Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Benennung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 2
SGG).
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Keinen dieser Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung schlüssig dargelegt bzw bezeichnet (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsanforderungen für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht.
In der Begründung teilt die Klägerin zwar mit, die Angelegenheit habe grundsätzliche Bedeutung. Sie versäumt es aber, eine
bestimmte abstrakte Rechtsfrage aufzuwerfen (vgl BSG vom 16.11.1987 - 5b BJ 118/87 - SozR 1500 § 160a Nr 60). Infolgedessen zeigt die Beschwerdebegründung weder auf, dass die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage im allgemeinen Interesse
erforderlich (klärungsbedürftig), noch dass die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (klärungsfähig) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16), was für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung notwendig gewesen wäre.
Die Beschwerdebegründung genügt auch den Anforderungen an die Bezeichnung einer Abweichung (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht.
Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Sie gibt schon keine konkreten Rechtssätze wieder,
die auf der einen Seite das BSG aufgestellt hat und auf der anderen Seite das LSG in Abweichung von einem Rechtssatz des BSG hat aufstellen wollen. Vielmehr beschränkt sie sich auf die allgemeine Formulierung, das LSG habe in seiner Entscheidung
gegen die ständige Rechtsprechung des BSG zu den Voraussetzungen der Rücknahmefiktion des §
102 Abs
2 SGG verstoßen und benennt dazu lediglich beispielhaft sowie ohne nähere Konkretisierung einer Textpassage das Urteil des BSG vom 4.4.2017 (B 4 AS 2/16 R).
Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung
der §
109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG
ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG).
Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze, welche durch das BSG und das BVerfG für das faire Sozialgerichtsverfahren entwickelt worden seien, insbesondere gegen §§
62,
103,
106 SGG. Die Klägerin bringt dazu vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe sich telefonisch sowie nach der Androhung von standesrechtlichen
Schritten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Er sei zuvor nicht darüber unterrichtet
worden, dass bei dem Telefonat neben der Vorsitzenden eine Referendarin zugegen gewesen sei. Das habe den Schluss zugelassen,
dass sich die Vorsitzende bereits eine Meinung gefasst und ihn mit allen Mitteln dazu habe bringen wollen, in ihrem Sinne
zu handeln. In der Beschwerdebegründung fehlen indes bereits Ausführungen zum prozessualen Fortgang des Verfahrens und aus
welchen beachtlichen Gründen der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an der Wahrnehmung eines Termins gehindert gewesen sein
soll. Auch lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, welchen rechtlich relevanten Einfluss seine Abwesenheit im Termin
zur mündlichen Verhandlung gehabt haben soll. Zu einer Verletzung von §
106 SGG bringt die Klägerin nichts vor. Die Rüge der Verletzung von §
103 SGG kann von vornherein nur unter weiteren Voraussetzungen (vgl §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2 Variante 3
SGG) zu einer Zulassung der Revision auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin führen. Einen beim LSG gestellten Beweisantrag gibt
die Beschwerdebegründung aber nicht wieder. Wegen des behaupteten Mithörens eines Telefonats zwischen der Vorsitzenden und
dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergibt sich zwar aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren auch die allgemeine Pflicht
zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation (vgl BVerfG vom 15.8.1996 - 2 BvR 2600/95 - RdNr 21); dass sich die Vorsitzende widersprüchlich verhalten habe, behauptet die Klägerin nicht. Nach dem in der Beschwerdebegründung
geschilderten Verfahrensablauf bleibt aber offen, welchen Einfluss eine vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst
nicht erfasste Anwesenheit der Referendarin beim Telefonat auf die gerichtliche Entscheidung gehabt haben kann, weil die Klägerin
hierzu nichts ausführt.
Der Senat hat im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht allgemein darüber zu beschließen, ob die Hauptsacheentscheidung
des LSG im Rahmen eines Revisionsverfahrens Bestand haben könnte.
Die Verwerfung der Beschwerden erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.