Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV). Die BK 2108 erfasst bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule - LWS - durch langjähriges Heben oder Tragen
schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen
haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Der 1953 geborene Kläger absolvierte von August 1968 bis Juni 1972 eine Lehre zum KFZ-Mechaniker und arbeitete in diesem Beruf
anschließend - unterbrochen von dem Wehrdienst im Bereich Instandhaltung in einem Pionierbataillon von Januar 1973 bis März
1974 - bis Januar 1979 in dem - nicht mehr existierenden - Ausbildungsunternehmen, dem VW-Autohaus U in C. Danach war er bis
zum 15.09.2008 als Betriebsschlosser, Maschinenschlosser bzw. Bau- und Instandhaltungsschlosser bei der Firma J GmbH & Co.
KG in M mit der Instandsetzung des Maschinenparks und der Wartung von Maschinen befasst.
Die Deutsche Rentenversicherung Westfalen bewilligte ihm Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter
Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 15.09.2008, dem Beginn einer Arbeitsunfähigkeit wegen Lumboischialgien, ab 01.10.2008
(Bescheid vom 29.04.2009). Eine auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtete Klage (S 19 R 257/09) wies das Sozialgericht (SG) Detmold ab (Urteil vom 23.02.2011). Das nachfolgende Berufungsverfahren (L 14 R 305/11) ist noch anhängig.
Im Februar 2009 beantragte der Kläger die Anerkennung einer BK 2108. Auf Anfrage der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd
(deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, nachfolgend: Beklagte) teilte er mit (26.02.2009), erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden
seien - nach Anfangen des Schmerzempfindens in 2002 - in 2008 aufgetreten. Vor ca. 5-10 Jahren sei er wegen Wirbelsäulenbeschwerden
in ärztlicher Behandlung gewesen. Bei seiner Tätigkeit sei er in ca. 200 Arbeitsschichten pro Jahr häufig mit dem Heben und
Tragen von Lasten auch über 25 kg befasst gewesen. Die Lasten seien über Entfernungen von 1 bis 2 m getragen und Tätigkeiten
in extremer Rumpfbeugehaltung seien in ca. 100 Arbeitsschichten pro Jahr für ca. 30 Minuten pro Arbeitsschicht ausgeübt worden.
Ganzkörper-Schwingungen seien durch Fahren auf unebenem Gelände nicht vorgekommen.
Die Beklagte zog Unterlagen der behandelnden Ärzte Dres. H u. a., Auskünfte der AOK Westfalen-Lippe (17.03.2009) und der letzten
Beschäftigungsfirma (08.04.2009) sowie den Entlassungsbericht über eine im Dezember 2008 durchgeführte Reha-Maßnahme (06.01.2009)
bei. Dort hatte der Kläger angegeben, bei den Montagearbeiten an Maschinen falle Heben von 10 - 15 kg (Welle) oder bis 20
kg (Elektromotor) an, die schweren Lasten zweimal pro Tag. Schwere Lasten würden auch geschoben, wobei das Gewicht nicht genau
angegeben werden könne. Nach der Auskunft der Firma J GmbH & Co. KG fiel bei der Tätigkeit des Klägers in ca. 150 Arbeitsschichten
pro Jahr das Heben diverser Maschinenteile mit Gewichten zwischen 1 bis 70 kg an. Pro Arbeitsschicht seien ca. 10 mal Gewichte
bis 10 kg, ca. 10 mal Gewichte zwischen 10 bis 15 kg, ca. 5 mal Gewichte zwischen 15 bis 20 kg, ca. 3 mal Gewichte zwischen
20 bis 25 kg sowie gelegentlich Gewichte von mehr als 25 kg von Hand gehoben worden. In extremer Rumpfbeugehaltung sei in
ca. 110 Arbeitsschichten pro Jahr für ca. 30 Minuten bei einer Dauer des einzelnen Arbeitsvorganges von 3 bis 4 Minuten gearbeitet
worden. Ganzkörper-Schwingungen im Sitzen durch Fahren auf unebenem Gelände seien nicht angefallen. Laut Auskunft der AOK
bestand Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Lumbalgie erstmals vom 11. bis 15.04.1983, wegen einer Ischialgie erstmals vom 06.
bis 08.08.1986. Danach wurden Arbeitsunfähigkeiten wegen Muskelverspannungen im Nackenbereich vom 23. bis 26.10.1990, wegen
Schmerzen im Rücken vom 14. bis 18.01.2002 sowie wegen einer Zervikalneuralgie erstmals vom 29.12.2003 bis 06.02.2004 genannt.
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme (10.06.2009) meinte Dr. Q, bei einem eindeutig zu objektivierenden belastungskonformen
Schadensbild im Bereich der LWS liege eine Konstellation gemäß B 1 (nach dem sogenannten Konsensusempfehlungen, vgl. Trauma
und Berufskrankheit 2005, S-211ff) vor. Die Tatsache, dass es bei dem Kläger bereits 1983 zu "Ischialgien" gekommen sei, wäre
bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs gutachterlich zu prüfen. Arbeitstechnische Erhebungen seien jetzt erforderlich.
Seitens des Präventionsdienstes der Beklagten (21.08.2009) gelangte Dr. D nach Ermittlungen im Unternehmen J GmbH & Co. KG
und Anhörung des Klägers zu der Einschätzung, "unter Verwendung der geänderten Orientierungswerte (BSG Urteil B 2 U 4/06)" ergebe sich nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) eine Belastungsdosis von 18,5 MNh "für beide Beschäftigungsverhältnisse".
Der Kläger habe angegeben, beim Autohaus U sei die Belastungsart und -intensität vergleichbar gewesen. Hinsichtlich der bei
der Firma J GmbH & Co. KG verrichteten Anzahl der Hebevorgänge und deren Lastgewichte habe der Kläger den schriftlichen Angaben
des Unternehmens zugestimmt; abweichend von deren Angaben seien jedoch täglich Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung über
einen Zeitraum von 15 Minuten aufgetreten. Demgegenüber hätten die Sicherheitsfachkraft C und der Fertigungsleiter S die Auffassung
vertreten, die von der Personalabteilung in Absprache mit der technischen Abteilung schriftlich angegebene Arbeitszeit in
extremer Rumpfbeugehaltung sei zu hoch angesetzt. Die angegebenen 30 Minuten würden sich nicht auf eine Arbeitsschicht, sondern
auf eine Arbeitswoche beziehen. Als obere Grenze hätten diese Gesprächsteilnehmer 10 Minuten Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung
über die genannten 110 Arbeitsschichten pro Jahr eingeschätzt. Tragevorgänge seien sowohl nach Angaben des Klägers als auch
betrieblicherseits bestätigt nicht vorgekommen. Jeder Schlosser habe einen eigenen Transportwagen zur Verfügung gehabt, mit
dem schwerere Lasten innerhalb der Halle transportiert worden seien. Lastgewichte über 35 kg sei nicht allein, sondern mindestens
zu zweit gehandhabt worden. Außerdem hätten Hebehilfen zur Verfügung gestanden. Ausgehend von einer extremen Rumpfbeugehaltung
für 10 Minuten pro Tag an 110 Tagen pro Jahr bewertete Dr. D diese Belastungen in dem Zeitraum vom 01.08.1968 bis 15.09.2008
insgesamt mit einer Teildosis von 8,83 MNh, darüber hinaus ausgehend von den schriftlichen Angaben der Firma J GmbH & Co.
KG die Belastungen durch Heben von Lasten mit insgesamt 9,71 MNh.
In einem Gutachten (09.10.2009) gelangte der Arzt für Orthopädie Dr. P ausgehend von einem Schwerpunkt der Bandscheibenveränderung
im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) zusammenfassend zu der Beurteilung, bei dem Kläger bestehe eine schicksalhafte Wirbelsäulenerkrankung.
Die medizinischen Voraussetzungen für eine BK 2108 seien nicht erfüllt.
Gestützt darauf verneinte die Beklagte das Vorliegen einer BK 2108 und eines Anspruches auf Leistungen (Bescheid vom 07.12.2009).
Zwar sei der Kläger während seiner Berufstätigkeit Einwirkungen ausgesetzt gewesen, die grundsätzlich geeignet gewesen seien,
eine BK 2108 zu verursachen. Nach dem eingeholten Gutachten seien jedoch als rechtlich wesentliche Ursache "trotz des Vorliegens
der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach der Nummer 2108" letztendlich die außerberuflichen Erkrankungen
und nicht die beruflichen Belastungen anzusehen.
Den hiergegen eingelegten - und trotz erfolgter Akteneinsicht seitens seiner damaligen Prozessbevollmächtigten nicht begründeten
- Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 15.03.2010).
Mit der am 16.03.2010 erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, sein Wirbelsäulenleiden sei als BK 2108 anzuerkennen.
Unzutreffend sei Dr. P von einer schwerpunktmäßigen Schädigung der BWS ausgegangen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen
der BK 2108 habe die Beklagte im Zuge ihrer Ermittlungen am Arbeitsplatz bejaht, was daher nicht weiter aufgeklärt werden
müsse. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens im Klageverfahren wird auf die Schriftsätze vom 16.03.2010, 24.03.2010, 19.05.2010,
21.07.2010 und 26.08.2010 samt Anlagen Bezug genommen.
Schriftsätzlich hat der Kläger durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2010, letzterer
zugegangen am 16.03.2010, Az. 000 zu verurteilen, das Wirbelsäulenleiden des Klägers als entschädigungspflichtige Berufskrankheit
gemäß Nummer 2108 der
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) anzuerkennen.
Das SG hat dem Begehren des Klägers den Antrag entnommen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2010 zu verurteilen,
ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur
BKV Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten.
Das SG hat das von Dr. U in dem Klageverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Westfalen erstattete Gutachten (25.05.2010)
beigezogen und die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 03.01.2011, zugestellt am 10.01.2011). Zwar seien entsprechend den
Feststellungen des technischen Aufsichtsdienstes die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108 in der Person des Klägers
gegeben, jedoch fehle es an einer ursächlichen Verknüpfung der bei diesem vorliegenden Gesundheitsstörungen der LWS mit der
belastenden Tätigkeit. Es handele sich unter Berücksichtigung der Gutachten von Dr. P und Dr. U bei ihm um eine Konstellation
B3, für die kein Konsens erzielt worden sei.
Mit der am 20.01.2011 eingelegten Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, bei ihm liege eine entschädigungspflichtige
BK 2108 vor. Entgegen der Auffassung des SG bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, nicht aber eine Schwerpunktbildung im Bereich der BWS. Verfahrensfehlerhaft
habe das SG eine Konstellation B3 angenommen, denn dessen Einschätzung beruhe nicht auf entsprechenden medizinischen Feststellungen.
In seiner Auffassung sieht er sich durch die im Berufungsverfahren eingeholten gutachterlichen Äußerungen des Dr. T bestätigt.
Er meint, die Angelegenheit sei ausgeschrieben. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die
Schriftsätze vom 18.01.2011, 26.01.2011, 14.02.2011, 21.04.2011, 27.06.2011, 24.01.2012, 08.05.2012, 28.08.2012, 22.10.2012,
28.11.2012, 30.11.2012, 06.12.2012, 13.12.2012, 14.12.2012, 28.12.2012 21.01.2013, 27.02.2013, 08.03.2013, 22.03.2013, 03.05.2013,
23.05.2013, 05.06.2013, 26.06.2013, 12.08.2013, 26.11.2013, 13.03.2014 und 20.03.2014 samt Anlagen sowie seine Angaben in
der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2014 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des SG Detmold vom 03.01.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2010 zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der
Anl. 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zunächst weiter die Auffassung vertreten, die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2108 seien nicht gegeben.
Das Gericht hat eine Auskunft der AOK Nordwest (18.05.2011), Unterlagen des Facharztes für Innere Medizin Dr. I, des Arztes
für Orthopädie Dr. U, der Gemeinschaftspraxis Dres. H u. a., des Internisten Dr. T1, des Facharztes für Orthopädie Dr. X,
des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. N, des Orthopäden Dr. N1, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. C und des Facharztes
für Allgemeinmedizin Dr. L sowie die Akten des Kreises Lippe in der Schwerbehindertenrechtsangelegenheit des Klägers, die
Akten der Deutschen Rentenversicherung Westfalen und weitere Akten des SG Detmold (S 14 SB 1448/10, S 19 R 257/09 und S 16 U 86/11) beigezogen.
In dem Klageverfahren S 16 U 86/11 wendet sich der Kläger gegen Bescheide der Beklagten, mit denen diese es abgelehnt hat, den Bescheid vom 07.12.2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2010 nach § 44 SGB X zurückzunehmen, soweit er die Ablehnung von Leistungen oder Maßnahmen nach §
3 BKV betrifft.
Nach Vorlage eines MRT der LWS vom 09.06.2011 hat das Gericht Dr. T mit einer Begutachtung beauftragt. Der Sachverständige
ist in seinem Gutachten (17.12.2011) ausgehend von einem als unstreitig angesehenem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen
zusammenfassend zu der Beurteilung gelangt, für die bei dem Kläger bestehende bandscheibenbedingte Erkrankung (Chronisches
degeneratives Lumbalsyndrom mit pseudoradikulärer Lumboischialgie) sei die berufliche Exposition wegen des späten Manifestationszeitpunktes
der Erkrankung, des altersvorauseilenden Verschleißes der LWS, des Verteilungsmusters der Veränderungen unter Mitbeteiligung
der Segmente L3/L4 und L1/L2 bei gleichzeitiger Schwerpunktbildung im beruflich meist belasteten Wirbelsäulenabschnitt und
mit der eindeutigen Akzentuierung der Umformung im Lendenkreuzbeinübergang im Vergleich zur nicht belasteten Wirbelsäule mitursächlich.
Nach den Konsensusempfehlungen liege die Konstellation B4 vor. Der Aufgabezwang für die exponierende Tätigkeit sei ab 15.09.2008
gesichert. Seit diesem Tag bestehe eine Funktionseinschränkung der LWS, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von
20 % begründe. Eine Gefährdung im Sinne von §
3 BKV bestehe nicht, es handele sich vielmehr um eine manifeste BK 2108. Dr. P habe weder die Mitbeteiligung der oberen LWS noch
die deutliche Akzentuierung der Umformungen im Bereich der LWS hinreichend berücksichtigt. Zudem habe die nun nachgeholte
vollständige Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule (HWS) nachgewiesen, dass die Segmente C5/C6 und C6/C7 ohne jegliche Veränderung
seien. Ferner sei wissenschaftlich nicht gesichert, dass der bloße Nachweis von Spondylosen im Bereich der BWS als Indiz gegen
den Kausalzusammenhang zu bewerten sei. Insgesamt erscheine die Beurteilung von Dr. P daher unzureichend begründet.
Nachfolgend hat die Beklagte ausgeführt, Dr. T täusche sich, wenn er annehme, das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen
sei unstrittig. Seine Annahme beruhe offenbar auf einem Missverständnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Die Crux liege "in der unkritischen Anwendung des vom BSG erfundenen Orientierungswerts". "Die Überschreitung dieses Orientierungswerts unter den vom BSG definierten Bedingungen (keine Tagesbelastungsdosis, Absenkung der Druckkräfte)" leiste "keinerlei positiven Beitrag zur
Klärung des Ursachenzusammenhangs". Die nach dem Merkblatt zur BK 2108 als Anhaltspunkt für die Bewertung von Lastenhandhabungen
genannte Häufigkeit von 250 Hebe- oder Umsetzvorgängen pro Tag oder einer Gesamttragedauer von ca. 30 Minuten pro Tag habe
selbst nach den Angaben des Klägers nicht vorgelegen. Bei Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung sei nur eine chronische Belastung
gefährlich. Soweit der Kläger "Beugewinkel von ca. 90 Grad" erreicht haben wolle, ergebe sich daraus eine relevante Belastung
im Sinne der BK 2108 nicht. Wenn die Beugehaltung korrigiert werden könne, um danach weiterzuarbeiten, sei die Gefahr der
Überlastung gering. Ferner dürfe die Erkrankung des Klägers kaum der Konstellation B4 der Konsensempfehlungen entsprechen.
"Selbst nach dem vom BSG modifizierten MDD" erreiche "der Kläger nur 74 % des Orientierungswerts von 25 x 106 Nh". Deshalb könne die Erkrankung des
Klägers nicht der Konstellation B4 zugeordnet werden. Die Beklagte meint, ein weiterer schriftlicher Austausch werde keine
neuen Erkenntnisse erbringen. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 10.02.2011, 03.01.2012,
12.01.2012, 29.02.2012, 10.04.2012, 23.05.2012, 19.06.2012, 04.07.2012, 14.08.2012, 05.10.2012, 04.12.2012, 13.12.2012, 29.01.2013,
10.04.2013, 03.05.2013, 13.05.2013, 07.06.2013 und 22.07.2013 samt Anlagen Bezug genommen.
Zu ihrem Vorbringen hat sich die Beklagte auf vorgelegte Stellungnahmen ihres Präventionsdienstes sowie der beratenden Ärztin
für Chirurgie Dr. I und Dr. H gestützt.
Dr. I hat in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme (21.02.2012) "allergrößte Zweifel" am Vorliegen der Konstellation B4
geäußert, da mehrsegmentale sogenannte "black disc" nicht gesichert seien. Dazu weist sie allerdings darauf hin, das MRT,
das sie zwingend sehen müsse, um zur Konstellation B2 Stellung zu nehmen, liege ihr selbst nicht vor.
Von der Beklagten befragt zu der Exposition des Klägers, wenn man die dokumentierten Einwirkungen nach den Kriterien bewerte,
die das (Anm.: vor der BSG-Entscheidung zum Az. B 2 U 4/06 verfasste, auf den 21.09.2006 datierte) Merkblatt zur BK 2108 benenne (Schreiben vom 13.02.2012), hat Dr. T, Präventionsdienst
der Beklagten, in einer Stellungnahme (28.02.2012) folgendes ausgeführt: Lastgewichte, die "nach dem Merkblatt 2108 (Tabelle
2) mit einem erhöhten Risiko für die Verursachung bandscheibenbedingte Erkrankungen einhergehen", lägen für Männer bei beidseitigem
Heben über 20 kg. Lasten über 20 kg habe der Kläger lediglich 8 mal pro Arbeitsschicht bei einer durchschnittlichen Hebedauer
von jeweils 2,5 Sekunden gehoben. Die Häufigkeit von ca. 250 Hebe- und Umsetzvorgängen werde ebenso wie die Gesamtdauer von
30 Minuten täglich dabei weit unterschritten. Berücksichtige man im Sinne einer Worst Case-Betrachtung auch Lastgewichte unter
20 kg, belaufe sich die Gesamtzahl dieser Vorgänge auf 31 pro Arbeitsschicht, die Gesamtdauer damit auf 75 Sekunden. Nach
dem Merkblatt seien unter Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung grundsätzlich solche Arbeiten zu verstehen, bei denen
es zu einer Beugung des Oberkörpers um ca. 90° oder mehr komme. Dies finde man allenfalls im Bergbau. In der Instandhaltung
möge es gelegentlich vorkommen, dass ungünstige Körperhaltungen oder Zwangshaltungen eingenommen würden. Problematisch sei
zudem, dass die "nicht realistisch eingeschätzte Zusatzbelastung durch extreme Rumpfbeugehaltung etwa 50 % der Gesamtlebensarbeitsdosis"
des Klägers ausmache. Ohne diese "vermeintliche Zusatzbelastung käme man auf eine Gesamtbelastungsdosis von 9,7 x 106 Nh".
Die Gesamtbelastungsdosis nach dem "Original Mainz Dortmunder Dosismodell würde sich zu 0 Nh ergeben, da weder die erforderliche
Bandscheibendruckkraft noch die Tagesbelastungsdosis erreicht würde. Es würden nur die insgesamt 8 Hebevorgänge pro Schicht
mit Lastgewichten ≥ 20 kg berücksichtigt".
Nach Übersendung des MRT vom 09.06.2011 hat Dr. I in einer Stellungnahme (31.03.2012) weiterhin keine mehrsegmentalen black
disc's oberhalb des Segmentes L5/S1 als belegbar angesehen, weshalb weder die Konstellation B2 noch die Konstellation B4 vorliege.
Dr. T hat in einer ergänzenden Stellungnahme (05.06.2012) darauf hingewiesen, dass im Originaltext der Beurteilungskriterien
für die Fallkonstellation B2 eine "black disc" nur bei der Diskussion eines monosegmentalen Schadens im Sinne einer Chondrose
oder eines Vorfalls in L5/S1 oder L4/L5 gefordert werde. Bei dem Kläger liege jedoch - bei Mitbeteiligung der Segmente L1/L2,
L3/L4, L4/L5 und L5/S1 - ohne jeglichen Zweifel eine mehrsegmentale Höhenminderung an 4 Lendenbandscheiben vor. Diese Bewertung
erfolge ausdrücklich unter Hinweis auf die von Dr. I selbst durchgeführte Vermessung, auch wenn diese in ihrer Stellungnahme
selbst fälschlich eine tatsächlich im Grad I vorliegende Chondrose als Normalbefund beschrieben habe. Selbst wenn man von
den unzutreffenden Ausführungen von Dr. I und einem monosegmentalen Befund ausgehe, sei zweifelsfrei eine Signalminderung
im Sinne einer black disc in 2 benachbarten Segmenten, nämlich in den Segmenten L5/S1, L4/L5 und L3/L4 festzustellen. Damit
entbehre deren Stellungnahme jeglicher Grundlage.
Für die Beklagte hat Dr. H nach Aktenlage ausgeführt (31.07.2012), betrachte man isoliert das medizinische Schadensbild, würde
er den Fall der Konstellation B4 der Konsensempfehlungen zuordnen. Allerdings setze diese Konstellation neben den Kriterien
bezüglich des medizinischen Schadensbildes zwingend voraus, dass die Exposition ausreichend sei und eine plausible zeitliche
Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung bestehe, also eine ausreichende Exposition der Erkrankung
voraus gegangen sei. Die Dosisberechnungen im Bericht des Präventionsdienstes vom 21.08.2009 folgten, soweit es die Hebe-
und Tragebelastungen angehe, den Vorgaben des BSG und seien insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings sei bei der medizinischen Bewertung in die Abwägung einzubeziehen, dass
bei einem 1,77 m großen und 88 kg schweren Mann das Gefährdungspotenzial durch Bandscheibendruckkräfte von 2,9 kN - ein Wert,
der "nur knapp oberhalb des vom BSG festgesetzten Grenzwertes (im Original-MDD lag der Grenzwert für die Bandscheiben Druckkraft noch bei 3,2 kN)" liege - eher
als gering einzuschätzen sei. Jedoch hätten die Arbeitshaltungen in extremer Rumpfbeugehaltung des Klägers nicht in die Dosisberechnung
vom 21.08.2009 eingehen dürfen. Bei Arbeiten in extremer Rumpfbeuge betrage die Bandscheibendruckkraft an der LWS 1700 Newton,
sei als solche deshalb - auch nach Auffassung des BSG, das von einem Mindestwert von 2700 Newton ausgehe - nicht bandscheibenschädigend. Für Bandscheibenschädigungen durch extreme
Rumpfbeugehaltung sei maßgebliche Bedingung, dass es sich um Zwangshaltungen mit Haltungskonstanz über "längere Zeiträume"
handele, wodurch es zu einer Ernährungsstörung der auf die Fusion angewiesenen Bandscheiben komme. Würde extreme Rumpfbeugehaltung
"über den Tag verteilt" lediglich für insgesamt 10 - wie von dem Präventionsdienst zugrundegelegt - oder 15 - wie vom Kläger
angegeben - Minuten eingenommen, könne es dadurch nicht zu einer Ernährungsstörung der Bandscheiben kommen. Damit verbleibe
nur noch eine Gesamtbelastungsdosis von 9,7 MNh, wie von Dr. T ausgeführt. Zudem liege eine gesicherte Erstmanifestation der
bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS spätestens im Jahre 2005, wahrscheinlich jedoch bereits im Jahre 2002, vor. Bei überschlagmäßiger
Betrachtung habe die erreichte Dosis im Juni 2005 nur ca. 9 MNh und damit 36 % des Beurteilungsrichtwertes, im Januar 2002
nur ca. 8 MNh und somit 32 % des Beurteilungsrichtwertes betragen. Da bereits die schädigende berufliche Gesamteinwirkung
zu niedrig sei und bei "medizinisch korrekter Berechnung nicht den vom BSG vorgegebenen Grenzwert" erreiche, sei ein Ursachenzusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und
den beruflichen Belastungen des Klägers nicht wahrscheinlich. Im Übrigen hat Dr. H ausgeführt, dass der Begriff "black disc"
deutliche Signalminderungen der Bandscheibe meine. Diese seien in allen 4 betroffenen Bandscheiben gegeben.
Auf Aufforderung des Gerichts (Schreiben vom 17.09.2012 und 25.10.2012, Telefonat vom 06.11.2012) hat die Beklagte weitere
Ermittlungen ihres Präventionsdienstes veranlasst.
Der Kläger hat ergänzend vorgetragen, der Präventionsdienst habe seine Exposition nicht zutreffend ermittelt. Weder Herr C
noch Herr S seien die zutreffenden Ansprechpartner. Herr C habe in einer anderen Abteilung im Werkzeugbau gearbeitet. Mit
Herrn S habe er öfter diverse Auseinandersetzungen gehabt. Insgesamt seien Gegenstände von 1 kg bis ca. 70 kg ständig zu heben
und zu tragen gewesen. Die Lasten seien über Wegstrecken von 2 m bis 30 m zu tragen gewesen. Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung
habe er etwa 30 Minuten je Arbeitsschicht zu jeweils 3 bis 4 Minuten verrichten müssen. Schließlich habe er auch einen Stapler
mit Ganzkörper-Schwingungen etwa 50 Arbeitsschichten pro Jahr zu jeweils 30 Minuten pro Arbeitsschicht bedienen müssen.
Nach einem weiteren Gespräch im Mitgliedsunternehmen J (10.01.2013) hat Dr. T, Präventionsdienst der Beklagten, ergänzend
ausgeführt (29.01.2013), bei inzwischen eingetretenen erheblichen Änderungen in der Fertigung des Unternehmens müsse hinsichtlich
der Belastungen durch das Heben von Lasten auf die Schilderungen des Kollegen Dr. D in der arbeitstechnischen Stellungnahme
vom 21.08.2009 Bezug genommen werden, die mit den Schilderungen des Klägers übereinstimmten. Diskrepanzen gebe es hinsichtlich
der Bewertung der Tragevorgänge und der Rumpfbeugehaltungen. Tragevorgänge seien sowohl nach der Stellungnahme von Dr. D als
auch nach den Angaben in den vom Kläger und dem Betrieb ausgefüllten Fragebögen nicht bzw. kaum angefallen. Sowohl in seinem
Fragebogen als auch im Termin am 10.01.2013 habe der Kläger Tragevorgänge mit einer relativ kurzen Trageentfernung "von wenigen
Metern (bis zu 2 m)" angegeben. Tragevorgänge von wenigen Sekunden Dauer seien "im Sinne des MDD und auch des BSG-MDD" als Hebevorgänge zu bewerten. Würde man diese in die Berechnung mit aufnehmen, ergäbe sich dadurch nur eine marginale
Erhöhung der Dosis. Eine extreme Rumpfbeugehaltung im Sinne der BK 2108 habe bei dem Kläger auch unter Berücksichtigung seiner
erneut geschilderten zweifelsohne ungünstigen und belastenden Körperhaltungen nicht vorgelegen, da "Beugewinkel über 90° nicht
unter Zwang" hätten eingenommen werden müssen. Die Tätigkeit des Klägers sei durch Instandsetzungsarbeiten und weniger durch
das Heben und Tragen von Lasten mit der "im Merkblatt geforderten hohen Regelmäßigkeit und Häufigkeit" geprägt gewesen. Unter
Berücksichtigung der Häufigkeit der Lastenhandhabung sei "eine Belastung im Sinne der BK 2108" aus seiner Sicht "nicht gegeben"
gewesen. Er verbleibe bei seiner Auffassung, dass eine Gesamtbelastungsdosis von 9,7 x 106 Nh vorgelegen habe.
Nachfolgend hat der Kläger vorgetragen, er habe über einen Zeitraum von mehreren Jahren häufiger in gebückter Haltung verschiedene
Wellen mit einem Gewicht von jeweils ca. 40 kg aus einer großen Oberflächen-Strahlenmaschine ausgebaut. Die Hebevorgänge hätten
ca. 2 Minuten gedauert und seien unterbrochen worden, da die körperliche Belastung viel zu hoch gewesen sei. Darüber hinaus
habe er aus anderen Maschinen Teile mit Gewichten von ca. 50 - 70 kg, 30 - 40 kg und 60 - 80 kg ausgebaut und wiederholt jeweils
5 - 10 Sekunden angehoben. Die jeweiligen Hebe-, Zerr- und Tragevorgänge hätten werktäglich ca. 1 Stunde gedauert. Die schweren
Wellen hätten zum Teil unter Zuhilfenahme von Kollegen aus den Maschinen entfernt werden müssen. Zum Teil habe er Tätigkeiten
auf dem Bauch und liegend verrichtet. Insgesamt habe so ein Vorgang bis zu 10 Minuten gedauert. Seiner Auffassung nach sei
auch von Tätigkeiten in extremer Rumpfbeuge mit Beugewinkel über 90° auszugehen. Bei Arbeiten auf Leitern habe er sich weit
nach vorne beugen müssen, wobei "Beugewinkel von ca. 90°" erreicht werden konnten. Im Übrigen hätten bei Tätigkeiten in Rumpfbeugehaltungen
auch Beugewinkel von weitaus mehr als 90° erreicht werden können. Beim Fahren des Gabelstaplers sei er einer nennenswerten
Schwingungsbelastung ausgesetzt gewesen, da der Boden zu seinen Arbeitszeiten wesentlich unebener als nach der in den letzten
Jahren durchgeführten Neubaumaßnahme gewesen sei.
In ergänzenden Stellungnahmen (02.04.2013 und 23.04.2013) hat Dr. T ausgeführt, es entspreche nicht der Realität, dass vom
Kläger angegebene Lastgewichte über mehrere Minuten gehalten würden, ohne diese abzulegen. Bei vernünftiger Durchführung derartiger
Arbeiten würden zuvor Ablegemöglichkeiten geschaffen, "nicht aber schwere Wellen olympiareif mehrere Minuten gehalten oder
gewuchtet". Auch die Angaben hinsichtlich der Rumpfbeugehaltungen entsprächen nicht der Realität. Bezogen auf Tätigkeiten
auf Leitern bedeute dies, dass der Kläger höher gestiegen sei als unbedingt erforderlich, was wohl niemand freiwillig mache.
Zudem fehle es bei sämtlichen Tätigkeiten, die zugegebenermaßen auch in ungünstigen Körperhaltungen durchgeführt worden seien,
am Zwang, diese einzunehmen. Dem Kläger sei bei dem Ortstermin am 10.01.2013 im Beisein seines Bevollmächtigten ausreichend
Zeit eingeräumt worden, seine Tätigkeiten umfassend und detailliert zu schildern. Dass er einen Gabelstapler bedient habe,
sei wahrscheinlich und nachvollziehbar, wenngleich bei dem Ortstermin nicht erwähnt worden. Allerdings seien Ganzkörper-Schwingungen
beim Fahren des Staplers auf den vorhandenen ebenen Böden eher als minimal einzustufen. Auch sei zu unterstellen, dass der
Stapler für den Transport von schweren Wellen und Maschinenbauteilen eingesetzt worden sei.
Das Gericht hat den Beteiligten Unterlagen zum MDD ("Retrospektive Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder")
sowie der DWS-Richtwertestudie ("Was schadet den Bandscheiben?") zugeleitet und mitgeteilt, die Streitsache sei zur Sitzung
vorgesehen (Schreiben vom 19.06.2013 und 12.05.2014).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten
und Unterlagen Bezug genommen, der insgesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Bei dem Kläger ist das Vorliegen einer
BK 2108 anzuerkennen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die gegebenenfalls
bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher
Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität),
und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte
Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit.
Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung mit
der Bedingungstheorie als erstem und der wertenden Zurechnung als zweitem Prüfungsschritt. Kriterien für die Wesentlichkeit
der nach der Bedingungstheorie als Ursache festgestellten versicherten Einwirkungen sind, wenn andere festgestellte konkurrierende
Ursachen in Betracht kommen, Art und Ausmaß der Einwirkungen, die konkurrierenden Ursachen, das Krankheitsbild sowie die gesamte
Krankengeschichte, so dass letztlich in der Regel eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist. Entscheidungsbasis für die Kausalitätsbeurteilung
muss der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand sein. Erforderlich ist aber jeweils eine einzelfallbezogene positive Feststellung
sowohl der Verursachung nach der Bedingungstheorie als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch
die versicherten Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankheitsgeschehen, die
mehrere Ursachen haben können, gerade nicht. Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit
(vergleiche BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - mit weiteren Nachweisen).
Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger nach Überzeugung des Senats sämtlich erfüllt.
Während seiner versicherten Tätigkeiten war der Kläger Belastungen durch Heben von Lasten in Höhe von insgesamt 9,71 MNh ausgesetzt.
Diese auf der Berechnung des Präventionsdienstes der Beklagten vom 21.08.2009 beruhende Belastungsdosis wird auch von der
Beklagten nicht infrage gestellt. Sie liegt offensichtlich ebenfalls der ergänzenden Stellungnahme der Präventionsabteilung
vom 28.02.2012 zu Grunde und wird im Übrigen auch von dem von der Beklagten gehörten Dr. H bestätigt, der insoweit die Dosisberechnungen
im Bericht des Präventionsdienstes vom 21.08.2009, soweit es die Hebe- und Tragebelastungen angehe, ausdrücklich als "nicht
zu beanstanden" bezeichnet.
Entgegen der - erst im Verlauf des Berufungsverfahrens geänderten - Auffassung der Beklagten sind darüber hinaus allerdings
Belastungen durch versicherte Tätigkeit des Klägers in extremer Rumpfbeugehaltung im Umfang von zumindest 8,83 MNh zu berücksichtigen.
Bei der Annahme dieses Mindestwertes stützt sich der Senat wesentlich auf die erste Stellungnahme des Präventionsdienstes
der Beklagten vom 21.08.2009, in der Dr. D ausgehend von einer extremen Rumpfbeugehaltung für 10 Minuten pro Tag an 110 Tagen
pro Jahr diese Teildosis in Anwendung des MDD sowie unter Berücksichtigung der nach der BSG-Entscheidung vom 30.10.2007 geänderten Orientierungswerte - rechnerisch ohne ersichtliche Fehler - begründet hat, allerdings
bereits von den weitergehenden Angaben des Klägers und der zuvor erteilten schriftlichen Auskunft des Arbeitgebers abgewichen
ist.
Die später dagegen erhobenen Einwendungen seitens der Beklagten greifen nicht durch. Denn sie beruhen auf unzutreffenden Annahmen.
Offensichtlich falsch meint die Beklagte in ihrem späteren Berufungsvorbringen, soweit der Kläger "Beugewinkel von ca. 90
Grad" erreicht haben wolle, ergebe sich daraus eine relevante Belastung im Sinne der BK 2108 nicht. Denn das - aus 2006 stammende
- Merkblatt enthält die Angabe "Beugun um ca. 90° oder mehr", worauf auch Dr. T in seiner Stellungnahme vom 28.02.2012 hinweist.
Eine relevante Belastung im Sinne der BK 2108 kommt demnach auch bei einem Beugewinkel von 90° oder etwas weniger in Betracht.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Referenzdosismodell der DWS 2 - wie sich aus den vom Senat in das
Verfahren eingeführten Unterlagen ergibt - im Übrigen bereits Rumpfbeugehaltungen ab 45° einbezieht. Unzutreffend geht Dr.
T allerdings davon aus, Beugewinkel von ca. 90° finde man allenfalls im Bergbau. Denn das Merkblatt selbst nennt zahlreiche
andere Tätigkeiten, in denen entsprechende Belastungen anfallen können, unter anderem auch Tätigkeiten in der Metallverarbeitung,
wie das Be- und Verarbeiten von schweren Werkstücken. Weshalb es ferner problematisch sein sollte, dass sich etwa 50 % der
Gesamtlebensarbeitsdosis durch extreme Rumpfbeugehaltung ergebe, begründet Dr. T in seiner Stellungnahme nicht, argumentiert
vielmehr teilweise weiterhin mit dem von ihm so genannten "Original Mainz Dortmunder Dosismodell". Seinen späteren Stellungnahmen
aus Januar und April 2013 liegt zudem offenbar die Auffassung zu Grunde, belastende Tätigkeiten seien nur zu berücksichtigen,
sofern sie "unter Zwang" eingenommen würden. Eine solche Voraussetzung ergibt sich allerdings weder aus dem Wortlaut der BK
2108 noch aus dem Merkblatt zu dieser BK.
Mit der Gesamtbelastungsdosis von zumindest 18,54 MNh liegt der Kläger nicht nur weit über dem in der Deutschen Wirbelsäulen
Studie 2 offenbar angenommenen Schwellenwert von 7 MNh für Männer, sondern auch weit über dem vom BSG in seinem Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - vorgeschlagenen Orientierungswert von 12,5 MNh, nach dem zwar nicht "automatisch" ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen
Einwirkungen und festgestellter Wirbelsäulenerkrankung anzunehmen, jedoch eine genaue, auch medizinische Prüfung der Umstände
des Einzelfalls vorzunehmen ist. Demnach kann letztlich dahinstehen, ob zusätzlich - wie vom Kläger abweichend von früheren
Angaben im Verlauf des Berufungsverfahrens nunmehr behauptet - Ganzkörperschwingungen bei den beruflichen Belastungen zu berücksichtigen
wären. Ebenso kann offen bleiben, ob die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen bereits von der Beklagten im Bescheid
vom 07.12.2009 bindend anerkannt worden sind, soweit dort - allerdings lediglich in der Begründung - ausgeführt wird, "trotz
des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen" der BK 2108 könnten die beruflichen Belastungen nicht als wesentliche
Ursache angesehen werden.
Zur Überzeugung des Senates steht auch fest, dass die im Vollbeweis gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch
die versicherten Einwirkungen wesentlich verursacht wurde.
Schlüssig und nachvollziehbar begründet hat Dr. T bereits in seinem Gutachten dargelegt, dass bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte
Erkrankung in Form eines chronischen degenerativen Lumbalsyndroms mit pseudoradikulärer Lumboischialgie besteht, die unter
Berücksichtigung des späten Manifestationszeitpunktes der Erkrankung, des altersvorauseilenden Verschleißes an der LWS, des
Verteilungsmusters der Veränderungen unter Mitbeteiligung der Segmenten L3/L4 und L1/L2 bei gleichzeitiger Schwerpunktbildung
im beruflich meist belasteten Wirbelsäulenabschnitt sowie mit der eindeutigen Akzentuierung der Umformung im Lendenkreuzbeinübergang
im Vergleich zur nicht belasteten Wirbelsäule jedenfalls mitursächlich auf die berufliche Exposition bei der versicherten
Tätigkeit kausal zurückzuführen ist. Zwar hat sich dazu für die Beklagte Dr. I mit "allergrößten Zweifeln" am Vorliegen der
Konstellation B4 geäußert, dabei auf ihrer Auffassung nach fehlende mehrsegmentale black disc's abgestellt. Zutreffend hat
dazu allerdings Dr. T in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass im Originaltext der Beurteilungskriterien
für die Fallkonstellation B2 eine black disc nur bei der Diskussion eines monosegmentalen Schadens im Sinne einer Chondrose
oder eines Vorfalls in L5/S1 oder L4/L5 gefordert wird, bei dem Kläger jedoch eine Mitbeteiligung weiterer Segmente und somit
ein mehrsegmentaler Schaden an 4 Lendenbandscheiben vorliegt. Dabei legt er ausdrücklich die von Dr. I selbst durchgeführte
Vermessung mit altersüberschreitenden Chondrosus vom Grad II im Segment L5/5 und vom Grad III im Segment L 5/S1 zu Grunde,
auch wenn diese in ihrer Stellungnahme seiner Auffassung nach falsch eine tatsächlich im Grad I vorliegende Chondrose als
Normalbefund beschrieben habe. Dass zudem - entgegen der von Dr. I geäußerten Zweifel - "black disc" im Sinne der Konsensusempfehlungen
in allen vier betroffenen Bandscheiben nachgewiesen sind, hat Dr. H ebenso bestätigt wie die Zuordnung zur Konstellation B
4, für die - bei schwächer ausgeprägten Bandscheibenschäden an der HWS - ein Zusammenhang durch die beruflichen Einwirkungen
im Sinne der BK 2108 wahrscheinlich ist. Die von diesem beratenden Arzt der Beklagten darüber hinaus geäußerten Zweifel an
einem Kausalzusammenhang beruhen - wie oben dargelegt - allerdings wesentlich auf fehlerhaften Annahmen zu der zu Grunde zu
legenden Belastungsdosis des Klägers. Soweit Dr. H zusätzlich mit einer Erstmanifestation im Jahre 2005, wahrscheinlicher
im Jahre 2002 und einer zu diesen Zeitpunkten erreichten Dosis von 36 % oder 32 % des "Beurteilungsrichtwertes" abstellt,
berücksichtigt er dabei ebenfalls keinerlei Belastungen durch extreme Rumpfbeugehaltung. Ohne wesentliche Bedeutung bleibt,
dass seiner Auffassung nach Bandscheibendruckkräfte von 2,9 kN nur knapp oberhalb - aber eben doch oberhalb - des vom BSG festgesetzten Grenzwertes lägen. Im Übrigen ergeben sich insbesondere aus der Stellungnahme der Präventionsabteilung vom
31.08.2009 durchaus auch wesentlich höhere Druckkräfte.
Die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers hat diesen auch zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für die
Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Nach der Aufgabe
seiner Tätigkeit war er zunächst arbeitsunfähig wegen Lumboischialgien. Mit der Computertomographie vom 10.09.2008 wurde erstmals
ein Bandscheibenvorfall in L5/S1 nachgewiesen. Dementsprechend sieht auch Dr. T den Aufgabezwang für die exponierende Tätigkeit
ab dem 15.09.2008 als gesichert an. Konkrete Einwendungen der Beklagten liegen insoweit zudem nicht vor.