Gründe
I.
Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Kostenübernahme für ein PleurX Drainage Minikit
des Herstellers Denver Biomed.
Der 1948 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) ist bei der Antrags- und Beschwerdegegnerin (im Folgenden:
Bg.) als Rentner versichert. Bei ihm besteht eine pulmonale Hypertonie mit stauungsbedingter Leberzirrhose und Aszites (Ansammlung
von Flüssigkeit in der freien Bauchhöhle).
Der Bf. beantragte am 22.01.2020 unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Kardiologen und Pneumologen
Prof. Dr. L. (Krankenhaus N., M-Stadt) vom 21.01.2020 die Kostenübernahme einer dauerhaften Drainage über ein PleurX Peritoneal-Kathetersystem
außerhalb des zugelassenen Indikationsbereichs. Die Bg. holte eine Stellungnahme vom 04.02.2020 des Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherung in Bayern (MDK) ein, der zu dem Ergebnis gelangte, das die nach §
2 Abs.
1 a des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB V) geforderten sozialmedizinischen Voraussetzungen bzgl. der beantragten Therapiemaßnahme unter Einsatz eines Medizinproduktes
außerhalb des durch den Hersteller empfohlenen Anwendungsgebiets kumulativ nicht erfüllt seien. Es liege bereits keine lebensbedrohliche
oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. Bei völligem Fehlen nachvollziehbarer medizinischer Unterlagen sei das
nicht erkennbar. Auch sei nicht erkennbar, dass keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung
zur Verfügung stehe. Prinzipiell stünden zur Behandlung sowohl der pulmonalen Hypertonie, der Leberzirrhose als auch bei Vorliegen
von Aszites verschiedene Behandlungsmaßnahmen inklusive medikamentöser Behandlung zur Verfügung. Es bestehe lediglich eine
nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbar positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf.
Die Bg. lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 06.02.2020 ab. Der Bf. gab mit Schreiben vom 17.02.2020 an, bislang keine
Entscheidung erhalten zu haben, weshalb die Bg. dem Bf. den Bescheid nochmals am 29.02.2020 übersandte.
Die Tochter des Bf. legte am 03.03.2020 Widerspruch ein. Beigefügt waren verschiedene Arztbriefe des Krankenhauses N. seit
01.02.2019. Ein Widerspruchsbescheid liegt bislang noch nicht vor. Die Bg. führte jedoch mit Schreiben vom 25.03.2020 aus,
dass die Verwendung des PleurX Drainagesets bei Aszites im Hilfsmittelverzeichnis nicht vorgesehen sei; es stünden andere
Behandlungsalternativen zur Verfügung.
Die Tochter des Bf. hat am 04.03.2020 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München eingereicht.
Es bestünden sowohl ein Anordnungsgrund also auch ein Anordnungsanspruch. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der Krankheitsgeschichte.
Der in immer kürzeren Abständen massiv auftretende Aszites stelle sowohl körperlich als auch psychisch eine enorme Belastung
für den Bf. dar. Es sei absehbar, dass ein baldiger erneuter Eingriff im Rahmen einer stationär durchgeführten Punktion erforderlich
sei. Dies sei mit erheblichen Folgeschmerzen und einer Infektionsgefahr verbunden.
Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005. Zudem sei
eine Genehmigungsfiktion eingetreten, da den Bf. der Bescheid vom 06.02.2020 erst am 29.02.2020 und damit nach Ablauf der
Drei-Wochen-Frist des §
13 Abs.
3 a SGB V erreicht habe.
Die Bg. ist dem Antrag entgegengetreten. Es seien weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht
worden. Aus den Einlassungen der Prozessbevollmächtigten sei nicht ersichtlich, welche schweren unzumutbaren und anders nicht
abwendbaren Nachteile drohten, die eine Sicherungsanordnung rechtfertigen würden. Der MDK habe in seiner Begutachtung nicht
erkennen können, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliege, da nachvollziehbare
medizinische Unterlagen nicht vorgelegen hätten. Prinzipiell stünden zur Behandlung sowohl der pulmonalen Hypertonie, der
Leberzirrhose als auch bei Vorliegen von Aszites verschiedene Behandlungsmaßnamen inkl. medikamentöser Behandlung zur Verfügung.
Alternative implantierbare Systeme seien von Perkustay Pflugbeil oder das Horizontale Drainage Fix gegeben.
Die Bg. habe mit Bescheid vom 06.02.2020 die Frist des §
13 Abs.
3a Satz 1
SGB V eingehalten. Zum einen habe die Drei-Wochenfrist am 12.02.2020 geendet. Bereits am 06.02.2020 sei der Ablehnungsbescheid
an den Bf. gesandt worden. Zum anderen gelte §
13 Abs.
3a SGB V für Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lägen.
Der Bf. habe in seinem Antrag vom 21.01.2020 selbst angegeben, dass er die Kostenübernahme einer dauerhaften Drainage über
ein PleurX Peritoneal-Kathetersystem außerhalb des zugelassenen Indikationsbereiches beantrage.
Schließlich liege auch kein Anordnungsgrund vor. Einerseits sei eine Hauptsachenklage offensichtlich unbegründet, andererseits
liege keine besondere Eilbedürftigkeit vor, da die aufgezeigten Behandlungsalternativen zur Verfügung stünden.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 19.03.2020 abgelehnt. Weder ein
Anordnungsanspruch noch ein -grund seien glaubhaft.
Das PleurX Drainage Minikit könne vertragsärztlich verordnet werden, soweit die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Indikationsbereiche
vorlägen. Daran fehle es hier. Nach den Angaben im Hilfsmittelverzeichnis erlaube das PleurX Drainage Minikit (Produkt: 01.24.05.0002)
bei Patienten mit wiederkehrenden Pleuraergüssen ambulant die Flüssigkeit aus der Pleura abzulassen. Als Indikationsbereich
werde im Hilfsmittelverzeichnis ausschließlich die Behandlung der Pleuraerguss-Drainage bei moribunden Patienten mit Pleuracarcinose
genannt. Diese genannte Indikation läge nach den Angaben des behandelnden Arztes beim Bf. nicht vor (Arztbrief vom 21.01.2020).
Der Bf. begehre - wie er selbst angebe - die Versorgung mit dem PleurX Drainage Minikit für einen nicht im Hilfsmittelverzeichnis
enthaltenen Indikationsbereich. Aus diesem Grund stelle die Versorgung mit diesem Hilfsmittel eine neue Behandlungsmethode
im Sinne des §
135 SGB V dar (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2017, L 11 KR 2703/16), für die eine positive Beschlussfassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) fehle. Denn Hilfsmittel, die den Erfolg
einer Krankenbehandlung sichern sollen, seien nicht von dem zugrundeliegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen
nach §§
2 Abs.
1 Satz 3,
12 Abs.
1 SGB V in Verbindung mit §
135 Abs.
1 SGB V zu trennen. Insoweit erfasse die Sperrwirkung des in §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild
systematisch angewandten "Methode" (ständige Rechtsprechung: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R).
Damit sei auch der Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs.
3 a S. 1
SGB V ausgeschlossen. Zwar habe die Bg. über den am 22.01.2020 zugegangenen Antrag weder innerhalb der Fristen des §
13 Abs.
3 a SGB V entschieden noch den Bf. über die Verzögerung informiert. Der Ablehnungsbescheid sei nämlich erstmals am 29.02.2020 zugestellt
worden. Eine Genehmigungsfiktion sei vorliegend jedoch ausgeschlossen, da der Antrag eine Leistung betroffen habe, die der
Bf. nicht für erforderlich halten durfte und die offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liege. Hiervon habe
der Bf. Kenntnis gehabt, wie sich aus dem Antrag selbst, aber auch aus der ärztlichen Stellungnahme vom 21.01.2020 ergebe.
Ein Sachleistungsanspruch ergebe sich auch nicht gemäß §
2 Abs.
1 a SGB V bzw. nach den Grundsätzen grundrechtsorientierter Auslegung. Der Anspruch scheitere bereits daran, dass eine allgemein anerkannte,
dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung stehe. Der behandelnde Arzt führe im Arztbrief vom 21.01.2020
aus, dass als gleichermaßen wirksame Alternativtherapie die wiederkehrende Punktion des Aszites zur Verfügung stehe.
Zudem liege keine Erkrankung im Sinne des §
2 Abs.
1 a SGB V vor. Vorliegend werde vom behandelnden Arzt geltend gemacht, dass die wiederkehrende Punktion des Aszites im Rahmen stationärer
Aufenthaltes per se mit einem erhöhten Infektionsrisiko des Bauchraumes vergesellschaftet sei. Bestätigt werde damit lediglich
ein allgemeines mit der Erkrankung verbundenes Risiko. Die vom Bf. vorgetragenen erheblichen Folgeschmerzen der Alternativtherapie
stellten selbst keine Erkrankung im Sinne des §
2 Abs.
1a SGB V dar.
Die bevollmächtigte Tochter des Bf. hat gegen den am 24.03.2020 zugestellten Beschluss am 14.04.2020 Beschwerde zum Bayer.
Landessozialgericht eingelegt. Aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr und vor allem der regelmäßig erheblichen Schmerzen während
und in der Folgezeit nach den Eingriffen (Aszitespunktionen) bestehe ein Anordnungsgrund. Die Eingriffe seien erheblich belastend
und in immer kürzeren Abständen notwendig. Auf einen Arztbrief des Krankenhauses N. vom 27.03.2020 ist verwiesen worden. Durch
die ablehnende Entscheidung der Bg. werde der Bf. mit jeder erneuten, belastenden Aszitespunktion vor vollendete Tatsachen
gestellt.
Die von der Bg. dargelegten alternativen Therapiemöglichkeit sei für die Behandlung des Aszites des Bf. nicht tauglich. Nach
Rücksprache mit der Herstellerfirma (Fa. Pflugbeil) sei diese Alternativtherapie für einen Verweilzeitraum im Patienten von
max. 30 Tagen geeignet. Beim Bf. müsste also im 30-tägigen Turnus ein Wechsel der Drainage erfolgen, was letztendlich noch
belastender wäre als zweimonatige Aszitespunktionen. Auf eine medizinische Stellungnahme des Dr. B. (Krankenhaus N.) vom 07.04.2020
wird verwiesen. Die Anforderungen an einen Anordnungsanspruch seien zu vermindern, wenn die Klage in der Hauptsache offensichtlich
zulässig und begründet sei. Mit einem Obsiegen sei zu rechnen.
Schließlich hat der Bf. dargelegt, dass die Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs.
3 a SGB V eingetreten sei. Der Bf. habe die beantragte Leistung auch für erforderlich halten dürfen. Die Behandlung sei von dem behandelnden
Arzt für erforderlich gehalten worden. Diese Leistung liege auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der
GKV. Die begehrte Leistung sei nämlich zugelassen und sogar im Leistungskatalog der GKV zur Behandlung des malignen Aszites
bereits vorhanden.
Die Bg. hat nochmals dargelegt, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein -grund bestünden. Eine Empfehlung des G-BA liege
zu der beantragten Versorgung mit einem Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode gemäß §
135 SGB V nicht vor. Auch die Voraussetzungen des §
2 Abs.
1 a SGB V lägen nicht vor, da es an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig
vergleichbaren Erkrankung fehle und ferner für die Indikation allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende
Behandlungen zur Verfügung stünden (Punktion; medikamentöse Therapie; Horizontale Drainage Fix System).
Eine Genehmigungsfiktion sei ebenfalls nicht eingetreten. Der ablehnende Bescheid vom 06.02.2020 sei per E-Post am 06.02.2020
gesendet worden.
Es bestehe auch kein Anordnungsgrund. Dazu, ob der Bf. in der Lage wäre, die Kosten der Behandlung vorläufig selbst zu tragen,
sei nichts vorgetragen. Es läge im Übrigen eine Vorwegnahme der Hauptsache vor.
Der Bf. hat seine Ausführungen zum Anordnungsgrund wiederholt. Es bestehe die Wahrscheinlichkeit, dass er ein zumindest durch
die Tatsacheninstanzen gehendes Hauptsacheverfahren nicht mehr erleben werde. Bei einem Haushaltseinkommen von etwa 1.200
EUR (nach Abzug der Miete) für einen 2-Personenhaushalt sei fraglich, ob eine Eigenleistung überhaupt erbringbar wäre.
Auch bestehe ein Anordnungsanspruch. Die Erkrankung sei unheilbar und führe damit in der Regel zum Tode. Ob die nun von der
Bg. neu dargelegten Alternativbehandlungen tatsächlich eine taugliche Variante seien, könne aus medizinischer Sicht nicht
final beurteilt werden. Es bestünden jedoch erhebliche Zweifel.
Schließlich sei jedenfalls die Genehmigungsfiktion eingetreten. Den Bescheid vom 06.02.2020 habe er nicht vor dem 29.02.2020
erhalten. Die Bg. habe einen früheren Zugang nicht bewiesen.
Der Bf. hat einen aktuellen Arztbrief des Krankenhauses N. vom 12.05.2020 übersandt. Nach der letztmaligen Aszitespunktion
Ende März 2020 sei bereits Mitte Mai erneut ein entsprechender Eingriff erfolgt. Es sei wiederum eine erhebliche Menge Bauchwasser
(12 l) ausgeleitet worden.
Die Bg. hat eine vergleichsweise Erledigung abgelehnt. Aus dem Arztbrief lasse sich entnehmen, dass eine problemlose Paracentese
erfolgt sei. Es sei jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen hat die Bg. die Funktionsweise der
beantragten PleurX-Systems und der vorgeschlagenen Alternativmethode erläutert. Zusammenfassend seien die zuletzt genannten
Alternativversorgungen für eine Anwendung am Bauch ebenso geeignet wie das PleurX.
Die Versendung des Bescheides vom 06.02.2020 sei durch den Ausdruck aus dem EDV-System der Bg. belegt. Er gebe wieder, zu
welchem gespeicherten Zeitpunkt der Versandauftrag an den externen Dienstleister per E-Post übermittelt worden sei. Für einen
Zugang spreche auch, dass er dem Krankenhaus N. nach dem Vortrag des Bf. am 14.02.2020 bekannt gewesen sei. Abgesehen davon
sei dem Bf. bekannt gewesen, dass das streitgegenständliche Drainagesystem außerhalb dessen Anwendungsbereich stehe. Schließlich
hat die Bg. auf die geänderte Rechtsprechung des BSG vom 26.05.2020 (BSG, B 1 KR 9/18 R) hingewiesen, wonach laut Terminbericht eine fingierte Genehmigung nach §
13 Abs.
3 a SGB V keinen eigenständigen Sachleistungsanspruch begründe.
Für den Bf. ist zuletzt mit Schriftsatz vom 08.06.2020 darauf hingewiesen worden, dass der Aszites im Rahmen der Prüfung einer
regelmäßig tödlichen Erkrankung nicht separat als eigenständige Krankheit zu betrachten sei, sondern dass sich nahezu alle
Krankheiten des Bf. einander bedingten. Es bestünden im Übrigen weiterhin Zweifel an der Tauglichkeit der alternativen Behandlungsmethoden,
hier des "Horizontalen Drainage Fix Systems". Nach einer Internetrecherche betrage die Verweildauer nur sieben Tage. Hinsichtlich
der Änderung der Rechtsprechung des BSG bezüglich der Auslegung des §
13 Abs.
3 a SGB V könne mangels Vorliegens der schriftlichen Urteilsgründe keine eingehende Stellungnahme abgegeben werden. Es ist um antragsgemäße
Entscheidung gebeten worden.
Der Bf. beantragte gemäß Schriftsatz vom 14.04.2020,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 19.03.2020 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Rahmen einer einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, eine Kostenübernahme für eine dauerhafte Drainage über ein PleurX Pertioneal-Kathetersystem außerhalb
des zugelassenen Indikationsbereichs zu erklären.
Die Bg. beantragte gemäß Schriftsatz vom 04.05.2020,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Verfahrensakte des Sozialgerichts
und der Beschwerdeakte verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß §§
172 ff
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
ab.
Gemäß §
86 b Abs.
2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,
dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat das Gericht die Belange der Öffentlichkeit und des Antragstellers
abzuwägen. Wenn eine Klage keine Aussicht auf Erfolg hätte, ist ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden (Bayer.
Landessozialgericht, Az.: L 2 B 354/01 U ER).
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch
glaubhaft gemacht worden sind (§
86 b Abs.
2 S. 4
SGG i.V.m. §§
290 Abs.
2,
294 Abs.
1 Zivilprozessordnung -
ZPO). Die Glaubhaftmachung begnügt sich bei der Ermittlung des Sachverhaltes als Gegensatz zum Vollbeweis mit einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit. Dagegen dürfen die Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage, d.h. die Intensität der rechtlichen
Prüfung, grundsätzlich nicht herabgestuft werden. Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs
ist grundsätzlich das materielle Recht, das vollumfänglich zu prüfen ist. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr
zu beseitigen wären, und ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich,
so verlangt der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz eine Eilentscheidung anhand einer umfassenden Güter-
und Folgenabwägung (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05).
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag des Bf., eine Kostenübernahme für eine dauerhafte Drainage über ein PleurX Peritoneal-Kathetersystem
außerhalb des zugelassenen Indikationsbereich zu erklären, abgelehnt. Gemäß §
142 Abs.
2 S. 3
SGG verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts. Im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens hat der Bf. im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und bekräftigt. Unter dessen Berücksichtigung
weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
Bei dem PleurX-System handelt es sich um einen Teflonkatheter, der unter die Haut verlegt wird und über einen speziellen Verschlussmechanismus
verfügt. Mittels einer Redonflasche wird ein Vakuum erzeugt, das das Bauchwasser aus dem Körper zieht. Zur Verlegung des Katheters
ist ein invasiver Eingriff erforderlich; es ist für die Anwendung an der Lunge bestimmt.
Es ist jedenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft, d.h. nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden
summarischen Prüfung besteht kein Anspruch auf das begehrte Hilfsmittel im Sinne der §§
27 Abs.
1 S. 2 Nr.
3,
33 Abs.
1 S. 1
SGB V.
Ein Leistungsanspruch aufgrund einer Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs.
3 a SGB V ist nicht eingetreten. Das Sozialgericht hat den Anspruch zu Recht jedenfalls deshalb abgelehnt, da der Bf. wusste, dass
das Hilfsmittel offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt. Er hat nämlich gemäß seinem Antrag selbst dargelegt,
dass die Gewährung des PleurX Peritoneal-Kathetersystems außerhalb des zugelassenen Indikationsbereichs liegt. Zu Recht hat
das Sozialgericht in diesem Zusammenhang auch auf die Ärztliche Stellungnahme des Krankenhauses N. vom 21.01.2020 verwiesen.
Unabhängig davon ist inzwischen auch auf die von der Bg. angeführte Änderung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG gemäß Terminbericht (Terminbericht Nr. 19/20) vom 26.05.2020 (BSG, B 1 KR 9/18 R) hinzuweisen. Danach begründet eine fingierte Genehmigung entgegen der bisherigen Rechtsprechung keinen eigenständigen Sachleistungsanspruch.
Im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion vermittelt diese dem Versicherten vielmehr nur eine vorläufige
Rechtsposition, die es ihm erlaubt, sich die Leistung selbst zu beschaffen; der Krankenkasse ist es - nach erfolgter Selbstbeschaffung
- lediglich verboten, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach allgemeinen Grundsätzen der GKV
bestehe kein Rechtsanspruch auf die Leistung. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung im Grundsatz an.
Ein Anspruch unmittelbar aus § 27 Abs. 1 S. 2 Nr.
3 in Verbindung mit §
33 Abs.
1 S. 1
SGB V auf das beantragte Hilfsmittel scheidet vorliegend aus, da als Indikationsbereich im Hilfsmittelverzeichnis ausschließlich
die Behandlung der Pleuraerguss-Drainage bei moribunden Patienten mit Pleuracarcinose genannt ist. Eine entsprechende Indikation
ist beim Bf. unstreitig nicht gegeben, wie sich auch aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergibt.
Das Sozialgericht hat auch eingehend und zutreffend dargelegt, dass sich ein Anspruch auf Kostenübernahme auch nicht aus §
2 Abs.
1 a SGB V ergibt, der im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß den Grundsätzen grundrechtsorientierter
Auslegung nach Art.
2 Abs.
1 und
2 Grundgesetz (
GG) vom Gesetzgeber eingeführt wurde. Nach dem Beschluss des BVerfG geben die Grundrechte aus Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art.
2 Abs.
2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung
* in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung,
* wenn für sie eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und
* die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf
Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (BVerfG, a.a.O.).
§
2 Abs.
1 a SGB V erweiterte dies, wie dargelegt, auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen.
Zwar liegt eine belastende und die Lebensqualität beeinflussende Erkrankung des Bf. vor. Auch die wiederkehrende Punktion
des Aszites im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthalts trägt hierzu bei; ferner berücksichtigt der Senat ein gewisses
Infektionsrisiko im Bauchraum im Rahmen einer Punktion. Allerdings teilt der Senat im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung die Ansicht des Sozialgerichts, dass im konkreten Fall ein voraussichtlicher
tödlicher Krankheitsverlauf nicht innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit (hierzu
z.B. BSG, Urt. v. 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R) eintritt. Zwar liegt auch nach dem aktuellen Arztbericht des Krankenhauses N. vom 12.05.2020 - neben weiteren Erkrankungen
- ein ausgeprägter Aszites bei akutem Nierenversagen vor. Die Parazentese wurde aber offensichtlich ohne Probleme durchgeführt;
der Bf. konnte in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden. Es lag somit keine notstandsähnliche Situation vor (hierzu
BSGE 115, 95 - juris Rn. 27, 29). Diese würde voraussetzen, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich
der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit
verwirklichen wird. Nach den konkreten Umständen, dokumentiert am 12.05.2020, war und ist der Bf. offensichtlich stabil und
die Situation nicht lebensbedrohlich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der weiteren Erkrankungen des Bf.; als Diagnosen
bestehen neben dem kardiohepatorenalen Syndrom bei schwerer, überwiegend präkapillärer pulmonaler Hypertonie mit Zunahme der
Aszites ein akutes Nierenversagen bei bekannter chronischer Niereninsuffizienz und Eisenmangelanämie.
Im Übrigen stehen nach der Würdigung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegenwärtig alternative Behandlungsmethoden
zur Verfügung. Dies gilt zum einen für die hier tatsächlich regelmäßig angewandte Punktion bzw. Parazentese, zum anderen ist
hierbei auf medikamentöse Therapien und auf das von der Bg. im Beschwerdeverfahren genannten Horizontale Drainage Fix System,
auf die sterile Anbringung eines Drainagebeutels über der Drainage oder die sterile Anbringung einer Redonflasche über der
Drainage zu verweisen. Die Bg. hat mit Schriftsatz vom 27.05.2020 glaubhaft die Geeignetheit der vorgeschlagenen alternativen
Behandlungsmöglichkeiten dargelegt. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem beantragten PleurX-System besteht darin, dass
zusätzlich eine Fixierplatte auf der Bauchhaut angebracht werden muss, da das System nicht fest mit dem Körper verbunden werden
kann. Im Übrigen ist nach Darlegung der Bg. die Wirkweise dieselbe, d.h. auch hier wird insbesondere ein Vakuum erzeugt, das
das Wasser aus dem Bauchraum zieht. Die Bg. hat lediglich zugestanden, dass das im erstinstanzlichen Verfahren genannte Perkustay
Pflugbeil System nicht als Alternative zugemutet werden kann, da der Katheter alle 30 Tage gewechselt werden muss.
Soweit für den Bf. zuletzt mit Schriftsatz vom 08.06.2020 auch Zweifel an der Geeignetheit des von der Bg. benannten "Horizontalen
Drainage Fix Systems" mit einer angeblichen Verweildauer von nur sieben Tagen vorgebracht werden, betrifft die genannte Fundstelle
auf www.hollister.de nur die Tragedauer der sterilen Drainage-Fixationsklammer, die in diesem System "eine leicht anwendbare
Alternative zur Befestigung von Tuben und Drainageschläuchen" darstellt. Ob tatsächlich eine geeignete, alternative Behandlungsmethode
zur Verfügung steht, bleibt aber ggf. einer gutachterlichen Überprüfung im Widerspruchs- und evtl. anschließenden Klageverfahren
überlassen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist jedenfalls nicht
geboten; dies würde dem Sinn und Zweck dieses Verfahrens, zeitnah eine vorläufige Regelung zu treffen, widersprechen.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist für den Senat ein Anordnungsanspruch vom Bf. nicht glaubhaft gemacht, da alternative
Behandlungsmethoden bzw. Hilfsmittel zumindest im gegenwärtigen Gesundheitszustand des Bf. bei summarischer Prüfung zur Verfügung
stehen.
Da Anordnungsanspruch und -grund kumulativ vorliegen müssen, kann der Senat offen lassen, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft
gemacht ist.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.