Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auf eine Kapitalleistung einer
dynamischen Rentenversicherung mit Beitragsrückgewähr
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Festsetzung von Beiträgen
zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf eine Kapitalleistung einer dynamischen
Rentenversicherung mit Beitragsrückgewähr.
Diese Versicherung wurde für den Kläger als versicherte Person von seiner Arbeitgeberin abgeschlossen, die über die gesamte
Dauer des Vertrags Versicherungsnehmerin blieb. Die Beklagte setzte auf die dem Kläger am 29.4.2019 hieraus ausgezahlte Kapitalleistung
in Höhe von 41.500,82 Euro Beiträge zur GKV und sPV fest (Bescheid vom 8.5.2019; Widerspruchsbescheid vom 12.5.2020; Bescheid vom 6.10.2020).
Das SG Speyer hat die Klage abgewiesen. Bei der an den Kläger gezahlten Kapitalleistung handele es sich um einen beitragspflichtigen
kapitalisierten Versorgungsbezug (Gerichtsbescheid vom 28.12.2020). Das LSG Rheinland-Pfalz hat die Berufung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des SG zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, der Beginn der Rentenzahlung mit dem 60. Lebensjahr stehe der Einordnung als beitragspflichtigem
Versorgungsbezug nicht entgegen. Es handele sich um ein Alter, bei dem die Beendigung des Erwerbslebens typischerweise absehbar
sei. Unerheblich sei, dass der Kläger auf eine Gehaltserhöhung "verzichtet" habe. Die Erhebung von Beiträgen auf Bezüge einer
betrieblichen Altersversorgung begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 15.7.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG weder den geltend gemachten Zulassungsgrund der Abweichung von Entscheidungen des BVerfG (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) noch einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) hinreichend bezeichnet.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet,
wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene
Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in
der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch
steht.
Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung
zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen
begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht
den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hat weder sich widersprechende Rechtssätze benannt noch aufgezeigt,
dass das LSG die Rechtsprechung des BSG oder des BVerfG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte. Die Behauptung,
die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, weil sich das LSG über die vom BVerfG definierten Kriterien für die Beitragspflicht
von Kapitalleistungen hinweggesetzt habe, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
Zwar entnimmt der Kläger den Beschlüssen des BVerfG vom 6.9.2010 (1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10) und 28.9.2010 (1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) das Zitat:
"Die vom Bundessozialgericht bei der Auslegung von §
229 Abs.
1 Nr.
5 SGB V vorgenommene Typisierung ist mit Art.
3 Abs.
1 GG unvereinbar, soweit sie dazu führt, dass Zahlungen aus Beiträgen, die der Versicherte nach Ende seines Arbeitsverhältnisses
auf einen auf ihn als Versicherungsnehmer laufenden Kapitallebensversicherungsvertrag eingezahlt hat, als betriebliche Altersversorgung
zu Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner herangezogen werden, obwohl der Gesetzgeber Erträge aus privaten Lebensversicherungen
pflichtversicherter Rentner keiner Beitragspflicht unterwirft."
Einen dem widersprechenden Rechtssatz in dem angefochtenen Urteil des LSG legt er allerdings nicht dar. Vielmehr führt er
selbst aus, das LSG habe "sich so gut wie überhaupt nicht mit dieser komplizierten Rechtsfrage sowie der damit einhergehenden
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, des Bundessozialgerichtes, der Landessozialgerichte und der Sozialgerichte
befasst" (Seite 12 der Beschwerdebegründung). Damit wird aber eine Divergenz nicht dargelegt. Im Übrigen berücksichtigt der Kläger nicht hinreichend, dass nach der Rechtsprechung
des BVerfG als Differenzierungskriterium auf die Eigenschaft als Versicherungsnehmer und nicht auf die Person des Beitrags-/Prämienzahlenden
abzustellen ist.
Unabhängig davon befasst er sich bei seiner Kritik, das BSG verkenne Bedeutung und Tragweite von Art
3 Abs
1 GG, "wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit Beiträge auf eine frühere Direktversicherung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers allein von ihm gezahlt werden" (Seite 8 der Beschwerdebegründung), nicht hinreichend mit den Anforderungen, die das BVerfG an eine Vergleichsgruppenbildung (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 28.1.2003 - 1 BvR 487/01 - BVerfGE 107, 133, 141) und an Rechtfertigungsgründe für Gleich- und Ungleichbehandlungen (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 20.4.2004 - 1 BvR 905/00 und 1 BvR 1748/99 - BVerfGE 110, 274, 291) stellt. Soweit der Kläger meint, aufgrund des Lohnverzichts habe er letztlich die der Kapitalleistung zugrunde liegenden
Beiträge selbst aufgebracht, hätte es einer Auseinandersetzung damit bedurft, dass im Gegensatz zu einem Lohnverzicht auf
ausgezahlten Lohn Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten sind. Es fehlt daher an Darlegungen dazu, dass es gleichwohl
gerechtfertigt sein soll, den Kläger der Vergleichsgruppe von Arbeitnehmern zuzuordnen, die solche Beiträge aus üblicherweise
bereits sozialversicherungsrechtlich verbeitragtem Einkommen aufbringen, und nicht der Vergleichsgruppe von Arbeitnehmern,
für die der Arbeitgeber die Beiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung leistet.
Schließlich zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass die Entscheidung des LSG auf einer Abweichung beruhen kann. Schon
dem oben widergegebenen Zitat des Klägers aus der Rechtsprechung des BVerfG ist zu entnehmen, dass sich eine Unvereinbarkeit
der Rechtsprechung des BSG mit Art
3 Abs
1 GG nur ergibt, soweit der Versicherte Beiträge "auf einen auf ihn als Versicherungsnehmer laufenden Kapitallebensversicherungsvertrag
eingezahlt hat". Vorliegend hat das LSG aber festgestellt, dass die Arbeitgeberin des Klägers über die gesamte Dauer des Vertrags
Versicherungsnehmerin gewesen sei. Gegen diese Feststellung hat der Kläger keine den Anforderungen von §
163 SGG genügenden Revisionsgründe vorgebracht.
2. Die Revision ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensmangels iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zuzulassen. Verfahrensmangel in diesem Sinne ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar
vorangegangenen Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52
SGG). Einen solchen Verstoß legt der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht dar.
Soweit der Kläger im Rahmen seiner Ausführungen zur einer "Sachrüge" einen Verstoß gegen Art
19 Abs
4 Satz 1
GG mit der Begründung geltend machen will, der Zugang zu Gerichten dürfe nicht unzumutbar erschwert werden, legt er nicht dar,
inwieweit das LSG hiergegen verstoßen haben soll. Im Übrigen berücksichtigt der Kläger nicht hinreichend, dass die sachlich-inhaltliche
Richtigkeit einer vorinstanzlichen Entscheidung Gegenstand eines Revisionsverfahrens ist. Im Rahmen einer Beschwerde gegen
die Nichtzulassung der Revision kann aber die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig,
im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.