Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Heraufsetzung des anerkannten Grades der Behinderung (GdB) und zur
Feststellung der Schwerbehinderung. Er leidet unter einem angeborenen Herzfehler, zu dessen Behandlung wiederholt ein Aortenklappenersatz
vorgenommen wurde.
1999 hatte der Beklagte den GdB wegen "Herzleistungsminderung mit mehrfacher Aortenklappenersatz-Operation mit bleibenden
Thoraxveränderungen, Marcumartherapie" auf 40 festgesetzt.
Am 18. Februar 2008 beantragte der Kläger die Neufeststellung wegen Hinzutretens neuer und Verschlimmerung bestehender Behinderungen.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2008 lehnte der Beklagte die begehrte Neufeststellung ab und fasste lediglich die Bezeichnung der
Funktionsbeeinträchtigungen neu wie folgt: "Herzleistungsminderung; mehrfache Aortenklappenersatz-Operation mit bleibenden
Thoraxveränderungen; Antikoagulantientherapie." Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2009 stellte der Beklagte fest, dass
die Körperbehinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt habe, wies im Übrigen aber den Widerspruch
zurück. Zugleich nahm er als weitere Funktionsbeeinträchtigung "Herzrhythmusstörungen" auf.
Mit der am 11. Dezember 2008 erhobenen Klage hat der Kläger die Festsetzung des GdB auf 100 und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises
begehrt. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. September 2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt,
der Kläger weise ausweislich der eingeholten Befundberichte der ihn behandelnden Ärzte eine Leistungsbeeinträchtigung bei
mittelschwerer Belastung auf, die mit einem GdB von 40 maximal bewertet sei.
Mit seiner am 23. Oktober 2009 erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt hierzu vor, es falle
ihm schwer, Ruhesuffizienz zu erreichen. Er leide an einer hypertrophisch obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM). Er verspüre
Herzprobleme beim Treppensteigen kurz vor Erreichen des 1. Stockwerkes. Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. September 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides
vom 30. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2009 zu verpflichten, den GdB ab dem 18. Februar
2008 auf 100 festzusetzen und das Vorliegen der Schwerbehinderung festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Gericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. B und D sowie des Deutsches Herzzentrum Berlin eingeholt,
auf die Bezug genommen wird.
Wegen der weitern Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen,
die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines GdB von mehr als 40 ab dem 18. Februar 2008.
Nach den §§
2 Abs.
1,
69 Abs.
1 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (
SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend
den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit
(AHP) zu bewerten, die als antizipierte Sachverständigengutachten gelten. Seit dem 1. Januar 2009 sind die in der Anlage zur
Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP - ohne dass hinsichtlich
der medizinischen Bewertung eine grundsätzliche Änderung eingetreten wäre - abgelöst haben. Sie sind grundsätzlich auch für
noch nicht bestandskräftig beschiedene Zeiträume vor Inkrafttreten der VersMedV heranzuziehen (vgl. Bundessozialgericht -BSG-,
Urteil vom 11. Dezember 2008, B9/9a SB 4/07 R, Juris, zur Rückwirkung der vorläufigen Neufassung der AHP 2008).
Unter Berücksichtigung der Vorgaben in Nr. 26.9 (S. 71) der AHP 2008 bzw. nach Teil B Nr. 9.1 der Anlage zur VersMedV rechtfertigt
der bei dem Kläger bestehende Herzfehler nicht den Ansatz eines höheren GdB als 40. Für die Bemessung der GdB ist danach weniger
die Art einer Herzkrankheit maßgeblich als die Leistungseinbuße. Nach Nr. 9.1.2 der Anlage zur VersMedV ist bei Herzklappenprothesen
der GdB nicht niedriger als 30 zu bewerten, wobei dies die Dauerbehandlung mit Antikoagulantien einschließt. Im Übrigen ist
zu unterscheiden nach Leistungsbeeinträchtigungen bei mittelschwerer Belastung, die einen GdB bis 40 rechtfertigen, Leistungsbeschränkungen
bereits bei alltäglicher leichter Belastung, die einen GdB bis 70 rechtfertigen, und Leistungsbeschränkungen bereits in Ruhe,
die zu einem GdB bis 100 führen. Eine Bewertung oberhalb von setzt 40 setzt demnach voraus, dass eine Leistungsbeeinträchtigung
bereits bei alltäglicher leichter Belastung gegeben ist (z.B. Spazierengehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte
körperliche Arbeit). Hierfür wird als ein Kriterium das Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt
über wenigstens zwei Minuten angegeben. Nach den vorliegenden Befundberichten ist eine derartige Leistungsbeeinträchtigung
beim Kläger nicht gegeben. So hat der Facharzt für Allgemeinmedizin D den Kläger zuletzt am 1. Oktober 2009 untersucht und
hierzu ausgeführt, der Kläger könne mehrere Stockwerke steigen, deren Anzahl er aber nicht angeben könne. Sicherlich seien
dies weniger als bei gesunden Menschen. Es bestehe aufgrund der Erkrankung ein generelles Verbot für größere Anstrengungen.
Im Übrigen hat er auf den Bericht des Herzzentrums über die dort stattgefundene Untersuchung vom 2. Oktober 2009 Bezug genommen.
Darin hat das Herzzentrum ihm berichtet, der Kläger fühle sich gut belastbar. Das Herzzentrum seinerseits hat im Befundbericht
vom 17. Februar 2010 angegeben, der Kläger habe bei der am 17. April 2009 durchgeführten Spiroergometrie eine gute kardiopulmonale
Belastbarkeit gezeigt (10:52 Min. mit maximaler Last von 180 Watt). Er könne keinen Leistungssport und wegen des Blutungsrisikos
keine Sportarten mit Verletzungspotenzial ausüben. Das Treppensteigen sei ihm über vier bis fünf Stockwerke möglich. Eine
Ruheinsuffizienz wird in beiden Befundberichten verneint. Der Befundbericht des Arztes für Kinderkardiologie Dr. B ist demgegenüber
ohne eigene Aussagekraft, denn dort wird als Funktionseinschränkung nur vage eine begrenzte Belastbarkeit durch Herzfehlbildung
benannt und wegen der Einzelheiten auf das Herzzentrum verwiesen. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Angaben
des Herzzentrums zum Treppensteigen von vier bis fünf Stockwerken in Zweifel gezogen, doch liegt die konkret anhand der Spiroergometrie
dokumentierte Leistungsfähigkeit des Klägers so deutlich oberhalb des für die Annahme einer Leistungsbeeinträchtigung bereits
bei leichter Belastung anzusetzenden Wertes, dass der Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung durch Einholung
eines Gutachtens sieht.
Auch das Hinzutreten der Herzrhythmusstörungen rechtfertigt keine höhere Bemessung des GdB. Es kann letztlich dahinstehen,
in welcher Häufigkeit beim Kläger die als Funktionsbeeinträchtigung anerkannten Herzrhythmusstörungen auftreten. Insoweit
geben die vorliegenden Befundberichte kein eindeutiges Bild, denn das Herzzentrum berichtet einerseits, die Therapie mit Beta-Blockern
sei im Februar 2007 begonnen worden; unter ihr träten Herzrhythmusstörungen nur vereinzelt auf. Andererseits sollen im Langzeit-EKG
vom 31. Mai 2007 Extrasystolen mit Beschwerden, supraventrikuläre Extrasystolen und supraventrikuläre Runs aufgetreten sein,
wobei hierzu angegeben wird, erst danach sei die Betablocker-Therapie aufgenommen worden. Der weiteren Aufklärung durch Einholung
eines Gutachtens bedarf es indes nicht, denn selbst bei unterstellten signifikanten Herzrhytmusstörungen würden diese in der
Gesamtschau mit der Herzleistungsminderung nicht zu einem GdB von mindestens 50 führen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung
die Auswirkungen der Rhythmusstörungen dergestalt beschrieben hat, dass er sich ihrer im Zustand körperlicher Ruhe bewusst
werde. Eine signifikante weitergehende Leistungseinbuße über jene durch die Herzfehlbildung bedingte hinaus ist damit nicht
ersichtlich. Das Ausmaß der Behinderung wird demnach nicht in einer Weise vergrößert, dass eine Anhebung des GdB von 40 gerechtfertigt
wäre.
Damit fehlt es auch an den Voraussetzungen des §
2 Abs.
2 SGB IX für die weiter begehrte Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft, denn diese setzt einen GdB von wenigstens 50 voraus.
Ein Anspruch auf Gleichstellung gemäß §
2 Abs.
3 SGB IX ist nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht erfüllt.