Voraussetzungen der Zurückverweisung eines Rechtstreits an das Sozialgericht
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung von Einkommen auf seinen Leistungsanspruch im Monat September 2017.
Der 1961 geborene Kläger bezieht eine Erwerbsminderungsrente und aufstockend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beklagten.
Mit Bescheid vom 28. August 2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Monat September 2017 unter Anrechnung
eines einmaligen Einkommens in Höhe von 222,53 Euro, basierend auf zwei Nachzahlungen von Krankengeld im Juli 2017. Gegen
diese Einkommensanrechnung erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2017 (Az:
W-1053/17) zurückwies.
Am 6. Dezember 2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 52 SO 586/17
geführt wurde. In der Klagschrift hat er auf den „Widerspruchsbescheid vom 14.11.2017 gegen den Widerspruch vom 31.08.2017
gegen den Bescheid vom 28.08.2017“ Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Beschluss vom 29. Oktober 2019 mit weiteren Verfahren des Klägers zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung unter Führung des Aktenzeichens S 52 SO 115/18 verbunden.
Laut einem undatierten Vermerk in der Prozessakte (Bl. 22 Rückseite) hat die Beklagte dem zuständigen Kammervorsitzenden des
Sozialgerichts mitgeteilt, es gebe keinen Widerspruchsbescheid vom 14. November 2017 bezüglich des Bescheids vom 28. August
2017.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 17. August 2020 hat das Sozialgericht die Klagen insgesamt abgewiesen. Bezüglich
des ehemals unter dem Aktenzeichen S 52 SO 586/17 geführten Streitgegenstand hat es zur Begründung ausgeführt, die Klage sei
mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Es sei keine konkrete Regelung erkennbar, auf die der Kläger sich beziehe. Zwar
benenne der Kläger einen Bescheid der Beklagten vom 28. August 2017 und einen dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 14.
November 2017. Weder der Bescheid vom 28. August 2017 noch ein sich auf diesen beziehender Widerspruchsbescheid vom 14. November
2017 fänden sich jedoch in der Verwaltungsakte. Die Beklagte habe auf Anfrage des Kammervorsitzenden auch mitgeteilt, dass
sie keinen entsprechenden Widerspruchsbescheid erlassen habe. Es gäbe einen Widerspruchsbescheid vom 14. November 2017, dieser
beziehe sich aber auf den Bescheid vom 20. September 2017.
Das Urteil ist dem Kläger am 1. Oktober 2020 zugestellt worden. Am 26. Oktober 2020 hat der Kläger gegen das Urteil insgesamt
Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht Hamburg eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 4 SO 90/20 NZB geführt wurde.
Zum hiesigen Streitgegenstand hat der Kläger ausgeführt, es gebe durchaus einen Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14.
November 2017, der sich auf den Bescheid vom 28. August 2017 beziehe; er hat diesen Widerspruchsbescheid in Kopie beigefügt.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2021 hat der Senat die Berufung zugelassen, die unter dem Aktenzeichen L 4 SO 15/21 fortgeführt
wurde. Der Senat hat ferner mit Beschluss vom 2. März 2021 das Verfahren betreffend den Widerspruchsbescheid vom 14. November
2017 zum Bescheid vom 28. August 2017 (Az: W-1053/17) zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt, seitdem wird
es unter dem Aktenzeichen L 4 SO 21/21 geführt.
Konkrete Anträge haben die Beteiligten nicht formuliert.
Auf Anfrage des Senats – unter Hinweis auf die beabsichtigte Zurückverweisung an das Sozialgericht – haben die Beteiligten
sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der
beigezogenen Akte verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin im schriftlichen
Verfahren (§§
124 Abs.
2,
153 Abs.
1,
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz –
SGG).
Die Berufung ist nach der Zulassung durch den Senat statthaft (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist im Sinne der Zurückverweisung an das Sozialgericht (§
159 SGG) begründet.
Gemäß §
159 Abs.
1 Nr.
1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen,
wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Hier hat das Sozialgericht keine Sachentscheidung
über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen für den Monat September 2017 getroffen, sondern die Klage
insoweit durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Dieses Prozessurteil ist rechtsfehlerhaft, denn die Klage ist nicht
unzulässig. Das Sozialgericht hat die Unzulässigkeit der Klage damit begründet, dass es am Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil
keine konkrete Regelung erkennbar sei, auf die der Kläger sich beziehe. Tatsächlich existiert aber der vom Kläger erwähnte
Widerspruchsbescheid vom 14. November 2017 ebenso wie der Bescheid vom 28. August 2017. Damit sind durchaus konkrete Regelungen
vorhanden, gegen die der Kläger sich mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft wendet. Die Klage ist
auch nicht aus anderen Gründen unzulässig. Es ist sowohl das erforderliche Vorverfahren durchgeführt worden als auch die Klagfrist
gewahrt. Ferner liegt auch keine doppelte Rechtshängigkeit vor. Insbesondere ist der Bescheid vom 28. August 2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2017 nicht auch Gegenstand des noch beim Sozialgericht anhängigen Verfahren zum
Aktenzeichen S 52 SO 565/17. Denn der Kläger hat mit Schreiben vom 2. Februar 2018 (zum Aktenzeichen S 52 SO 586/17) ausdrücklich
klargestellt, dass sich das Verfahren S 52 SO 565/17 nur auf den Bescheid vom 8. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 13. November 2017 beziehe. Doppelte Rechtshängigkeit besteht auch nicht in Hinblick auf das noch beim Sozialgericht anhängige
Verfahren S 52 SO 539/17, denn jenes hat eine Untätigkeitsklage, gerichtet auf Bescheidung des Widerspruchs gegen den Bescheid
vom 28. August 2017, zum Gegenstand. Der Kläger hat diese Untätigkeitsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 14.
November 2017 nicht in eine Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt, sondern – was ihm freistand – mit dem hiesigen Verfahren
eine neue, gesonderte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben.
Im Rahmen seines nach §
159 Abs.
1 Nr.
1 SGG auszuübenden Ermessens hält der Senat eine Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht für sachgerecht. Dabei berücksichtigt
er insbesondere, dass der Streitstoff bisher überhaupt nicht aufbereitet worden ist und dass beim Sozialgericht weitere Verfahren
anhängig sind (S 52 SO 565/17 und S 52 SO 392/18 WA), in denen es ebenfalls um die Anrechnung von Einkommen aufgrund der Krankengeldnachzahlungen
im Juli 2017 geht, allerdings bezogen auf andere Monate als den September 2017. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht,
dass in erster Linie das Sozialgericht die entscheidungserheblichen Tatsachen insgesamt ermittelt und rechtlich bewertet.
Das Verfahren vor dem Landessozialgericht war insgesamt nur von relativ kurzer Dauer, sodass das Interesse der Beteiligten
an einer zügigen Entscheidung einer Zurückverweisung nicht entgegensteht.
Eine Kostenentscheidung ist durch den Senat nicht zu treffen, sie bleibt vielmehr der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht ersichtlich.