Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2009 aufgehoben, soweit
der Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet worden ist, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts für die Zeiträume
- vom 20. Oktober 2009 bis 31. Oktober 2009 in Höhe von mehr als 162,89 €,
- vom 1. November 2009 bis 31. Dezember 2009 in Höhe von mehr als monatlich 379,80 €,
- vom 1. Januar 2010 bis 28. Februar 2010 in Höhe von mehr als monatlich 297,80 € und
- vom 1. März 2010 bis 30. April 2010 in Höhe von monatlich 543,80 €
zu gewähren.
Der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird insoweit zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig verworfen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern 2/5 der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
I. Mit Bescheid vom 30. Juli 2009 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern gestützt auf § 40 Abs. 1, Nr. 1 a Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II) i. V. m. §
328 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 30.
November 2009, für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. November 2009 in Höhe von monatlich 767,94 €. Am 27. August
2009 erhielt die Antragstellerin zu 1. eine Abfindung ihres ehemaligen Arbeitgebers in Höhe von 11.762,67 € auf ihrem Girokonto
gutgeschrieben. Hierauf setzte der Antragsgegner mit so genanntem Änderungsbescheid vom 8. Oktober 2009 die den Antragstellern
zu bewilligenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 31. Oktober 2009
auf 0,00 € fest und hob den Bescheid vom 30. Juli 2009 insoweit auf. Mit weiteren Bescheiden vom selben Tag forderte der Antragsgegner
von den Antragstellern jeweils die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen für den genannten Zeitraum. Mit weiterem Bescheid
vom 8. Oktober 2009 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 30. Juli 2009 hinsichtlich des Zeitraumes "ab 1. November 2009"
auf und führte gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zur Begründung aus, mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen seien die Antragsteller nicht hilfebedürftig im Sinne
des § 9 SGB II. Gegen die drei auf den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 31. Oktober 2009 bezogenen Bescheide vom 8. Oktober
2009 legten die Antragsteller Widerspruch ein. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid
vom 30. Oktober 2009 als unzulässig zurück.
Am 20. Oktober 2009 haben die Antragsteller beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der
sie die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt haben, ihnen vorläufig für den Zeitraum ab 1. Oktober 2009 bis zur Rechtskraft
einer Entscheidung über den Änderungsbescheid vom 8. Oktober 2009 monatliche Leistungen in Höhe von 543,80 € zu zahlen. Mit
Beschluss vom 22. Dezember 2009 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern vorläufig
ab dem 20. Oktober 2009 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 30. April 2010, Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 543,80 €, für Oktober anteilig in Höhe von 217,56 €, zu gewähren und den Antrag
auf vorläufigen Rechtsschutz im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Antragsteller
hätten für die Zeit ab Antragstellung am 20. Oktober 2009 einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Insbesondere hätten die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass die erhaltene Abfindungszahlung verbraucht sei und Kindergeld-
sowie Unterhaltszahlungen des Kindesvaters nicht erfolgten. Der Anordnungsgrund folge aus der Tatsache, dass den Antragstellern
aufgrund des Änderungsbescheides vom 8. Oktober 2009 seit August 2009 keine Leistungen mehr gewährt worden seien.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, mit der er die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückweisung
des vorläufigen Rechtsschutzantrages für die Zeit ab 20. Oktober 2009 begehrt.
Auf den Antrag des Antragsgegners hat der Senat durch Beschluss vom 26. Januar 2010 die Vollstreckung aus dem Beschluss vom
22. Dezember 2009 durch einstweilige Anordnung ausgesetzt, soweit der Antragsgegner zur Gewährung von Leistungen von mehr
als 162,89 € für Oktober 2009, von mehr als 379,80 € für November und Dezember 2009 und von mehr als 297,80 € für die Monate
Januar bis (längstens) April 2010 verpflichtet worden ist und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Hierauf hat der Antragsgegner
den Antragstellern für den Zeitraum vom 20. Oktober 2009 bis zum 28. Februar 2010 einen Betrag in Höhe von 1.518,09 € überwiesen.
II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, soweit der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats der
einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts bereits nachgekommen ist und Geldbeträge an die Antragsteller überwiesen hat (§
572 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 202 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]); insoweit fehlt dem Antragsgegner das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Denn die (einstweilige)
Anordnung des Sozialgerichts hat sich insoweit erledigt. Der Antragsgegner hat kein rechtlich schützenswertes Interesse an
seiner Aufhebung. Er war aufgrund dieser Anordnung verpflichtet, vorläufig Leistungen zu erbringen, soweit der Senat die Vollstreckung
nicht durch Beschluss vom 26. Januar 2010 ausgesetzt hat. Soweit es dem Antragsgegner darum gehen sollte, die von ihm ausgezahlten
Beträge zurückzuerhalten und festgestellt zu wissen, dass er - endgültig - nicht zur Gewährung dieser Leistung verpflichtet
sei, steht das gerichtliche Eilverfahren dafür nicht zur Verfügung. Eine einstweilige Anordnung ist stets nur ein Rechtsgrund
für das vorläufige Behaltendürfen einer daraufhin erbrachten Leistung. Ob dem von der einstweiligen Anordnung Begünstigten
diese Leistung endgültig zusteht, ist gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären, sofern die Entscheidung der Behörde
nicht ohnehin bestandskräftig wird (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Juni 2006 - L 14 B 471/06 AS ER - m. w. N.)
Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig (§§
172 Abs.
1,
173 Satz 1
SGG) und begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Antragstellern
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeiten vom 20. Oktober 2009 bis 31. Oktober 2009 in Höhe von mehr als
162,89 €, vom 1. November 2009 bis 31. Dezember 2009 in Höhe von mehr als monatlich 379,80 €, vom 1. Januar 2010 bis 28. Februar
2010 in Höhe von mehr als monatlich 297,80 € und für die Zeit vom 1. März 2010 bis 30. April 2010 in Höhe von monatlich 543,80
€ zu gewähren.
Der noch streitgegenständliche und auf die Gewährung von monatlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II für den Zeitraum ab 20. Oktober 2009 gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG ist bereits unzulässig, soweit er die Gewährung von Leistungen für die Zeit ab 1. Dezember 2009 zum Gegenstand hat. Die Antragsteller
können vorliegend zulässigerweise keinen Anspruch auf Leistungen für die Zeit ab 1. Dezember 2009 geltend machen, weil der
Antragsgegner mit dem Bewilligungsbescheid vom 30. Juli 2009 vorläufige Leistungen nach § 40 Abs. 1, Nr. 1 a SGB II i. V.
m. §
328 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III nur für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 30. November 2009 bewilligt hat. Die vorläufige Bewilligungsentscheidung
des Antragsgegners schafft eine Zäsur, die den Streitgegenstand auf den vorgenannten Bewilligungszeitraum begrenzt (vgl. BSG,
Beschluss vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 7/08 B -, zitiert nach juris). Für den Folgezeitraum haben die Antragsteller keinen Leistungsantrag gestellt.
Nach dem Vorstehenden kann dahinstehen, ob der Antragsgegner mit dem Bescheid vom 8. Oktober 2009, der die Aufhebung des Bescheides
vom 30. Juli 2009 für den Zeitraum "ab 1. November 2009" zum Gegenstand hat, sinngemäß auch den Leistungsantrag der Antragsteller
vom 2. Juli 2009 für den Zeitraum ab 1. November 2009 abschließend beschieden hat oder eine solche abschließende Entscheidung
noch aussteht, wofür sprechen könnte, dass der Aufhebungsbescheid - im Unterschied zu dem Änderungsbescheid vom selben Tag
für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 31. Oktober 2009 - keine ausdrückliche Regelung zum Bestehen bzw. Nichtbestehen
eines Leistungsanspruchs enthält. Jedenfalls könnte sich eine solche Entscheidung ebenso wie die Aufhebung des Bescheides
vom 30. Juli 2009 nur auf den Bewilligungszeitraum vom 1. November 2009 bis 30. November 2009 beziehen. Ferner kann dahinstehen,
ob der vorgenannte Bescheid bestandskräftig geworden ist; nach Lage der Akten haben die Antragsteller gegen diesen Bescheid
allerdings keinen Widerspruch eingelegt.
Hinsichtlich des Zeitraumes vom 20. Oktober 2009 bis zum 30. November 2009 ist der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung unbegründet. Nach §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das
Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der
begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. §
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §§
920 Abs.
2,
294 der
Zivilprozessordnung).
Hiervon ausgehend haben die Antragsteller für den Zeitraum vom 20. Oktober 2009 bis zum 30. November 2009 einen Anordnungsgrund
nicht glaubhaft gemacht. Da die Antragsteller für diesen Zeitraum in 1. Instanz mit ihrem Begehren durchgedrungen sind, ist
zur Wahrung des in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes insoweit zwar nicht auf den
Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, sondern den Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt
(22. Dezember 2009) lag dieser Zeitraum jedoch bereits in der Vergangenheit. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist
für den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch grundsätzlich kein Raum, soweit (zulässigerweise) Leistungen für in der
Vergangenheit liegende Zeiträume geltend gemacht werden. Insoweit fehlt es regelmäßig an einer spezifischen, dem vorliegenden
Verfahren innewohnenden Dringlichkeit, deretwegen es zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer Nachteile, zu deren nachträglicher
Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, einer einstweiligen Regelung bedarf. Dass den
Antragstellern hier ausnahmsweise schwere und unzumutbare Nachteile gedroht hätten, wenn ihrem Begehren nicht sofort entsprochen
worden wäre, ist ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen, dafür ist auch sonst nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG in analoger Anwendung und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).