Rentenversicherung; Anrechnung von (verlängerten) Zeiten der Hochschulausbildung als gleichgestellte Beitragszeit nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI - Hochschulausbildung; Leistungssportler
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von (verlängerten) Zeiten der Hochschulausbildung als Beitragszeit im Sinne
von §
248 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI).
Der 1946 geborene Kläger studierte ab dem 1. September 1966 an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in L... Sportwissenschaften,
wobei die Regelstudienzeit am 31. Juli 1971 endete. Nach einer verlängerten Studienzeit wurde ihm mit Urkunde vom 31. Juli
1974 der akademische Grad Diplom-Sportlehrer verliehen (Bl. 12 VA). Ab dem 16. August 1974 war er als Trainer-Assistent Kanu/Kanu-Slalom
beschäftigt (Bl. 14 VA). Ab dem 1. Januar 1976 trat er der "Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter
der gesellschaftlichen Organisationen" bei. Im Vormerkungsbescheid vom 16. Oktober 2003 (28 VA) merkte die Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte die Zeit vom 1. September 1966 bis 31. Juli 1971 sowie die Zeit vom 1. August 1971 bis 31. Juli 1974 als (Anrechnungs-)Zeit
der Hochschulausbildung vor.
Auf seinen Antrag gewährte die Beklagte dem Kläger mit Rentenbescheid vom 7. Juli 2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen
ab dem 1. September 2009. Hierbei erkannte sie die Zeit vom 1. September 1966 bis zum 31. Juli 1971 als Zeit der Hochschulausbildung
an. Die Zeit vom 1. September 1971 bis zum 15. August 1974 ist im Versicherungsverlauf nicht aufgeführt. Mit seinem Widerspruch
vom 7. August 2009 begehrte der Kläger die Anerkennung der aufgrund des ausgeübten Leistungssports verlängerten Zeit der Hochschulausbildung
vom 1. September 1966 bis zum 15. August 1974. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück. Es sei der Ausschlusstatbestand des §
248 Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 SGB VI einschlägig, wonach Zeiten der Hochschulausbildung keine Pflichtbeitragszeiten seien. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger
in der streitigen Zeit der pauschalen Studentenversicherung unterlegen habe. Hieran würden auch etwaige Nettozahlungen des
Büros zur Förderung des Sports nach Überschreiten der Regelstudienzeit nichts ändern. Durch sie habe sichergestellt werden
sollen, dass Leistungssportler finanziell so gestellt worden seien wie nach Beendigung der Regelstudienzeit. Diese Zahlungen
seien aber nicht im Zusammenhang mit einem ordentlichen Arbeitsrechtsverhältnis unter Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen
geleistet worden.
Mit seiner am 10. Februar 2010 vor dem Sozialgericht Leipzig erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Durch
die hohen Trainings- und Wettkampfbelastungen als Leistungssportler habe sich seine reguläre Studienzeit erheblich verlängert.
Auf der Grundlage von Vereinbarungen des Staatssekretariats für Körperkultur und Sport mit dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen
und der staatlichen Versicherungsanstalt der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) hätten Sportler nach der regulären Studienzeit
Ausgleichszahlungen erhalten, für die Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt worden seien. Über diese internen Absprachen
gebe es keinerlei schriftliche Unterlagen. Daneben wandte er sich grundsätzlich gegen die "Gesamtsituation bei der Altersversorgung
Ost", die gegen den Gleichheitssatz verstoße. In seinen Urteilen vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 ff.) habe das Bundesverfassungsgericht den aus der DDR kommenden Bürgern ausdrücklich den Eigentums-, Bestands- und Vertrauensschutz
für ihre in der DDR erworbenen Alterssicherungsansprüche zugebilligt. Es sei Beweis zu erheben über den Erwerb von Anwartschaften
auf Ansprüche aus der Pflichtversicherungsrente und der Zusatzversorgung.
Weiter regte er eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht nach Art.
100 Grundgesetz (
GG) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des "Sonderrechts Ost" sowie der "Beitragsbemessungsgrenze Ost" an. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Kläger ausdrücklich und ausschließlich beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der
angegriffenen Bescheide zu verurteilen, die Zeit der verlängerten Hochschulausbildung vom 1. September 1966 bis zum 15. August
1974 als Beitragszeit anzuerkennen.
Mit Urteil vom 23. Februar 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die tatsächliche Gewährung von Ausgleichszahlungen
und Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen habe der Kläger nicht nachweisen können. Es bezieht sich im Wesentlichen auf
ein Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 3. Juni 2010 (S 24 R 145/07), wonach "Zeitzeugen" bestätigt hätten, dass durch das Büro zur Förderung des Sports in den Betrieben neben den Beiträgen
für die pauschale Studentenversicherung keine zusätzlichen Versicherungsbeiträge gezahlt worden seien. Soweit ein mittlerweile
verstorbener Zeuge mit schriftlicher Erklärung vom 22. Mai 2006 angegeben habe, dass bei Studienzeitverlängerungen auf die
durchschnittlichen Absolventengehälter Sozialabgaben an die Sozialversicherung der DDR abgeführt worden seien, sei kein Nachweis
erbracht. Auch Bemessungsgrundlage und Höhe der vermeintlichen Abgaben blieben im Dunkeln. Die Ausgleichszahlung sei lediglich
eine Aufstockung des Stipendiums zur Erreichung der Höhe eines fiktiven Nettogehaltes eines Hochschulabsolventen gewesen.
Gegen das am 3. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. April 2012 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen
seine Ausführungen aus dem Verfahren vor dem Sozialgericht. Es sei Beweis zu erheben, ob ihm ein den Einigungsvertrag sowie seine Grund- und Menschenrechte verletzendes Alterseinkommen zugemessen worden sei. Er macht die Verfassungswidrigkeit
der Rentenüberleitungsregelungen geltend und regt eine Vorlage des Rentenüberleitungsgesetzes nach Art.
100 GG zum Bundesverfassungsgericht an. Auch liege ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor. Gerichtliche Entscheidungen dürften nicht mehr auf der Grundlage des gescheiterten Konzepts des Rentenüberleitungsgesetzes
ergehen. Die im Vormerkungsbescheid der Beklagten festgestellte Zeit vom "25.08.1962 bis 24.08.1963" sei der Rentenberechnung
im Rentenbescheid zugrunde zu legen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Rentenbescheides
vom 7. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2010 zu verurteilen, den Zeitraum 1. September 1966
bis 15. August 1974 als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen und ihm eine höhere Altersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Instanzen vor, worauf zur Ergänzung des
Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Urteilsbeschluss angehört.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil es die Berufung einstimmig für unbegründet
und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält sowie die Beteiligten vorher gehört wurden, §
153 Abs.
4 Satz 1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Leipzig hat die Klage mit Urteil 23. Februar 2012 zu Recht abgewiesen. Der
Rentenbescheid der Beklagten vom 7. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2010 ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Zeitraumes 1. September 1966 bis 15. August 1974 als (Pflicht-)Beitragszeit.
Eine Beitragszeit im Sinne von §
54 Abs.
1 Nr.
1 in Verbindung mit §
55 SGB VI liegt nicht vor, weil der Kläger während dieser Zeit keine Beiträge nach Bundesrecht gezahlt hat. Sie ist auch nicht nach
§
248 Abs.
3 Satz 1
SGB VI einer Beitragszeit gleichgestellt.
Danach stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der
gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen für den in Rede stehenden Zeitraum, in dem der Kläger ein (verlängertes) Studium an der Deutschen
Hochschule für Körperkultur L... absolviert hat, nicht vor. Vielmehr greift die Ausnahmevorschrift des §
248 Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 SGB VI, wonach u.a. Zeiten der Hochschulausbildung keine Beitragszeiten im Beitrittsgebiet sind.
Unter "Hochschulausbildung" in diesem Zusammenhang ist jeder (in der DDR als beitragspflichtige Versicherungszeit anerkannte)
Tatbestand zu verstehen, soweit es sich dabei inhaltlich um eine Ausbildung an einer Hochschule der DDR für einen Beruf gehandelt
hat, die Zeit mithin von ihrem Ausbildungszweck geprägt ist (st. Rspr. des BSG, vgl. Urteile vom 23. März 1999 - B 4 RA 18/98 R -, juris Rn. 20 und vom 30. August 2000 - B 5/4 RA 87/97 - juris Rn. 26). Dies ist der Fall. Der Kläger absolvierte im streitigen Zeitraum ausschließlich eine durch ein Stipendium
sowie eine zusätzliche Ausgleichszahlung abgesicherte Ausbildung an einer Hochschule, die dem Ziel diente, ihn zum Sportlehrer
auszubilden. Dass er neben dem Studium als Leistungssportler aktiv war, steht dem nicht entgegen. Diese Tätigkeit führte lediglich
zur Verlängerung der Regelstudienzeit, stand jedoch dem eigentlichen Zweck des Studiums, den Kläger zum Diplomsportlehrer
auszubilden, nicht entgegen. Im Gegenteil diente die Verlängerung der Studienzeit der Unterstützung und Förderung dieses Ziels.
Zwar wurden - zumindest für die Zeit des Regelstudiums - Sozialversicherungsbeiträge zur Studentenversicherung entrichtet,
deren Grundlage die Verordnung über die Pflichtversicherung der Studenten und Aspiranten bei der Sozialversicherung der Arbeiter
und Angestellten vom 15. März 1962 (GBl. DDR S. 126) war. Nach dessen § 5 wurde von der Lehranstalt für jeden Studierenden
monatlich ein Sozialversicherungsbeitrag von 6 Mark an den Rat des Kreises bzw. Stadtkreises bezahlt. Es kann dahinstehen,
ob dem Kläger während der verlängerten Studienzeit - wie er behauptet - eine Ausgleichszahlung in Höhe eines fiktiven Lehrergehaltes
nach Abschluss des Studiums gezahlt worden ist und ob hierfür Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, die über die Beiträge
zur Studentenversicherung hinausgingen. Denn der Anwendung der Ausnahmevorschrift in §
248 Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 SGB VI steht die Tatsache, dass während eines Studiums Beiträge zur Sozialpflichtversicherung der DDR gezahlt wurden, nicht entgegen.
Grund der Ausnahmevorschrift ist gerade, dass diese Zeiten in der DDR - anders als in der Bundesrepublik - der Versicherungspflicht
unterlagen. Mit der Regelung sollte mit Einführung einheitlichen Rentenrechts in Deutschland eine ungerechtfertigte Benachteiligung
der Beitragszahler gegenüber den Rentenbeziehern verhindert werden. Sie soll - wie zuvor schon § 15 Abs. 3 Satz 3 Buchst c Fremdrentengesetz - verhindern, dass sich aus einem im fremden System anerkannten Versicherungstatbestand ein Bewertungsvorteil ergibt, den
der größte Teil der Versicherten (Rentner und Beitragszahler) im Bundesgebiet nicht erhalten kann (vgl. Entwurf eines Gesetzes
zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - zu Nr. 54
[§ 248 Abs. 2 Nr. 1
SGB VI in der Fassung des Entwurfs des Rentenüberleitungsgesetzes] BT-Drs 12/405, S. 125; so auch BSG, Urteile vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 121/95 - SozR 3-2600 § 248 Nr. 1 S. 5 und vom 30. August 2000 - B 5/4 RA 87/97 R -, juris Rn. 27). Grund hierfür ist, dass das
SGB VI - wie zuvor das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und die
Reichsversicherungsordnung (
RVO) - Zeiten einer erstmaligen oder berufsqualifizierenden Ausbildung, die außerhalb eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses
oder eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses zurückgelegt worden sind, nicht als Beitragszeiten (und nur teilweise und
unter einschränkenden Voraussetzungen als Anrechnungszeiten) anerkennt.
Hochschulausbildung ist danach schlechthin kein Erwerbstatbestand für Beitragszeiten.
Durch §
248 Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 SGB VI wird mithin eine sachgerechte Gleichbehandlung aller Versicherten und Beitragszahler gewährleistet, die Beitragszeiten nicht
dadurch erlangen können, dass sie sich außerhalb eines entgeltlichen Beschäftigungs- oder eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses
an einer Hochschule ausbilden oder qualifizieren lassen (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 121/95 - juris Rn. 25).
§
248 Abs.
3 Satz 2
SGB VI steht der Anrechnung als gleichgestellte Beitragszeit (deshalb) nur dann nicht entgegen, wenn die Hochschulausbildung in
ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis integriert war oder neben der Hochschulausbildung eine entgeltliche Beschäftigung
ausgeübt oder ein anderer eine Beitragszeit begründender Tatbestand erfüllt war, das heißt, Sozialversicherungsbeiträge zwar
während, aber nicht aufgrund der Ausbildung gezahlt worden sind (BSG, Urteile vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 121/95 -, juris Rn. 25 und vom 30. August 2000 - B 5/4 RA 87/97 R - juris Rn. 28 unter Verweis auf Klattenhoff in: Hauck,
SGB VI, K §
248, Stand: Juli 1996, Rn. 48). Auch dies war nicht der Fall. Der Kläger stand weder während der Dauer seiner Regelstudienzeit
noch während der verlängerten Studienzeit in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis, aufgrund dessen Sozialversicherungsbeiträge
abgeführt wurden. Grundlage der Sozialversicherungsbeiträge zumindest für die Zeit des Regelstudiums war vielmehr die oben
benannte Studentenversicherung.
Selbst wenn an den Kläger während der verlängerten Studienzeit eine Lohnausgleichszahlung geleistet und hierfür Sozialversicherungsbeiträge
abgeführt worden sein sollten, die über die Beiträge zur benannten Studentenversicherung hinausgingen, wären die Voraussetzungen
von §
248 Abs.
3 Satz 1
SGB VI nicht erfüllt. Denn auch in diesem Fall hat der Kläger während seiner Studienzeit keine (versicherungspflichtige) Beschäftigung
für einen Arbeitgeber ausgeübt. Er ist im streitigen Zeitraum nach seinem eigenen Bekunden dem Hochschulstudium und dem Leistungssport
nachgegangen, war aber weder in den Arbeitsablauf eines Arbeitgebers eingegliedert noch hat er für einen solchen Tätigkeiten
nach Weisung verrichtet. Selbst wenn der Kläger das (fiktive) Gehalt eines Diplomsportlehrers bezogen haben sollte, bestanden
keine diesbezüglichen Arbeitspflichten, zumal der Kläger noch nicht über den entsprechenden Abschluss verfügte. Diesen erlangte
er erst mit Urkunde vom 31. Juli 1974. Der Umstand, dass ein Student neben - oder wie hier, nach dem Stipendium - eine Ausgleichszahlung
bezog, deren Höhe sich nach dem letzten oder einem fiktiven Verdienst richtet, ändert daran nichts (vgl. u.a. LSG Berlin-
Brandenburg, Urteile vom 14. November 2001 - L 6 RA 75/00 - juris Rn. 20 und vom 8. September 2005 - L 21 RA 151/03 - juris Rn. 42; LSG Thüringen, Urteil vom 19. Dezember 2005 - L 6 RA 27/04 - juris Rn. 31, 36; LSG Berlin, Urteil vom 14. November 2001 - L 6 RA 75/00). Nach alldem handelt es sich bei etwaig entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen jedenfalls nicht um solche aus einem versicherungspflichtigen
Arbeitsverhältnis im Sinne von §§ 14, 67, 74 der Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten - SVO - vom 21. Dezember 1961 (GBl. DDR S. 533).
Keine weiteren Rechte kann der Kläger aus dem Vormerkungsbescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 16. Oktober 2003
herleiten. Soweit er wörtlich begehrt, "die im Vormerkungsbescheid der Beklagten festgestellte Zeit vom 25.8.1962 bis 24.8.1963
der Rentenberechnung im Rentenbescheid zugrunde zu legen", handelt es sich hierbei offensichtlich um einen Übertragungsfehler.
Denn im Vormerkungsbescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2003 ist der benannte Zeitraum nicht explizit ausgewiesen und darüber
hinaus weder als Zeit der Hochschulausbildung noch als Pflichtbeitragszeit vorgemerkt. Aber auch hinsichtlich der im Bescheid
vorgemerkten Zeit vom 1. September 1966 bis 31. Juli 1974 als Anrechnungszeittatbestand einer Hochschulausbildung steht dem
Kläger der begehrte Anspruch nicht zu. Zum einen ist die Zeit vom 1. August 1971 bis 31. Juli 1974 im Versicherungsverlauf
zum Vormerkungsbescheid als "Hochschulausbildung Höchstdauer überschritten" gekennzeichnet. Zum anderen folgt aus der Vormerkung
als Anrechnungszeittatbestand kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, den Zeitraum als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen.
Nach §
149 Abs.
5 Satz 1
SGB VI stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger
als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn der Versicherungsträger das Versicherungskonto geklärt oder
der Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen
hat. Im Rahmen dieses sog. Vormerkungsverfahrens wird auf der Grundlage des im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt geltenden
materiellen Rechts vorab geklärt, ob ein bestimmter potentiell rentenrelevanter Tatbestand im Sinne des
SGB VI nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist und ob generell die Möglichkeit besteht, dass der Sachverhalt
in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich relevant werden kann. Es geht jedoch nicht um die "Anerkennung"
oder "Feststellung" von "rentenrechtlichen Zeiten" für den späteren Leistungsfall (BSG, Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 114/00 R - juris Rn. 26). Denn über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf eines Vormerkungsbescheids enthaltenen
Daten wird gemäß §
149 Abs.
5 Satz 3
SGB VI erst bei Feststellung einer Leistung - hier im Rentenbescheid vom 7. Juli 2009 - entschieden. Zudem hat die Beklagte die
streitige Zeit nicht als Pflichtbeitragszeit vorgemerkt.
Ein Anspruch auf Anerkennung des streitigen Zeitraumes als Pflichtbeitragszeit ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers
auch nicht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95). Dies betraf zum einen die - hier nicht streitige - Verfassungsmäßigkeit der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften
aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung.
Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht darin (lediglich) ausgeführt, dass der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz
den Rentenansprüchen und -anwartschaften nur in der Form zukommt, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrages erhalten haben, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen
grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt und Art.
14 Abs.
1 Satz 2
GG ihm deshalb die Befugnis verleiht, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen sowie Ansprüche
und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt
(BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 - juris Rn. 124 ff.). Von diesem Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber mit der Regelung in §
248 Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 SGB VI in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
Der Vortrag des Klägers enthält schließlich keine neuen Gesichtspunkte, die Anlass zu einer abweichenden Bewertung geben und
zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art.
100 Abs.
1 Satz 1
GG verpflichten könnten.
2.
Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahrens (auch) gegen die seiner Ansicht nach "verfassungswidrige besondere Beitragsbemessungsgrenze
Ost" und "verfassungswidrige besondere Alterssicherungsrecht Ost" sowie gegen die gesamten Rentenüberleitungsregelungen wendet,
ist dieses Begehren bereits unzulässig. Denn in dieser Erweiterung des Streitgegenstandes liegt eine unzulässige Klageänderung.
Ausschließlich sein Begehren auf Anerkennung des unter 1. streitigen Zeitraumes als Pflichtbeitragszeit nach §
248 Abs.
3 Satz 1
SGB VI war Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und vom Klageantrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2012
vor dem Sozialgericht Leipzig umfasst. Mit seinen im Schriftsatz vom 23. Juli 2012 für das Berufungsverfahren formulierten
Klageanträgen möchte der Kläger mit weiteren Klagebegehren - Zahlung höherer Rente nicht (nur) aufgrund der Anerkennung des
Zeitraumes 1. September 1966 bis 15. August 1974 als Pflichtbeitragszeit, sondern aufgrund der Nichtanwendung von Rentenüberleitungsregelungen,
die das gesamte "Rentensystem Ost" betreffen - eine weitergehende Entscheidung des Gerichts herbeiführen, als er in der ersten
Instanz beantragt hat, weshalb darin eine Änderung seines Klageantrages zu sehen ist. Hierin liegt nicht lediglich eine Klageerweiterung
im Sinne von §
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG, weil der Kläger den Klagegrund - von ursprünglich lediglich einem Streit über die Einordnung des Zeitraumes 1. September
1966 bis 15. August 1974 hin zum Begehren einer grundsätzlichen Entscheidung über die gesamte Rentenüberleitung - geändert
hat.
Nach §
99 Abs.
1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich
hält. Die Beklagte hat in die Änderung der Klage weder eingewilligt noch hat sie sich in der Berufungsinstanz im Sinne von
§
99 Abs.
2 SGG auf die abgeänderte Klage eingelassen. Sie ist in keinem Schriftsatz auf das geänderte Klagebegehren eingegangen. Allein
der Antrag, die Berufung zurückzuweisen, kann nicht als rügelose Einlassung in dem Sinne gewertet werden, weil diese die sachliche
Erwiderung voraussetzt (zur wortgleichen Vorschrift in §
91 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung: BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2009 - 9 B 20/09 -, juris Rn. 5). Denn der Begriff der Einlassung in §
99 Abs.
2 SGG setzt - ebenso wie der in §
91 Abs.
2 VwGO - voraus, dass sich der Beklagte mit dem Sachvortrag inhaltlich zur geänderten Klage äußert (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar
1974 - 5 C 14.73 - juris; ebenso Ortloff/Riese, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, §
91 Rn. 67 und Rennert, in Eyermann,
VwGO, 13. Aufl. 2010, §
91 Rn. 28). Dies ist nicht geschehen. Auch liegt keine Sachdienlichkeit vor. Ob eine Klageänderung sachdienlich ist, entscheidet
das Gericht nach Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten und der Prozessökonomie (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
99 Rn. 10). An der Sachdienlichkeit fehlt es bereits deshalb, weil bezüglich der erweiterten Klage das nach §
78 Abs.
1 SGG vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt worden ist und deshalb eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung für die Klage
fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 14/06 R -, juris Rn. 15). Gegenstand des durchgeführten Widerspruchsverfahrens war allein das Begehren des Klägers, die Zeit seines
Hochschulstudiums als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen. Das - weit darüber hinausgehende - Begehren des Klägers, das gesamte
Rentenüberleitungssystem zu "reformieren" sowie das diesbezügliche "Sonderrecht Ost" abzuschaffen, stellt den Rechtsstreit
auf eine völlig neue Grundlage und ist zudem allein rechtspolitischer Natur, weshalb er nicht in die Zuständigkeit der Gerichte
fällt (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Dezember 2010 - L 1 R 187/08 - juris Rn. 28).
Aber selbst wenn die Änderung der Klage (im Berufungsverfahren) zulässig sein sollte, wäre die diesbezügliche Klage jedenfalls
unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht hat - wie dargelegt - in seiner vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung vom
28. April 1999 (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 -, BVerfGE 100, 1-59, Rn. 117 ff.) ausgeführt, dass der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz den Rentenansprüchen und -anwartschaften nur
in der Form zukommt, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrages erhalten haben. Denn auch für rentenversicherungsrechtliche Rechtspositionen gilt, dass sich die konkrete Reichweite der
Eigentumsgarantie erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ergibt, die nach Art.
14 Abs.
1 Satz 2
GG Sache des Gesetzgebers ist. Ihm kommt bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen
grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Rentenansprüche und -anwartschaften weisen zwar einen hohen personalen Bezug
auf, stehen jedoch in einem ausgeprägt sozialen Bezug. Deshalb verleiht Art.
14 Abs.
1 Satz 2
GG dem Gesetzgeber die Befugnis, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen sowie Ansprüche
und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt.
Dies hat der Gesetzgeber u.a. mit den Regelungen des
SGB VI getan, deren Vereinbarkeit mit der Verfassung das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen festgestellt hat (vgl.
u.a. Beschluss vom 11. Mai 2005 - 1 BvR 368/97 u.a. - juris sowie Nichtannahmebeschlüsse vom 21. Juli 2005 - 1 BvR 1490/99 - und vom 15. September 2006 - 1 BvR 799/98 - juris).
Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 23. Juli 2012 beantragt, "Beweis zu erheben über den Erwerb von Anwartschaften auf Ansprüche
aus der Pflichtversicherungsrente der SV und der Zusatzversorgung während des Arbeitslebens und in Versicherungsverhältnissen
in der DDR, die auf eine angemessene Alterssicherung gerichtet sind und über den Wert, den diese Anwartschaften/Ansprüche
zum 01.07.90 und zum 31.12.91 erreicht hatten, sowie über den Erwerb von Anwartschaften auf Ansprüche aus der Pflichtversicherung
der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit ab dem 01.07.90 bis zum späteren Eintritt in den Ruhestand als Altersrentner und
über die Verweigerung des Erwerbs von Anwartschaften auf Ansprüche zur Aufstockung der Versicherungsrente zu einer Vollversorgung
und nach der Zahlbetragsgarantie gem. Art. 30 Abs. 5 EV, nach der derzeitigen Verfahrensweise gemäß
SGB VI, nach der Verfahrensweise analog §
307b SGB VI i.d.F. des 2. AAÜG-ÄndG" (Bl. 70 GA), sind diese "Beweisanträge" nicht geeignet, den Sachverhalt für eine Sachentscheidung (weiter) aufzuklären
oder aufzubereiten. Weder sind beweisbedürftige Tatsachen benannt noch werden konkrete Beweisthemen oder Beweismittel angegeben.
Den "Beweisanträgen" war auch nicht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht nach §§
153 Abs.
1,
103 Satz 1 HS 1
SGG nachzugehen, weil sie - wie auch der sonstige Vortrag des Klägers - offensichtlich auf eine grundlegende Änderung des Rentenüberleitungssystems
und mithin auf das Betreiben von Rechtspolitik gerichtet sind, was nicht Aufgabe des Gerichts ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG bestehen nicht.