Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung eines höheren Gründungszuschusses.
In der Zeit vom 12. Februar bis 31. Mai 2007 war der Kläger im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung im Bereich des Garten-
und Landschaftsbaus tätig. Seine Arbeitszeit umfasste monatlich 40 Stunden, sein Lohn belief sich auf 320,00 Euro monatlich.
Mit Bewilligungsbescheid vom 25. April 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. April 2007 in
Höhe von 38,69 Euro täglich bei einem Leistungssatz von 43,86 Euro täglich. Hierbei berücksichtigte sie Nebeneinkommen abzüglich
eines monatlichen Freibetrags in Höhe von 165,00 Euro.
Zum 1. Juni 2007 beendete der Kläger seine Nebentätigkeit und machte sich gleichzeitig in der Versicherungsvermittlung selbständig.
Mit Bescheid vom 13. August 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger den am 24. Mai 2007 beantragten Gründungszuschuss für
die Zeit vom 1. Juni 2007 bis 29. Februar 2008 in Höhe von 1.460,70 Euro. Hiergegen legte der Kläger am 15. August 2007 Widerspruch
ein. Er wies darauf hin, dass die Nebenbeschäftigung nicht mehr bestehe, weshalb er Anspruch auf 1.315,70 Euro zuzüglich 300,00
Euro habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Habe der Arbeitslose
unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit eine kurzzeitige Beschäftigung ständig ausgeübt und wurde das zuletzt
bezogene Alg wegen des daraus erzielten Arbeitsentgelt gemindert, sei das so verminderte Alg für die Berechnung des Gründungszuschusses
maßgebend; ausgenommen seien nur gelegentliche kurzzeitige Beschäftigungen. Der Kläger habe ab 12. Februar 2007 bis zur Aufnahme
der selbständigen Tätigkeit eine Nebenbeschäftigung ständig ausgeübt, weshalb eine gelegentliche Beschäftigung nicht vorgelegen
habe. Damit sei das verminderte Alg für die Berechnung des Gründungszuschusses maßgebend.
Hiergegen hat der Kläger am 2. Oktober 2007 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und vorgetragen, die Dienstanweisung entspreche nicht dem Sinn der Förderung des §
58 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III). Sinn der Regelung sei es, dass der Arbeitslose nicht schlechter gestellt werden soll als während des Bezugs von Alg. Daraus
sei auch die Dienstanweisung entstanden, dass eine kurzzeitige Beschäftigung bei der Berechnung des Gründungszuschusses nur
dann berücksichtigt werden soll, wenn sie ständig ausgeübt werde. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass kurzzeitige Beschäftigungen
dann auch neben der Existenzgründung ausgeübt werden könnten. Die selbständige Tätigkeit habe aber eine Nebenbeschäftigung
nicht zugelassen, weshalb diese auch zum 1. Juni 2007 beendet worden sei. Zudem habe der Arbeitsvermittler in Gesprächen mehrfach
gesagt, dass der Berechnung das nicht geminderte Alg zugrunde gelegt werde. Nur im Vertrauen auf diese Aussage habe der Kläger
die Nebentätigkeit nicht sofort beendet. Der Gründungszuschuss müsste damit monatlich 43,86 Euro x 30 = 1.315,70 Euro + 300,00
Euro betragen und vom 1. Juni 2007 bis 29. Februar 2008 als Zuschuss gewährt werden. Die Beklagte hat vorgetragen, der Gründungszuschuss
richte sich nach dem zuletzt bezogenen Alg. Wenn die Beklagte unbillige Entscheidungen dadurch vermeidet, dass sie gelegentliche
Nebeneinkünfte außer Betracht lasse, so sei dies bereits mehr als nach dem Wortlaut der Norm gewollt sein dürfte. Eine Zusage
des Arbeitsvermittlers sei nicht nachvollziehbar und zudem nur wirksam, wenn sie schriftlich vorliege. Mit Urteil vom 26.
Februar 2008 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. August 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September
2007 verpflichtet, dem Kläger Gründungszuschuss in Höhe von 1.615,70 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis 29.
Februar 2008 zu gewähren. Zwar sei grundsätzlich auf das zuletzt zuerkannte Alg abzustellen. Im vorliegenden Fall sei jedoch
eine Ausnahme zu machen, da der Gründungszuschuss auch eine Anreizfunktion besitze sich selbständig zu machen. Ein Arbeitnehmer,
der vorher eine Nebentätigkeit ausgeübt habe und diese wegen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit aufgebe, sei jedoch
finanziell schlechter gestellt als vorher. Hinzukomme, dass der Wortlaut des §
58 SGB III im Widerspruch zu §
57 SGB III stehe, der noch nicht einmal einen tatsächlichen Bezug von Alg voraussetze.
Gegen das der Beklagten am 3. April 2008 zugestellte Urteil hat sie am 30. April 2008 Berufung eingelegt und vorgetragen,
§
58 SGB III regle die Höhe des Zuschusses. Nach dem Wortlaut wird der Gründungszuschuss in Höhe des Betrages geleistet, den der Arbeitnehmer
als Alg zuletzt bezogen hat. Der Umstand, dass ein Arbeitsloser zuletzt Alg in geminderter Höhe, nämlich unter Anrechnung
von Nebeneinkommen, bezogen hat, finde nach dem Wortlaut Berücksichtigung. Sinn und Zweck der Regelung sei auch nicht eine
Anreizfunktion, sich selbständig zu machen, sondern den Lebensunterhalt des Arbeitslosen zu sichern.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Februar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sinn und Zweck des Gründungszuschusses sei sehr wohl ein Anreiz, sich selbständig zu machen. Die Aufnahme einer selbständigen
Erwerbstätigkeit trage zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei. Die Förderung von Existenzgründung aus Arbeitslosigkeit stelle
ein wirksames Instrument aktiver Arbeitsmarktpolitik dar. Wenn der Gründungszuschuss niedriger als das zuletzt bezogene Alg
einschließlich Nebeneinkommen sei, sinke die Bereitschaft sich selbständig zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider
Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger einen Gründungszuschuss in Höhe von 1.615,70 Euro monatlich zu gewähren.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; ihm steht lediglich ein Gründungszuschuss
in Höhe von 1.460,70 Euro pro Monat vom 1. Juni 2007 bis 29. Februar 2008 zu.
Der Gründungszuschuss wird gemäß §
58 SGB III in der mit Wirkung zum 1. August 2006 neu eingeführten Fassung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für
Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706) für die Dauer von 9 Monaten in Höhe des Betrages geleistet, den der Arbeitsnehmer als Alg zuletzt bezogen hat, zuzüglich
von monatlich 300,00 Euro. Der Kläger hat zuletzt vor Beginn seiner selbständigen Tätigkeit am 1. Juni 2007 für den Monat
Mai 2007 1.160,70 Euro (30 x 38,69 Euro) als Alg erhalten. Zuzüglich des Pauschalbetrags von 300,00 Euro zur sozialen Absicherung
beläuft sich der Gründungszuschuss demnach auf 1.460,70 Euro.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berechnung des Gründungszuschusses nach dem Leistungssatz des Alg in Höhe von 43,86 Euro
täglich (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. April 2008, L 10 AL 360/07 - juris, Petzold in Hauck/Noftz, §
58 SGB 3 Rn. 5). Der Wortlaut des §
58 SGB III stellt vielmehr auf den tatsächlich bezogenen Betrag ab; auch in den Materialien zu §
58 SGB III heißt es, geförderte Personen erhielten einen Zuschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe ihres zuletzt bezogenen
Alg - und einen monatlichen Betrag in Höhe von 300,00 Euro zur sozialen Absicherung - (BT Drucks 16/1196 Seite 31 zu § 58).
Dem Gesetzgeber war auch der Unterschied zwischen dem Stammrecht und dem tatsächlichen Bezug von Alg bekannt. Vor diesem Hintergrund
kann die Auslegung nicht ohne weiteres dahingehen, anstelle des Bezuges von Alg einen fiktiven Anspruch auf Alg zum Maßstab
zu nehmen. Richtig ist, dass das zuletzt bezogene Alg dann nicht Anknüpfungspunkt sein kann, wenn Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Leistungen erhalten. Weil der tatsächliche Bezug von Alg keine Anspruchsvoraussetzung ist, kann es nötig sein, bei der Berechnung
der Förderhöhe nach §
58 Abs.
1 SGB III auf das fiktive Alg abzustellen. Für diesen Fall ist von einer Regelungslücke auszugehen. Der Kläger erfüllt jedoch den gesetzlich
geregelten Tatbestand, da er tatsächlich Alg bezogen hat. Entgegen dem eindeutigen, genau die Konstellation des Klägers erfassenden
Wortlaut des Gesetzes kann eine teleologische Reduktion nur vorgenommen werden, wenn die immanente Teleologie des Gesetzes
eine Einschränkung bedarf, das Gesetz einen anderen Sinn und Zweck verfolgt hatte (BSGE 45, 49, 56; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Seite 377, 391 ff.). Dies lässt sich anhand der Motive nicht
feststellen. Der Gesetzentwurf (BT-Drucksache 16/1410) enthielt noch nicht die Änderungen der §§
57,
58 SGB III. Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucksache 16/1696 Seite 31) lässt
sich nichts anderes ableiten, als dass das zuletzt bezogene Alg maßgeblich sein soll. Auch bedarf Sinn und Zweck des Gesetzes
keine Reduktion. Der unmittelbare Zweck ist die Sicherung des Lebensunterhaltes (s. BT-Drucksache 16/1696 Seite 31, s. zum
Überbrückungsgeld BSG, Urteil vom 1. Juni 2006, B 7 AL 34/05 R - juris) und die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 aaO.), was auch durch
die gesetzliche Regelung erreicht wird; ob eine andere Regelung diese Zwecke noch besser erreichen könnte, kann nicht Maßstab
für das Gericht sein. Hinzu kommt, dass die teleologische Reduktion normalerweise nur dazu führt, dass die gesetzliche Regelung
in einem Teilbereich unangewendet bleibt (Larenz, aaO.); hier würde aber §
58 SGB III insgesamt verändert werden. Auch die Überlegung, Arbeitslose würden von der Möglichkeit, ihre selbständige Tätigkeit vorher
im Rahmen einer Nebenbeschäftigung auszuprobieren, Abstand nehmen, rechtfertigt keine Abweichung vom Gesetz (so aber Link
in Eicher/Schlegel, §
58 SGB III Rdnr. 24, 26, und SGb 2007, 17, 22 f.). Soweit die Gegenauffassung (Link aaO) wiederum eine Gegenausnahme dann vornehmen möchte, wenn die Nebenbeschäftigung
auch noch nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit weiterhin ausgeübt wird, wird letztlich versucht, das Einkommen aus Nebenerwerb
und Sozialleistung vor und nach der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit konstant zu halten, was dem Gesetz nicht im Ansatz
entnommen werden kann; zudem würden die Entscheidungsgrundlagen verändert werden: anstatt des bekannten in der Vergangenheit
liegenden Bezuges von Alg müsste zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Beklagte eine Prognose darüber erfolgen, in welchem
Umfang und mit welchem Einkommen der Versicherte zukünftig einer Nebentätigkeit nachgeht und nachgehen kann, was sich vom
Gesetz weiter entfernt.
Der Kläger hat für die Leistungshöhe keine schriftliche Zusicherung (§ 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) erhalten. Er kann
sich auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen, da eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen, denen
gestaltende Entscheidungen des Klägers zugrunde liegen, nicht möglich ist (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 9. November 2007, L 16 AL 437/07 - juris). An dem Bezug von Nebeneinkommen vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit kann nichts mehr geändert werden mit
der Folge, dass die Minderung des Anspruchs auf Alg nicht geändert werden kann. Eine Beweisaufnahme über einen Beratungsfehler
musste somit unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.