Kein Anspruch auf Feststellung von Beiträgen zur Zusatzversorgung in der ehemaligen DDR bei Verlassen der DDR vor dem 30.6.1990
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte einen Feststellungsbescheid vom September 2000 abzuändern und höhere
Entgelte aufgrund zusätzlicher Berücksichtigung von Jahresendprämien festzustellen hat.
Der 1947 geborene Kläger war im Gebiet der ehemaligen DDR wohnhaft; er erlernte nach seinen Angaben zunächst den Beruf eines
Elektromontageschlossers und absolvierte dann ein Studium zum Dipl.-Ing. für Maschinenbau. Nach dem vom Kläger vorgelegten
Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung war der Kläger bis in den April 1984 als Dipl.-Ing. im VEB Rationalisierung D. tätig
gewesen. Am 14.04.1984 reiste der Kläger in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - nach damaligem Gebietsstand - ein.
Im Rahmen seines späteren Rentenantrags gab er an, dass er im Jahr 1984 aus der DDR infolge Übersiedelung ausgereist sei.
Die Beklagte stellte mit einem Feststellungsbescheid vom 26.09.2000 beim Kläger hinsichtlich seines Arbeitsentgeltes das Vorliegen
von Beiträgen in der Zusatzversorgung in der ehemaligen DDR fest, die nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen seien. Danach wurden in der zusätzlichen Altersversorgung der
technischen Intelligenz folgende Zeiträume und Entgelte als nachgewiesen angesehen: Zeitraum erzieltes zu berück- maßg. davon
von bis Arb.-EG sichtigen Anl. Soz.-Pfl. FZR Versorg.
18.09. - 31.12.72
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2.841,28
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2.841,28
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2.086,00
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755,28
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01.01. - 31.12.73
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9.595,41
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9.595,41
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6.836,10
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2.759,31
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01.01. - 31.12.74
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9.479,54
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9.479,54
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6.688,00
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2.791,54
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01.01. - 31.12.75
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10.306,80
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10.306,80
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7.063,60
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3.243,20
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01.01. - 31.12.76
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10.123,99
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10.123,99
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6.750,00
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3.373,99
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01.01. - 31.12.77
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11.540,00
|
11.540,00
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7.170,00
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4.370,00
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01.01. - 31.12.78
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12.971,60
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12.971,60
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7.050,00
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5.895,00
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26,60
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01.01. - 31.12.79
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14.439,00
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14.439,00
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7.200,00
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7.239,00
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01.01. - 31.12.80
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14.439,00
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14.439,00
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7.200,00
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7.239,00
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01.01. - 31.01.81
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1.203,25
|
1.203,25
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355,00
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848,25
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01.02. - 31.12.81
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13.805,00
|
13.805,00
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6.166,20
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7.638,80
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01.01. - 31.12.82
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15.060,00
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15.060,00
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6.971,80
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8.088,20
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01.01. - 31.12.83
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13.261,17
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13.261,17
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6.399,40
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6.861,77
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01.01. - 13.04.84
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2.802,83
|
2.802,83
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1.308,50
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1.494,33
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Der Bescheid wurde im Folgenden nicht angefochten und damit bestandskräftig.
Mit einem auf den 03.09.2007 datierten Schreiben, das am 07.09.2007 per Telefax bei der Beklagten einging, beantragte der
Kläger die Anerkennung seiner in der Zeit von 1966 bis 1985 erhaltenen Jahresendprämien und die Berücksichtigung bei der Erwerbsminderungsrente
und der Altersrente. Er verwies hierzu auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.08.2007 (Az: B 4 RS 4/06 - s. [...]).
Die Beklagte lehnte den Antrag, höhere Entgelte festzustellen, mit Bescheid vom 03.07.2008 ab, da ein solcher Anspruch nicht
bestehe. Die Zeit vom 18.09.1972 bis 13.04.1984 sei zwar im Jahr 2000 als Pflichtbeitragszeit nach dem AAÜG festgestellt worden. Die durch den aktuellen Antrag veranlasste erneute sachliche Prüfung des Feststellungsbescheides habe
aber ergeben, dass dieser rechtswidrig sei: Dabei seien nicht etwa zu geringe Entgelte zu Grunde gelegt worden, sondern es
sei vielmehr die Zuerkennung von Zusatzversorgungszeiten insgesamt von Anfang an fehlerhaft vorgenommen worden. Pflichtbeitragszeiten
nach dem AAÜG seien zu Unrecht anerkannt worden, weil das AAÜG im Fall des Klägers gar nicht anzuwenden sei. Zunächst enthalte der Bescheid vom 26.09.2000 schon nicht die erforderliche
eindeutige Entscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG, wie es vom BSG im Urteil vom 09.04.2002 für erforderlich angesehen worden sei (Az. B 4 RA 31/02 R). Das wäre an sich zwar nachholbar, doch könne im Fall des Klägers materiell-rechtlich gerade keine Anwendung des AAÜG bestätigt werden.
§ 1 Abs 1a AAÜG setze eine Versorgungsanwartschaft am 01.08.1991 aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage voraus. Der Kläger habe jedoch
zu diesem Stichtag keine Versorgungsanwartschaft gehabt. Er sei weder am 30.06.1990 in der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen
gewesen, noch habe er eine solche Einbeziehung nachträglich durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Art 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt, noch habe er aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage im Juli 1991 einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage
gehabt. Am 30.06.1990 - als maßgeblichem Stichtag - hätten drei Voraussetzungen - nämlich eine persönliche, eine sachliche
und eine betriebliche - gleichzeitig erfüllt sein müssen. Das System sei eingerichtet für Personen, die - erstens - berechtigt
gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, und - zweitens - die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt
hätten und zwar - drittens - in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb. Im Fall des Klägers sei
die als dritte genannte betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt. Er sei am 30.06.1990 nicht mehr im Beitrittsgebiet beschäftigt
gewesen. Somit komme eine nachträgliche Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nicht in Betracht. Der Bescheid vom 26.09.2000
sei insoweit fehlerhaft begünstigend und rechtswidrig.
Eine teilweise oder vollständige Rücknahme des Feststellungsbescheides sei jedoch nicht zulässig, weil die für die Rücknahme
von rechtswidrigen Bescheiden vorgeschriebene Frist des § 45 Abs 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) - Ablauf von 2 Jahren nach Bekanntgabe des ursprünglichen Bescheides - bereits abgelaufen sei. Die Bestandskraft des Bescheides
vom 26.09.2000 erstrecke sich jedoch nur auf die bereits festgestellten Tatsachen. Weitere Rechte könnten im Zuge eines Überprüfungsverfahrens
nach § 44 SGB X nicht abgeleitet werden, denn für die Anerkennung höherer Entgelte sowie weiterer Zeiten sei eben keine Rechtsgrundlage vorhanden.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 09.07.2008 Widerspruch ein. Im Weiteren führte er aus, dass er aus dem Zusatzrentensystem
Freiwillige Zusatzrente (FZR) wegen seines ersten Ausreiseantrages ausgeschlossen worden sei. Die Rehabilitierungsbehörde
in B-Stadt, die für die Aufarbeitung des politischen Unrechts in der DDR zuständig sei, fühle sich nicht zuständig, da für
den Kläger mit dem Ausschluss aus der FZR direkt keine Verfolgung verbunden gewesen sei. Der Kläger trug vor, die ihm zuerkannte
Intelligenzrente habe in etwa der Höhe der Rente der FZR entsprochen. Es sei zu berücksichtigen, dass er nun finanzielle Nachteile
erleide.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2009 zurück. Der Überprüfungsbescheid, in dem festgestellt
worden sei, dass die Zuordnung von Zeiten nach dem AAÜG im Fall des Klägers nicht rechtmäßig gewesen sei, jedoch für den bisher getroffenen Feststellungsumfang nicht mehr geändert
werden könne, sei nicht zu beanstanden.
Hiergegen hat der Kläger mit einem undatierten Schreiben am 04.05.2009 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Er hat erneut
vorgetragen, dass er seit dem 01.01.1975 beim Baukombinat D. in seinem Beruf als Dipl.-Ing. für Maschinenbau gearbeitet habe
und als Folge seines ersten Ausreiseantrages in die Bundesrepublik Deutschland massiv unter Druck gesetzt worden sei. Ihm
sei u.a. die Versicherung im Rahmen der FZR ab 31.12.1979 gekündigt worden. Die unrechtmäßige Kündigung sei ein reiner Willkürakt
des Regimes der DDR gewesen, der von der Deutschen Rentenversicherung nie als solcher anerkannt worden und nicht berücksichtigt
worden sei. Die Rehabilitierungsbehörde B-Stadt habe ihn aber bezüglich finanzieller Schäden, die sich mindernd auf die Rente
ausgewirkt hätten und durch Unrechtsentscheidungen des DDR-Regimes entstanden seien, an die Deutsche Rentenversicherung Bund
weiter verwiesen.
Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung vom 20.05.2009 weiter betont, dass - wie in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt
- die Voraussetzungen für die Feststellung von Zeiten nach dem AAÜG im Fall des Klägers nicht zu bejahen gewesen seien.
Zur weiteren Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass der angefochtene Bescheid schon wegen fehlender Anhörung gemäß §
24 SGB X als formell rechtswidrig anzusehen sei. Die seitens der Beklagten erlassene Entscheidung könne nämlich zur Folge haben, dass
sich der Rentenanspruch des Klägers zukünftig verringere. Die Ablehnung sei aber auch materiell nicht richtig, weil die Beklagte
ihre Ablehnung vor allem darauf stütze, dass der Kläger zum Stichtag 30.06.1990 nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb
gearbeitet haben solle. Die Stichtagsregelung sei jedoch in mehreren Verfahren vor dem BSG anhängig, nachdem die Beklagte im Zuge von Überprüfungsverfahren nach vorangegangenen grundsätzlichen neuen BSG-Entscheidungen in etlichen vergleichbaren Fällen eine negative Entscheidung mit der Begründung erlassen habe, dass die Betroffenen
zum Zeitpunkt des Stichtages dem 30.06.1990 nicht mehr in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet hätten. Diese Betriebe hätten
nicht mehr über eigenes Betriebsvermögen verfügt, weil sie bereits vor dem Termin in Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften
überführt worden seien. Damit werde die Rechtsprechung des BSG zu erweiternden verfassungskonformen Ausdehnungen des § 1 Abs 1a AAÜG (vgl. Urteil des BSG vom 09.04.2002, Az. B 4 RA 31/01 R - zitiert nach [...]) konterkariert. Es spreche viel dafür, dass das BSG aufgrund der Vielzahl der anhängigen Verfahren die Stichtagsrechtsprechung aufgebe und darauf abstelle, ob jemand zuvor Anspruch
auf Versorgungszusage gehabt hätte. Wenn das BSG aber die Rechtsprechung zum Stichtag bei diesen Fällen aufgebe, so hätte dies zu Gunsten des Klägers zur Folge, dass auch
seine Zeiten zur Zugehörigkeit zu berücksichtigen seien, der Ausgangsbescheid der Beklagten also rechtmäßig ergangen sei.
Es erscheine daher ratsam, die Entscheidungen des BSG abzuwarten.
Das Sozialgericht Würzburg hat mit Urteil vom 08.12.2009 die Klage abgewiesen, wobei es als Beklagte die Deutsche Rentenversicherung
Bund aufgeführt hat. Mit Bescheid vom 26.09.2000 habe die Beklagte festgestellt, dass Pflichtbeitragszeiten vom 18.09.1972
bis 13.04.1984 nach dem AAÜG vorliegen würden. Der formale Mangel einer fehlenden Anhörung vor Erlass des Bescheides vom 03.07.2008 sei mit Durchführung
des Widerspruchsverfahrens geheilt. Die Kammer gehe nicht davon aus, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nach seiner Ausreise
aus der DDR am 14.04.1984 fortbestanden habe. Mit der Ausreise sei das Arbeitsverhältnis zumindest faktisch beendet worden.
Selbst wenn man - wie der Kläger - davon ausginge, dass das Arbeitsverhältnis mangels formeller Kündigung rechtlich fortbestanden
hätte, reiche ein solches ruhendes Arbeitsverhältnis nicht aus, um von einer tatsächlich ausgeübten Beschäftigung am 30.06.1990
ausgehen zu können. Die vom Kläger genannte Entscheidung des BSG vom 23.08.2007 sei auf ihn nicht anwendbar: Dort sei der Antragsteller bis 30.06.1990 bei einem volkseigenen Betrieb als
Ingenieur tatsächlich beschäftigt gewesen.
Mit Telefax vom 15.02.2010 hat der Kläger gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Er hat zunächst seine Argumentation aus
dem sozialgerichtlichen Verfahren wiederholt und zusätzlich detaillierter ausgeführt, dass die Rechtsprechung des BSG hinsichtlich des Stichtages vom 30.06.1990 nicht Bestand haben könne, da sämtliche volkseigenen Betriebe am 30.06.1990 lediglich
noch eine leere Hülle dargestellt hätten und in all diesen Fällen keine Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb mehr vorgelegen
hätte, sodass der Feststellungsanspruch regelmäßig ins Leere laufen würde. Zu diesem Rechtsproblem sei beim BSG eine Reihe von Revisionen anhängig. Wenn das BSG bei diesen Fällen die Rechtsprechung zum Stichtag aufgeben würde, hätte dies zu Gunsten des Klägers zur Folge, dass dann
auch seine Zeiten nach dem AAÜG zu berücksichtigen seien und der Ausgangsbescheid der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche
Rentenversicherung Bund) rechtmäßig ergangen gewesen sei. Zwischenzeitlich sind diese Revisionsverfahren abgeschlossen.
Der Kläger hat weiter geltend gemacht, dass er im Übrigen wegen seines Ausreiseantrags benachteiligt worden sei und bei Anwendung
der Stichtagsregelung doppelt bestraft würde. Zudem sei der Kläger davon ausgegangen, dass sein Arbeitsverhältnis im VEB Rationalisierung
D. zum 30.06.1990 noch bestanden habe, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt wirksam gekündigt worden sei. Zu berücksichtigen
seien auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 26.10.2005 (Az: 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05). Der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte 1973 sei in der DDR ratifiziert worden und am 23.03.1976
in Kraft getreten. Dieser internationale Pakt habe vorgesehen, dass es jedermann freistehe, jedes Land einschließlich seines
eigenen zu verlassen. Es sei damit nicht zu vereinbaren, dass der Kläger durch seine Ausreise seinen Anspruch auf Feststellung
zur Zugehörigkeit unter das AAÜG verlieren sollte.
Der Kläger hat schon seit längerem von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen und
befindet sich nunmehr im Altersrentenbezug. Bei der Rentenberechnung haben in erheblichem Umfang Zeiten des Klägers eine Rolle
gespielt, die er in der ehemaligen DDR zurückgelegt hatte und für die auch Beiträge zur Zusatzversorgung anerkannt worden
waren. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass er weiterhin die Rente ungeschmälert erhalte; ein Verfahren
bezüglich Änderung der Rentenhöhe laufe nicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2009 zu verpflichten, den Feststellungsbescheid vom 26.09.2000 abzuändern
und höhere Entgelte durch Einbeziehung von Jahresendprämien festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2009 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Verfahrenszüge und der beigezogenen Akte der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine
Feststellung höherer Jahresverdienste bzw. höherer Beiträge zur Zusatzversorgung in der Vergangenheit hat.
Die Berufung ist gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund - Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme - gerichtet.
So tritt die Beklagte auch in ihren Schriftsätzen und Verwaltungsakten auf. Das erstinstanzliche Urteil benennt als Beklagte
die Deutsche Rentenversicherung Bund (ohne nähere Spezifizierung) und weicht auch hinsichtlich der Anschrift von der von der
Beklagten verwendeten Adresse ab. Gleichwohl ist die Zulässigkeit des Verfahrens hiervon nicht berührt, da in der ersten Instanz
inhaltlich eine Entscheidung des Versorgungsträgers für die Zusatzversorgungssysteme gerichtlich überprüft worden ist und
dies auch in der Tenorierung deutlich geworden ist.
Ein paralleles Verfahren unmittelbar zur Abänderung der vom Kläger bezogenen Rente ist nicht anhängig, wie die Beteiligten
in der mündlichen Verhandlung dargestellt haben. Eine Beiladung des Rentenversicherungsträgers ist daher nicht notwendig (§
75 Abs.
2 SGG).
Der Überprüfungsantrag des Klägers erfolgt im Rahmen der Vorschrift des § 44 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen,
soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden
sind (Abs. 1). Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden
ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen; er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden
(Abs. 2). Der hier betroffene Feststellungsbescheid der Beklagten regelt zwar nicht unmittelbar die Gewährung von Sozialleistungen,
führt aber dazu, dass die Höhe der vom Rentenversicherungsträger zu gewährenden Sozialleistungen dadurch terminiert wird.
Insofern spricht dies dafür, dass die Vorschrift des §§ 44 Abs. 1 SGB X insoweit Ausgangspunkt für den Überprüfungsantrag des Klägers ist. Normzweck der Vorschrift ist die weitgehende Verwirklichung
der materiellen Gerechtigkeit zugunsten des Bürgers (so Steinwedel in: Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 44 SGB X, Rn 2).
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass in dem zu überprüfenden Feststellungsbescheid vom 26.09.2000 die Beklagte zusätzlich
Zahlungen zum Jahresende, sogenannte Jahresendprämien, in der Zusatzversorgung dem zu berücksichtigenden Gehalt hinzuzurechnen
hat, was in anderen Fällen durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zwischenzeitlich grundsätzlich als erforderlich
angesehen wird (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2007, Az. B 4 RS 4/06 - zitiert nach [...]).
Die Beklagte hat die materielle Rechtslage des Feststellungsbescheids insgesamt und nicht nur den vom Kläger geltend gemachten
Teilaspekt zu überprüfen gehabt, weil nur die Herstellung einer vollständigen materiellen Rechtmäßigkeit die Durchbrechung
der Bestandskraft eines Bescheids rechtfertigt. Dabei ist die Beklagte zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass der Kläger keinen
Anspruch auf die Anwendung des AAÜG auf von ihm in der ehemaligen DDR erzieltes Einkommen gehabt hat.
§ 1 AAÜG bestimmt den Geltungsbereich dieses Gesetzes: Das Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit
zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Das AAÜG ist zum 01.08.1991 in Kraft getreten und regelt die Überführung der genannten Ansprüche und Anwartschaften in das allgemeine
System der deutschen Rentenversicherung.
Der Kläger hat zum Inkrafttreten des AAÜG (August 1991) unstrittig keinen unmittelbaren Anspruch aus der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz
gehabt, nachdem von ihm seinerzeit überhaupt noch keine rentenrechtlichen Leistungen bezogen worden sind.
Die Beklagte geht zutreffend außerdem davon aus, dass der Kläger seinerzeit auch keine Anwartschaft auf Rentenleistungen aus
dem zusätzlichen Versorgungssystem der technischen Intelligenz gehabt hat. Als Anwartschaftsberechtigte werden nach der Rechtsprechung
des BSG (Urt. v. 09.04.2002, Az. B 4 RA 36/01 R - zitiert nach [...]) Personen benannt, die am 30.06.1990 - als maßgeblichem Stichtag - in der ehemaligen DDR in ein vom
AAÜG erfassbares Versorgungssystem einbezogen gewesen waren. Zusätzlich gehören dazu auch Personen, die diese Rechtsstellung durch
Rehabilitierung oder eine Entscheidung nach Art. 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt haben oder im Juli 1991 einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (fiktive Einbeziehung).
Beim Kläger liegt eindeutig kein abgeschlossener Vorgang der Rehabilitierung oder einer Entscheidung nach dem Einigungsvertrag vor. Ebenso ist die Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für den Kläger am Stichtag
nicht dokumentiert. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht Mitglied und Beitragszahler zum Sozialversicherungssystem der
ehemaligen DDR; er hielt sich zu dieser Zeit noch nicht einmal mehr regelmäßig, durchgängig im Beitrittsgebiet auf.
Der Kläger hat auch nicht die von der Rechtsprechung des BSG entwickelten persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung (vgl. Ulmer in: SGb
2008, 643 mit umfangreichen Rechtsprechungsbelegen) vollumfänglich, d.h. gleichzeitig, kumulativ und aufeinander bezogen, erfüllt gehabt.
Zwar hatte der Kläger zum Stichtag einen Abschluss als Diplom-Ingenieur aufzuweisen und diesen Beruf seinerzeit auch ausgeübt;
zumindest ist nicht bekannt, dass es an der tatsächlichen Ausübung gefehlt hätte. Der Kläger war aber nicht in einem volkseigenen
oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb, sondern außerhalb des Beitrittsgebietes beschäftigt. Der Senat folgt den
erstinstanzlichen Darlegungen wonach das Beschäftigungsverhältnis im VEB Rationalisierung D. jedenfalls faktisch beendet gewesen
ist, nachdem der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war und sich damit außerhalb des späteren Beitrittsgebietes
aufgehalten hatte.
Aber selbst wenn man der Argumentation der Klägerseite folgen wollte und von einem Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses
ausgehen wollte, fehlt es an der notwendigen Verknüpfung. Es reicht nicht aus, dass tatsächlich irgendwo als Ingenieur gearbeitet
wurde und auf dem Papier noch eine Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb fortbestanden haben mag. Erforderlich wäre
die tatsächliche Tätigkeit als Ingenieur mit Diplom in einem volkseigenen Produktionsbetrieb gewesen, die am Stichtag mit
Sicherheit nicht vorgelegen hatte.
Soweit die Klägerseite damit argumentiert, die Ergebnisse der aktuell beim BSG abgeschlossenen Revisionsverfahren wären mit seinem Fall nicht vergleichbar, mag dies zutreffen. Zu bedenken ist aber, dass
der Kläger selbst seinerzeit diese Verfahren als möglicherweise bedeutsam - als Grund für einen Ruhensantrag - benannt hatte,
weil er damit die Hoffnung verbunden hatte, dass die Rechtsprechung zur Stichtagsregelung insgesamt geändert werden würde,
was dann auch Auswirkungen auf seinen Fall gehabt hätte. Nun ist aber ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung nicht
erfolgt und die Stichtagsregelung besteht fort. Für eine grundsätzliche Ablehnung der Rechtsprechung zur Anwendung des AAÜG besteht damit jedenfalls weniger Raum als vorher und der Senat sieht keinen Anlass vom BSG abzuweichen.
Insgesamt hat es somit bei dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 26.09.2000 in der bisherigen Form und den darauf aufbauenden
Berechnungen der Erwerbsminderungsrente und der Altersrente des Klägers durch die Deutsche Rentenversicherung Bund zu verbleiben.
Denn ebenfalls zutreffend hat die Beklagte dargelegt, dass eine Abänderung zu Lasten des Klägers nur im Rahmen des § 45 SGB X erfolgen könnte und hier mangels Verschulden des Klägers Vertrauensschutz anzuerkennen wäre und somit eine Abänderung des
Feststellungsbescheids zum Nachteil des Klägers ausgeschlossen ist. Dies führt aber nicht etwa zu einer Vorgehensweise, wonach
- in Anbetracht des Vertrauensschutzes - auf der ersten Stufe die Anwendung des AAÜG feststehen würde und auf der zweiten Stufe darauf aufbauende Korrekturen vorzunehmen wären. Der Feststellungsbescheid lässt
sich zur Überzeugung des Senats nur als einheitliches Ergebnis behandeln, nämlich als eine Feststellung der Höhe des in die
allgemeine Rentenversicherung zu überführenden Verdienstes bzw. der darauf entrichteten Zusatzbeiträge.
Nicht zum Streitgegenstand gehört, ob der Kläger einen Rehabilitierungsanspruch im Bereich der Freiwilligen Zusatzrente hat
und wie dann ggf. ein Ausgleich zu erfolgen hätte.
Die erstinstanzliche Entscheidung ist somit in Ergebnis und dargelegten Gründen nicht zu beanstanden und die Berufung war
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.