorliegenden Unterlagen auch nicht die Feststellung anderer Unfallfolgen in Betracht kommt.
Dr. P. hat keine weiteren Unfallfolgen in seinem Gutachten benannt und Dr. A. hat darauf hingewiesen, dass die von ihm diagnostizierte
"dringend wahnhaft verdächtige Störung" vom Unfallereignis unabhängig ist und die hinzugetretene schizotype paranoide Störung
bezüglich der Verfolgungsängste nicht in einen gesicherten Zusammenhang mit dem Unfallereignis gebracht werden kann.
Soweit der Kläger beantragt hat, die "2. beratende Stellungnahme nach Aktenlage" des Dr. M. vom 06.12.2012 aus der Gerichtsakte
zu entfernen, musste der Senat dem nicht folgen. Zwar geht er mit dem Kläger davon aus, dass es sich bei der genannten "Stellungnahme"
inhaltlich um ein Gutachten nach Aktenlage handelt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 RdNr. 26). Hierfür spricht nicht nur, dass Dr. M. selbst von einer "Aufgabe eines Gutachtens nach
Aktenlage" spricht (Bl. 131 der LSG-Akte), sondern auch der Umstand, dass er im Wesentlichen eine eigenständige Bewertung
der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen vorgenommen hat. Da der Senat jedoch keine weiteren Ermittlungen nach Vorlage
der "Stellungnahme" des Dr. M. veranlasst hat, konnte dem Beweisverwertungsverbot dahingehend Rechnung getragen werden, dass
die gegen §
200 Abs.
2 SGB VII verstoßende gutachterliche Stellungnahme, die Bestandteil der Gerichtsakte geworden ist, inhaltlich vom Senat bei der Entscheidungsfindung
nicht zur Kenntnis genommen und auch nicht verwertet wurde. Eine Pflicht, die gutachterliche Stellungnahme aus der Gerichtsakte
zu entfernen, bestünde allenfalls dann, wenn weitere Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt sind, da hierbei einer möglichen
Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes Rechnung getragen werden müsste (vgl. hierzu LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
30.01.2009 - L 2 U 198/04 = UV-Recht aktuell 2009, 878). Der Senat hat die Beteiligten zu dieser Vorgehensweise auch gehört. Einwände wurden nicht erhoben.
Der Kläger hat mithin keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Nach §
56 Abs.
1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall
hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit in Folge mehrerer Versicherungsfälle gemindert
und erreichen die vom Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall,
Anspruch auf Rente (§
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach §
56 Abs.
1 Satz 3
SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Vorliegend bedingt die - bereits von der Beklagten anerkannte - Schädelprellung als Unfallfolge keine MdE. Denn die Schädelprellung
ist folgenlos verheilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zu zulassen, liegen nicht vor.