Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Anforderungen an das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit
Objektive Beweislast für die Feststellung von Gewinnen aus der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit
Tatbestand
Die Kläger wenden sich mit ihrer Berufung gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem das Sozialgericht Duisburg die Klage auf Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Juli 2017 bis November 2017 abgewiesen hat.
Die am 00.00.1994 geborene Klägerin zu 1) ist mit dem am 00.00.1990 geborenen Kläger verheiratet. Im Jahr 2017 lebten die
Klägerin zu 1) und der Kläger in einer unehelichen partnerschaftlichen Beziehung. Die am 00.00.2017 geborene Klägerin zu 3)
ist deren gemeinsame Tochter. Die Kläger sind rumänische Staatsbürger.
Im Jahr 2015 siedelten die Kläger zu 1) und 2) nach Deutschland über und mieteten zum 15.08.2015 eine Wohnung in der I-Straße
37, Herne, an. Die Bruttokaltmiete betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 460 € (360 € Grundmiete, 100 € Betriebskostenvorauszahlung).
Die Wohnung verfügte über eine Gasheizung. Der Abschlag für die Gaskosten betrug im Juli 2017 97 €. Im August 2017 wurde eine
Gasnachzahlung von 243,61 € fällig. Ab September 2017 war ein monatlicher Gasabschlag von 74 € zu zahlen. Die Warmwasseraufbereitung
erfolgte zentral über die Gasheizungsanlage.
Am 05.10.2016 schloss die Klägerin zu 1) einen Vertrag über eine unbefristete Teilzeitbeschäftigung als "Bürokraft" mit der
Fa. J, Trier, auf Basis von 17,5 Stunden/Woche (5 Tage zu je 3,5 Stunden) zu einem Stundensatz von 8,50 € brutto ab. Als Tätigkeitsort
wurde Essen vereinbart.
Am 28.11.2016 beantragten die Kläger beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1) sei schwanger und gehe seit dem 01.11.2016 einer Teilzeitbeschäftigung bei der Fa. J nach. Die Arbeitseinsatzorte
seien Trier und Düsseldorf; sie fahre dorthin mit dem eigenen Auto. Auf die Arbeitsstelle sei sie im Internet aufmerksam geworden.
Zuvor hätten die Kläger von Zuwendungen der Familie gelebt.
Mit Bescheiden vom 14.12.2016 und 05.04.2017 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1) und 2) sowie ab dem 22.05.2017 der
Klägerin zu 3) Leistungen für November 2016 bis Oktober 2017. Die Leistungshöhe setzte der Beklagte für Juli 2017 mit 965
€ und für August 2017 bis Oktober 2017 mit monatlich 868 € fest.
Mit Schreiben vom 27.03.2017 und 18.04.2017 sowie im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 02.05.2017 teilte die Klägerin
zu 1) dem Beklagten mit, sie könne bei der Fa. J niemanden mehr erreichen. Sie habe dort zuletzt am 15.02.2017 gearbeitet
und ihren Lohn in bar erhalten. Der Kläger plane ein Reisegewerbe für Kfz-Dienstleistungen. Schriftliche Anfragen des Beklagten
bei der Fa. J vom 08.05.2017 und 21.06.2017 blieben unbeantwortet. Die Krankenkasse teilte auf Anfrage des Beklagten mit,
die Klägerin sei zum 31.12.2016 vom Arbeitgeber abgemeldet worden.
Nach vorläufiger Leistungseinstellung ab Juni 2017 hob der Beklagte die Leistungsbescheide vom 14.12.2016 und 05.04.2017 für
die Zeit ab dem 01.07.2017 auf (Aufhebungsbescheid vom 06.07.2017). Die Kläger seien vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II ausgeschlossen. Mit Änderungsbescheid vom 14.07.2017 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für Januar 2017 bis Juni
2017. Gegen die Bescheide vom 06.07.2017 und 14.07.2017 haben die Kläger keinen Widerspruch eingelegt. Den Widerspruch der
Kläger gegen die vorläufige Leistungseinstellung verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2017 als unzulässig.
Am 17.07.2017 reichte der Kläger unter dem Bogen "Anmeldung Selbständigkeit" eine ab dem 13.07.2017 gültige Reisegewerbekarte
als Kfz-Mechaniker ein. In einer Anlage EKS für den Bewilligungszeitraum Juli 2017 bis Dezember 2017 vom 17.07.2017 ging der
Kläger prospektiv von einem Gewinn nach sechs Monaten iHv insgesamt 313,08 € aus. Er biete seine Reparaturdienstleistungen
an Hobby-Werkstätten/ Privatpersonen an. Er benutze eigenes Werkzeug und miete ggf. Hebebühnen/Werkstatträume an. Seine Einnahmen
und Ausgaben trage er in einen Kassenbericht ein, den er für Juli 2017 vorgelegt hat. Seinen Pkw nutze er zu 95 % geschäftlich.
Er fahre ungefähr 1.000 km im Monat und wisse noch nicht, ob er einen Mikrokredit für die Existenzgründung in Anspruch nehmen
werde. Die Kläger legten die Kindergeld- und Elterngeldbescheide, in denen jeweils die Klägerin zu 1) bezugsberechtigt war,
vor. Der Beklagte bewertete diese Mitteilungen als Neuantrag zum 01.07.2017 und lehnte diesen so verstandenen Leistungsantrag
mit Bescheid vom 04.10.2017 nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab.
Die Kläger legten gegen den Ablehnungsbescheid am 23.10.2017 Widerspruch ein. Der Kläger übe seit Juli 2017 ein Reisegewerbe
aus. Er habe dies durch Vorlage des Kassenberichts für Juli 2017 nachgewiesen. Die Kläger legten weitere Kassenberichte für
August 2017 und September 2017 vor. Als Kleinunternehmer sei der Kläger von der Umsatzsteuerpflicht befreit, wie das Finanzamt
Herne unter dem 20.10.2017 bescheinigt habe.
Ab dem 01.12.2017 ging der Kläger einer Vollzeitbeschäftigung bei der Fa. Gebrauchtteile F, Inhaber A B, mit einem monatlichen
Bruttoeinkommen von 2.070 € nach. Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren bei dem Sozialgericht Duisburg (S 38 AS 3419/17 ER), in dem der Kläger eidesstattlich angab, bereits seit Frühjahr 2017 selbständig als Reisegewerbetreibender tätig gewesen
zu sein, nahmen die Kläger zurück.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2018 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Die Angaben zum
Beginn und Umfang der selbständigen Tätigkeit seien unvollständig und teilweise widersprüchlich. Die Leistungsberechtigung
der Kläger könne deswegen nicht festgestellt werden.
Hiergegen haben die Kläger am 12.02.2018 Klage bei dem Sozialgericht Duisburg erhoben. Ab Dezember 2017 verfügten die Kläger
über bedarfsdeckendes Erwerbseinkommen. Zuvor seien sie hilfebedürftig gewesen; ein Leistungsausschluss komme aufgrund der
Nachwirkung der Beschäftigung bei der Fa. J und aufgrund des Reisegewerbes des Klägers nicht in Betracht.
Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 04.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2018
zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 30.11.2017 zu gewähren.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf seinen Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Kläger mit einer vom Vorsitzenden namentlich unterschriebenen Verfügung vom 11.02.2020 u.a. aufgefordert,
binnen 5 Wochen nach Zugang der Verfügung Nachweise zu den tatsächlichen Betriebseinnahmen und -ausgaben der Selbständigkeit
aus der Anlage EKS vom 13.04.2019 bei Gericht einzureichen (bspw. Zahlungseingänge). Die Verfügung hat das Sozialgericht den
früheren Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt. Die Kläger haben die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2020 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen. Es könne offen
bleiben, ob die Kläger einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterlagen. Jedenfalls hätten die Kläger nicht dargelegt, dass sie im Zeitraum vom 01.07.2017 bis 30.11.2017 hilfebedürftig
waren.
Gegen den ihnen am 03.06.2020 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 29.06.2020 Berufung eingelegt und ihr Vorbringen
wiederholt und vertieft.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 26.05.2020 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihnen unter Änderung
des Bescheides vom 04.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2018 Leistungen für Juli 2017 bis November
2017 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bezug genommen.
Der Senat hat die Kontoauszüge der Kläger eingeholt, auf die Bezug genommen wird. Daneben hat der Senat eine Auskunft der
Kfz-Zulassungsstelle Herne eingeholt, die ergeben hat, dass auf den Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zwei Pkw angemeldet
waren. Die Kläger haben auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, die Klägerin zu 1) verfüge über keinen Führerschein.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte
sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage, gerichtet auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides
vom 04.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2018 sowie auf Leistungen für Juli 2017 bis November 2017,
abgewiesen.
Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Die Kläger haben den ihnen obliegenden Beweis, dass sie in der Zeit
vom 01.07.2017 bis 30.11.2017 hilfebedürftig waren, nicht erbracht.
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann
und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem
Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern
können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin
oder lebenden Partners zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der
Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Die Kläger bilden einer Bedarfsgemeinschaft iSv § 7 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 SGB II.
Gemessen an den von den Klägern geltend gemachten Bedarfen und Einkünften ergibt sich ein Bedarf wie folgt:
Juli 2017
368 €
|
Regelbedarfsstufe 2 für Klägerin zu 1)
|
368 €
|
Regelbedarfsstufe 2 für Kläger
|
237 €
|
Sozialgeld für Klägerin zu 2)
|
460 €
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Bruttokaltmiete (ohne Heizkosten)
|
97 €
|
Heizkosten
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1.530 €
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Gesamtbedarf
|
-0 €
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Kindergeld (kein Zufluss)
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- 870 €
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bereinigtes Elterngeld (300 € + 600 € Nachzahlung)
|
660 €
|
Anspruch
|
August 2017
368 €
|
Regelbedarfsstufe 2 für Klägerin zu 1)
|
368 €
|
Regelbedarfsstufe 2 für Kläger
|
237 €
|
Sozialgeld für Klägerin zu 2)
|
460 €
|
Bruttokaltmiete (ohne Heizkosten)
|
243,61 €
|
Heizkosten-Nachzahlung
|
1.676,61 €
|
Gesamtbedarf
|
-768 €
|
Kindergeld (+ Kindergeldnachzahlung)
|
- 270 €
|
bereinigtes Elterngeld
|
638,61 €
|
Anspruch
|
September und November 2017 (monatlich)
368 €
|
Regelbedarfsstufe 2 für Klägerin zu 1)
|
368 €
|
Regelbedarfsstufe 2 für Kläger
|
237 €
|
Sozialgeld für Klägerin zu 2)
|
460 €
|
Bruttokaltmiete (ohne Heizkosten)
|
74 €
|
Heizkosten
|
1.507 €
|
Gesamtbedarf
|
-192 €
|
Kindergeld
|
- 270 €
|
bereinigtes Elterngeld
|
1.045 €
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Anspruch (monatlich)
|
Nach der Anlage EKS des Klägers zu 2) ist dieser im Hinblick auf seine selbständigen Tätigkeit von einer Gewinnprognose von
monatlich (313,08 € : 6 Monate =) 52,18 € ausgegangen. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger geltend gemacht, dass
kein höherer Gewinn erwirtschaftet worden sei, so dass - unter Berücksichtigung der Absetzbeträge nach § 11b SGB II - kein Erwerbseinkommen anzurechnen wäre.
Der Senat ist aber unter Berücksichtigung der Gesamtumstände davon überzeugt, dass der Gewinn des Klägers aus seiner selbständigen
Tätigkeit wesentlich höher war und letztlich in einer Größenordnung erzielt wurde, die der Hilfebedürftigkeit entgegensteht.
Insoweit verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts.
Gegen eine Bedarfsunterdeckung der Kläger spricht zum einen, dass das Girokonto der Kläger trotz fünfmonatiger Unterschreitung
des soziokulturellen Existenzminimums von monatlich zwischen 638 € und 1.045 € - so der Vortrag der Kläger - mit einem positiven
Kontostand von 316,55 € am 30.11.2017 endete, ohne dass Mietschulden bestanden. Es erscheint dem Senat nicht möglich, dass
der Lebensunterhalt für drei Personen, davon einem Säugling, selbst bei sparsamer Lebensführung über Monate nur mit Kindergeld
und Mindestelterngeld bestritten wird und dennoch ein Überschuss verbleibt.
Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall. Denn auf den Kontoauszügen der Kläger sind zahlreiche vom Grundsicherungsbedarf
nicht abgedeckte Ausgaben für die ADAC-Mitgliedschaft, das Tanken und Parken von Pkws, monatliche Versicherungsbeiträge, zahlreiche
Kfz-Haftpflichtversicherungen, Rechtsanwalts- und Inkassokosten etc. ersichtlich. Dies spricht für erheblich höhere Einnahmen
aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 2) aus nicht genannten Drittquellen (wie bereits vor dem Leistungsbezug) oder
für verschwiegenes Vermögen. Im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle hat der Senat anhand der Kontoauszüge festgestellt, dass
allein für die Ausgabepositionen Inkasso, Versicherungen, Rechtsanwaltskosten, Tanken/Parken, Kontonutzungsgebühren in den
streitgegenständlichen Monaten Juli 2017 bis November 2017 Verbindlichkeiten iHv insgesamt rund 1.800 € von den Klägern bedient
wurden. Hinzu kamen die von den Kläger erfüllten Mietausgaben iHv insgesamt 2.785 €, sodass allein für diese Ausgabepositionen
insgesamt rund 4.625 € in fünf Monaten ausgegeben wurden, mithin weitaus mehr als die Kläger mit Kinder- und Elterngeld in
dieser Zeit vereinnahmt haben ([192 € Kindergeld + 300 € Elterngeld] x 5 = 2.460 €). Hierzu passt, dass auf den Kontoauszügen
regelmäßige - nicht nachvollziehbare - Bareinzahlungen festgestellt werden konnten. Alleine im November 2017 finden sich insoweit
Bareinzahlungen iHv insgesamt 900 €, deren Herkunft nicht geklärt ist. Aus der selbständigen Tätigkeit können diese Bareinzahlungen
im November 2017 nicht stammen. Zum einen wurden die Betriebseinnahmen nach dem Vortrag der Kläger durch die Betriebsausgaben
nahezu vollständig verbraucht. Zum anderen sollen ausweislich der Anlage EKS gerade im November 2017 keine Betriebseinnahmen
erzielt worden sein.
Mit dem im Berufungsverfahren erstmalig vorgelegten Kreditvertrag vom 04.05.2018 können Verbindlichkeiten aus 2017 ebenfalls
nicht bedient worden sein. Erst auf diesen Vorhalt haben die Kläger erstmalig geltend gemacht, der Bruder des Klägers sei
nach Deutschland gekommen und habe Geld zum Überleben gebracht. Dieser situationsangepasste und unsubstantiierte Sachvortrag
wird vom Senat als Schutzbehauptung und damit als unglaubhaft bewertet.
Hinzu kommt, dass den Kontoauszügen Verbrauchsausgaben für Lebensmittel und Hygieneartikel, wie sie insbesondere in Haushalten
mit einem Säugling zu erwarten wären (Windeln, Puder, Babynahrung etc.), kaum entnommen werden können, sodass diese Verbrauchsausgaben
bar getätigt worden sein müssen, ohne dass auch diesbezüglich geklärt ist, woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger als gelernter Kfz-Mechaniker und trotz Beginns der Selbständigkeit im
Frühjahr 2017 (so seine eidesstattliche Versicherung in dem Verfahren S 38 AS 3419/18 ER) einer Vollzeittätigkeit nachgehen sollte, die keinen bzw. keinen nennenswerten Gewinn abwirft. Dass die Arbeitskraft
des Klägers einen höheren Marktwert hat, verdeutlicht der Umstand, dass der Kläger im Dezember 2017 eine bedarfsdeckende Tätigkeit
gefunden hatte. Überdies verdeutlicht das Betriebsausgabenkonvolut, das der Kläger erstmalig im September 2020 und lediglich
für die Monate September 2017 und Oktober 2017 vorgelegt hat, dass der Kläger alleine in diesen beiden Monaten Reparaturaufträge
für eine Vielzahl von Pkw (Renault Clio, Renault Megane, BMW X5, BMW E90, Audi A4, Audi A6, VW Passat) einholen konnte. Vor
diesem Hintergrund ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Betriebseinnahmen, die in den Monaten September 2017 und Oktober
2017 mit 1.655 € und 1.310 € angegeben wurden, ab November 2017 jäh mit 0 € angegeben wurden.
Nicht zu erklären ist zudem, wie der Kläger trotz der behaupteten finanziellen Schwierigkeiten in der zweiten Jahreshälfte
2017 - neben der Finanzierung der laufenden Kosten für einen C-Klasse-Mercedes (Kennzeichen HER- XX 00) mindestens einen weiteren
Pkw (Peugeot) am 09.07.2017 anschaffen und zulassen konnte, was die Kläger verschwiegen haben, wie aber aus der Mitteilung
der Straßenzulassungsbehörde hervorgeht, die der Senat von Amts wegen eingeholt hat. Eine entsprechende Nachfrage des Senats
haben die Kläger dahingehend beantwortet, dass der Pkw für den Bruder des Klägers angemeldet und aus dem Ausland heraus wieder
abgemeldet worden sei. Auch diese erst auf Vorhalt erfolgte Einlassung wertet der Senat als Schutzbehauptung, weil für den
entsprechenden Vortrag keine Beweismittel vorgelegt wurden, obwohl dies, etwa durch Vorlage ausländischer Versicherungen oder
Anmeldevorgänge möglich gewesen wäre.
Unklar ist auch für welchen Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen HER - XX 0 der Kläger am 30.11.2017 Kfz-Steuer an die Bundeskasse
Trier iHv 81 € gezahlt hat. Die Klägerin zu 1) verfügt über keinen Führerschein, sodass die private Anschaffung eines zweiten
Pkws für die Kläger ausgeschlossen werden kann. Die Anschaffung eines weiteren Pkws aus eigenen Mitteln kann als Indiz für
einen Handel mit Gebrauchtwagen gewertet werden, wofür auch ein berufsspezifischer Zusammenhang gegeben wäre. Jedenfalls ist
dies ein weiteres Indiz dafür, dass die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum über ausreichende bereite Mittel verfügten,
andernfalls die Anschaffung eines Pkws nicht erklärlich wäre. Für einen Kfz-Handel des Klägers spricht auch, dass allein den
Kontoauszügen im streitgegenständlichen Zeitraum Zahlungen für insgesamt drei verschiedene Pkw (HER-XX 00; HER - XX 0, HER
- 0000) entnommen werden können.
Bereits die Einlassungen der Kläger vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum lassen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der
Kläger aufkommen. So ist für den Senat nicht glaubhaft, dass die Klägerin zu 1), die keinen Führerschein besitzt, fünfmal
die Woche für jeweils 3,5 Stunden zum damaligen Mindestlohn von 8,50 €/Stunde (so der Arbeitsvertrag) als "Bürokraft" bei
der Fa. J in Düsseldorf und Trier gearbeitet hat und zu diesen Arbeitsschichten von einer dritten Person gefahren worden sein
soll. Bei Fahrten von Herne nach Trier und zurück (insgesamt 500 km) dürften die berufsbedingten Aufwendungen allein für die
Fahrten höher gewesen sein als das erzielte Einkommen. Für eine Niederlassung des Arbeitgebers in Düsseldorf ist nichts ersichtlich.
Als einzige Niederlassung ist die E-Straße 1 in Trier bekannt. Das tägliche Aufsuchen einer Arbeitsstelle weit außerhalb des
Tagespendelbereichs durch eine Person ohne Führerschein ist nicht glaubhaft. Auch die weiteren Umstände (Barzahlung des Gehalts,
unterschiedliche Angaben zum Dienstort, zur Arbeitszeit etc.) sprechen für ein fingiertes Beschäftigungsverhältnis allein
zur Vermeidung des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und damit gegen die Glaubwürdigkeit der Kläger auch im Übrigen.
Ohnehin würde eine Beweisfälligkeit zu Lasten der Kläger gehen, die die objektive Beweislast tragen. Zwar hat der Senat die
Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II von Amts wegen aufzuklären (§
103 SGG). Das
SGG kennt keine subjektive Beweisführungslast der Beteiligten, d.h. es obliegt nicht den Beteiligten, für eine bestimmte Behauptung
Beweis anzubieten, vielmehr hat das Gericht die erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen. Allerdings gelten auch im
Sozialgerichtsverfahren die Grundsätze der materiellen Beweislast, die vorgeben, wie zu entscheiden ist, wenn das Gericht
die erforderlichen Tatsachen nicht umfassend ermitteln kann. Dabei gilt der Grundsatz, dass im Rahmen des anzuwendenden materiellen
Rechts derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt. Steht ein
Bewilligungsbescheid im Streit, trifft die objektive Beweislast dementsprechend grundsätzlich die anspruchsstellenden Kläger
(BSG Urteile vom 27.01.2009 - B 14 AS 6/08 R; vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R). Dies gilt insbesondere, wenn solche Vorgänge nicht aufklärbar sind, die in der persönlichen Sphäre oder der Verantwortungssphäre
des leistungsbegehrenden Klägers wurzeln, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe zum Antragsteller vorliegt (BSG Urteile vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R; vom 24.05.2006 - B 11a AL 7/05 R, vom 21.03.2007 - B 11a AL 21/06 R und vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 10/06 R). So verhält
es sich hier, denn die Kläger, die bereits im sozialgerichtlichen Verfahren einer Betreibungsaufforderung nach §
106a SGG nicht nachgekommen waren, was im Berufungsverfahren gemäß §
157a Abs.
2 SGG nachwirkt, haben Fragen des Senats zu den Verbrauchsausgaben und Bareinzahlungen nicht plausibel beantwortet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Revisionszulassungsgründe iSv 160 Abs. 2
SGG lagen nicht vor.