Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Tod eines Waldarbeiters nach einer
Streptokokken-Infektion infolge eines Versicherungsfalls
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin (geb. 1950) Anspruch auf Sterbegeld, Rente im Sterbevierteljahr und Witwenrente
hat, weil ihr Ehemann infolge eines Versicherungsfalls gestorben ist.
Der 1942 geborene Ehemann der Klägerin, Franz A. (im Folgenden: F.P.), verstarb am.2008 um 04.10 Uhr infolge einer Sepsis.
2008 teilte der Sohn Florian A. jr. der Beklagten den Tod seines Vaters mit und gab an, sein Vater habe sich eine Woche vor
seinem Tod im Wald beim Ausmähen einen Kratzer am Genick geholt. Der Sohn hielt diesen Kratzer für die Ursache der Blutvergiftung.
F. P. war sogenannter Altenteiler und hatte mit Wirtschaftsüberlassungsvertrag vom 19.12.2005 sein land- und forstwirtschaftliches
Anwesen an seinen Sohn Franz A. jr. übergeben, dem das alleinige Nutzungsrecht am gesamten land- und forstwirtschaftlichen
Vermögen zustand. Der Verstorbene verrichtete im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Sohnes nach dessen Angaben je
nach körperlicher Verfassung am Feld und im Wald leichte körperliche Arbeiten.
Am ... und ...2008 schnitt F.P. allein im Wald mit einer Motorsense Bäume frei. Nach Angabe der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem SG war das Gesicht ihres Ehemanns bereits am Dienstag angeschwollen; trotzdem sei er wieder in den Wald gegangen. Dass er sich
bei den Waldarbeiten verletzt hätte, erwähnte er weder gegenüber seiner Ehefrau noch seinen Kindern.
Am ...2008 suchte F.P. wegen der Schwellung den Hausarzt Dr. E. auf. Nach dessen Bericht vom ...2008 fand sich eine ausgedehnte
Rötung im Gesicht, primär keine Schwellung, kein Fieber und kein Schüttelfrost. Eine Verletzung habe er zu diesem Zeitpunkt
nicht feststellen können; Verletzungen bei Waldarbeiten seien auch vom Patienten nicht angegeben worden. Dr. E. nahm primär
eine allergische Reaktion an. Dies habe sich als falsch herausgestellt; es habe sich um einen bakteriellen Hautinfekt gehandelt.
Es sei denkbar, dass sich der Verstorbenen bei Waldarbeiten eine Bagatellverletzung zugezogen habe, die er nicht für erwähnenswert
gehalten habe und die im weiteren Verlauf zu einer bakteriellen Weichteilinfektion geführt habe.
Am ... und ...2008 gab Dr. E., am ...2008 seine Kollegin dem Ehemann der Klägerin Infusionen. Nach weiterer Auskunft von Dr.
E. (Gesprächsvermerk vom ...2012) wurde Cortison verabreicht.
In der Nacht zum ...2008 wurde F.P. als Notfall in der chirurgischen Ambulanz der C. aufgenommen. Im Bericht des Krankenhauses
(KH) C-Stadt, unterzeichnet von dem Chefarzt , dem Oberarzt Dr. W. und dem Assistenzarzt Dr. Wi., vom ...2008 wurde berichtet,
dass sich F.P. am ...2008 in der Notfallambulanz vorgestellt habe, nachdem er seit einigen Tagen eine zunehmende Schwellung
links an Hals, Gesicht und der Stirn festgestellt hatte. Zusätzlich habe der Patient Fieber und Schüttelfrost gehabt; der
Allgemeinzustand sei reduziert gewesen. Bei der Aufnahme hätte sich eine Rötung und Induration sowie Schwellung vom linken
Ohr bis zur Halsbasis links und bis in den Nacken gezeigt sowie deutliche Druck- und Kopfschmerzen. Eine breite Antibiose
sei durchgeführt worden. Im CT des Schädels, des Halses und des Thoraxes hätten sich diffuse Auflockerungen, vor allem subcutan
gezeigt. Phlegmone oder Abszesshöhlen hätten nicht festgestellt werden können. Im weiteren Verlauf sei es zu einem Multiorganversagen
gekommen; der Patient sei am ...2008 um 4:10 Uhr verstorben. Als Diagnosen wurden ein schwerer septischer Schock mit Multiorganversagen
durch ß-hämolysierende Streptokokken, ein bekanntes Asthma bronchiale bei exogen allergischer Alveolitis (Lungenerkrankung),
arterielle Hypertonie und Exsikkose (Austrocknung) genannt.
In der von Franz A. jr. angeforderten Unfallanzeige wurde als Unfalltag der ...2008 und als Unfallort der Wald bei F. angegeben
und ausgeführt, dass sich der Verstorbene beim Ausmähen im Wald einen Kratzer im Genick zugezogen habe. In der Auskunft der
Krankenkasse des Verstorbenen über vorangegangene Behandlungen war u.a. eine Behandlung 1994 wegen exogen-allergischer Berufskrankheit
und eine Behandlung im Rahmen einer Notfallaufnahme vom ...2006 wegen Farmerlunge im KKH C-Stadt verzeichnet.
Der Beratungsarzt F. führte in seiner Stellungnahme vom 14.05.2008 aus, dass kein eindeutiger Zusammenhang zwischen einem
Unfallhergang und dem Tod zu erkennen sei, da weder Dr. E. als erstbehandelnder Arzt noch das Krankenhaus C-Stadt eine eindeutige
Primärverletzung im Bereich des Genickes erkennen konnten.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.05.2008 die Anerkennung des Ereignisses vom ...2008 mit Todesfolge am ...2008
als landwirtschaftlichen Arbeitsunfall und die Gewährung von Sterbegeld, Rente im Sterbevierteljahr und Witwenrente ab. Bei
ärztlicher Untersuchung am ...2008 seien keine Verletzungen festgestellt oder vom Patienten berichtet worden. Es könne nicht
mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bewiesen werde, ob tatsächlich ein Unfallereignis bei einer versicherten Tätigkeit
stattgefunden habe.
Mit Bescheid vom 05.06.2008 (erneut zugestellt am 5. März 2015) gewährte die Beklagte im Hinblick auf eine mit Bescheid vom
03.07.2007 anerkannte Berufskrankheit nach Nr. 4201 und mit Bescheid vom 27.08.2007 anerkannte Berufskrankheiten nach Nr.
4301 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) eine einmalige Hinterbliebenenbeihilfe, lehnte jedoch hieraus einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen ab. Dem Bescheid
lag eine Stellungnahme des Dr. S. vom 29.05.2008 zugrunde. Dieser führte u.a. aus, es sei gut möglich, dass die durch eine
Farmerlunge und ein zusätzliches Asthma vorgeschädigte Lunge eine Beatmung bzw. die Versorgung des Organismus mit Sauerstoff
in den letzten Lebensstunden von F.P. erschwert habe. Ob dieser Kortisontabletten in den Tagen vor seinem Tod weiter genommen
habe, nachdem er die Einleitung der gleichen Therapie Monate zuvor nach einer Reha-Maßnahme daheim nicht fortgeführt hatte,
sei nicht bekannt. Es sei jedoch rückwirkend nicht wahrscheinlich zu machen, dass der dramatische Verlauf der Infektion ohne
das Vorliegen der Berufskrankheit einen wesentlich anderen Verlauf genommen hätte. Die Beklagte gewährte jedoch eine einmalige
Hinterbliebenenbeihilfe in Höhe von 4.611,17 EUR. Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid ist ebensowenig aktenkundig wie die
Bekanntgabe dieses Bescheides im Jahre 2008.
Zur Begründung des am 19.06.2008 eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.05.2008 übersandte die Klägerbevollmächtigte
einen vom Assistenzarzt Dr. G. unterzeichneten undatierten Nachtrag zum Bericht vom 04.02.2008. Darin wurde ausgeführt, dass
sich bei stationärer Aufnahme am ...2008 im Nackenbereich und linksseitig am Hals mehrere, nicht mehr ganz frische, gerötete
Hautabschürfungen, "wie bereits im vorangegangenen Bericht erwähnt", befunden hätten. Diese Verletzungen habe sich der Patient
nach eigenen Angaben etwa zwei Tage zuvor beim Arbeiten im Wald zugezogen. Sie kämen als Eintrittspforte der bakteriellen
Sepsis, an der er verstarb, durchaus in Betracht.
Nach der Krankenhausakte war dieser Nachtrag mit Schreiben des Chefarztes Dr. K. und des Oberarztes Dr. W. vom 13.08.2008
an den Sohn des Versicherten übersandt worden. Zuvor hatte dieser mit Schreiben vom 06.06.2008 an Dr. K. ausgeführt, bei einem
Gespräch einige Zeit nach dem Tod seines Vaters habe der damalige Assistenzarzt Herr W. berichtet, dass sich am Hals (im Genick)
seines Vaters ein Kratzer befunden hätte und die Wahrscheinlichkeit relativ groß sei, dass dieser im Zusammenhang mit der
Blutvergiftung gestanden habe. Der Sohn gab an, dass sich sein Vater den Kratzer bei Waldarbeiten zugezogen habe, die Berufsgenossenschaft
aber die Anerkennung als Arbeitsunfall abgelehnt habe. Daher werde gebeten, die Unterlagen nochmals zu prüfen, ob der Kratzer
erwähnt sei und ggf. Herrn W. dazu zu befragen. Laut Telefonvermerk vom 06.06.2008 hatte der Sohn mitgeteilt, dass er die
Sepsis als Folge eines Kratzers am Hals anerkannt sehen wolle, wegen einer BG-Rente für die Ehefrau des Patienten.
Der Assistenzarzt W. führte mit Schreiben vom 24.07.2008 an Dr. W. (Oberarzt) aus, dass er sich an das Gespräch mit Herrn
A. jr. noch erinnern könne. Seine Aussage habe allerdings gelautet, dass sich eine Sepsis durch einen "Kratzer" im Nacken
entwickeln könne. Zum Zeitpunkt der Übernahme des Patienten in seine Schicht habe er keine direkte Läsion mehr feststellen
können, da der Krankheitsverlauf bereits weit fortgeschritten gewesen sei. Über einen möglichen "Kratzer" im Nackenbereich
sei ihm lediglich anamnestisch berichtet worden; er könne sich nicht mehr erinnern, von wem (Kollege oder Angehörigen).
Die Beklagte zog den Aufnahmebefund bei, den die Chirurgin Dr. D. gefertigt hatte. Darin wurde eine Schwellung der linken
Halsseite mit Verdacht auf Infekt und Exsikkose nach tagelangem Fieber und Arbeit sowie ein Asthma bronchiale und Bluthochdruck
genannt. Der Patient habe in den letzten Tagen im Wald bzw. an Bäumen gearbeitet und geschnitten. Seit vorgestern würde eine
Schwellung an der Stirn/Gesicht, jetzt der linken Halsseite und Nacken bestehen. Eine Erkältung vor einer Woche wurde genannt.
Als Befund wurde eine Rötung, Induration und eine Schwellung vom linken Ohr bis zur Halsbasis und im Nacken beschrieben. Mit
Fragezeichen wurde eine Allergie versehen, eine exogen allergische Alveolotis ist genannt.
Da im Aufnahmebefund keine Kratz- oder Schürfverletzungen im Bereich des Nackens wie der linke Halsseite berichtet wurden,
hielt der Beratungsarzt F. den Widerspruch medizinisch nicht für begründet. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 wies die
Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung der am 19.12.2008 beim Sozialgericht München erhobenen Klage hat die Klägerbevollmächtigte ausgeführt, dass
der Versicherte selbst bei Aufnahme im Krankenhaus angegeben habe, dass er sich bei Waldarbeiten als versicherte Tätigkeit
im Nackenbereich Hautabschürfungen zugezogen habe. Die einzige in Frage kommende Eintrittsstelle einer bakteriellen Sepsis
habe im Nackenbereich bestanden. Mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei die Verletzung im Nackenbereich Ursache
der Blutvergiftung und damit Ursache des Versterbens.
Das Sozialgericht hat die Krankenakte des Krankenhauses C-Stadt beigezogen. Darin wird in der Patientenkurve um 8.00 Uhr als
Eintrag von Chefarzt Dr. L. eine seit zwei bis drei Tagen zunehmende Schwellung vermerkt, Eintrittspforten und Verletzungen
wurden verneint. Nach CT-Untersuchung wurden Phlegmone oder ein Abszess verneint und eine breitabdeckende Antibiose eingeleitet.
Im Pflegebericht werden (ohne ersichtliches Datum) Hautdefekte am Hals angegeben.
In einem Arztbrief von Dr. D. vom 14.08.2008 wurden die Angaben des Aufnahmeberichtes bestätigt und ausgeführt, dass es sich
klinisch um einen Hautinfekt zu handeln schien und deshalb unter anderem nach möglichen Eintrittspforten gefahndet worden
sei. Der Patient habe angegeben, in den letzten Tagen vor der stationären Aufnahme Waldarbeit betrieben zu haben, bei der
oberflächliche Verletzungen durchaus leicht möglich seien. Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme hätten jedoch eindeutige
Hautläsionen nicht mehr festgestellt werden können. Die Haut sei durch massive Schwellung Induration und tiefrote Verfärbung
nur schwer beurteilbar gewesen. Hinweise für weitere Infektquellen, insbesondere im Nasen-Rachen-Raum und Ohren, hätten sich
nicht gefunden.
Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 13.11.2009 mit Angaben der Klägerin und der Zeugeneinvernahme
von Dr. G. und Florian A. jr. wird Bezug genommen. Herr A. hat als Zeuge ausgesagt, dass ihm Herr W. beim Abholen der Sachen
seines Vaters aus dem Krankenhaus gesagt habe, dass er am Hals oder Genick Kratzer gesehen hätte. Über die schriftliche Stellungnahme
von Herrn W. vom 24.07.2008 wundere er sich. Der Zeuge Dr. G. hat ausgeführt, dass er den Verstorbenen auf der Intensivstation
betreut habe. Von ihm stamme der Eintrag in der Patientenkurve, der mit "ZVK-Anlage rechte Leiste" beginnt. Seinen Dienst
habe er ca. um 7.00 / 7.30 Uhr morgens begonnen. Es habe eine Rötung vom linken Ohr bis zur Schulter bestanden. Dr. G. hat
angegeben, dass er im Nackenbereich mehrere strichförmige, einige Zentimeter lange, bereits verkrustete Hautabschürfungen
gesehen habe. Sie seien bei genauerem Hinsehen feststellbar gewesen. Beim Legen des Infusionszugangs, der in der Regel am
Hals, aber nicht im Entzündungsbereich gelegt werde, habe er sich routinemäßig auch den Hals näher angesehen. Er habe den
Kläger gefragt, wo er sich die Kratzer zugezogen habe. Dieser habe gesagt, es sei vor einigen Tagen bei Waldarbeiten geschehen.
Bei einer derartigen Infektion schwelle das Gewebe von der Eintrittspforte her an, wie es beim Verstorbenen der Fall gewesen
sei. Eigentlich hätte er diese Feststellung dokumentieren müssen. Er habe aber mit dem Chefarzt und Dr. Wi. darüber gesprochen.
Er habe den zu allergischen Reaktionen neigenden Verstorbenen von einer früheren Behandlung gekannt. Es sei möglich, dass
der Beginn der Erkrankung im Bereich der Augen und des Gesichtes tatsächlich eine allergische Reaktion gewesen sei. Angesichts
der Vormedikation mit einem das Immunsystem schwächenden Cortisonpräparat und des Alters des Patienten könne sich eine derartige
Entzündung auch in diesem zeitlichen Rahmen entwickeln.
Das SG hat mit Urteil vom 13.11.2009 die Klage abgewiesen. Es sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen, dass sich
der Kläger am ... oder ...2008 bei der Waldarbeit Kratzverletzungen am Hals zugezogen habe, die Eintrittspforten für die nachfolgende
zum Tode führende Infektion waren. Ein Unfallereignis sei nicht geschildert worden. Beim Freischneiden von Jungbäumen mit
einer Motorsense sei nicht ohne Weiteres ein Hergang vorstellbar, der zu Kratzverletzungen im Nackenbereich führe. Trotz zunehmender
Schmerzen habe der Verstorbene weder gegenüber seinen Angehörigen noch gegenüber Dr. E. eine Unfallverletzung angegeben. Die
Kammer ist davon ausgegangen, dass am ...2008 keine Hautveränderungen im Hals- / Nackenbereich vorlagen, da bis zu diesem
Zeitpunkt keine beschrieben seien. Diese wären von den Angehörigen und erst recht von Dr. E. festgestellt worden. Es fehlten
gesicherte Erkenntnisse über Unfallverletzungen. Dr. D. habe keine eindeutigen Hautläsionen feststellen können, in der Patientenkurve
seien vom weiterbehandelnden Arzt Eintrittspforten bzw. Verletzungen verneint worden und der Assistenzarzt W. habe bei Schichtübernahme
keine Verletzungen feststellen können. Nur im Pflegebericht seien nicht näher beschriebenen Hautdefekte am Hals vermerkt und
die Behandlung mit Rivanol an der linken Halsseite und am Oberkörper. Erst in dem auf Nachfrage des Sohnes des Verstorbenen,
aus der Erinnerung gefertigten, undatierten Nachtrag des Zeugen Dr. G. seien nicht mehr ganz frische gerötete Hautabschürfungen
beschrieben. Dieser Befund weiche deutlich von dem Dr. A. ab, wonach die Haut durch massive Schwellung. Induration und tiefrote
Verfärbung nur schwer beurteilbar gewesen sei. Das Unfallereignis, die Unfallverletzung und der Gesundheitserstschaden müssten
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Aus der Sepsis könne nicht rückblickend mit der erforderlichen
Gewissheit auf eine Hautverletzung als bakterielle Eintrittspforte rückgeschlossen werden, zumal keine Obduktion erfolgt sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.01.2010 Berufung eingelegt und sich insbesondere auf die Aussage von Dr. G. gestützt.
Die Beklagte hat u.a. entgegnet, dass nicht bewiesen sei, dass es zu den mutmaßlichen Verletzungen auch tatsächlich am ...
oder ... 2008 gekommen sei. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich der Verstorbene solche Kratzer bei Lagerung auf dem Krankenbett
zugezogen habe. Gegen die Behauptungen von Dr. G. spräche, dass der Durchgangsarzt nicht tätig geworden sei. Es verwundere,
dass der undatierte Nachtrag von Dr. G. nicht zusätzlich von den leitenden Ärzten unterzeichnet worden sei.
In nichtöffentlicher Sitzung vom 07.12.2011 sind Dr. G. und Herr Florian A. jr. als Zeugen vernommen worden.
Dr. G. hat (unvereidigt) ausgesagt, dass er nicht bei der orientierenden körperlichen Untersuchung Kratzer am Hals des Verstorbenen
bemerkt habe, sondern erst, als er den Zugang legen wollte, weil dies üblicherweise am Hals erfolge und dieser Bereich stark
geschwollen, entzündet, gerötet und verhärtet gewesen sei. Auf seine Frage an den Patienten, was er denn da gemacht habe bzw.
was er die letzten Tage überhaupt so gemacht habe, habe dieser angegeben, er habe Holzarbeiten verrichtet und dass die Verletzung
von einem Stück Holz stamme. Genauere Angaben hierzu, z.B. Schilderungen des Verstorbenen über den Ablauf, hat Dr. G. nicht
mehr machen können.
Es habe sich um zwei bis drei Kratzer gehandelt, die etwa ein bis drei Zentimeter lang und nicht eitrig waren. Dr. G. hat
die Kratzer als oberflächlich beschrieben, wobei die Hautoberfläche etwas aufgeritzt gewesen sei. Dass die Kratzer am Hals
durch das Kratzen von Fingernägeln entstanden sind, hielt er für unwahrscheinlich, weil nicht nur die oberste Hautschicht
verletzt worden sei, sondern die Kratzer tiefer gewesen seien. Auch eine entsprechende Verletzung beim Umlagern hielt Dr.
G. nicht für wahrscheinlich. Die Kratzer seien nicht röter gewesen als die umliegenden geröteten Areale; sie seien nicht durch
Verfärbung, sondern durch Unterbrechung der Hautoberfläche sichtbar gewesen. Insgesamt sei die Verletzung schwer zu sehen
gewesen. Dr. G. hat ferner angegeben, dass im CT keine Abszesse als mögliche Infektionsherde gefunden worden seien. Die Ursache
der Sepsis habe sich im Entzündungsbereich befinden müssen. Eine Sepsis könne sich auch innerhalb von zwei bis drei Tagen
entwickeln, insbesondere wenn ein immunsuppressives Medikament eingenommen werde. Der Kläger sei mit einem solchen Medikament
behandelt worden, nämlich Prednisolon (ein Cortisonpräparat).
Hierzu, zu der Aussage des Zeugen Florian A. jr. sowie zu den Angaben der Klägerin wird auf die Niederschrift verwiesen. Die
Beklagte hat die Zeugeneinvernahme von Dr. K., Dr. W., Herrn W., Dr. L. und Dr. D. beantragt und ein Schreiben von Dr. K.
vom 27.12.2011 übersandt.
Dr. K. hat auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass es unüblich sei, einer Krankenakte nachträglich zeitlich undatierte
und nur von einem Assistenzarzt unterschriebene Dokumente hinzuzufügen. Auf Befragung von Dr. G. habe dieser ihm geschildert,
dass er viele Wochen später auf externe Anfrage den Zusatz für die Krankenakte angefertigt habe, der laut Computersystem am
04.08.2008 erstellt worden sei. Dr. G. und den mitbehandelnden Kollegen sei zum Zeitpunkt der Behandlung nicht bewusst gewesen,
dass es sich bei den Hautabschürfungen auch um versicherungsrelevante Feststellungen handeln könnte. Im Vordergrund habe damals
sicher die Behandlung des Patienten gestanden.
Laut Auskunft von Dr. E. vom 25.01.2012 hatte der Verstorbene am ...2008 eine Rötung im Gesicht, keine Schwellung. Er sei
von einer allergischen Reaktion ausgegangen. Er habe keine Verletzungen bemerkt. Er halte es aber nicht für ausgeschlossen,
dass sich am Hals bzw. Nacken Bagatellverletzungen befunden hätten.
Der Rechtsstreit ist in der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012, in der sich die Klägerin zu dem damaligen Geschehen geäußert
hat, durch Beschluss vertagt worden. In Ergänzung hierzu hat die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung des Sohnes Franz
A. jr. vom 19.07.2012 vorgelegt.
Der Senat hat ein Gutachten der Internistin und Fachärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. F. nach Aktenlage vom 16.07.2014
eingeholt. Der Tod des Versicherten sei durch eine Sepsis/Blutvergiftung mit beta-hämolysierenden Streptokokken A, einhergehend
mit Multiorganversagen, verursachte worden. Die Hautinfektion sei erstmals am ...2008 festgestellt worden. Der Tod sei mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Sepsis verursacht worden. Allerdings seien die Vorerkrankungen - die anerkannten
Berufskrankheiten gemäß Nrn. 4201 und 4301 der Anlage zur
BKV - nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung eine annähernd gleichwertige Bedeutung für den Todeseintritt, sowohl
direkt durch die Erkrankungen als auch durch die Therapiemaßnahmen, insbesondere die hochdosierte Kortisontherapie seit 12.02.2008.
Der Verabreichung von Kortison durch Dr. E. am ...2008 unter der fälschlichen Annahme einer allergischen Reaktion komme nur
eine untergeordnete Bedeutung zu. Entscheidend für die Entwicklung der Hautinfektion und deren schwergradigen Verlauf sei
die hochdosierte Kortisontherapie wegen der anerkannten Berufskrankheit, der Farmerlunge seit 12.02.2008, und die bereits
vor dem Unfallereignis bestehende schwergradige sauerstoffpflichtige respiratorische Partialinsuffizienz bei vorbeschriebener
kombinierter restriktiver und obstruktiver Ventilationsstörung.
Nach Ansicht der Beklagten ergibt sich aus diesem Gutachten nicht zwingend, dass eine unfallbedingte Schädigung Ursache des
Todes gewesen sei. Da die Sachverständige von einer wesentlichen Mitverursachung durch die anerkannte Berufskrankheit im Sinne
der Entwicklung einer phlegmonösen Entzündung am Hals/Nacken ausgehe, hat sich die Beklagte bereit erklärt, dieses neue Beweismittel
im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens betreffend den Bescheid vom 5. Juni 2008, mit dem sie einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen
bindend abgelehnt hatte und der Klägerin eine einmalige Hinterbliebenenbeihilfe gewährt hatte, zu würdigen. Zuletzt hat die
Beklagte mit Schriftsatz vom 08.12.2014 mitgeteilt, dass das Überprüfungsverfahren von Amts wegen durchgeführt werde. Der
Bescheid vom 05.06.2008 sei bestandskräftig geworden.
Die Klägerin hat in dem Gutachten eine Bestätigung gesehen, dass die Verletzungen bei den Waldarbeiten zugezogen wurden. Der
Zugang des Bescheides vom 05.06.2008 ist von der Klägerin bestritten worden. Vorsorglich werde Widerspruch gegen die Ablehnung
der Hinterbliebenenrente eingelegt. Mit der Durchführung eines Überprüfungsverfahrens und einer Aussetzung des Verfahrens
bestehe kein Einverständnis. Das Verfahren sei "längst entscheidungsreif". Durch das Gutachten der Dr. F. sei der Ursachenzusammenhang
zwischen dem Tod und dem Arbeitsunfall ausreichend nachgewiesen. Die Zahlungsverpflichtung der Beklagten ergebe sich bereits
aufgrund des versicherten Arbeitsunfalls. Welchen Einfluss die anerkannte Berufskrankheit habe, sei nicht mehr relevant.
Die Beklagte hat den Bescheid vom 05.06.2008 nunmehr erneut zugestellt.
Der Senat hat die Leistungsakte zu den Berufskrankheiten nach den Nrnr. 4301 und 4201 der Anlage der
BKV beigezogen. Unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Dr. M. vom 18.04.2007 erkannte die Beklagte sowohl eine Berufskrankheit
nach Nr. 4201 der Anlage zur
BKV (Eintritt der Versicherungsfalls: 24.02.1994; vgl. Bescheid über die Gewährung einer Rente als vorläufige Entschädigung vom
03.07.2007) als auch nach Nr. 4301 (Eintritt der Versicherungsfalls: 10.10.2006; vgl. Bescheid über die Gewährung einer Rente
als vorläufige Entschädigung vom 27.08.2007) an.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 05.03.2015 mitgeteilt, dass eine Klageänderung zur Einbeziehung des Bescheides vom 05.06.2008
für sachdienlich gehalten werde. Der Senat hat mit Schreiben vom 10.03.2015 nochmals unter Hinweis auf die Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts eine Aussetzung zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens abgelehnt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG vom B-Stadt vom 13.11.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19.11.2008 zu verpflichten, ihr Sterbegeld, Rente im Sterbevierteljahr und Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
Frau Dr. F. zu der Frage, ob der Verstorbene ohne die Folgen der Berufskrankheiten noch mindestens ein Jahr länger gelebt
hätte, anzuhören; ferner die Vereidigung des Zeugen Dr. G. auf seine Aussage vom 07.12.2011 und die Einvernahme des Assistenzarztes
Dr. Wi. als Zeuge.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten sowie die Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz - SGH). Sie ist auch begründet. Es besteht ein Anspruch auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide und Gewährung
der beantragten Hinterbliebenenleistungen nach §§
63 ff des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VII).
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 19.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008. Mit
diesem Bescheid lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Ereignisses vom ...2008 mit Todesfolge am ...2008 als Arbeitsunfall
sowie die Gewährung von Sterbegeld, Rente im Sterbevierteljahr und Witwenrente ab.
Mit weiterem Bescheid, datiert vom 05.06.2008, lehnte sie Hinterbliebenenleistungen aufgrund der anerkannten Berufskrankheiten
ab. Dieser Bescheid, der der Klägerin erst im März 2015 nachweislich zugestellt wurde, ist gemäß §
96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG ist eine gemeinsame Betrachtung aller zugrunde liegenden Versicherungsfälle im Rahmen eines Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen
notwendig. §
63 Abs.
1 SGB VII setzt nur das Vorliegen eines Versicherungsfalls voraus; die vorherige Feststellung eines Versicherungsfalls ist nicht erforderlich.
Es kann sich entweder um einen Arbeitsunfall nach §
8 SGB VII oder um eine Berufskrankheit nach §
9 SGB VII handeln. Das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nrn. 4201 und 4301 der Anlage zur
BKV war beim Versicherten anerkannt. Allerdings stellt der Anspruch auf Hinterbliebenenrente einen eigenen Rechtsanspruch dar,
der sich zwar vom Recht des Versicherten ableitet, aber hinsichtlich aller Voraussetzungen gesondert zu prüfen ist. Dabei
sind die Anspruchsvoraussetzungen nach §
63 SGB VII ohne Bindung an bestands- oder rechtskräftige Entscheidungen gegenüber dem Verstorbenen neu zu prüfen (BSG SozR 4-2700 § 63 Nr. 3; BSGE 88, 226; BSG SozR 4-2700 § 63 Nr. 6). Das Vorliegen der Berufskrankheiten nach Nrn. 4201 und 4301 der Anlage zur
BKV ist jedoch zwischen den Beteiligten unstreitig und durch die medizinischen Befunde belegt.
Über den Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen wäre somit in einem Bescheid zu entscheiden gewesen. Die Beklagte
hat diese Entscheidung in zwei Bescheide aufgeteilt, so dass der zweite Bescheid vom 05.06.2008 den ersten, bereits streitgegenständlichen
vom 19.05.2008 ergänzt im Sinne des §
96 SGG.
Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 19.05.2008 unter Nr. I festgestellt hat: "Das Ereignis vom ...2008 mit Todesfolge am
...2008 wird nicht als landwirtschaftlicher Arbeitsunfall anerkannt.", ist der Bescheid im Hinblick auf die oben dargelegt
Rechtsprechung rechtswidrig; es besteht für die Klägerin als Hinterbliebene kein Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls
und von Unfallfolgen (BSG v. 12.01.2010, Az.: B 2 U 21/08 R). Zwar ist nach §
63 Abs.
1 SGB VII Voraussetzung für jedes Hinterbliebenenrecht (§§
64 bis
71 SGB VII), dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Nach der
dargelegten BSG-Rechtsprechung (vgl. BSG vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - [...] RdNr. 26) ist jedoch die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat, kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens,
über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen
Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die
Äußerung des Trägers nach der BSG-Rechtsprechung materiellrechtlich nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Nach der BSG-Rechtsprechung ist der Unfallversicherungsträger schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden
VA darüber zu erlassen, ob der (verstorbene) Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Ferner hat der Hinterbliebene
mangels Anspruchsgrundlage keinen Anspruch auf eine isolierte Vorabentscheidung über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles
beim Versicherten.
Darüber hinaus stehen der Klägerin die geltend gemachten Leistungen zu. Einen Anspruch auf Sterbegeld oder Hinterbliebenenrente
haben Hinterbliebene gemäß §
63 Abs.
1 SGB VII, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Ein Anspruch auf Sterbegeld ergibt sich aus §
64 SGB VII, auf Witwenrente nach §
65 SGB VII einschließlich im Sinne des sog. Strebevierteljahres nach §
65 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII. Witwen oder Witwer von Versicherten erhalten eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben (§
65 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Nach §
65 Abs.
2 Nr.
3 b SGB VII beträgt die Rente dabei 40 v.H. des Jahresarbeitsverdienstes nach Ablauf des 3. Kalendermonats, wenn Witwen oder Witwer das
45. Lebensjahr vollendet haben. Allerdings ist Einkommen im Sinne der §§
18 a - e
SGB IV von Witwen oder Witwern, welches mit einer Witwenrente oder Witwerrente nach Abs. 2 Nr.
2 und
3 zusammentrifft, hierauf anzurechnen (§
65 Abs.
3 Satz 1
SGB VII).
Unstreitig ist der Tod des Versicherten durch eine Sepsis eingetreten, ausgelöst durch eine Streptokokkeninfektion. Auch an
den weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch auf Witwenrente und Sterbegeld bestehen keine Zweifel. Ausweislich der Rechnung
hat die Klägerin auch gemäß §
64 Abs.
3 SGB VII die Bestattungskosten getragen. Die Klägerin war mit dem Verstorbenen zum Zeitpunkt seines Todes auch verheiratet. Witwenrente
ist gemäß §
72 Abs.
2 Satz 1
SGB VII ab dem Todestag, also ab ...2008 zu gewähren.
Zu entscheiden ist über die Frage, ob der Tod des Ehemanns infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist (§
63 Abs.1 Satz 2
SGB VII). Der Tod müsste mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Versicherungsfall zurückzuführen sei, sei es im Sinne eines
Gesundheitserstschadens oder wie hier eine Folgeschadens (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Wesentliche Mitursächlichkeit
ist hierbei ausreichend. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden;
die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - [...] RdNr. 16).
Der Senat bezieht sich auf das im Berufungsverfahren eingeholte überzeugende und schlüssige Gutachten der Dr. F ... Unstreitig
ist, dass eine Berufskrankheit nach Nrn. 4201 und 4301 vorlag; dies hatte nicht nur die Beklagte noch zu Lebzeiten des Versicherten
anerkannt, sondern auch die Sachverständige stützt sich diesbezüglich auf ärztliche Befunde wie des damals behandelnden Lungenarztes
Dr. Dr. L. vom 12.02.2008. Zu verweisen ist beispielsweise auch auf den Entlassungsbericht der Asklepios Fachklinik B-Stadt-G.
vom 18.12.2007 mit den Diagnosen u.a. einer Farmerlunge und eines gemischtförmigen Asthmas. Die Tätigkeit als Landwirt hat
der Versicherte 2006 aufgegeben; er hat nur noch aushilfsweise bei passender Gelegenheit seinen Sohn, der die Land- und Forstwirtschaft
übernommen hat, unterstützt. Die Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass die Berufskrankheit eine wesentliche Mitursache
für den Todeseintritt war, sowohl direkt durch die Erkrankungen als auch durch die Therapiemaßnahmen, insbesondere die hochdosierte
Kortisontherapie seit ...2008. Sie kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass entscheidend für die Entwicklung der Hautinfektion
und deren schwergradigen Verlauf diese hochdosierte Kortisontherapie wegen der anerkannten Berufskrankheit, der Farmerlunge
seit ...2008, und die bereits vor dem Unfallereignis bestehende schwergradige sauerstoffpflichtige respiratorische Partialinsuffizienz
bei vorbeschriebener kombinierter restriktiver und obstruktiver Ventilationsstörung waren.
Der Verabreichung von Kortison durch Dr. E. am ...2008 unter der fälschlichen Annahme einer allergischen Reaktion kommt nach
Darlegung der Gutachterin nur eine untergeordnete Bedeutung zu.
Einer Kratzverletzung, die sich der Versicherte eventuell bei Waldarbeiten zugezogen hat, kommt dabei allenfalls eine auslösende
Ursache, nicht jedoch eine wesentliche Mitursächlichkeit zu. Die bislang streitige Frage, ob ein Kratzer am Hals als Eintrittspforte
der Streptokokken nachgewiesen werden kann, erweist sich nicht mehr als entscheidungserheblich. Dr. F. machte deutlich, dass
eitrige Infektionen der Haut auch zum Teil ohne unfallbedingte Schädigung auftreten können. Streptokokken A können über eine,
auch oberflächliche Verletzung, eintreten, aber auch ohne sichtbare Hautverletzung bei vorbestehenden Hauterkrankungen. Es
handelt sich um eine akute oberflächige Infektion der Haut unter Beteiligung der Lymphspalten und Lymphgefäße.
Vorbestehende Erkrankungen, die mit einer allgemeinen oder lokalen Abwehrschwäche einhergehen, können das Auftreten sowohl
der Phlegmone als auch des Erysipels als auch der folgenden Sepsis begünstigen. Der Versicherte litt, nachgewiesen u.a. durch
den Entlassungsbericht der Fachklinik B-Stadt-G. vom 18.12.2007, an einer Farmerlunge und an einem gemischtförmigen Asthma
bronchiale. Die Beklagte hatte sowohl das Asthma bronchiale als auch die exogen-allergische Alveolitis als Berufskrankheiten
anerkannt. Durch die Wirkung von Kortison auf das blutbildende und lymphatische Gewebe kommt es zu einem Ansteigen der weißen
Blutkörperchen, einem Abfall der Lymphozyten, einer Verminderung des lymphatischen Gewebes und Unterdrückung der B- und besonders
der T-Lymphozytenaktivität. Folgen sind eine erhöhte Infektanfälligkeit und eine immunsuppressive Wirkung. Ferner wirkt Kortison
Wundheilung verhindernd. Der aufgetretene Infekt ist nach Darstellung der Sachverständigen damit als unabhängig von der evtl.
auslösenden Ursache einer Kratzverletzung oder einer bakteriellen Infektion ohne vorausgehende Verletzung zu bewerten. Durch
das exogen-allergische Asthma bronchiale und die Farmerlunge wurden direkt bzw. durch die deshalb verordnete medikamentöse
Kortisontherapie indirekt die Erkrankung - die phlegmonöse Entzündung am Hals mit konsekutiver Entwicklung einer schweren
Sepsis mit Multiorganversagen - sowie folgend der Tod wesentlich (mit-)verursacht.
Die Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass es durch die hochdosierte Kortisonbehandlung nicht nur zu einer Schwächung
bestimmter körpereigener Abwehrkräfte gekommen ist, sondern auch zu einer erhöhten Infektanfälligkeit, so dass sich hierdurch
bedingt die zum Tod führende Sepsis entwickeln konnte. Insgesamt ist der Tod des Versicherten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
wesentlich durch diese Sepsis und auch durch die Farmerlunge und das exogen-allergische Asthma bronchiale verursacht worden.
Die kritische Äußerung des Dr. S. vom 29.05.2008 kann nicht als abschließende Äußerung mit noch bestehender Gültigkeit angesehen
werden. Immerhin hat auch dieser es für möglich gehalten, dass die durch eine Farmerlunge und ein zusätzliches Asthma vorgeschädigte
Lunge eine Beatmung bzw. die Versorgung des Organismus mit Sauerstoff in den letzten Lebensstunden des Versicherten erschwert
hat. Auf die besondere Problematik der Auswirkung der langjährigen Kortisonbehandlung ist der Allgemeinarzt nicht näher eingegangen
und hat diese Thematik nur mit der aufgeworfenen Frage gestreift, ob die wenige Wochen zuvor noch einmal begonnene orale Steroidtherapie
einen ungünstigen Effekt auf das Angehen und den Verlauf der Infektion gehabt hat. Er hat diese Frage letztlich nicht beantwortet,
da nach seiner Ansicht nicht bekannt sei, ob der Versicherte die Kortisontabletten in den Tagen vor seinem Tod überhaupt weiter
genommen hat, nachdem er eine frühere Therapie daheim nicht fortgeführt hatte. Nach Aktenlage wurden aber eine Sauerstofflangzeittherapie
bei Belastung sowie eine umfassende inhalative Therapie hochdosiert mit einem Kortikoid (Alvesco und Foradil) durchgeführt.
Darüber hinaus wurde ab 12.02.2008 tatsächlich auch eine hochdosierte systemische Kortikoidtherapie mit Prednisolon 50 mg
täglich durchgeführt. Dr. Dr. L. bescheinigte am 12.02.2008, dass "missverständlich" bzw. "irrtümlich" der Patient den ersten
Behandlungsversuch mit Prednisolon nach der stationären Entlassung nicht fortgeführt hatte. Der behandelnde Arzt gibt an,
dass daher "nochmals mit dieser Dosis begonnen" wurde. Es ist nicht ersichtlich, dass der Versicherte auch diese Therapie
nicht fortgeführt hat; dies wurde auch von der Gerichtssachverständigen nicht angezweifelt. Dr. E. bestätigte am 25.06.2013
gegenüber der Beklagten, dass nach seinen Unterlagen das Kortisonpräparat vom Lungenfacharzt Dr. Dr. L. verschrieben wurde.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 01.07.2013 im Übrigen ausdrücklich darauf bezogen, dass das Kortisonpräparat vom
Lungenfacharzt Dr. Dr. L. und nicht von Dr. G. verordnet wurde.
Den von der Beklagten hilfsweise gestellten (Beweis-)Anträgen war nicht nachzukommen. Zum einen beantragte diese, die Sachverständige
Dr. F. zu der Frage zu hören, ob der Verstorbene ohne die Folgen der Berufskrankheit noch mindestens ein Jahr länger gelebt
hätte. Im Rahmen des §
63 SGB VII ist der Tod Folge des Versicherungsfalls, wenn dieser seinen Eintritt um wenigstens ein Jahr beschleunigt (z.B. BSGE 13,
175; BSGE 40, 273). Dies bedeutet eine Lebensverkürzung um ein Jahr, d.h. der Tod muss ein Jahr früher eingetreten sein als allein auf Grund
des bestehenden Leidens zu erwarten war. Die Jahresbeschleunigung enthält aber nur eine Konkretisierung des Begriffs der rechtlich
wesentlichen Ursache (BSGE 62, 220 = SozR 2200 § 589 Nr. 10); zum Ganzen: KassKomm-Ricke, §
63 SGB VII, Rdnr. 6). Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherte auch ohne die Folgen der Berufskrankheit innerhalb eines Jahres verstorben
wäre, sind jedoch nicht ersichtlich. Die Beklagte berief sich in der mündlichen Verhandlung auf die folgende Formulierung
des Dr. S. in dessen Stellungnahme vom 29.05.2008: "Es ist jedoch rückwirkend nicht wahrscheinlich zu machen, dass der dramatische
Verlauf der Infektion ohne das Vorliegen der Berufskrankheit einen wesentlich anderen Verlauf genommen hätte." Er begründet
dies damit, dass Weichteilinfektionen im Kopf- und Halsbereich, die sich entlang bindegewebiger Scheiden der Muskulatur leicht
weiter ausdehnen können, eine sehr schlechte Prognose hätten und bei zu später ärztlicher Intervention nicht selten tödlich
verlaufen. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Berufskrankheiten Farmerlunge und Asthma nicht nur Einfluss auf den Krankheitsverlauf
nach dem Eindringen von Streptokokken hatten, sondern sogar, wie die Sachverständige ausführte, für das Entstehen der Infektion
selbst verantwortlich sind. Auf die Berufskrankheiten und deren Behandlung ist, wie oben dargelegt, nämlich eine erhöhte Infektanfälligkeit
zurückzuführen. Maßgeblich ist somit nicht nur der Verlauf, sondern die Entstehung einer Infektion. Dabei muss es sich, wie
die Sachverständige ebenfalls ausführte, nicht um eine Kratzverletzung im Nacken gehandelt haben, vielmehr besteht eine Infektanfälligkeit
auch gegenüber einer sonstigen Infektion. Die Frage einer Lebensverkürzung auch ohne die anerkannten und behandelten Berufskrankheiten
ist damit hinfällig bzw. auf das allgemeine Lebensrisiko beschränkt. Das Infektrisiko war jedoch bei dem Verstorbenen durch
die Berufskrankheiten und deren Behandlung deutlich erhöht.
Auf eine Vereidigung des im nichtöffentlichen Termin vom 07.12.2011 gehörten Zeugen Dr. G. konnte der Senat verzichten, da
sich dessen Aussage auf das Vorhandensein einer Kratzverletzung im Nacken und somit auf die Frage bezog, ob ein Arbeitsunfall
vorgelegen hat. Da jedoch vorliegend maßgeblich auf die Berufskrankheiten als Versicherungsfälle im Rahmen der §§
63 ff
SGB VII abzustellen war, ist dessen Aussage ohne maßgebliche Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits.
Der Antrag der "Einvernahme des Assistenzarztes Dr. Wi. als Zeuge" stellt zum einen einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag
dar. Ein Beweisthema wird nicht benannt (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
160 Rdrn. 18 a). Soweit auch der Assistenzarzt W. eine Aussage zu dem Vorliegen einer Verletzung im Nackenbereich tätigen soll,
gilt zum anderen auch hier, dass es für den Rechtsstreit auf diese Tatsache nicht ankommt.
Die Klägerin hat somit gemäß §§
63 ff
SGB VII Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemanns in Form von Sterbegeld, Rente im
Sterbevierteljahr und Witwenrente.
Das Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben und der Klage unter Aufhebung bzw. Abänderung der streitgegenständlichen
Bescheide stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.