Statthaftigkeit der Beschwerde bei der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Die Beschwerdeführer begehren in einem Verfahren nach §
197 SGG die Festsetzung höherer vom Beschwerdegegner zu erstattender Anwaltsgebühren.
Dem Kostenfestsetzungsverfahren zugrunde lag eine am 18.05.2011 beim SG Chemnitz (SG) erhobene Untätigkeitsklage zu dem Aktenzeichen S 28 AS 2276/11, die auf Verbescheidung eines Überprüfungsantrags gerichtet war. Nach Erlass des Bescheides erledigte sich das Klageverfahren
im August 2011.
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 12.12.2011 über die vom Beschwerdegegner zu erstattenden
notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer hat das SG mit Beschluss vom 01.11.2012 zurückgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung lautet: "Dieser Beschluss ist endgültig (§ 11 Abs. 3 RVG i.V.m. §
197 Abs.
2 SGG)."
Gegen den Beschluss haben die Beschwerdeführer am 20.11.2012 Beschwerde, hilfsweise Gegenvorstellung erhoben, die Vorlage
verschiedener Rechtsfragen des anwaltlichen Gebührenrechts nach Art.
100 Abs.
1 GG an das BVerfG verlangt und die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Die Beschwerde sei nach § 33 Abs. 3 RVG zulässig. §
197 Abs.
2 SGG stehe dem nicht entgegen, wie Wortlaut und Regelungsgeschichte belegten. Der Wortlaut des §
197 Abs.
2 SGG sei seit 1975 unverändert, abgeschafft worden sei jedoch die Abhilfemöglichkeit nach § 174
SGG. Der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer führt hierzu weiter aus (Hervorhebung im Original): "Grund des unveränderten,
sprich des ursprünglichen, Wortlautes des §
197 Abs.
2 SGG ist, dass früher der Urkundsbeamte bzw. Rechtspfleger die Möglichkeit hatte der Erinnerung selbst abzuhelfen. Gegen diesen
Abhilfebeschluss war dann neuerlich die Erinnerung zulässig, und zwar so oft wiederholt, bis der Urkundsbeamte keine Abhilfe
mehr erteilt, dann war die (letzte) Erinnerung dem Kostenrichter vorzulegen, damit das Erinnerungsverfahren beendet werden
kann. Eine Beschwerdemöglichkeit hiergegen ist und war nie grundsätzlich unzulässig bzw. ausgeschlossen, sondern wurde vielmehr
immer, und dies ist den anderen Prozessordnungen gleich, über den Beschwerdewert geregelt."
Die Akten des Klageverfahrens sowie des Kostenfestsetzungsverfahrens einschließlich des Erinnerungsverfahrens und die Beschwerdeakten
haben dem Senat vorgelegen.
II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG ist unzulässig und war zu verwerfen.
Gegen Entscheidungen des SG über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten ist die Beschwerde nicht statthaft. Denn §
172 Abs.
1 SGG eröffnet die Beschwerde gegen Beschlüsse des SG nur, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine solche spezialgesetzliche Regelung trifft §
197 Abs.
2 SGG. Die Vorschrift lautet: "Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe
das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet." Hiermit ist bestimmt, dass keine Beschwerde zum LSG statthaft ist
(allg. Meinung; vgl. Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris RdNr. 11).
Der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführer, wonach "endgültig" in §
197 Abs.
2 SGG nur bedeute, dass das Erinnerungsverfahren mit der Entscheidung des Gerichts beendet sei, ohne eine Beschwerde gegen diese
Gerichtsentscheidung auszuschließen, vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Auffassung findet weder im Gesetzeswortlaut noch
in der Regelungsgeschichte eine Stütze. Hätte - wie der Prozessbevollmächtigte behauptet - das Wort "endgültig" in §
197 Abs.
2 SGG etwas mit dem Abhilfeverfahren nach § 174
SGG zu tun gehabt, hätte dieses Wort bei der Aufhebung des § 174
SGG durch das Gesetz vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) ebenso gestrichen werden müssen wie in §
145 Abs.
4 SGG der damalige Satz 1 (vgl. dazu BT-Drs. 16/7716, S. 21). Dies ist indessen nicht geschehen, weil ein Zusammenhang zwischen
dem Wort "endgültig" in §
197 Abs.
2 SGG und dem Abhilfeverfahren nach § 174
SGG nie bestanden hatte. Vielmehr ist dieses Wort seit jeher in Übereinstimmung mit den Gesetzesmaterialien im Sinne von "unanfechtbar"
verstanden worden.
§
197 SGG geht auf §
144 des Entwurfs einer Sozialgerichtsordnung (BT-Drs. 1/4357) zurück, der mit dem Entwurf eines
Sozialgerichtsgesetzes (BT-Drs. 1/4225) verbunden wurde (BT-Drs. 1/4567). In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es: "Die Kostenfestsetzung erfolgt
wie auch sonst üblich durch den Urkundsbeamten. Als Rechtsbehelf wird entsprechend §
104 ZPO nur die Erinnerung zugelassen." (BT-Drs. 1/4357, S. 33). Der Gesetzentwurf orientierte sich zwar an der
ZPO, indem als Rechtsbehelf die Erinnerung vorgesehen war, wich von der
ZPO aber insoweit ab, als - wie es in den Begründung bezeichnend heißt - "nur" dieser Rechtsbehelf zugelassen werden sollte,
obwohl §
104 Abs.
3 ZPO damals neben der Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten (Satz 1) auch die sofortige Beschwerde gegen
die gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (Satz 5) kannte. Sollten in der Sozialgerichtsbarkeit die Gerichte "endgültig"
über die Erinnerung entscheiden, musste damit anders als in der Zivilgerichtsbarkeit ein Rechtsmittel gegen die gerichtliche
Entscheidung ausgeschlossen sein. Im Sinne eines Rechtsmittelausschlusses hat der Gesetzgeber des
SGG auch sonst die "endgültige" Entscheidung eines Gerichts verstanden. Noch deutlicher als bei §
178 Satz 1
SGG, der auf §
125 Satz 1 des Entwurfs einer Sozialgerichtsordnung zurückgeht und dessen Begründung lediglich den Normtext wiederholt (BT-Drs.
1/4357, S. 32), wird dies bei der Übergangsvorschrift des § 215
SGG, dem §
153 des Entwurfs einer Sozialgerichtsordnung. Dort war für Altfälle ein Rechtsmittel zum LSG eröffnet worden, das nach § 215 Abs. 5
SGG "endgültig" entschied; hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung: "Die Notwendigkeit, die Altfälle möglichst schnell endgültig
zu bereinigen, gebietet, die Entscheidungen der Landessozialgerichte endgültig sein zu lassen. Dagegen bestehen keine Bedenken,
weil auch bis zum 8. Mai 1945 der Rechtsweg nur aus zwei Rechtszügen bestand." (BT-Drs. 1/4357, S. 35). Folglich waren die
in den Altfällen ergehenden LSG-Urteile unanfechtbar.
Die Regelungsgeschichte stützt die vom Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführer vertretene Auffassung nicht, sondern widerlegt
sie. Den Materialien zum
SGG vom 03.09.1953 (BGBl. I S. 1239) ist zu entnehmen, dass die Entscheidung des Gerichts über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss unanfechtbar
ist. Der Gesetzgeber verzichtete in §
197 Abs.
2 SGG auf die Normierung einer Beschwerdemöglichkeit, wie sie im damaligen §
104 Abs.
3 Satz 5
ZPO vorgesehen war, und bezeichnete stattdessen die Entscheidung des Gerichts als "endgültig", dem Wortsinn nach also als "von
letzter, abschließender Gültigkeit". Dem eine andere Bedeutung beizumessen, liegt fern. Entsprechend wird in Rechtsprechung
und Literatur seit jeher - und ohne dass die Aufhebung des § 174
SGG zum 01.04.2008 eine Änderung bewirkt hätte - das Wort "endgültig" in dem seit Inkrafttreten des
SGG am 01.01.1954 unveränderten §
197 Abs.
2 in dem Sinne verstanden, dass die Entscheidung des Gerichts nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann (vgl. die zahlreichen
Nachweise im Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris RdNr. 11; ferner Bayrisches LSG, Urteil vom 23.09.1955 - L 4/8/I 92/55c - juris Leitsatz 2; LSG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 20.02.1980 - L 4 Sb 17/79 - juris Leitsatz; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.03.1990 - L 11 S (Ka)
32/89 - juris Orientierungssatz; Hessisches LSG, Beschluss vom 25.11.1992 - L-7/B-12/88 - juris Orientierungssatz 2; Richter,
SGb 1962, 398; Löffler, SGb 2008, 622). Soweit vereinzelt die Frage der Beschwerdefähigkeit als höchst umstritten bezeichnet wird (Hinne, Anwaltsvergütung im Sozialrecht,
§ 6 RdNr. 9), lässt sich diese nicht belegte Äußerung schon nicht mit der ganz einhelligen Kommentarliteratur vereinbaren
(vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
197 RdNr. 10; Straßfeldt, in: Jansen,
SGG, 4. Aufl. 2012, §
197 RdNr. 14; Hintz/Lowe,
SGG, 2012, §
197 RdNr. 19; Groß, in: Lüdtke,
SGG, 3. Aufl. 2009, §
197 RdNr. 12; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, 2008, §
197 RdNr. 6; Münker, in: Henning,
SGG, §
197 RdNr. 14, 19; Zeihe,
SGG, §
197 RdNr. 15a). Treffend erläuterte vielmehr bereits im Jahre 1960 Tschischgale zu den §§
178,
197 SGG (SGb 1960, 185 - Hervorhebung im Original): "Nach §
178 SGG kann nämlich gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten ... das Gericht der betreffenden Instanz angerufen werden ..., das
endgültig entscheidet, selbst wenn es ein SG ist. Aus den §§
189 Abs.
2,
197 Abs.
2 und
178 SGG ist für das Sozialgerichtsverfahren sogar der allgemeine Grundsatz zu entnehmen, daß über gebührenrechtliche Kostenfragen
das Gericht der betreffenden Instanz abschließend entscheidet; im Interesse der beschleunigten Abwicklung des Verfahrens sind
hier höhere Rechtszüge als Entscheidungsinstanzen nicht vorgesehen." Dem ist nichts hinzufügen.
Eine andere Auslegung ist - wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 13.01.2013 - L 8 AS 179/13 B KO - juris RdNr. 6 ff.) - auch nicht im Hinblick auf §
178 Satz 1
SGG geboten. Zu dieser Norm, die ähnlich wie §
197 Abs.
2 SGG eine "endgültige" Entscheidung des Gerichts über Erinnerungen vorsieht, wird zwar die Auffassung vertreten, dass sie für
Verfahren zur Festsetzung der Vergütung der im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwälte von § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG als speziellerer Norm verdrängt wird. Hieraus ergibt sich aber nichts für das in §
197 SGG geregelte Verfahren zur Festsetzung der vom Prozessgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten. Denn von den Vergütungsfestsetzungsverfahren
nach § 11, §§ 45 ff. RVG, die das Innenverhältnis zwischen dem Mandanten - bzw. der an dessen Stelle tretenden Staatskasse - und dem Rechtsanwalt
betreffen, ist das Kostenfestsetzungsverfahren nach §
197 SGG streng zu trennen, in dem es um das Außenverhältnis des Mandanten zum Prozessgegner geht.
Die vom Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführer gewünschte unmittelbare Anwendung des § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG ist ausgeschlossen. Denn diese Bestimmung eröffnet nach ihrem klaren Wortlaut die Beschwerde nur gegen Beschlüsse nach §
33 Abs. 1 RVG, also gegen Beschlüsse, die den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit festsetzen. Ein solcher Beschluss liegt hier
aber nicht vor. Das SG hat über die vom Prozessgegner zu erstattenden Kosten entschieden, nicht jedoch den Gegenstandswert festgesetzt. Eine Festsetzung
des Gegenstandswerts nach § 33 Abs. 1 RVG kam auch nicht in Betracht, weil im Ausgangsverfahren - wie regelmäßig im sozialgerichtlichen Verfahren - Betragsrahmengebühren
nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstanden sind. Betragsrahmengebühren knüpfen hinsichtlich der Anwaltsgebühren nicht - wie von § 33 Abs. 1 RVG verlangt - an einen Gegenstandswert an. Eine daher allenfalls mögliche analoge Anwendung des § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG auf das in §
197 SGG geregelte Kostenfestsetzungsverfahren scheidet aus (Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris RdNr. 11; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.2007 - L 19 B 112/07 AS - juris RdNr. 8, 10).
Zu keiner anderen Beurteilung führt schließlich, dass andere Prozessordnungen Beschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen
in Kostenfestsetzungsverfahren unter gewissen Voraussetzungen zulassen (vgl. §
104 Abs.
3 Satz 1, §
567 Abs.
2 ZPO i.V.m. §
11 Abs.
1 RPflG - andernfalls §
11 Abs.
2 RPflG). Auch von Verfassungs wegen gilt nichts anderes. Der von Art.
19 Abs.
4 GG geforderten Rechtsweggarantie ist mit der Eröffnung des Erinnerungsverfahrens gemäß §
197 Abs.
2 SGG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ausreichend Rechnung getragen. Denn Art.
19 Abs.
4 GG gewährleistet keinen Instanzenzug (Sachs, in: ders.
GG, 6. Aufl., Art.
19 RdNr. 120 m.w.N.).
III. Über die beantragte Vorlage der verschiedenen gebührenrechtlichen Rechtsfragen an das BVerfG bedarf es keiner Entscheidung.
Wegen der Unzulässigkeit der Beschwerde fehlt es an ihrer Entscheidungserheblichkeit. Abgesehen davon bilden die aufgeworfenen
Rechtsfragen von vornherein keinen zulässigen Vorlagegegenstand im Sinne von Art.
100 Abs.
1 GG. Zulässiger Vorlagegegenstand können ausschließlich Parlamentsgesetze sein (statt aller Detterbeck, in: Sachs,
GG, 6. Aufl., Art.
100 RdNr. 7). Dies folgt neben dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung aus dem Zweck des objektiven Verfahrens der konkreten Normenkontrolle,
das nicht den Schutz subjektiver Rechtspositionen intendiert, sondern dem Schutz der Verfassung dient (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 07.06.1977 - 1 BvR 108/73 u.a. - BVerfGE 45, 63, 74).
IV. Über die von den Beschwerdeführern hilfsweise erhobenen Gegenvorstellungen hat das LSG, obwohl die Beschwerde keinen Erfolg
hat, nicht zu befinden. Adressat dieser (außerordentlichen) Rechtsbehelfe ist der "iudex a quo", also das SG.
V. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG). Die beantragte Zulassung einer Rechtsbeschwerde ist dem
SGG fremd.