Anspruch auf Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Zugrundelegung eines anderen Geburtsdatums
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für den Kläger eine neue Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des Geburtsdatums
1.4.1966 zu vergeben hat.
Der in der Türkei geborene Kläger nahm im Oktober 1985 erstmals eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland
auf. Gegenüber dem damaligen Arbeitgeber gab er bzw sein Vater den 1.4.1969 als Geburtsdatum an. Dieses Datum legte die Beklagte
bei Vergabe der Versicherungsnummer zugrunde. Mit rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts der türkischen Provinz Hatay
vom 8.4.2011 wurde das Geburtsdatum des Klägers auf den 1.4.1966 berichtigt. Die Angaben in seinem türkischen und seinem deutschen
Personalausweis wurden entsprechend korrigiert.
Die Beklagte lehnte die Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des berichtigten Geburtsdatums ab (Bescheid vom 6.4.2020; Widerspruchsbescheid vom 29.7.2020). Maßgeblich sei nach §
33a Abs
1 SGB I das bei Eintritt in die deutsche Sozialversicherung angegebene Geburtsdatum. Das SG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 12.1.2021). Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 11.8.2021 zurückgewiesen. Es hat auf die Gründe der erstinstanzlichen
Entscheidung Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, §
33a SGB I nehme von der Erforschung des wahren Geburtsdatums gerade Abstand. Gegen die Vorschrift bestünden keine grundsätzlichen Bedenken
verfassungsrechtlicher oder europarechtlicher Art.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 6.12.2021 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG zu verwerfen. Der Kläger legt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dar.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden,
dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen
Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung vom 6.12.2021 wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Darin ist schon keine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung von §
33a SGB I oder einer anderen revisiblen (Bundes-)Norm formuliert, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge
prüfen könnte (vgl zu dieser Anforderung zB BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 mwN). Ihr ließe sich allenfalls sinngemäß die Frage entnehmen, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art
2 Abs
1 iVm Art
1 Abs
1 GG) dadurch verletzt werde, dass nach §
33a Abs 1
SGB I das erstangegebene Geburtsdatum eines Versicherten auch maßgeblich bleibe, nachdem es in den amtlichen Personenstandsdaten
des Betroffenen berichtigt worden sei. Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage wäre nicht anforderungsgerecht dargelegt.
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres
aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung
getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher
Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 6 mwN). Leitet eine Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund aus einer Verletzung von Normen des
GG ab, muss sie unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen
Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 11 mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger behauptet zwar eine Klärungsbedürftigkeit und bringt vor, das Vorgehen der Beklagten verletze sein verfassungsrechtlich
verbrieftes Recht, "seine richtige Identität gegenüber sämtlichen Behörden darzustellen und von diesen verwendet zu werden".
Er befasst sich jedoch schon nicht mit der Rechtsprechung des BVerfG, die zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art
2 Abs
1 iVm Art
1 Abs
1 GG) ergangen ist (vgl zuletzt zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.3.2021 - 2 BvR 194/20 - juris RdNr 32) oder zu einer anderen aus seiner Sicht verletzten Verfassungsnorm. Zudem fehlt Vorbringen dazu, dass sich der bisherigen
höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Antwort auf die angedeutete Rechtsfrage entnehmen lasse. Der Kläger versäumt es insbesondere,
sich mit der vom LSG angeführten Rechtsprechung des BSG auseinanderzusetzen, in der §
33a SGB I als verfassungs- und europarechtskonform angesehen worden ist (vgl zuletzt BSG Urteil vom 19.5.2004 - B 13 RJ 26/03 R - SozR 4-1200 § 33a Nr 2 <insoweit nicht in SozR abgedruckt> = juris RdNr 23 ff mwN; vgl auch die Nachweise zB bei Schifferdecker
in Kasseler Komm, Stand der Einzelkommentierung Dezember 2019, §
33a SGB I RdNr 11).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG.