Anspruch auf erweiterte Honorarverteilung - EHV - in der vertragsärztlichen Versorgung in Hessen
Bemessung der Leistungen unter Anwendung der Rechtslage zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls
Recht- und Verfassungsmäßigkeit einer Kürzung des Anspruchssatzes gemäß § 4 Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung nach
einem Zulassungsverzicht
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Anspruchs aus der Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten
ab dem 1. Dezember 2010 und hierbei insbesondere um die Frage, wie nach einem Zulassungsverzicht im Jahre 1994 der EHV-Anspruch
zu berechnen ist.
Der 1945 geborene Kläger war vom 1. Januar 1977 bis 31. Dezember 1994, also insgesamt 18 Jahre als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen
Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er beendete seine Zulassung aufgrund Verzichts. Anschließend war er beim
Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen beschäftigt.
Er beantragte am 3. August 2010 die Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV).
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 7. November 2011 die Teilnahme an der EHV ab 1. Dezember 2010 und setzte den Anspruchssatz
auf 12,6929 % fest. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe zum 31. Dezember 1994 vorzeitig auf seine Vertragsarztzulassung
verzichtet.
Nach § 4 der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung (GEHV) werde der Anspruchssatz für jedes volle Jahr zwischen Beendigung
der vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen und dem Eintritt in die EHV um 0,5 % gekürzt. Der bis 31. Dezember 1994 ermittelte
Anspruchssatz von 13,7220 % reduziere sich somit um 1,0292 % auf 12,6929 %. Der Anspruchssatz wäre zum Leistungszeitpunkt
auf den Durchschnittshonorarumsatz aller Vertragsärzte im Bereich der KV Hessen bezogen. Unter Zugrundelegung der zuletzt
abgerechneten Durchschnittshonorare würde der Quartalsanspruch des Klägers bei einem Anspruchssatz von 12,692 % zurzeit ca.
4.730,00 Euro betragen. Der Kläger erhalte eine monatliche Vorauszahlung von ca. 25 % des zu erwarteten Quartalsbetrages.
Der Rest werde nach Fertigstellung der jeweiligen Quartalsabrechnung überwiesen. Die Beklagte leistete EHV-Zahlungen ab 1.
Dezember 2010 in Höhe von 1.180 EUR monatlich.
Gegen den Bescheid vom 7. November 2011 legte der Kläger am 15. November 2011 Widerspruch ein.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2016 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung erläuterte
sie die Berechnung der Anwartschaft. Aus dem dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen werde ersichtlich, dass ihm für den
Zeitraum von 18 Jahren 11.096,0583 Punkte gutgeschrieben worden seien. Die Punktzahl der Normalstaffel betrage bei 18 Jahren
7.200,0000 Punkte. Bei der vom Kläger erreichten Punktzahl von 11.096,0583 Punkten betrage das Verhältnis im Vergleich zu
der Punktzahl der Normalstaffel (mindestens) 100 %. Die Punktzahl der Normalstaffel von 7.200,0000 Punkten und 18 Jahren entspreche
einen Anspruchssatz für die Teilnahme an der EHV von 10,8000 %. Überschreite wie beim Kläger die Punktzahl im Jahr 400 Punkte,
werde der Prozentsatz für insgesamt höchstens bis zu 800 Punkte für je 100 Punkte um 0,075 % Punkte erhöht. Es ergebe sich
daher ein Zuschlag in Höhe von 3.896,0583 Punkten (11.096,0583 - 7.200,0000) zu je 0,075 %, also in Höhe von 2,9220 %. Dies
führe zu einem errechneten Anspruchssatz in Höhe von 13,7220 % (10,8 % + 2,922 %). Da der Kläger zum 31. Dezember 1994 vorzeitig
auf seine Vertragsarztzulassung verzichtet habe, wäre der errechnete Anspruchssatz gem. § 4 GEHV a. F. für jedes volle Jahr
zwischen Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen und im Eintritt in die EHV um 0,05 % gekürzt. Der errechnete
Anspruchssatz von 13,7220 % reduziere sich daher um 1,0292 % (15 volle Jahre x 0,5 % = 7,50 %) auf dem tatsächlichen Anspruchssatz
von 12,6929 %.
Hiergegen hat der Kläger am 22. August 2016 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, zunächst sei fraglich, welche Fassung des §
4 GEHV die Beklagte zu Grunde gelegt habe. Bei ihm liege weder ein Wegzug aus Hessen bei weiterer Ausübung kassenärztlicher/
vertragsärztlicher Tätigkeit in einem anderen Bundesland noch eine Entziehung der Zulassung vor. Weitere Vorschriften, die
eine Kürzung des Anspruchssatzes vorsähen, enthalte § 4 GEHV i. d. F. vom 2. Dezember 2000 nicht. Die aktuelle Fassung des
§ 4 GEHV enthalte ebenfalls keine Reglung, die eine Kürzung des Anspruchssatzes für ihn vorsehe. Die Reglung des § 4 Abs.
7 GEHV i. d. F. vom 1. Januar 2017 sehe bei vorzeitigem Eintritt in die EHV nach § 1 Abs. 5 eine Verringerung des Anspruchssatzes
aus der EHV um 0,5 % für jeden Monat vor, den der EHV-Empfänger vor Erreichen der Regelaltersgrenze in die EHV eintrete und
Zahlungen empfange. Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie nach Art.
14 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) könnte darin bestehen, dass die bereits entstandenen Ansprüche Vermögen darstellten und nur unter höheren Voraussetzungen
wieder zu entziehen seien. Eine Änderung sei nur zulässig, wenn dem Vertrauensschutz in besonderer Weise Rechnung getragen
werde und keine unzumutbaren Belastungen der nicht mehr berufstätigen Ärzte entstünden. Es stelle sich insbesondere als schwierig
dar, dass keine Übergangsregelung getroffen worden sei. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz könnte auch darin
zu sehen sein, dass für die Kürzung kein sachlicher Grund bestehe. Der Zulassungsverzicht sei 1994 erklärt worden und es seien
daher die Regeln anzuwenden, die in diesem Zeitpunkt geltendes Recht dargestellt hätten, mithin die GEHV i. d. F. vom 2. Dezember
2000. Es gelte das Leistungs- bzw. Versicherungsfallprinzip und nicht das Geltungszeitraumprinzip des Sozialrechts. Wenn ihm
bekannt geworden wäre, dass sich mit dem Zulassungsverzicht auch sein Anspruchssatz reduzieren würden, hätte er entsprechende
Vorsorgemaßnahmen treffen können und beispielsweise durch höhere Beiträge an das Versorgungswerk der Reduzierung des Anspruchssatzes
entgegenwirken können. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, ihn auf den Umstand der Kürzung des Anspruchssatzes hinzuweisen.
Es sei unerheblich, dass es hier nicht um einen Totalentzug gehe. Es liege ein Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte
Güter vor, welcher einer Rechtfertigung bedürfe. Entscheidend sei, dass er gegen den Bescheid vom 7. November 2011 Widerspruch
erhoben habe, der die Mitteilung über die Reduzierung des Anspruchssatzes enthalten habe. Auf andere Bescheide komme es nicht
an. Er verfolge sein Ziel nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für zukünftige Zeiträume. Im Übrigen sei auch für
bestandskräftige Honorarbescheide eine Abänderung möglich.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Rechtsgrundlage für die Kürzung sei § 4 Abs. 1 Satz 2 GEHV i. d. F. vom 1. Juli
2006 in den geänderten Fassungen ab dem 1. Januar 2007, 27. Mai 2008 und 11. Mai 2010. In § 11 Abs. 2 GEHV sei geregelt, dass
eine Teilnahme an der Honorarverteilung nach diesen Grundsätzen erstmals für das Quartal III/06 erfolge. Nach § 1 Abs. 2 GEHV
erfolge die Teilnahme an der EHV ohne Antrag für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen
Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres folge. Der Leistungsfall sei am 1. Dezember 2010 eingetreten, weshalb die GEHV
in der geänderten Fassung maßgebend sei. In der vom Kläger zitierten Entscheidung des Sozialgerichts Marburg sei die Berufsunfähigkeit
zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten, sodass nach der Entscheidung die zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Bestimmungen heranzuziehen
seien. Die strittige eingeführte Wartezeit von 5 Jahren hätte auch zum Totalentzug der eigentumsrechtlich geschützten Anwartschaft
geführt. Hier gehe es nur um eine Kürzung des EHV-Anspruchs. Ergänzend sei anzumerken, dass der Kläger gegen die EHV-Bescheide
für die einzelnen Quartale nicht Widerspruch eingelegt habe. Es liege nur ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Dezember
2016 vor, mit welchem ihm die Anpassung des Auszahlungspunkt für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2017 mitgeteilt worden
sei. Es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis, soweit die EHV-Bescheide rechtskräftig geworden seien. Der Kläger habe zum 31.
Dezember 1994 auf die Zulassung verzichtet, seine Teilnahme an der EHV sei erst ab dem 1. Dezember 2010 erfolgt. Bei solch
einem langen Zeitraum zwischen Verzicht und Teilnahme an der EHV könne nicht auf den unveränderten Bestand des Regelwerks
vertraut werden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. August 2017 abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Soweit es nach
dem Hessischen Landessozialgericht, Urteil vom 28. September 2016 - L 4 KA 70/13 - an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen den Bescheid fehlen solle, mit dem die Teilnahme an der EHV und der
Anspruchssatz festgestellt werden, wenn EHV-Bescheide bestandskräftig würden, weil kein Widerspruch erhoben werde, da eine
Erhöhung des Anspruchssatzes keine Auswirkungen auf die Höhe des EHV-Honorars für den abgeschlossenen Zeitraum haben könne,
könne dies hier dahinstehen, da der streitgegenständliche Bescheid jedenfalls auch Auswirkungen auf die Zukunft habe. Die
Klage sei aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Auszahlung unter erneuter Berechnung des Anspruchssatzes der
auf Grundlage des Bescheids vom 7. November 2011 einbehaltenen Beträge. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Teilnahme
an der EHV seien die ab 1. Juli 2006 gültigen Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung in der ab Mai 2010 gültigen Fassung
(im Folgenden: GEHV 2010). Der zeitliche Anwendungsbereich einer Regelung bestimme sich nach den allgemeinen für das intertemporale
Sozialrecht geltenden Grundsätzen, wenn das Gesetz keine ausdrückliche Übergangsregelung enthalte. Eine Neuregelung sei danach
nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht hätten (Hinweis
auf BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 - B 1 KR 29/09 R - juris Rn. 13 f.). Allgemein gilt im Sozialversicherungsrecht daher das Leistungsfall- bzw. Versicherungsfallprinzip. Es
sei nur dann nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas Anderes bestimme (Hinweis
auf BSG, Urteil vom 4. September 2013 - B 10 EG 6/12 R -, juris Rn. 38 m. w. N.). Ausdruck des Versicherungsfallprinzips sei z. B. §
75 Abs.
2 Satz 1
SGB VI, und es werde zwischen Stammrecht und Zahlungsanspruch unterschieden. Die Grundsätze des intertemporalen Rechts gälten auch
allgemein im Vertragsarztrecht. Im Bereich der EHV sei ebenfalls zwischen dem Stammrecht bzw. der Anwartschaft als erworbenem
"Anspruch auf Teilhabe in einem bestimmten Umfang" und dem konkreten Auszahlungsbetrag zu unterscheiden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 19.02.2014 - B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 79, juris Rn. 51; s. auch BSG, Urteil vom 16.07.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43, juris Rn. 53). Weder die GEHV 2011 noch die GEHV 2012 regelten in gesonderten Bestimmungen, welches
Recht anzuwenden sei. § 12 GEHV 2011 bzw. § 11 GEHV 2012 regelten nur den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Die Übergangsregelung
nach § 10 GEHV betreffe lediglich die Umrechnung der bisher bestehenden Anwartschaften und Ansprüche. Maßgeblich für das Bestehen
einer Anwartschaft sei daher allein das EHV-Satzungsrecht der Beklagten, dass zum Zeitpunkt des 65. Geburtstags des Klägers
gegolten habe. Nach den GEHV 2010 nehme jedes zugelassene ärztliche Mitglied der KV Hessen auch im Falle der Anerkennung seiner
Berufsunfähigkeit und/oder nach Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung (inaktiver Vertragsarzt) weiterhin an der Honorarverteilung
im Rahmen dieser Bestimmungen der EHV teil. Der Anspruch errechne sich nach den nachfolgenden Bestimmungen (§ 1 Abs. 1 GEHV
2010). Die Teilnahme an der EHV erfolge ohne Antrag für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen
Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres folge (§ 1 Abs. 2 GEHV 2010). Die Höhe des Anspruchs werde nach § 3 GEHV 2010
berechnet, was die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend erläutert habe. Auf dieser Grundlage habe der
Kläger einen errechneten Anspruchssatz in Höhe von 13,7220 %. Nach § 4 Abs. 1 GEHV 2010 bleibe bei Wegzug aus Hessen, bei
vorzeitigem freiwilligen Verzicht auf die Zulassung oder bei Entziehung der Zulassung abweichend von den Bestimmungen des
§ 3 Absätze 2 und 3 der vom Arzt auf Basis der Normalstaffel bis dahin erworbene Anspruch bestehen, wenn er insgesamt 400
Punkte übersteige. Dabei werde der nach Abs. 1 errechnete Anspruchssatz für jedes volle Jahr zwischen Beendigung der vertragsärztlichen
Tätigkeit in Hessen und dem Eintritt in die EHV um 0,5 % gekürzt. Bei Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen
würden für die Berechnung der Kürzung die Jahre der Unterbrechung zu Grunde gelegt. Auf dieser Grundlage habe die Beklagte
zutreffend eine Reduzierung des Anspruchssatz von 13,7220 % um 1,0292 % (15 volle Jahre x 0,5 % = 7,50 %) auf dem tatsächlichen
Anspruchssatz von 12,6929 % errechnet. Die Kammer habe bereits entschieden, dass die Kürzung wegen vorzeitigen Verzichts nach
§ 4 Abs. 1 GEHV nicht zu beanstanden sei. Damit erhalte der Vertragsarzt, der vorzeitig, d.h. auch vor der vorzeitig möglichen
Teilnahme an der EHV ausscheidet, einen Abschlag von 0,5 % für jedes volle Jahr zwischen der Beendigung und dem Eintritt in
die EHV. Wer vorzeitig verzichte, leiste insoweit keine weiteren Beiträge zur EHV. Die Kammer halte eine solche Regelung für
zulässig, auch um Anreize zu schaffen, weiterhin Beiträge als aktiver Arzt zu leisten. Die Beklagte habe hier von der Schaffung
eines Übergangsrechts absehen können, da hierdurch nicht bisher anerkannte Teile des Anspruchssatzes aberkannt worden sei,
sondern im Ergebnis der Zahlbetrag vermindert worden sei.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 24. August 2017 zugestellt worden.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist am 18. September 2017 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Der Kläger ist der Rechtsauffassung, es sei zweifelhaft, inwieweit die Fassung der GEHV vom Mai 2010 anwendbar sei. Vielmehr
seien die GEHV vom 20. Dezember 2000 anwendbar. Auch unter Anwendung des Leistungsfallprinzips seien Neuregelungen ohne ausdrückliche
anderweitige Übergangsregelung nur für Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht
hätten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 - B 1 KR 29/09 R -, juris Rn. 13 ff.). § 4 GEHV in der Fassung vom 1. Januar 2017 enthalte keine Regelung dahingehend, dass die Regelung auch
für solche ehemaligen Vertragsärzte wirke, deren Ansprüche nach der GEHV bereits entstanden seien.
Die so bewirkte Kürzung des Auszahlungsbetrages verletze Art.
14 Abs.
1 GG. Sie fuße unmittelbar auf einer Kürzung oder Abänderung des der Berechnung zu Grunde liegenden Anwartschaftsrechts. Für die
vom Sozialgericht vorgenommene Differenzierung nach Beschneidung des Anwartschaftsrechts und der Kürzung des Auszahlungsbetrages
bestehe kein Raum. Die Voraussetzungen zum rechtmäßigen Entzug von Gütern, die durch Art.
14 Abs.
1 GG geschützt seien, seien durch die Vorgehensweise der Beklagten nicht erfüllt. Es sei keine Übergangsregelung getroffen worden,
die es den Betroffenen ehemaligen Vertragsärzten, die mit den Zahlungen aufgrund der GEHV rechneten, erlaube, finanzielle
Dispositionen zu treffen. Das Sozialgericht sei insoweit auf § 8 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung und die
Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen (KVHG) nicht eingegangen. Bei einem Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung liege
kein den sonstigen ausdrücklich geregelten Fällen vergleichbarer Sachverhalt vor. Für eine sachliche Rechtfertigung fehle
auch eine entsprechende Begründung.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 18. August 2017 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. November
2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Anspruchssatz
des Klägers im Rahmen der erweiterten Honorarverteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Klage fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates
(Urteil vom 28. September 2016 - L 4 KA 70/13) fehle es am Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen einen Bescheid, mit dem die Teilnahme an der EHV und der Anspruchssatz
festgestellt werde, wenn die EHV-Bescheide bestandskräftig geworden seien, weil kein Widerspruch erhoben worden sei. Entgegen
der Auffassung des Sozialgerichts ergebe sich für den Kläger auch für die Zukunft kein Anspruch.
Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass allein das Satzungsrecht maßgeblich sei, das zum Zeitpunkt des 65. Geburtstages
des Klägers gegolten habe. Nach § 4 Abs. 1 GEHV 2010 bleibe bei Wegzug aus Hessen, bei vorzeitigem freiwilligen Verzicht auf
die Zulassung oder bei Entziehung der Zulassung abweichend von den Bestimmungen des § 3 Abs. 2 und 3 GEHV der vom Arzt auf
Basis der Normalstaffel bis dahin erworbene Anspruch bestehen, wenn er insgesamt 400 Punkte übersteige. Dabei werde der errechnete
Anspruchssatz für jedes volle Jahr zwischen Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit und dem Eintritt in die EHV um 0,5
% gekürzt.
Dies sei nicht zu beanstanden. Wer vorzeitig verzichte, leiste keine weiteren Beiträge zur EHV. Eine solche Regelung sei nach
Ansicht des Sozialgerichts Marburg zulässig, auch um Anreize zu schaffen, weiterhin Beiträge als aktiver Arzt zu leisten.
Von der Schaffung eines Übergangsrechts habe abgesehen werden können, da hierdurch nicht bisher anerkannte Teile des Anspruchssatzes
aberkannt würden, sondern im Ergebnis der Zahlbetrag vermindert werde. Allen geregelten Varianten sei gemeinsam, dass es sich
dabei um eine Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen handele. Ein vergleichbarer Sachverhalt liege damit vor.
Es handele sich nicht um eine nachträgliche Kürzung von Ansprüchen, da der Anspruch auf Teilnahme an der EHV erst mit Vollendung
des 65. Lebensjahres entstehe.
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 23. Mai 2018 zu Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter angehört; diese
ist mit Senatsbeschluss vom 22. August 2018 erfolgt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte nach Anhörung und Übertragungsbeschluss über die Berufung gegen den Gerichtsbescheid in der Besetzung des
Berichterstatters mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter entscheiden (§
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz -
SGG)
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Zwar die Klage zulässig. Ihr steht ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Unerheblich ist, dass der Kläger möglicherweise für
die Vergangenheit den Honorarbescheiden nicht widersprochen hat, denn ein Erfolg der Klage hätte Auswirkungen auf die EHV-Ansprüche
in künftigen Quartalen.
Die Klage ist indes unbegründet. Der Kläger hat keinen höheren Anspruch auf Leistungen aus der EHV.
Nach den Grundsätzen intertemporalen Sozialrechts ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtslage
zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls anzuwenden ist. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der EHV
sind daher die rückwirkend ab 1. Juli 2006, ab 1. Januar 2007 bzw. 27. Mai 2008 in Kraft getretenen Grundsätze der Erweiterten
Honorarverteilung in der ab Mai 2010 gültigen Fassung (im Folgenden: GEHV 2010). Maßgeblich für die Höhe des Anspruchs sind
insbesondere §§ 3, 4 GEHV 2010, die nachfolgend auszugsweise wiedergegeben werden:
§ 3 - Höhe des Anspruchs
(1) Die Feststellung des Anspruchs auf Teilnahme an der EHV im Rahmen dieser Bestimmungen erfolgt nach folgenden Vorgaben:
a) Für jedes Quartal wird nach Berücksichtigung der besonderen Kosten nach § 5 das Prozentverhältnis der anerkannten Honorarforderung
aus der Abrechnung der Primär-und Ersatzkassen des einzelnen Vertragsarztes zur Durchschnittshonoraranforderung aller Vertragsärzte
im Bereich der KV Hessen im gleichen Quartal festgestellt. Dabei sind auch von Versicherten direkt an den Vertragsarzt geleistete
Zahlungen (honoraräquivalente Zahlungen, z.B. Zuzahlungen nach §
28 Abs.
4 SGB V) mit einzubeziehen.
Jedem Vertragsarzt wird vierteljährlich dieser Prozentsatz in gleicher Höhe als Punktzahl auf einem Sonderkonto gutgeschrieben.
b) 400 Punkte stellen den Wert eines jährlichen Durchschnittshonorars eines Vertragsarztes aus der Behandlung von Versicherten
der Primärkassen und Ersatzkassen dar, 100 Punkte den Wert des Durchschnittshonorars im Quartal.
Die als Anlage zu § 3 Abs. 1 b) beigefügte "Normalstaffel" bestimmten Prozentsatz, mit dem ein in aktiver Vertragsarzt an
der EHV weiter teilnimmt, dessen Punktzahl jährlich um 400 Punkte angewachsen ist. Bei der Feststellung des Prozentsatzes
werden Abweichungen von der Normalstaffel gemäß den nachstehenden Vorgaben korrigiert. Maßgeblich ist die Zahl der Jahre und
Quartale der ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit im Vergleich zu jeweiligen Normalstaffel. Dabei werden angefangenen Teile
eines Quartals bis zu 6 Wochen abgerundet, über 6 Wochen aufgerundet.
Das Ruhen der Zulassung nach den Bestimmungen der Zulassungsordnung ist nicht als Zeit vertragsärztlicher Tätigkeit zu bewerten.
( "
§ 4 - Sonderregelungen zur Feststellung der Höhe des Anspruchs
(1) Bei Wegzug aus Hessen, bei vorzeitigem freiwilligen Verzicht auf die Zulassung oder bei Entziehung der Zulassung bleibt
abweichend von den Bestimmungen des § 3 Abs. 2 und 3 der vom Arzt auf Basis der Normalstaffel bis dahin erworbenen Ansprüche
bestehen, wenn er insgesamt 400 Punkte übersteigt.
Dabei wird der nach Abs. 1 errechnete Anspruchssatz für jedes volle Jahr zwischen Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit
in Hessen und dem Eintritt in die EHV um 0,5 % gekürzt. Bei Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen werden
für die Berechnung der Kürzung die Jahre der Unterbrechung zu Grunde gelegt. )"
Der zeitliche Anwendungsbereich einer Regelung bestimmt sich auch im Vertragsarztrecht nach den allgemeinen, für das intertemporale
Sozialrecht geltenden Grundsätzen, wenn das (materielle) Gesetz keine ausdrückliche Übergangsregelung enthält. Da im Bereich
der EHV wie im Sozialversicherungsrecht zwischen dem Stammrecht bzw. der Anwartschaft auf Teilhabe und dem Anspruch auf Teilnahme
an der EHV nach Erfüllung der Teilnahmevoraussetzungen mit der Rechtsfolge eines konkreten Anspruchs in Höhe von §§ 3, 4 GEHV zu unterscheiden ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 - B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 79, juris Rn. 51; siehe auch BSG, Urteil vom 16. Juli 2008 - B 6 KA 38/07 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 43, juris, Rn. 53; zu den allgemeinen Grenzen des Leistungsfallprinzips im Rentenrecht BSG, Urteil vom 5. März 2014 - B 12 R 1/12 R - SGb 2015, 101 (103 Rn. 21)), gilt auch im Recht der EHV bezüglich des Leistungsrechtsverhältnis das Leistungsfall- bzw. Versicherungsfallprinzip,
wenn keine Übergangsregelung vorgesehen ist. Anwendung findet das Recht, dass zum Zeitpunkt des Leistungsfall- bzw. Versicherungsfalls
- hier: die Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers - gilt. Hiervon ist auch das Sozialgericht zutreffend ausgegangen.
Übergangsregelungen sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 - B 1 KR 29/09 R -, juris Rn. 13 ff. der Auffassung ist, auch unter Anwendung des Leistungsfallprinzips seien Neuregelungen ohne ausdrückliche
anderweitige Übergangsregelung nur für Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht
hätten, greift dies nicht in der Weise durch, dass § 4 Abs. 1 GEHV 2010 nicht angewendet werden dürfte. Die angeführte Entscheidung
des Bundessozialgerichts bezieht sich nur auf anspruchsbegründende Umstände, die sich vor Inkrafttreten der Norm verwirklicht
haben und befasst sich nicht mit der hier maßgeblichen Problematik unecht rückwirkender belastender Regelungen zu Anwartschaften;
insoweit ist dortige Aussage selbstverständlich, dass ohne Übergangsregelung kein Anspruch entstehen kann, wenn die anspruchsbegründenden
Umstände sich in einem Zeitraum verwirklicht haben, die vor Inkrafttreten des neuen Rechts liegen. Der anspruchsbegründende
Umstand ist hier aber die Vollendung des 65. Lebensjahres, der erst nach Inkrafttreten des § 4 GEHV verwirklicht wurde.
Ob dieses Ergebnis der Anwendung der Grundsätze intertemporalen Rechts, die in erster Linie Kollisionsregeln darstellen (vgl.
Joussen, SDSRV 55 (2007), 59 (62 ff.)), zu materiell verfassungskonformen Ergebnissen führt, ist davon unabhängig zu prüfen
(siehe unten).
Die §§ 3, 4 GEHV wurden von der Beklagten auch zutreffend angewendet. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen
des Sozialgerichts und im Widerspruchsbescheid, da der Berufungsvortrag insoweit keinen Anlass für Vertiefung bietet.
Der von der Beklagten ermittelte Anspruchssatz von 13,7220 % ist für jedes volle Jahr zwischen der Beendigung der vertragsärztlichen
Tätigkeit in Hessen und dem Eintritt in die EHV um 0,5 % gekürzt worden, für 15 Jahre (d.h. Faktor 0,075) um 1,0292 %.
Diese Anwendung von § 4 Abs. 1 GEHV verstößt entgegen dem Vorbringen in der Berufung weder gegen Art.
14 Abs.
1 GG noch gegen Art.
3 Abs.
1 GG.
Ansprüche und unverfallbare Anwartschaften aus der EHV unterfallen dem Schutz der Eigentumsgarantie aus Art.
14 Abs.
1 GG; das Bundessozialgericht hat insofern eine Parallele zu den Betriebsrenten gezogen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 - B 6 KA 10/13 R -, SozR 4-2500 § 85 Nr. 79, juris Rn. 47 ff. m. w. N. aus seiner früheren Rechtsprechung). Zudem ist in der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts anerkannt, dass hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der EHV in einem gewissen
Rahmen Parallelen zur Gesetzlichen Rentenversicherung gezogen werden können. Die EHV ist zwar kein Teil der Sozialversicherung,
sie basiert jedoch auf dem auch eine solche Versicherung tragenden Gedanken einer kollektiven Pflichtversicherung zur Absicherung
der Risiken von Invalidität und Alter. Diese Annährung an den Charakter einer solidarischen Pflichtversicherung rechtfertigt
es, die seitens des BVerfG für den Bereich der Sozialversicherung aufgestellten Grundsätze sinngemäß auch auf die EHV zu übertragen
(so ausdrücklich BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 - B 6 KA 8/13 R -, SozR 4-2500 § 85 Nr. 80, Rn. 43; siehe auch Senatsurteil vom 11. April 2018 - L 4 KA 2/15 -, Rn. 72, juris).
Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz des Art.14
GG für Rentenanwartschaften schließt deren Umgestaltung durch eine Änderung des Rentenversicherungsrechts nicht schlechthin
aus. Unverfallbare Anwartschaften werden nicht in einer konkreten Höhe geschützt (vgl. BVerfGE 131, 66 (80); BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2012 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 - juris Rn. 22). Bei der eigentumsrechtlichen Prüfung gesetzlicher Regelungen, die die Höhe von Leistungen beeinflussen,
muss dem Gesetzgeber - bzw. hier dem Satzungsgeber - eine ausreichende Flexibilität erhalten bleiben, um das Versorgungssystem
und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 - B 6 KA 10/13 R -, juris Rn. 47). Insbesondere eine Anpassung an veränderte Bedingungen und im Zuge einer solchen Umgestaltung auch eine
wertmäßige Verminderung von Anwartschaften lässt die Eigentumsgarantie grundsätzlich zu (BVerfG, Beschluss vom 27. Februar
2007 - 1 BvL 10/00 -, BVerfGE 117, 272, juris Rn. 53; vgl. BVerfGE 100, 1 (37f.)). Die konkrete Reichweite des Eigentumsschutzes ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums
nach Art.
14 Abs.
1 Satz 2
GG durch den Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 53, 257 (292); 70, 101 (110); 75, 78 (97); 100, 1 (37), stRspr.). Soweit in schon bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist
zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit
der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspricht dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis
von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auch auf dem Gedanken der Solidarität und des
sozialen Ausgleichs beruht (BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 -, BVerfGE 117, 272, juris Rn. 53)
Eingriffe in rentenrechtliche wie rentenähnliche Anwartschaften müssen allerdings einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig
sein (vgl. auch zum Folgenden BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 -, BVerfGE 117, 272, juris Rn. 54 f. m. w. N.). Dabei verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem die Anwartschaften
durch den personalen Anteil eigener Leistungen der Berechtigten geprägt sind; knüpft der Normgeber an ein bereits bestehendes
Rechtsverhältnis an und verändert er die in dessen Rahmen begründete Anwartschaft zum Nachteil des Inhabers, so ist darüber
hinaus ein solcher Eingriff am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen, der für die vermögenswerten Güter
in Art.
14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat.
Gemessen an diesem Maßstab ist § 4 Abs. 1 Satz 2 GEHV eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung.
Ihr liegt ein legitimer Gemeinwohlzweck zugrunde. Soweit die Beklagte anführt, die Regelung ziele darauf Anreize zu schaffen,
weiterhin Beiträge als aktiver Arzt zu leisten, zeigt sich der Kern eines legitimen Gemeinwohlzwecks. So ist ein umlagefinanziertes
System auf kontinuierliche Einnahmen angewiesen. Die EHV dient dem Ziel, für die "wirtschaftliche Sicherung der invaliden
und alten Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte und der Hinterbliebenen von Vertragsärztinnen oder Vertragsärzten" zu sorgen
(so die Formulierung in § 8 Abs. 1 KVHG). Darin ist das Ziel enthalten "wirtschaftlich sichernde" Ansprüche bei entsprechender
Finanzierungsverantwortung auch kostenintensiv wirtschaftender Arztgruppen bereitzustellen (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember
2017 L 4 KA 10/15 -, juris Rn. 32). Aus Sicht des Senates wiegt als die Regelung tragender objektiver Belang allerdings wesentlich schwerer,
dass aus den Besonderheiten der Organisation der vertragsärztlichen Versorgung ein Gemeinwohlinteresse an einer lang andauernden
Vertragsarztbiografie besteht. Dies betrifft bedarfsplanerische Erwägungen ebenso wie die Orientierung am nach wie vor bestehenden
Leitbild des selbständigen Vertragsarztes als Zulassungsinhaber. Die Regelung zielt also in legitimer Weise auf die Bewahrung
der Nachhaltigkeit eines Systems "wirtschaftlichen Sicherung der invaliden und alten Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte"
im Sinne von § 8 Abs. 1 KVHG. Die Regelung erschöpft sich insbesondere nicht in einer repressiven Ausgrenzung bestimmter Anwartschaftsberechtigter.
Keinerlei Bedenken unterliegt dabei, dass sich die Beklagte auf einen Anreiz- und Lenkungszweck beruft. Es verstößt nicht
gegen höherrangiges Recht, solche Zwecke durch honorarrechtliche Regelungen zu verwirklichen (vgl. z. B. zur Förderung der
Organisationsform der BAG beim Regelleistungsvolumen BSG, Urteil vom 16. Mai 2018 - B 6 KA 15/17 R -, SozR 4-2500 § 87b Nr. 15, Rn. 24 bis 26 m. w. N.)
§ 4 Abs. 1 GEHV ist geeignet. Es kommt insoweit nur auf eine abstrakte Eignung an, nicht, inwieweit sich der Lenkungszweck
beim hiesigen Kläger erreichen lässt. Der Satzungsgeber darf sich am Normalfall orientieren; nur schlechthin den Zweck verfehlende
Mittel sind ungeeignet (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier,
GG, 3. Aufl., Art.
20 Rn. 191 m. w. N.). Insoweit erscheint es noch plausibel, dass auch so geringfüge Kürzungen des Anspruchssatzes Einfluss auf
die Entscheidung haben können, die vertragsärztliche Tätigkeit fortzusetzen bzw. nicht den Beruf zu wechseln.
Die Regelung ist auch erforderlich. Ein milderes Mittel drängt sich nicht auf, zumal es dem satzungsgeberischen Gestaltungsspielraum
unterfällt, ob die Beklagte eine solche Differenzierung als Bonus oder als Malussystem gestaltet. Soweit die Regelung auch
auf eine finanzielle Konsolidierung abzielt, kann der Satzungsgeber nicht darauf verwiesen werden, die mit den angegriffenen
Vorschrift verfolgte Einsparung in anderen Bereichen innerhalb des Alterssicherungssystems zu erzielen (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 5. Februar 2009 - 1 BvR 1631/04 -, juris Rn. 17).
Die Kürzung ist auch im engeren Sinne angemessen bzw. zumutbar. Die die EHV-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer treffenden Belastungen
stehen nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck und den dabei erstrebten Vorteilen für die Mitgliedergesamtheit und
Allgemeinheit. Soweit im Rahmen des Art.
14 Abs.
1 GG in die Angemessenheitsprüfung insbesondere Vertrauensschutzbelange einzustellen sind, ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung
des § 4 Abs. 1 Satz 2 GEHV ausschließlich Personen betrifft, die freiwillig oder aufgrund sonstigem zurechenbaren Verhaltens
ihre vertragsärztliche Tätigkeit aufgegeben haben, zu einem Zeitpunkt, bei dem sie allein aus verfassungsrechtlichen Gründen
in Kombination mit der Konstruktion der EHV als Umlagesystem nicht darauf vertrauen konnten, dass ihre Anwartschaften "1:1"
zu Ansprüchen erwachsen würden. Im Unterschied zur in BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 - B 6 KA 10/13 R -, beanstandeten Regelung eines Nachhaltigkeitsfaktors entfaltet die hiesige Regelung aus der Perspektive des geltenden Versicherungsfallprinzips
(s.o.) nur eine unechte Rückwirkung, da lediglich tatbestandliche Rückanknüpfungen hin zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurden,
zu dem der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war. Dort unterlag der Nachhaltigkeitsfaktor zudem strengeren Zumutbarkeitsanforderungen
als hier, da der Versorgungsfall bereits eingetreten war: Denn mit dem Eintritt des Versorgungsfalles ist eine für den Eigentumsschutz
bedeutsame Änderung der Rechtslage verbunden; zu diesem Zeitpunkt wandelt sich die durch Beitragsleistungen erworbene Versorgungsanwartschaft
in einen Versorgungsanspruch um. Nur in diesem Fall - nicht hier - darf der Empfänger grundsätzlich auf den Fortbestand der
ihm satzungsrechtlich zustehenden Versorgung vertrauen (so das der Entscheidung des Bundessozialgerichts vorausgehende Senatsurteil
vom 27. Juni 2012 - L 4 KA 47/11 -, juris Rn. 82). Eine derartige Verdichtung fehlt hier, da - wie bereits erwähnt - die Kürzung auf der freiwilligen Aufgabe
der Tätigkeit beruht, und die Rechtsänderung vor Eintritt des Versorgungsfalles erfolgte. Hinsichtlich der Gewichtung der
Belastung war zu berücksichtigen, dass mit 0,5 Prozent (nicht: 0,5 Prozentpunkte) pro Jahr bis zum Beginn der Teilnahme an
der EHV die Kürzung maßvoll ausfällt. Der vorliegende Sachverhalt ist daher hinsichtlich der Gewichtung der Belastung auf
Seiten des Klägers nicht vergleichbar mit dem von ihm angeführten Fall des SG Marburg, Urteil vom 2. Dezember 2015 - S 12 KA 17/15 -, juris. Dort drohte mit der Einführung einer Wartezeit der Totalverlust der Anwartschaft (zum verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsmaßstab
des Verfalls von Betriebsrentenanwartschaften siehe BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 - 1 BvR 1554/89 -, BVerfGE 98, 365, dort allerdings zu Art.
3 Abs.
1 GG).
Art.
3 Abs.
1 GG vermag hier keine strengeren Maßstäbe aufzustellen. Die lediglich über ein bloßes Willkürverbot hinausgehende, nur mittlere
Kontrolldichte bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung (dazu BVerfGE 88, 87 (96); E 122, 210 (230); E 127, 263 (280); BVerfGE 129, 49 (69); Britz, NJW 2014, 346 (347 ff.)) wird dadurch bestimmt, dass zwar einerseits eine zumindest mittelbar personenbezogene Regelung vorliegt, die aber
nicht an unabänderlichen Merkmalen, insbesondere nicht an Persönlichkeitsmerkmalen oder Art.
3 Abs.
3 GG vergleichbaren Kriterien, anknüpft. Zudem ist es den Normadressaten möglich, ab Inkrafttreten der Norm bis zum Eintritt des
Versorgungsfalls die Verwirklichung des Tatbestandes zu beeinflussen. Soweit der Kläger eine Ungleichbehandlung mit Personen
rügt, die ununterbrochen bis zum Versorgungsfall vertragsärztlich tätig gewesen sind, wird daher auf die obigen Ausführungen
zu Art.
14 Abs.
1 GG verwiesen. Art.
3 Abs.
1 GG schützt zudem nicht gegen Ungleichbehandlung "in der Zeit" (Boysen, in: von Münch/Kunig,
Grundgesetz-Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art.
3 Rn. 92 ff.), so dass der Kläger auch nicht mit dem - von ihm auch nicht vorgebrachten - Argument Gehör finden könnte, er
werde ungleich behandelt mit einer Person, die erst spät in die vertragsärztliche Versorgung eingestiegen wäre und bis zum
Versorgungsfall die exakt gleichen Anwartschaften erworben hätte, und wegen nahtlosem Übergang in die EHV-Teilnahme einen
ungekürzten Anspruch erwerbe. Die drei in § 4 Abs. 1 GEHV geregelten Fälle - Wegzug aus Hessen, bei vorzeitigem freiwilligen
Verzicht auf die Zulassung oder bei Entziehung der Zulassung - sind schließlich hinsichtlich der fehlenden fortgesetzten Teilnahme
an der vertragsärztlichen Versorgung in Hessen vergleichbar, so dass insoweit keine ungerechtfertigte Gleichbehandlung erkennbar
ist. Zudem reicht das Ungleichbehandlungsgebot grundsätzlich nicht weiter als die Pflicht zur Normierung von Ausnahmetatbeständen
aus Freiheitsgrundrechten (vgl. zum Meinungsstand Boysen, in: von Münch/Kunig,
Grundgesetz-Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art.
3 Rn. 65 f. m. w. N.).
Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich. Die Maßstäbe für den Eigentumsschutz von rentenähnlichen Anwartschaften
allgemein, wie auch konkret in Bezug auf die EHV, sind durch das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht geklärt.
Alle weiteren Rechtsanwendungsfragen, die die vorliegende Entscheidung aufwerfen könnte, beziehen sich auf Landesrecht.