Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Gesellschafterin-Geschäftsführerin einer Steuerberatungsgesellschaft
mbH
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Feststellung der Versicherungspflicht
der Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit als Gesellschafterin-Geschäftsführerin der Klägerin zu 1. im Zeitraum vom 1.1.2013 bis
zum 21.12.2016.
Die Klägerin zu 2. ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht und Steuerberaterin. Sie trat zum 1.1.2013 in die Klägerin
zu 1., einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, als Gesellschafterin und Geschäftsführerin ein. Von den Geschäftsanteilen hielten
die Klägerin zu 2. 40 vH und ein weiterer Geschäftsführer-Gesellschafter 60 vH. Nach § 11 der Satzung wurden Gesellschafterbeschlüsse
grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst; für Beschlüsse zur Änderung des Gesellschaftsvertrags oder Auflösung der Gesellschaft
war eine Mehrheit von 75 vH der Stimmen erforderlich. Am 30.11.2012 vereinbarten die Klägerinnen einen Geschäftsführervertrag,
wonach die Klägerin zu 2. neben dem weiteren Geschäftsführer die eigenverantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebs
hatte. Sie erhielt eine monatliche Festvergütung in Höhe von zunächst 5000 Euro zuzüglich einer Tantieme und hatte Anspruch
auf Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen je Kalenderjahr sowie auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Beklagte befreite die Klägerin zu 2. von der Rentenversicherungspflicht nach §
6 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI ab 30.1.2014 (Antragstellung) als Steuerberaterin und Geschäftsführerin (Bescheid vom 3.9.2014). Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch vom 1.10.2014 bat die Klägerin zu 2. um Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit
rückwirkend ab 1.1.2013; zugleich beantragte auch die Klägerin zu 1. festzustellen, dass keine abhängige Beschäftigung vorliege.
Die Beklagte stellte fest, dass die Klägerin zu 2. ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der Klägerin zu
1. seit dem 1.1.2013 im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausübe und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
(GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Der Geschäftsführervertrag enthalte arbeitsvertraglich typische Regelungen.
Kraft ihres Anteils am Stammkapital könne die Klägerin zu 2. keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft
ausüben (Bescheide vom 12.3.2015, Widerspruchsbescheide vom 6.8.2015).
Während des Klageverfahrens erhielt die Klägerin zu 2. die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Das SG hat die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 12.3.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.8.2015 im Hinblick
auf diese Zulassung zu überprüfen und hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht zu ändern. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Die ab 1.1.2013 erbrachte Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin sei von der Beklagten zu Recht als Beschäftigungsverhältnis
eingeordnet worden und das wirtschaftliche Interesse des Rechtsstreits beziehe sich nach Anerkennung als Syndikusrechtsanwältin
nur noch auf die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (Urteil vom 22.11.2016).
Sowohl die Beklagte als auch die Klägerinnen haben dagegen Berufung eingelegt.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 14.12.2016 wurde der Klägerin zu 2. für alle Beschlüsse eine Sperrminorität eingeräumt. Die
Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 10.5.2017 festgestellt, dass die Klägerin zu 2. ihre Tätigkeit seit dem 22.12.2016
(Eintragung im Handelsregister) nicht mehr im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausübe und deshalb in allen Zweigen
der Sozialversicherung keine Versicherungspflicht mehr bestehe.
Mit Urteil vom 7.11.2019 hat das Bayerische LSG das Urteil des SG Regensburg auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und
die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen hat es zurückgewiesen. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
sei nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens; sie setze zunächst die Feststellung der Versicherungspflicht voraus. Die
vom SG tenorierte Verpflichtung der Beklagten, die auch dem Antrag der Klägerinnen nicht entsprochen habe, sei rechtsfehlerhaft.
Die Klägerin zu 2. sei im Übrigen in dem noch strittigen Zeitraum vom 1.1.2013 bis zum 21.12.2016 abhängig beschäftigt gewesen
und habe deshalb der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Als Minderheitsgesellschafterin
habe sie nicht über eine umfassende Sperrminorität verfügt.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machen die Klägerinnen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Der geltend gemachte
Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) liegt nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung kommt nach ständiger Rechtsprechung einer Rechtsfrage zu, die sich nach der Gesetzeslage und dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres beantworten, eine verallgemeinerungsfähige Antwort des Revisionsgerichts
erwarten lässt und nach den Gegebenheiten des Falles klärungsfähig ist (vgl ua BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 12 KR 119/16 B - juris RdNr 6).
Die Klägerinnen bezeichnen folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam: "Ist die Gesellschafter-Geschäftsführerin einer
GmbH aus freiberuflich Tätigen (Steuerberatern, Rechtsanwälten und Fachanwälten für Steuerrecht), welche nach §
6 Abs.
1 Satz 1
SGB VI in Verbindung mit §
6 Abs.
5 Satz 1
SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind, wegen des Geschäftsführervertrages als abhängig Beschäftige
anzusehen?"
Zur Begründung verweisen sie auf das - bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde anhängig gewesene - Revisionsverfahren
B 12 R 17/18 R. Hier wie dort bestünde die besondere Fallkonstellation, dass die Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin einem freien
Berufsstand zugehörig und deshalb von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Die bisherigen höchstrichterlichen Entscheidungen
würden sich nicht mit der Frage beschäftigen, ob für die Statusfeststellung bei Geschäftsführern einer GmbH mit Minderheitsanteilen,
die zugleich Angehörige freier Berufe und damit kraft Gesetzes unabhängig und weisungsungebunden seien, besondere Regeln gelten
würden, welche die Beurteilung nach Rechtsmachtverhältnissen überlagern könnten.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet, wenn - wie hier - die aufgeworfene Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig
ist (vgl BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 11b AS 61/06 B - juris RdNr 6). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Klärungsbedürftigkeit ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts
(vgl BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 11b AS 61/06 B - juris RdNr 7 mwN).
Zu diesem Zeitpunkt ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache nicht mehr gegeben. Denn der erkennende Senat hat mit Urteil
vom 7.7.2020 (B 12 R 17/18 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 29 ff) entschieden, dass an der Einordnung einer Geschäftsführer-Tätigkeit zum rechtlichen Typus der abhängigen Beschäftigung die
zugleich ausgeübte "freiberufliche" Tätigkeit als Steuerberater nichts ändert. Die für GmbH-Geschäftsführer geltenden Maßstäbe
werden nicht berufsrechtlich überlagert. Etwas anderes lässt sich weder aus dem der Verkehrsanschauung entsprechenden Typusbegriff
des "freien Berufs" noch aus dem Steuerberatungsgesetz ableiten, das selbst den Status als Arbeitnehmer nicht ausschließt. Die berufsrechtlich gebotene fachliche Unabhängigkeit
eines Steuerberaters steht einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich
bei Diensten höherer Art die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am
Arbeitsprozess" verfeinern. Aus den Bestimmungen zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV für Mitglieder einer
berufsständischen Versorgungseinrichtung folgt nichts anderes. Diese setzen gerade das Bestehen von Versicherungspflicht voraus.
Es handelt sich insoweit um ein Konzept abgestufter Schutzbedürftigkeit innerhalb der Beschäftigtenversicherung. Wegen der
Einzelheiten wird insoweit auf das Urteil des Senats verwiesen.
Die in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Bedenken waren Gegenstand des genannten Revisionsverfahrens. Eine erhebliche
Abweichung ist hier nicht deshalb ersichtlich, weil die Klägerin zu 2. nicht nur Steuerberaterin, sondern auch Rechtsanwältin
ist. Insoweit enthält die Beschwerde schon keine substantiierten Darlegungen zu relevanten Unterschieden dieser Berufsgruppen.
Die Klägerinnen stellen mit ihrer Rechtsfrage vielmehr selbst verallgemeinernd auf das Merkmal der Freiberuflichkeit ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Die Kostenprivilegierung der Klägerin zu 2. (§
183 SGG) erstreckt sich auf die grundsätzlich nicht privilegierte Klägerin zu 1. (vgl BSG Beschluss vom 29.5.2006 - B 2 U 391/05 B - SozR 4-1500 § 193 Nr 3 RdNr 17).