Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung der Gesundheitsbeschädigungen des Klägers als Wehrdienstbeschädigung
nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
Der 1969 geborene Kläger trat nach seinem Abitur der Nationalen Volksarmee bei. Im Jahre 1991 wurde er von der Bundeswehr
übernommen. Dort strebte er die Laufbahn eines Stabsoffiziers an. Aus diesem Grund stimmte er der Versetzung auf einen A9/A10-Dienstposten
zum 1. April 1999 nicht zu, da er Nachteile für seine Karrierechancen fürchtete. Um sein Leistungspotential zu dokumentieren,
hielt er eine Verwendung auf einem A11-Dienstposten für angemessen. Die Personalstelle nahm dementsprechend diese Verwendungsplanung
zurück.
Im August 1999 wurde dem Kläger, der seinerzeit den Rang eines Oberleutnants inne hatte, mitgeteilt, dass die Absicht bestehe,
ihn zum 1. September 1999 bzw. zum 1. Januar 2000 auf einem A9/A10-Dienstposten bei der Nachschubstaffel zu verwenden. Auch
hiermit war der Kläger nicht einverstanden. Der Personaloffizier äußerte bei einem Gespräch mit dem Kläger im September 1999,
dass eine Ablehnung der Versetzung sich nachteilig auf die Karriere auswirken könne. Hierdurch fühlte der Kläger sich massiv
unter Druck gesetzt. In den folgenden Wochen traten ihm Ein- und Durchschlafstörungen, körperliches Schwächegefühl, besonders
in den Beinen, Ess-Störungen mit Gewichtsverlust und Schweißausbrüche sowie im November 1999 ein langsam progredienter Tremor
aller Muskelgruppen auf, weshalb der Kläger sich in ambulante Behandlung begab. Als er am 4. Dezember 1999 zu Hause dekompensierte,
wurde er in das Bundeswehrkrankenhaus B zur stationären Behandlung eingewiesen. Nach einem Gespräch mit dem Klinikleiter Oberstarzt
Dr. H am 10.Dezember 1999, der dem Kläger gegenüber äußerte, er erscheine wie ein Kriegszitterer des Ersten Weltkriegs, trat
eine spastische Haltung auf. Bis heute zeigt der Kläger ein abnormes Gangbild mit breitbeinig unsicher wirkendem Gang und
zwischen die Schultern heruntergezogenem Kopf bei gleichzeitig gebeugtem Rücken. Im Bundeswehrkrankenhaus wurde eine schwere
konversionsneurotische Störung diagnostiziert. Am 4. Januar 2000 endete die stationäre Behandlung. Nach einem Selbsttötungsversuch
im Mai 2000 befand der Kläger sich bis Ende August 2000 im Bundeswehrkrankenhaus bzw. in der C. Anschließend unterzog er sich
bis 2007 der ambulanten therapeutischen Behandlung bei dem Internisten und Psychotherapeuten R. Seit Dezember 2001 ist er
als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 wegen seelischer Störungen anerkannt.
Im Februar 2001 nahm der Kläger wieder den Dienst bei der Bundeswehr auf, seit 2005 in vollem Umfang. Derzeit bekleidet er
den Rang eines Majors.
Im Dezember 2000 beantragte er, seine Erkrankung als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Die Beklagte holte neben diversen
medizinischen Unterlagen die gutachterliche Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. N vom 8. Juli 2001 ein, der einen Zusammenhang
der konversionsneurotischen Störung mit Wehrdiensteinflüssen für nicht wahrscheinlich hielt. Dem folgend lehnte die Wehrbereichsverwaltung
V den Antrag mit Bescheid vom 29. August 2001 ab. Die Beschwerde des Klägers wies die Wehrbereichsverwaltung Süd nach weiteren
Ermittlungen und Einholung einer weiteren Stellungnahme des Dr. N vom 4. Oktober 2002 mit Beschwerdebescheid vom 11. November
2002 zurück.
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger die Anerkennung seiner psychischen Erkrankung als Wehrdienstbeschädigung
und einen Ausgleich nach § 85 SVG begehrt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Juli 2004 abgewiesen: Bei dem Kläger läge zweifellos eine psychische Erkrankung
vor. Jedoch seien die Umstände bei der beabsichtigten Versetzung - auch unter Berücksichtigung des von ihm geschilderten Fehlverhaltens
seiner Vorgesetzten - nicht als dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse anzusehen. Viele Beamte und abhängig Beschäftigte
erlebten dieselbe Situation, in der sie von Versetzungsaktionen seitens ihrer Arbeitgeber betroffen seien. Oft würden hierbei
Arbeitnehmerrechte verkürzt. Auch solche Beschäftigten fühlten sich unter Druck gesetzt und fürchteten Karrierenachteile.
Betroffene Beamte hätten die Möglichkeit der Remonstration, müssten aber - wie Soldaten - der Versetzungsverfügung folgen.
Im Übrigen sei Mobbing kein auf eine bestimmte Berufsgruppe bezogenes Phänomen. Ferner sei der Umstand, dass der Kläger sich
dem Regime truppenärztlicher Behandlung zu unterwerfen gehabt habe, keine wesentlich Ursache für die Ausbildung seines Krankheitsbildes
gewesen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass das Sozialgericht die Besonderheiten des Soldatenverhältnisses
verkannt habe, welches in Bezug auf das Geprägtsein durch Befehl und Gehorsam nicht mit einem Beamtenverhältnis oder einem
Arbeitsverhältnis vergleichbar sei. Eine Remonstration sei nicht vorgesehen.
Auf den Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist die Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. K gehört worden, die im Gutachten vom 29. November 2005 ausgeführt
hat, der Kläger leide unter einer schweren dissoziativen Bewegungsstörung; er befinde sich in einer subdepressiven Stimmungslage.
Den Behandlungsbedingungen im Bundeswehrkrankenhaus komme eine wesentliche Bedeutung für das Bestehenbleiben der Symptomatik
zu. Denn der entscheidende Konflikt für den Kläger habe darin bestanden, dass das Krankenhaus Dienstherr gewesen sei, vor
dem man das Gesicht nicht habe verlieren dürfen, und zugleich therapeutische Institution, in der man seine Hilflosigkeit hätte
zeigen dürfen bzw. sogar müssen. Die Erkrankung des Klägers sei der Gruppe der schweren Störungen mit mittelgradigen sozialen
Anpassungsschwierigkeiten zuzuordnen und mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 zu bewerten. Die bizarre Körperhaltungs-
und Bewegungsstörung beeinträchtige in jeder Form sein Kontakt- und Beziehungsverhalten mit psychosozialen Folgen, vor allem
sozialem Rückzug mit subjektiv empfundener Unzumutbarkeit seiner Person.
Der Senat hat nach §
106 SGG das Gutachten des Nervenarztes Dr. T vom 28. Mai 2008 eingeholt, der eine Wehrdienstbeschädigung verneint hat: Bei dem Kläger
habe bereits vor 1999 eine Labilität und Prädisposition für die dann eintretende Symptombildung bestanden. Die angekündigte
Versetzung sei zwar auslösendes Ereignis, habe aber untergeordnete Bedeutung für das Ingangkommen der neurotischen Symptomatologie.
Gleiches gelte für die nachfolgende psychiatrische Behandlung bei Dr. H.
Ferner ist ein Befundbericht des behandelnden Therapeuten R vom 12. Oktober 2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 4. Dezember
2008 angefordert worden, der die Ansicht vertreten hat, dass der Kläger durch die Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus eine
kumulative Traumatisierung erfahren habe. Dessen Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung hat Dr. T in seiner Stellungnahme
vom 15. Juni 2009 mit der Begründung abgelehnt, dass die Kriterien laut ICD-10 ("International Statistical Classification
of Diseases and Related Health Problems" im Stand der 10. Revision) nicht erfüllt seien.
In ihrer Stellungnahme vom 15. Februar 2009 (i.e. 2010) hat Dr. K ausgeführt, dass der Kläger durch seine frühzeitige Festlegung
auf die militärische Laufbahn entsprechend gefährdet gewesen sei, berufliche Enttäuschung als tiefgehend und irreversibel
zu erleben. Aus dieser Dynamik sei die Erstsymptomatik 1999 entstanden, als es um die Versetzungskonflikte gegangen sei. Die
krisenhafte Reaktion des Klägers sei nachvollziehbar, liege jedoch ausschließlich in dessen Verantwortung und nicht in der
des Dienstherren.
Die Beklagte hat eine versorgungsmedizinische Stellungnahme der Sozialmedizinerin Oberfeldarzt K vom 26. April 2010 eingereicht,
die ausgeführt hat: Bei dem Kläger lägen keine Hinweise auf psychiatrische Erkrankungen vor dem September 1999 vor. Es bestehe
Konsens mit Dr. K, dass das Versetzungsgeschehen nicht dem Dienstherren anzulasten sei. Die Kriterien einer posttraumatischen
Belastungsstörung seien nicht erfüllt. Das Krankheitsbild der dissoziativen Bewegungsstörung habe mindestens vierzehn Tage
vor Beginn der stationären Therapie in nicht ganz vollständiger Ausprägung vorgelegen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass es
durch die Behandlung durch militärische Therapeuten zu einer Verschlimmerung der dissoziativen Bewegungsstörung gekommen sei.
Der von Dr. K vorgeschlagene Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 60 für die vollständige Gesundheitsstörung sei hälftig auf
den wehrdienstbedingten und nichtwehrdienstbedingten Anteil aufzuteilen.
Mit Änderungsbescheid vom 3. Mai 2010 hat die Beklagte als Folge einer Wehrdienstbeschädigung das Fortschreiten einer dissoziativen
Bewegungsstörung, verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 SVG, anerkannt und dem Kläger ab 5. Dezember 1999 einen Ausgleich nach § 85 SVG auf der Grundlage eines GdS von 30 gewährt.
Der Kläger hat erklärt, der Rechtsstreit habe sich nicht vollständig erledigt. Er ist der Auffassung, Anspruch auf Zuerkennung
eines GdS von 60 zu haben. Es liege keine Verschlimmerung seiner dissoziativen Bewegungsstörung vor, denn ohne die Behandlung
im Bundeswehrkrankenhaus wäre es nicht zu seiner Traumatisierung gekommen. Auch sei die Leidensbezeichnung im Änderungsbescheid
unvollständig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung
V vom 29. August 2001 in der Gestalt des Beschwerdebescheides der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 11. November 2002 und in
der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Mai 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass die psychische Traumatisierung mit
Folgeerkrankungen, vor allem dissoziativer Haltungs- und Bewegungsstörung sowie subdepressiver Stimmungslage und posttraumatischer
Belastungsstörung bei kumulativem Trauma, Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist, und ihm wegen dieser Folge während seiner
Dienstzeit ab dem 5. Dezember 1999 einen Ausgleich nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 3. Mai 2010 abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für zutreffend. Die Vielzahl von kränkenden Ereignissen, zurückreichend bis in die NVA-Zeit, belege
eine psychische Vorerkrankung des Klägers vor Beginn des Wehrdienstes in der Bundeswehr. Denn andernfalls hätte er die Gefahr
einer Versetzung ohne eine psychische Krise verkraftet.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge
der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers und die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 3. Mai 2010 sind nur zum Teil begründet.
Denn der Kläger hat lediglich Anspruch auf Anerkennung der dissoziativen Bewegungsstörung sowie der subdepressiven Stimmungslage
als Wehrdienstbeschädigung nach § 81 SVG.
Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung,
durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen
herbeigeführt worden ist. Entsprechend diesen gesetzlichen Bestimmungen ist für die vorliegend streitige Anerkennung von Schädigungsfolgen
eine dreigliedrige Kausalkette zu prüfen (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 25. März 2004, B 9 VS 1/02 R, SozR 4-3200 § 81 Nr. 1): Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung
geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen bedingt hat. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang grundsätzlich
eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (vgl. § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG).
Die Geschehnisse im Rahmen der angekündigten Versetzung des Klägers stellen keinen mit dem Wehrdienst zusammenhängenden schädigenden
Vorgang dar, da sie nicht den dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen entspringen. Dies hat das Sozialgericht ausführlich
dargelegt. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils vom 6. Juli 2004 und sieht nach §
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Einwände des Klägers, das Soldatenverhältnis sei in Bezug
auf das Geprägtsein durch Befehl und Gehorsam nicht mit einem Beamtenverhältnis oder einem Arbeitsverhältnis vergleichbar,
vermögen nicht zu überzeugen. Der Umstand, dass eine Remonstration des Soldaten nicht vorgesehen ist, bedeutet nicht, dass
er eine unrechtmäßige Versetzung hinzunehmen hätte. Selbstverständlich steht ihm hiergegen der Rechtsweg offen (vgl. etwa
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2008, 1 WB 49/07, BVerwGE 132, 234).
Hingegen bildet die Behandlung des Klägers im Bundeswehrkrankenhaus einen mit dem Wehrdienst zusammenhängenden schädigenden
Vorgang im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG. Bereits die Ausgestaltung der Heilfürsorge für Soldaten, die sich von den außerhalb der Bundeswehr herrschenden Verhältnissen
deutlich unterscheidet, ist dem Wehrdienst eigentümlich (vgl. BSG, Urteil vom 10.Dezember 1975, 9 RV 338/74, SozR 3200 § 80 Nr. 2 mit weiteren Nachweisen). Vorliegend kommt die Besonderheit hinzu, dass, worauf Dr. K in ihrem Gutachten
vom 29. November 2005 überzeugend hingewiesen hat, der entscheidende Konflikt für den Kläger darin bestand, dass das Krankenhaus
ihm als Dienstherr und zugleich als therapeutische Institution begegnete. Durch die Behandlung ist es zu einer gesundheitlichen
Schädigung des Klägers gekommen, die Schädigungsfolgen zeitigte.
Hierbei handelte es sich nach den Darlegungen der Sachverständigen Dr. K, denen sich die Sozialmedizinerin Oberfeldarzt K
in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2010 angeschlossen hat, in erster Linie um die dissoziative Bewegungsstörung des Klägers.
Der Einschätzung des Nervenarztes Dr. T in dessen Gutachten vom 28. Mai 2009, der eine Verursachung dieser Erkrankung durch
die Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus verneint hat, wird nicht gefolgt. Sie ist mangels hinreichender Begründung nicht nachzuvollziehen.
Die dissoziative Bewegungsstörung ist hierbei im Sinne der Entstehung zu berücksichtigen. Denn die Anerkennung einer Gesundheitsstörung
im Sinne der Entstehung setzt nach Teil C Nr. 7a (Bl. 108) der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)
voraus, dass zur Zeit der Einwirkung des schädigenden Vorganges noch kein dieser Gesundheitsstörung zugehöriges pathologisches
physisches oder psychisches Geschehen vorhanden war. Sofern zur Zeit der Einwirkung des schädigenden Vorganges bereits ein
einer Gesundheitsstörung zugehöriges pathologisches physisches oder psychisches Geschehen, wenn auch noch nicht bemerkt, vorhanden
war, kommt nur eine Anerkennung im Sinne der Verschlimmerung in Frage, falls die äußere Einwirkung entweder den Zeitpunkt
vorverlegt hat, an dem das Leiden sonst in Erscheinung getreten wäre, oder das Leiden in schwererer Form aufgetreten ist,
als es sonst zu erwarten gewesen wäre. Der Kläger litt zwar bereits ca. zwei Wochen vor der Einweisung in das Bundeswehrkrankenhaus
an einem progredienten Tremor aller Muskelgruppen. Das Krankheitsbild lag aber nach den Darlegungen der Sozialmedizinerin
Oberfeldarzt K zu diesem Zeitpunkt noch nicht in vollständig ausgeprägter Form vor. Die entscheidende Wende im Krankheitsbild
zu der - bis heute bestehenden - Form der Bewegungsstörung ist erst bei der Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus eingetreten,
die sich damit als wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung darstellt.
Über die Feststellungen der Beklagten hinaus ist auch die subdepressive Stimmungslage als Folge einer Wehrdienstschädigung
aufzunehmen. Hierbei handelt es sich um eine weitere Verschlechterung im Sinne der Entstehung nach Teil C Nr. 7b (Bl. 108)
der Anlage zu § 2 VersMedV, die auf die Schädigung ursächlich zurückzuführen ist. Dies ergibt sich aus den Darlegungen der
Sachverständigen Dr. K, die nachvollziehbar darauf verwiesen hat, dass der Kläger sich in seinen angestrebten Lebenszielen
als zutiefst gescheitert und als ernstzunehmendes Gegenüber in jedweder sozialen Beziehung für nicht geeignet hält. Den ärztlichen
Unterlagen ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger schon vor der stationären Aufnahme in das Bundeswehrkrankenhaus an einer
subdepressiven Stimmungslage litt. Die ferner begehrte Anerkennung eines depressiven Syndroms ist nicht möglich, da nicht
zu erkennen ist, dass dieses eine Dauerfolge der Schädigung darstellte. Im Gegenteil berichtete die Gutachterin Dr. K, dass
das depressive Syndrom sich unter antidepressiver Medikation zurückbildete.
Für die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ist kein Raum. Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger
an dieser psychischen Erkrankung litt. Die Diagnose seines Therapeuten R im Befundbericht vom 12. Oktober 2008 ist nicht nachvollziehbar.
Allein das Vorliegen eines belastenden Erlebnisses im Sinne eines Stressor-Kriteriums (A-Kriterium) einerseits und einer psychischen
Erkrankung andererseits erlauben noch nicht den Schluss auf eine PTBS. Vielmehr müssen, worauf Dr. T in seiner Stellungnahme
vom 15. Juni 2009 hingewiesen hat, weitere spezifische Symptome hinzutreten, die in den ICD-10 F43.2 wie folgt umschrieben
werden:
Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flash
backs), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit
auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit
sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand
von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und
Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten.
Diese Symptome sind drei Clustern zugeordnet: Intrusionen (B-Kriterium), Vermeidungsverhalten (C-Kriterium) und Hyperarousal
(D-Kriterium), wobei als entscheidende Leitsymptome das Vorkommen von Intrusionen und Flash backs gesehen werden (siehe hierzu
Foerster, Die psychoreaktiven Störungen - auch außerhalb der Begutachtung ein häufig schwieriges Thema, in: MedSach 106, 1/2010,
S. 16). Aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass bei dem Kläger Symptome der genannten
Art vorlagen.
Die Aufnahme des Begriffs "psychische Traumatisierung" kommt nicht in Betracht. Sie ist zum einen zu unspezifisch und dürfte
zum anderen eher dem zweiten Glied der in § 81 Abs. 1 SVG geregelten Kausalkette, der primären Schädigung, als der Schädigungsfolge zuzuordnen sein.
Wegen der Folgen der erlittenen Wehrdienstbeschädigung hat der Kläger nach § 81 Abs. 1 SVG während seiner Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Deren Höhe bemisst sich nach dem Grad der Schädigungsfolgen, der gemäß § 30 Abs. 1 BVG nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen,
geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der seitens der Gutachterin Dr. K vorgeschlagene GdS von 60 nicht hälftig auf den wehrdienstbedingten
und nichtwehrdienstbedingten Anteil aufzuteilen und dem Kläger ein GdS von lediglich 30 zu gewähren. Für eine derartige Herabsetzung
des GdS gibt das Gutachten keinen Anhalt. Vielmehr hat die Sachverständige auf der Grundlage der - auch vom Senat geteilten
- Auffassung, dass nicht das Versetzungsgeschehen, sondern allein die Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus die wesentliche
Ursache der gesundheitlichen Schädigung des Klägers bildete, die dessen psychischen Erkrankungen zeitigte, überzeugend dargelegt,
dass die Schädigungsfolgen mit einer GdS von 60 zu bewerten sind, da sie als schwere psychische Störungen mit mittelgradigen
sozialen Anpassungsschwierigkeiten anzusehen sind. Diese Einschätzung steht im Einklang mit den Vorgaben in Teil B Nr. 3.7
(Bl. 27) der Anlage zu § 2 VersMedV, die für psychische Erkrankungen dieses Grades einen GdS-Rahmen von 50 bis 70 vorsehen.
Die Gutachterin hat dargelegt, dass die Bewegungsstörung das Kontakt- und Beziehungsverhalten des Klägers in jeder Form mit
psychosozialen Folgen beeinträchtigt, vor allem sozialem Rückzug mit subjektiv empfundener Unzulänglichkeit seiner Person.
Der darin enthaltene Verlust der Anerkennung, das Gefühl, nicht vollwertig zu sein und damit kein Recht auf irgendwelche Form
von Anerkennung zu haben, hat aufgrund der hohen Ich-Ideal-Vorstellung seinem Selbst gegenüber für den Klägers besonders folgenschwere
Konsequenzen, und zwar auch mit der Folge der von der Sachverständigen beschriebenen subdepressiven Verstimmung. Trotz der
guten Beurteilung im Rahmen seiner derzeitigen Verwendung sieht der Kläger sich als gescheitert an.
Die nach §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der Kläger zum weitaus überwiegenden Teil Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht erfüllt.