Anspruch auf vollstationäre Behandlung in zugelassenem Krankenhaus
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten (noch) über die Erstattung der Kosten für stationäre psychiatrische Krankenhausbehandlung (KH-Behandlung)
für die Zeit vom 28. Juli 1998 bis 19. März 2000 in Höhe von 112.389,91 EUR.
Der 1975 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, unter Betreuung stehende Beigeladene zu 3. (im Folgenden:
Versicherter) bezieht Sozialhilfeleistungen des Klägers. Der Versicherte befand sich seit 1991 mehrfach lange Zeit in stationärer
psychiatrischer Behandlung wegen Minderbegabung mit Verhaltensstörungen, Neigung zu auto- und fremdaggressiven Impulsdurchbrüchen,
sexueller Enthemmung bei insgesamt dissoziativer Fehlreaktionsbereitschaft. Seine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung
der Psychiatrie wurde ua bis zum 4. Juli 1997 und - nach Anhörung eines Klinik-Oberarztes - im Juni 1997 bis längstens 28.
April 1999 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Nach im vierten Quartal 1996 vorgenommenen Versuchen, ihn im Rahmen betreuten
Wohnens zu enthospitalisieren, befand sich der Versicherte ab Mitte Dezember 1996 wiederum durchgehend in psychiatrischen
Kliniken, vom 23. Dezember 1996 bis 19. März 2000 in der Fachklinik H. - Klinik für Psychiatrie, Neurologie
und Rehabilitation, deren Trägerin die Beigeladene zu 1. ist. Auf Antrag des KH-Trägers (24. Februar 1997) hin erklärte die
Beklagte, die Kosten "bis vorerst 28. Februar 1997" zu übernehmen und erweiterte den Zeitraum nach Einholung von Gutachten
des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) später abschließend bis zum 11. März 1997. Ab 12. März 1997 erhielt
der Versicherte - nach den Feststellungen des LSG - im KH im Wesentlichen Unterbringung, Pflege und eine Medikation, die auch
ambulant hätte erfolgen können. Vom 5. Juni bis 4. September 1997 nahm er - aus dem Aufenthalt im KH heraus - ganztags an
einer Maßnahme im Eingangsbereich einer Werkstatt für Behinderte teil.
Am 23. Februar 1998 beantragte der beigeladene KH-Träger beim klagenden Sozialhilfeträger, die nicht abgedeckten Kosten für
die stationäre Behandlung des Versicherten zu übernehmen. Der Kläger erklärte sich hierzu für die Zeit ab 12. März 1997 bereit
und meldete bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. Juli 1998 einen Erstattungsanspruch an.
Das Sozialgericht (SG) hat nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, dem Kläger die gesamten geforderten Kosten des stationären Aufenthalts
vom 12. März 1997 bis 19. März 2000 in Höhe von 196.773,07 EUR nebst Zinsen zu erstatten, weil die KH-Behandlung des Versicherten
erforderlich gewesen sei (Urteil vom 23. Januar 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten nach
weiteren Ermittlungen das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht. KH-Behandlungsbedürftigkeit des Versicherten
iS von §
39 Abs
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) habe nicht bestanden. Wie näher ausgeführt wird, habe bei ihm dort eine "pflegerische Behandlung im Rahmen einer Unterbringung
im Vordergrund" gestanden, nicht aber eine - etwa durch Notfallsituationen oder spezifische Medikationen bedingte - ärztliche
Behandlung. Abweichend von der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R, BSGE 92, 300 ff = SozR 4-2500 § 39 Nr 2) ergebe sich ein Erstattungsanspruch auch nicht daraus, dass die Beklagte es unterlassen habe,
den Kläger und den Versicherten auf konkrete, nachprüfbare ambulante Behandlungsalternativen hinzuweisen, weil dieser Rechtsprechung
aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden könne (Urteil vom 21. September 2004).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von §
39 SGB V iVm § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie von §
128 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Die KH-Behandlung des Versicherten sei sehr wohl in Einklang mit der weiterhin als maßgeblich anzusehenden Rechtsprechung
des 3. Senats des BSG "erforderlich" gewesen, weil es die Beklagte unterlassen habe, auf konkrete Behandlungsalternativen
hinzuweisen. Die Prognoseentscheidung des Leitenden KH-Arztes zur fortbestehenden Notwendigkeit einer KH-Behandlung sei hier
medizinisch vertretbar gewesen und müsse daher auch für den Erstattungsanspruch entscheidend sein. Das LSG habe den konkreten
Fall darüber hinaus zu Unrecht nicht unter §
112 Abs
2 Satz 1 Nr
5 SGB V subsumiert, obwohl es um den Übergang in eine Rehabilitationsmaßnahme gegangen sei. Das LSG habe nur gemutmaßt, dass eine
heilpädagogische Einrichtung die weitere Behandlung des Versicherten habe gewährleisten können, ohne dazu entsprechende Feststellungen
zu treffen. Es habe in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Grenzen freier Beweiswürdigung überschritten, indem es sich auf
ein von ihm im Berufungsverfahren eingeholtes unzureichendes Gutachten gestützt habe. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit
und Durchführung eines multiprofessionalen Behandlungskonzepts sei das LSG von den in erster Instanz tätig gewordenen Sachverständigen
abgewichen, ohne die erforderliche Sachkunde zu besitzen.
Der erkennende 1. Senat hat mit Beschluss vom 4. April 2006 beim 3. Senat des BSG angefragt, ob jener an seiner Rechtsprechung
zur Beurteilung der Notwendigkeit von KH-Behandlung festhalte, weil der 1. Senat davon abzuweichen gedenke. Anschließend haben
Gespräche zwischen den Berufsrichtern des 1. und des 3. Senats des BSG stattgefunden, aufgrund derer der 1. Senat seine Auffassung
unter Einbeziehung aller aufgeworfenen Aspekte überprüft hat. In einem Vermerk vom 26. Juli 2006, den der nunmehr erkennende
Senat vollinhaltlich teilt, haben die Berufsrichter des 1. Senats sodann die Anfrage präzisiert. Mit Beschluss vom 3. August
2006 - B 3 KR 1/06 S - hat der 3. Senat des BSG die Anfrage des 1. Senats vom 4. April 2006 dahin beantwortet, dass er an seiner Rechtsprechung
festhält.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2006 haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen, aufgrund dessen
der vom Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch für die stationäre psychiatrische Behandlung des Versicherten in der Zeit
vom 12. März 1997 bis zum 27. Juli 1998 und der darauf entfallende Zinsanspruch erledigt sind; bezüglich des Erstattungsanspruchs
für die Zeit vom 28. Juli 1998 bis zum 19. März 2000 (Erstattungsforderung 112.389,91 EUR) und des darauf entfallenden Zinsanspruchs
setzen die Beteiligten den Rechtsstreit fort.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. September 2004 aufzuheben und die Berufung der Beklagten
gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. Januar 2003 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht durch den Teilvergleich
erledigt worden ist,
hilfsweise,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. September 2004 insoweit aufzuheben und die Sache zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie meint, die Beweiswürdigung des LSG sei nicht zu beanstanden. Es habe §
39 SGB V nicht verletzt, da die Zweifel an der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG berechtigt seien. Die in Schleswig-Holstein nach
§
112 Abs
2 Satz 1 Nr
4 und
5 SGB V geschlossenen Verträge enthielten zudem weder eine Ausweitung der Leistungspflicht der KKn noch deren Verpflichtung, dem
KH Behandlungsalternativen aufzuzeigen. Für eine Beratung des Versicherten seien vertraglich sowohl das KH als auch die KK
zuständig.
Die Beigeladenen zu 1. bis 3. stellen keine Anträge.
II
Der Senat legt dem Großen Senat des BSG die im Beschluss-Tenor aufgeführten Rechtsfragen zur Entscheidung vor, weil er zu
diesen Fragen von Entscheidungen des 3. Senats des BSG abweichen will (vgl §
41 Abs
2 SGG) und jener Senat auf Anfrage des beschließenden Senats in seinem Antwort-Beschluss vom 3. August 2006 ausgeführt hat, dass
er an seiner Rechtsauffassung festhält (vgl §
41 Abs
3 Satz 1
SGG).
1. Der erkennende Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers hinsichtlich des noch offenen Behandlungszeitraums vom 28.
Juli 1998 bis zum 19. März 2000 (Erstattungsforderung 112.389,91 EUR nebst Zinsen) zurückzuweisen, das klageabweisende Berufungsurteil
mithin insoweit zu bestätigen und hierbei die beiden Vorlagefragen zu bejahen. Der Senat würde damit allerdings in entscheidungstragender
Weise von der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG abweichen.
Die im Tenor des Beschlusses genannten Vorlagefragen betreffen die Voraussetzungen des Anspruchs auf vollstationäre KH-Behandlung
als Krankenbehandlung und deren gerichtliche Kontrolldichte. Die Rechtsansichten des 1. Senats und des 3. Senats des BSG divergieren
insoweit und bedürfen daher - wie näher aufzuzeigen ist - der Herbeiführung von Rechtseinheit in dem dafür nach §
41 Abs
2 und
3 SGG vorgesehenen Verfahren.
a) Nach Auffassung des 1. Senats des BSG hängt der Anspruch erkrankter Versicherter auf die hier streitbefangene vollstationäre
Behandlung in einem zugelassenen KH davon ab, dass das Behandlungsziel allein aus medizinischen Gründen nicht durch andere
Maßnahmen der Krankenbehandlung (vgl §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V), insbesondere in ambulanter Form einschließlich häuslicher Krankenpflege, erreicht werden kann. Der 3. Senat des BSG bejaht
die Leistungspflicht der KK nach §
39 SGB V demgegenüber bereits dann, wenn bei einem in das KH aufgenommenen Versicherten das Behandlungsziel aus medizinischen Gründen
zwar auch durch ambulant-ärztliche Behandlung (zB im Rahmen betreuten Wohnens) erreicht werden könnte, dem Versicherten eine
solche Behandlungsalternative aber im konkreten Fall nicht nachgewiesen wird, selbst über Monate oder Jahre hinweg. Nach der
Rechtsansicht des 3. Senats obliegt es der KK in einem solchen Fall zur Vermeidung ihrer (weiteren) Leistungspflicht für stationäre
KH-Behandlung, einen konkreten freien Platz in einer geeigneten Betreuungs- oder Unterbringungseinrichtung zu benennen, den
Versicherten dazu anzuhören und ihm einen Bescheid hierüber zu erteilen.
b) Nach Auffassung des 1. Senats des BSG hat im Streitfall das Gericht ferner voll zu überprüfen, dass das Behandlungsziel
nach den im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Informationen allein aus medizinischen Gründen nicht durch andere Maßnahmen der
Krankenbehandlung erreicht werden kann. Der 3. Senat des BSG billigt dem behandelnden KH-Arzt dagegen eine gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative zu.
2. Die mit dem Vorlagebeschluss aufgeworfenen Rechtsfragen sind im anhängigen Revisionsverfahren entscheidungserheblich.
a) Der Entscheidungserheblichkeit der Fragen steht die unterschiedliche geschäftsplanmäßige Zuständigkeit beider Senate des
BSG nicht entgegen. Der 1. Senat des BSG entscheidet unmittelbar über Ansprüche Versicherter gegen ihre KK auf KH-Behandlung
sowie über daran anknüpfende Erstattungsansprüche. Der 3. Senat ist für Ansprüche von Leistungserbringern gegen KKn auf Vergütung
der KH-Behandlung Versicherter zuständig. Beide Entscheidungsbereiche stehen indessen nicht unverbunden nebeneinander. Sie
decken sich inhaltlich im Kern, weil eine Leistung des KH auf Kosten der KK nur der Erfüllung des Sachleistungsanspruchs des
Versicherten nach §
39 SGB V dienen darf. Der Anspruch des Leistungserbringers auf Vergütung folgt im Wesentlichen diesem Sachleistungsanspruch und kann
daher nur unter Würdigung der versicherungsrechtlichen Lage umschrieben werden (vgl zB BSG 3. Senat, Urteil vom 7. Juli 2005
- B 3 KR 40/04 R, GesR 2005, 558, 560 = USK 2005-66; ebenso Antwort-Beschluss vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S, RdNr 4). Von daher ist es geboten, identische rechtliche Maßstäbe bei der Auslegung des §
39 SGB V anzuwenden.
b) Die vorgelegten Fragen sind auch im konkreten Fall entscheidungserheblich. Alle hier in Betracht kommenden Erstattungsansprüche
nach §§ 102 ff SGB X setzen ua voraus, dass der in Anspruch genommene Leistungsträger (hier: die beklagte KK) die vom Erstattung begehrenden Träger
(hier: der klagende Sozialhilfeträger) erbrachte Leistung selbst rechtmäßig zu erbringen gehabt hätte. Daran fehlte es, würde
man mit dem erkennenden 1. Senat die Vorlagefragen bejahen.
Entsprechend den nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (vgl im Einzelnen Anfrage-Beschluss
des erkennenden Senats vom 4. April 2006 RdNr 22 ff) war eine KH-Behandlung des Versicherten im hier (noch) relevanten Zeitraum
(28. Juli 1998 bis 19. März 2000) aus medizinischen Gründen bei voller gerichtlicher Überprüfung im Sinne der ersten Fragestellung
nicht erforderlich. Das LSG durfte beanstandungsfrei annehmen, bei dem Versicherten habe in dieser Zeit eine "pflegerische
Behandlung im Rahmen einer Unterbringung im Vordergrund gestanden" und hat dabei die Kriterien für notwendige KH-Behandlung
nicht verkannt. Der 3. Senat des BSG würde dagegen KH-Behandlungsbedürftigkeit bejahen, da bei dem Versicherten eine Krankenbehandlung
zur Einwirkung auf sein (fort)bestehendes psychiatrisches Leiden erforderlich war (zB in Bezug auf die wiederholte Verordnung
und Verabreichung von Arzneimitteln) und die beklagte KK ihm nach der KH-Aufnahme jedenfalls keinen konkreten Unterbringungs-
bzw Wohnheimplatz benannt sowie ihn hierzu nicht angehört und ihm auch keinen Bescheid darüber erteilt hat.
In Bezug auf die zweite Vorlagefrage würde dem noch offenen Revisions- und Klagebegehren - abweichend vom 1. Senat und selbst
bei Bejahung der ersten Vorlagefrage - nach Auffassung des 3. Senats jedenfalls deshalb stattzugeben sein, weil er dem KH-Arzt
eine Einschätzungsprärogative über die Erforderlichkeit der konkreten weiteren KH-Behandlung zubilligt, deren Grenzen er als
nicht überschritten ansähe.
3. Die erste Vorlagefrage (dazu unter 4.) und die zweite Vorlagefrage (dazu unter 5.) sind im Sinne des anfragenden 1. Senats
zu bejahen. Das ergibt sich jeweils aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und Regelungszweck der für die KH-Behandlung
einschlägigen Rechtsgrundlagen des
SGB V. Dieses Ergebnis trägt den Bedürfnissen der Versicherten Rechnung und berücksichtigt die Verteilung der Verantwortungs-,
Steuerungs- und Entscheidungsbereiche aller Beteiligten. Es achtet die durch das Gesetz beschränkte Aufgabenstellung der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV), den Versicherten nur nach Maßgabe eines durch den gesetzlichen Rahmen vorgegebenen Katalogs Leistungen
zur Verfügung zu stellen und vermeidet zugleich Fehlsteuerungen durch Fehlanreize: Es lastet der GKV nicht Risiken einer Unterversorgung
an, die sie mangels Zuständigkeit nicht beseitigen kann, und entlastet nicht die für die Unterversorgung Verantwortlichen.
Das verhindert, Strukturdefizite - entgegen den Interessen der Versicherten - durch Fehlsubventionierung mit Hilfe der kostenintensivsten
GKV-Leistung zu zementieren.
4. Der Anspruch erkrankter Versicherter auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen KH setzt - seit jeher - ausschließlich
voraus, dass das Behandlungsziel allein aus medizinischen Gründen nicht durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung erreicht
werden kann.
a) Der Anspruch auf stationäre KH-Behandlung war vor Inkrafttreten des
SGB V in § 184
Reichsversicherungsordnung (
RVO) geregelt. Zur Auslegung des § 184
RVO vertrat der damals für das Leistungsrecht der GKV zuständige 3. Senat des BSG die Ansicht, der Anspruch des Versicherten
auf KH-Pflege setze voraus, dass die besonderen Mittel des KH benötigt werden, um die Krankheit zu heilen oder zu bessern,
eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nur wenn diese Behandlungsziele den Aufenthalt im
KH erforderlich machen - so der 3. Senat -, sei die KK zur KH-Pflege verpflichtet. Andere Gründe für den KH-Aufenthalt, selbst
wenn sie auf eine Krankheit zurückzuführen sind, reichten nicht aus. Lasse sich eine eventuell erforderliche medizinische
Behandlung ohne eine aus anderen Gründen notwendige Unterbringung - zB zur Pflege oder zur Verwahrung - ambulant durchführen,
bestehe kein Anspruch auf KH-Pflege. Soweit die Rechtsprechung auf die ärztliche Präsenz abstelle, sei gemeint, dass der jederzeit
rufbereite Arzt im Rahmen der laufenden Behandlung benötigt werde (Urteil vom 12. Oktober 1988 - 3/8 RK 19/86, juris RdNr 25, in SozR 1500 § 75 Nr 71 insoweit nicht abgedruckt; Urteil vom 12. November 1985 - 3 RK 33/84, SozR 2200 § 184 Nr 28 mwN; Urteil vom 12. März 1985 - 3 RK 15/84, USK 85141). Auch die Notwendigkeit einer ständigen Betreuung durch psychiatrisch geschultes nichtärztliches Personal allein
mache die KK noch nicht nach § 184 Abs 1
RVO leistungspflichtig (Urteil vom 21. Oktober 1980 - 3 RK 33/79, KVRS A - 2500/15 = USK 80211). Zwar sei zu beachten, dass bei der psychiatrischen Behandlung nichtärztliche Therapeuten
und Pflegekräfte im größeren Umfange zur Behandlung herangezogen würden. Ihre Mitwirkung sei dann aber ärztlichen Behandlungsmaßnahmen
untergeordnet (Urteil vom 25. Januar 1979 - 3 RK 83/78, SozR 2200 § 184 Nr 11 S 15 f). Von KH-Behandlung könne nicht mehr gesprochen werden, wenn die ärztliche Behandlung nur noch
einen die pflegerischen Maßnahmen begleitenden Charakter habe (Urteil vom 12. November 1985 - 3 RK 33/84, SozR 2200 § 184 Nr 28 S 44).
Der 3. Senat hat es in seinem Urteil vom 12. Dezember 1979 (3 RK 13/79, BSGE 49, 216, 218 = SozR 2200 § 184 Nr 15) für die Leistungspflicht der KKn als allein entscheidend angesehen, dass die KH-Behandlung
aus medizinischen Gründen notwendig ist. Soziale Erwägungen allgemeiner Art oder familiäre Umstände könnten einen Anspruch
auf KH-Pflege gegen den Träger der GKV nicht begründen. Daran hat der 3. Senat des BSG in seinem Urteil vom 3. Juli 1985 (3 RK 17/84, USK 85160) angeknüpft und ausgeführt: "Eine Aufnahme im KH ist nicht notwendig, soweit die ambulante Behandlung ausgereicht
hätte. In diesem Fall kann der Anspruch aus § 184
RVO nicht damit begründet werden, dass die Unterbringung des Kranken in einem Heim oder einer Pflegefamilie geboten sei, aber
tatsächlich kein geeigneter Heim- oder Familienplatz zur Verfügung stehe. Es ist nicht Aufgabe der GKV, ein derartiges Risiko
zu tragen. Wenn geeignete Pflegeheime nicht zur Verfügung stehen und ein Pflegebedürftiger nur deshalb in einem psychiatrischen
KH untergebracht wird, so hat das nicht zur Folge, dass die Krankenversicherungsträger zur Übernahme der Kosten verpflichtet
sind."
Zur Frage der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Voraussetzungen der Notwendigkeit stationärer KH-Pflege hatte es der 8. Senat
des BSG unter Geltung des § 184
RVO mit Urteil vom 16. November 1984 (8 RK 33/84, USK 84213) ausdrücklich verneint, dass dem behandelnden Arzt bei der Bestimmung von Art und Dauer der notwendigen KH-Pflege
ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt sei, der nur in beschränktem Umfang gerichtlicher Überprüfung unterliege. Zwar
handele es sich bei dem Rechtsbegriff der "Notwendigkeit" iS von § 184 Abs 1 Satz 2 iVm § 182 Abs 2
RVO um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dem die Zuordnung bestimmter Einzelsachverhalte in vielen Fällen unsicher sei. Ob
in diesem Bereich hermeneutischer Unsicherheit ein "Beurteilungsspielraum" gesehen werden könne, könne letztlich offen bleiben.
Denn ein solcher Beurteilungsspielraum könnte allenfalls der Verwaltung (= KK), nicht aber dem behandelnden Arzt zustehen.
Entscheidend für die (dort ähnlich wie im vorliegenden Fall streitige) Erstattungspflicht der KK sei vielmehr, ob die gewährte
Kranken(haus)pflege nach objektiven Maßstäben notwendig gewesen sei. Diese Beurteilung unterliege voller gerichtlicher Nachprüfung.
Eine andere Frage sei es, ob die KK - oder im Rechtsstreit das Tatsachengericht - im konkreten Falle im Rahmen der Beweiswürdigung
häufig der Beurteilung des behandelnden Arztes folgen werde, weil er aufgrund seiner Sachnähe regelmäßig am ehesten in der
Lage sei, die Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme zu beurteilen. Dies bedeute aber nicht, dass der Arzt die KK zu Leistungen
auch dann verpflichten könne, wenn diese Leistungen objektiv nicht notwendig seien.
Ebenso hat in der Folgezeit der 3. Senat des BSG entschieden: Der Kassenarzt treffe keine Rechtsentscheidung über die Verpflichtung
der KK zur Leistungserbringung; dies sei nicht seine Aufgabe und ergebe sich weder aus Bestimmungen der
RVO noch aus dem ihr nachgeordneten Recht (Urteil vom 11. Oktober 1988 - 3/8 RK 20/87, USK 88157 = NJW 1989, 2350 = ErsK 1991, 378). Für die Beurteilung, ob und inwieweit die Maßnahmen geboten waren und nur in einem KH durchgeführt werden
konnten, habe man sich im sozialgerichtlichen Verfahren (im konkreten Fall) nicht mit den Äußerungen des behandelnden Arztes
zur Notwendigkeit der stationären Behandlung abschließend begnügen dürfen - so der 3. Senat.
b) An diese Rechtsprechung knüpfte der Gesetzgeber an, als er mit Wirkung ab 1. Januar 1989 den Anspruch auf stationäre KH-Behandlung
nunmehr in §
39 SGB V regelte. Weder sollte der materielle Anspruch grundlegend anders als in § 184
RVO ausgestaltet sein noch sollte die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des § 184
RVO korrigiert werden. Aus Wortlaut und Textgeschichte des §
39 Abs
1 SGB V ergibt sich vielmehr, dass bei der Frage, ob ein Versicherter der stationären KH-Behandlung bedarf, weiterhin allein auf
medizinische Gründe abzustellen und stationäre KH-Behandlung subsidiär gegenüber allen anderen Behandlungsformen (ambulant,
teilstationär oder in Form häuslicher Krankenpflege) ist.
aa) §
39 Abs
1 SGB V lautete in seiner am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Fassung des Art 1 Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) wie folgt:
"Versicherte haben Anspruch auf Behandlung in einem zugelassenen KH (§ 108), wenn die Aufnahme erforderlich ist, weil das
Behandlungsziel nicht durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die KH-Behandlung
wird voll- oder teilstationär erbracht. Sie umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des KH alle Leistungen, die im Einzelfall
nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im KH notwendig sind, insbesondere ärztliche
Behandlung (§ 28 Abs 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung."
Die Gesetzesbegründung führt aus (vgl BT-Drucks 11/2237 S 177 zu § 38 des Entwurfs):
"Die Vorschrift wurde gegenüber dem geltenden Recht im Hinblick auf die Bedeutung der Leistung im Rahmen der GKV konkretisiert.
Sie wurde außerdem wegen der zusätzlichen Erfordernisse, die bei der Einweisung in ein KH zu beachten sind (vgl § 81 Abs 4),
erweitert. Dadurch soll darauf hingewirkt werden, dass verstärkt preisgünstige Krankenhäuser in Anspruch genommen werden."
In der Begründung zu Abs 1 heißt es ebenda:
"Die Regelung bestimmt, wo, wie und in welchem Umfang stationäre KH-Behandlung erbracht wird. Sie entspricht dem bisher geltenden
Recht (§ 184 Abs 1, § 371 Abs 1
RVO), verdeutlicht jedoch den Vorrang der preisgünstigen ambulanten Behandlung durch den Hinweis auf die häusliche Krankenpflege
(§ 36). Satz 3 beschreibt den Inhalt der KH-Behandlung und macht deutlich, dass der Schwerpunkt der KH-Behandlung im Unterschied
zu anderen Formen der ärztlichen Versorgung (vgl § 115 Abs 2) auf der ärztlichen Behandlung durch Ärzte und weniger auf der
pflegerischen Versorgung und der Anwendung von Heilmitteln liegt."
Zur Begründung des §
81 Abs
4 SGB V des Entwurfs heißt es - auszugsweise - (vgl BT-Drucks 11/2237 S 192):
"Die Regelung verdeutlich die bisherige Rechtslage, nach der KH-Behandlung nur als letztes Mittel verordnet werden darf. Diesem
Subsidiaritätsprinzip trägt die Verpflichtung Rechnung, die Notwendigkeit der KH-Behandlung bei der Verordnung zu begründen."
Durch Art 1 Nr 23 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) erhielt §
39 Abs
1 SGB V folgende, am 1. Januar 1993 (vgl Art 35 Abs 1 GSG) in Kraft getretene und auch im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Fassung:
"Die KH-Behandlung wird vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a) sowie ambulant (§ 115b) erbracht. Versicherte
haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen KH (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das KH
erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich
häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die KH-Behandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des KH alle Leistungen,
die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im KH notwendig sind,
insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft
und Verpflegung."
Die Aufnahme der Worte nach "nach Prüfung durch das KH" im jetzigen Satz 2 (zuvor Satz 1) des §
39 Abs
1 SGB V beschreibt dabei keine materielle Entscheidungskompetenz des KH über den Anspruch des Versicherten auf KH-Behandlung. Diese
Formulierung soll vielmehr verdeutlichen, dass das KH - ggf neben dem einweisenden Arzt - selbstständig, in eigener Verantwortung
diese Voraussetzungen des Anspruchs zu überprüfen hat, über den letztlich im Streitfall die KK entscheidet. Dies ergibt sich
mit hinreichender Deutlichkeit aus der Begründung des Gesetzentwurfs. Die Ausführungen machen klar, dass es bei den Rechtsänderungen
des GSG nicht darum ging, den "Freiraum" eines KH bezüglich seiner Betten-Belegung im Sinne eines Einschätzungsspielraums über die
Erforderlichkeit stationärer KH-Behandlung zu erweitern, sondern - im Gegenteil - strengeren Voraussetzungen zu unterwerfen.
So wird im Allgemeinen Teil der Begründung darauf hingewiesen (vgl BT-Drucks 12/3209 S 39 unter 3.a):
"Die Ausgaben für die KH-Versorgung in Höhe von 49 Milliarden DM im Jahr 1991 bilden den größten Ausgabenblock der GKV. Gegenüber
1990 stiegen die Ausgaben für KH-Behandlung im Jahr 1991 je Mitglied um 7,8 %, und damit um fast 3 Prozentpunkte mehr als
die beitragspflichtigen Einnahmen.
Ohne erhöhte Wirtschaftlichkeit in den Krankenhäusern und ohne die Begrenzung der KH-Versorgung auf Patienten, die der KH-Behandlung
auch wirklich bedürfen, ist die Stabilität der Beitragssätze nicht zu erreichen.
Der grundlegende Strukturfehler im KH ist das Selbstkostendeckungsprinzip in Verbindung mit dem tagesgleichen Pflegesatz.
Solange das belegte Bett, nicht aber die Leistung, die der Patient benötigt, der Maßstab für die Einnahmen, für die Personalausstattung
und für die Investitionsförderung ist, sind Fehlsteuerungen und zu hohe Verweildauern die ökonomisch logische Konsequenz falscher
Rahmenbedingungen. Zudem leisten ein globales Überangebot an Akutbetten und medizinisch nicht erforderliche KH-Einweisungen
der Fehlbelegung Vorschub. Zu Fehlentwicklungen tragen auch die unzureichende Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer
Versorgung, die zT noch ausstehende Umsetzung der Instrumente des GRG, zB dreiseitige Verträge, sowie die praktische Bedeutungslosigkeit des Kündigungsrechts von Krankenhäusern bei."
Zur Begründung der auf Beseitigung dieser "Strukturfehler" abzielenden Änderung des §
39 Abs
1 SGB V heißt es, die Regelung "verdeutlicht die Prüfungspflicht des KH im Hinblick auf den Vorrang der ambulanten Behandlung". Einzelheiten
der Prüfung sollten - so die Begründung weiter - in den zweiseitigen Verträgen nach §
112 Abs
2 SGB V geregelt werden (vgl BT-Drucks 12/3209 S 45 zu Nr 7 Buchst a, Doppelbuchst aa). Die Einfügung des jetzigen Satzes 1 soll
nach der Gesetzesbegründung den "Vorrang der teilstationären Behandlung vor der vollstationären Behandlung" klarstellen (vgl
BT-Drucks 12/3209 S 45 zu Nr 7 Buchst a, Doppelbuchst bb >§ 39 Abs 1 SGB V<).
Die Prüfungspflicht des KH knüpft damit regelmäßig an die Einweisung des behandelnden Arztes an, ersetzt aber nicht das alleinige
Recht der KKn, über den Anspruch des Versicherten auf KH-Behandlung zu entscheiden. Für die vom 3. Senat des BSG in seinem
Antwortbeschluss vom 3. August 2006 (Beschluss-Umdruck RdNr 10) eingenommene Auffassung, aus den Gesetzesmaterialien sei herzuleiten,
dass es für die Erforderlichkeit von KH-Behandlung letztlich auf die (fachlich einwandfreie) Einschätzung des behandelnden
KH-Arztes ankomme, ist demgegenüber kein Raum.
bb) Der seit 1. Januar 1991 geschäftsplanmäßig für das Leistungsrecht der GKV zuständige erkennende 1. Senat des BSG hat bei
der Auslegung des §
39 SGB V unter Berücksichtigung aller Auslegungsmethoden die oben zitierte Rechtsprechung des 3. Senats zur Auslegung des § 184
RVO (insbesondere: Urteil vom 11. Oktober 1988 - 3/8 RK 20/87, USK 88157) fortgeführt (Urteil vom 9. Juni 1998 - B 1 KR 18/86 R, BSGE 82, 158, 161 = SozR 3-2500 § 39 Nr 5). Der 1. Senat hat dabei entschieden, dass auch unter Geltung des §
39 SGB V die Entscheidung über die Leistungsbewilligung bei der KK verbleibt.
Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruch auf stationäre KH-Behandlung sah der erkennende 1. Senat
ebenfalls keinen Grund, von der vorangegangenen Rechtsprechung zu § 184
RVO abzuweichen. So hat der Senat unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung (zB BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, jeweils RdNr 16; BSGE 28, 199, 202 = SozR Nr 22 zu § 1531
RVO; BSGE 47, 83, 85 = SozR 2200 § 216 Nr 2; BSG SozR 2200 § 184 Nr 11 S 15 f; BSGE 49, 216, 217 = SozR 2200 § 184 Nr 15 S 26; SozR aaO Nr 28 S 41; BSG USK 8453) zusammenfassend in seinem Urteil vom 16. Februar 2005
(B 1 KR 18/03 R, BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4, jeweils RdNr 13) ausgeführt, die Behandlung in einem KH sei erforderlich, "wenn die notwendige medizinische
Versorgung nur mit den besonderen Mitteln des KH durchgeführt werden kann und eine ambulante ärztliche Versorgung nicht ausreicht,
um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern". Maßnahmen
dürfen daher zB nicht lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen; ebenso unterfallen rein pflegerische
Maßnahmen nicht der Leistungspflicht der KKn, vielmehr müssen diese als Teil einer ärztlichen Behandlung dieser Behandlung
untergeordnet sein (vgl BSG USK 79163; BSG USK 8453; BSG SozR 2200 § 184 Nr 11 S 16). Soweit der 1. Senat dabei in einem obiter
dictum des Urteils vom 16. Februar 2005 (aaO) weitergehende Rechtssätze aus der neueren Rechtsprechung des 3. Senats zitiert
hat, hält er hieran nicht fest.
c) Diese Auslegung des §
39 SGB V durch den erkennenden Senat entspricht dem aufgezeigten gesetzlichen Regelungssystem abgestufter Ansprüche der Versicherten
in der GKV.
Bereits das GRG hebt den subsidiären Charakter stationärer KH-Behandlung gegenüber der ambulanten Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege
in §
39 Abs
1 Satz 1
SGB V hervor. Das GSG hält hieran fest, erweitert den Subsidiaritätsgrundsatz des §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V redaktionell und stellt klar, dass nur dann Anspruch auf vollstationäre KH-Behandlung besteht, wenn die Aufnahme in ein KH
erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich
häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Auch in anderen Grundentscheidungen des Gesetzgebers zum Leistungsrecht der
GKV kommt die beschriebene Tendenz zum Ausdruck. Er hat nämlich immer wieder Regelungen geschaffen und Maßnahmen getroffen,
um die Inanspruchnahme von kostenintensiver stationärer KH-Behandlung (auch mit Blick auf Grenz- und Streitfälle über die
vollstationäre medizinische Notwendigkeit) zur ultima ratio werden zu lassen bzw die KH-Behandlung wegen vorrangiger anderer
Behandlungsformen möglichst von vornherein auf die dafür vorgesehenen medizinischen Fälle zu begrenzen und den Anstieg der
KH-Kosten zu dämpfen. Welche große Bedeutung für den Gesetzgeber das Ziel hat, ergibt sich aus seinen hierauf kontinuierlich
über mehr als drei Jahrzehnte erstreckenden Bemühungen (vgl zu den Änderungen im Einzelnen zB die Übersicht bei Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
39 RdNr 33 ff, Stand August 2006). Die Begrenzung der Ausgaben für KH-Behandlung war bereits Zweck des Gesetzes zur wirtschaftlichen
Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der KH-Pflegesätze (KHG) vom 29. Juni 1972 (BGBl I 1009). Im Vordergrund stand bereits damals die Absicht, der wirtschaftlichen Belastung durch ständig
steigende Beiträge zur GKV entgegenzutreten. Da die KKn aus den niedrig gehaltenen Beiträgen nicht in der Lage waren, die
ständig steigenden Kosten für KH-Pflege zu finanzieren, musste die Beschränkung der Beiträge zur GKV auch die Beschränkung
der KH-Pflegesätze nach sich ziehen (so BVerwGE 60, 154, 156 = Buchholz 451.731 KHG Nr 3 = USK 80237).
So gut wie alle der zahlreichen Gesetzesänderungen bis in die jüngste Zeit hinein mit direkten oder mittelbaren Auswirkungen
auf den KH-Sektor sind auf das Ziel ausgerichtet, die finanziellen Aufwendungen für die KH-Behandlung zu begrenzen. Insoweit
sind - neben den bereits in §
39 Abs
1 SGB V selbst angesprochenen Behandlungsalternativen - speziell für den Bereich der psychiatrischen Erkrankungen in Ausfluss des
§
27 Abs
1 Satz 3
SGB V die Behandlung in psychiatrischen Institutsambulanzen (§
118 SGB V) oder die Soziotherapie (§
37a SGB V, geschaffen durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 >BGBl I 2626<) hervorzuheben; Soziotherapie
steht seit 1. Januar 2000 speziell schwer psychisch kranken Versicherten zu, "wenn dadurch KH-Behandlung vermieden oder verkürzt
wird oder wenn diese geboten, aber nicht durchführbar ist". Auch das Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems
für Krankenhäuser (Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser - Fallpauschalengesetz
vom 23. April 2002, BGBl I S 1412) kann hier beispielhaft erwähnt werden (vgl zu dessen Zielsetzung BT-Drucks 14/6893 S 26).
Das in alledem zum Ausdruck kommende abgestufte Regelungssystem des
SGB V würde durchbrochen und das erkennbar mit Nachdruck und Priorität verfolgte gesetzgeberische Ziel einer möglichst weitgehenden
Vermeidung stationärer KH-Pflege auf Kosten der KKn wäre in Frage gestellt, wenn für die Beurteilung, auf welche der genannten
Behandlungsformen der Versicherte gegen seine KK Anspruch hat, neben medizinischen Gründen wesentlich auf krankenversicherungsfremde
Gesichtspunkte abzustellen wäre wie zB das persönliche Umfeld des Betroffenen oder die Versorgungsstruktur in Bezug auf Unterbringungseinrichtungen
zur Gefahrenabwehr und bei Pflegeheimen.
d) Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungssystem verdeutlichen mithin den mit §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V verfolgten Regelungszweck, KH-Behandlung als eine der kostenintensivsten Leistungen der GKV nur als letztes, äußerstes Mittel
in den wirklich notwendigen, nicht durch andere Maßnahmen behandelbaren Fällen einzusetzen. Diesem Regelungszweck hat die
ständige Rechtsprechung zunächst aller damit befassten BSG-Senate Rechnung getragen. Mit seinem Urteil vom 13. Mai 2004 -
B 3 KR 18/03 R (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, jeweils RdNr 17 ff) hat sich der 3. Senat des BSG allerdings von der bisherigen Linie abgewandt
(stRspr, vgl die Nachweise und Ausführungen im Antwort-Beschluss des 3. Senats vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S, RdNr 6 ff). Er hat sowohl hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf stationäre KH-Behandlung
als auch in der Frage der Überprüfung ihrer Notwendigkeit durch die KKn, MDK und Gerichte einen eigenen Weg eingeschlagen.
aa) Der 3. Senat hat ausgeführt, die Umschreibung der KH-Behandlungsbedürftigkeit in der oben zitierten Rechtsprechung reiche
zur konkreten Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit von KH-Behandlung (§
39 Abs
1 Satz 2
SGB V) nicht aus. Die Entscheidung, ob ein Versicherter wegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit in einem KH versorgt werden
müsse, könne ein die Einweisung in das KH verordnender niedergelassener Arzt (§
73 Abs
2 Satz 1 Nr
7 SGB V iVm §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
5 SGB V) oder die Aufnahme ins KH anordnender KH-Arzt (§
39 Abs
1 Satz 2
SGB V) stets nur mit Blick auf die in Betracht kommenden ambulanten Behandlungsalternativen treffen. Dies gelte in gleicher Weise
bei der Entscheidung eines KH-Arztes, ob ein bereits stationär untergebrachter Patient bei fortdauernder Behandlungsbedürftigkeit
weiterhin im KH zu behandeln sei oder entlassen werden könne, weil die erforderliche medizinische Versorgung außerhalb des
KH sichergestellt sei. Das Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise bedeute, dass es nicht ausreiche, von theoretisch
vorstellbaren, besonders günstigen Sachverhaltskonstellationen auszugehen, die den weiteren KH-Aufenthalt entbehrlich erscheinen
ließen, sondern dass zu prüfen sei, welche ambulanten Behandlungsalternativen im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen,
weil nur so die kontinuierliche medizinische Versorgung des Versicherten gewährleistet werden könne. Da die KK dem Versicherten
die notwendige medizinische Behandlung als Sachleistung schulde (§
2 Abs
2, §
27 SGB V) und sie gegenüber dem Versicherten nach §
14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) zur Beratung über seine Rechte und Pflichten aus dem Sozialversicherungsverhältnis verpflichtet sei, könne sich die KK nicht
allein damit entlasten, dass sie auf denkbare ambulante Behandlungsalternativen verweise, solange sie diese nicht in konkreter
und nachprüfbarer Weise aufzeige. Wolle die KK einen Antrag auf (erstmalige oder weitere) Kostenübernahme für stationäre KH-Behandlung
ablehnen, bestehe also Streit über die Notwendigkeit einer KH-Behandlung zwischen dem Versicherten (bzw seinem Betreuer) und
den KH-Ärzten einerseits sowie der KK und dem MDK andererseits, habe die KK als Ausfluss ihrer Sachleistungs- und Beratungspflicht
den Versicherten darüber zu unterrichten, welche konkrete ambulante Behandlungsalternative zur Verfügung stehe (so Urteil
vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R, BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, jeweils RdNr 19, konkretisiert durch Antwort-Beschluss vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S, RdNr 8).
bb) Auch hinsichtlich der sozialgerichtlichen Überprüfbarkeit der Notwendigkeit stationärer KH-Behandlung vertritt der 3.
Senat in seinem Urteil vom 13. Mai 2004 eine vom 1. Senat abweichende Auffassung: Der erkennende 1. Senat ordnet die Entscheidungsgewalt
darüber, ob KH-Behandlung erforderlich ist, der KK (= hier: Beklagte) zu (vgl BSGE 82, 158, 161 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 26 f mwN; BSGE 89, 34, 39 = SozR 3-2500 § 18 Nr 8 S 34; ebenso 6. Senat, BSGE 65, 94, 97 = SozR 2200 § 182 Nr 115 S 264 f mwN); er sieht deren Entscheidung als gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar an und
würde prüfen, ob (jeweils) im Zeitpunkt der Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst objektiv KH-Behandlungsbedürftigkeit
bestand (vgl erneut auch 8. Senat des BSG, USK 84213; ferner BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4, jeweils RdNr 26; zur vergleichbaren Situation bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch
einen Vertragsarzt die Senats-Urteile vom 8. November 2005 - B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 28 mwN und - B 1 KR 30/04 R, BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, jeweils RdNr 25, 30 mwN).
Nach Auffassung des 3. Senats des BSG kommt es nach erfolgter tatsächlicher KH-Aufnahme demgegenüber lediglich auf die Einschätzung/Prognose
des behandelnden KH-Arztes an. Nach den Ausführungen des 3. Senats in seinem Urteil vom 12. Mai 2005 (B 3 KR 30/04 R, SozR 4-5565 § 14 Nr 9 RdNr 8 mwN) ist eine KH-Behandlung stets dann notwendig, "wenn sie aus der vorausschauenden Sicht
des KH-Arztes unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten oder erkennbaren Umstände vertretbar ist, dh nicht
im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt". In einem
weiteren Urteil vom 7. Juli 2005 (B 3 KR 40/04 R = GesR 2005, 558, 560 = USK 2005-66) führt der 3. Senat aus: Dadurch, dass die behandelnden KH-Ärzte die Notwendigkeit einer
Weiterbehandlung im KH angenommen hätten, sei von dieser Notwendigkeit auszugehen, weil ihnen insoweit ein Einschätzungsspielraum
zuzubilligen sei und weder das LSG noch die Beklagte Gesichtspunkte aufgezeigt hätten, die diese Einschätzung als ersichtlich
verfehlt oder als Verstoß gegen ärztliche Standards erscheinen ließen (juris RdNr 20). Im Zweifel komme es auf die Prognose
der behandelnden KH-Ärzte an. Diese Rechtsprechung trage der Situation und Entscheidungsverantwortung des behandelnden KH-Arztes
Rechnung, die dadurch geprägt sei, dass es eine eindeutig objektiv richtige Maßnahme im Bereich ärztlichen Handelns oft nicht
gebe und ärztliches Handeln gerade bei der Behandlung schwerwiegender psychiatrischer Erkrankungen auf unterschiedliche, auch
wechselnde therapeutische Ansätze angewiesen sei.
e) Die Auslegung des 1. Senats, die der Neukonzeption des 3. Senats nicht folgt, trägt den Belangen der Versicherten der GKV
angemessen Rechnung, ohne Entscheidungskompetenzen und die damit korrespondierenden Verantwortlichkeiten der Systembeteiligten
bei der Inanspruchnahme von Naturalleistungen aus dem Blick zu verlieren:
Begehrt ein Versicherter KH-Aufnahme, hat - auch bei Vorliegen einer vertragsärztlichen Verordnung - das KH in eigener Verantwortung
die medizinischen Voraussetzungen zu überprüfen. Das entspricht seiner Sachkompetenz. Bejahen die KH-Ärzte die KH-Behandlungsbedürftigkeit
und nimmt das KH den versicherten Patienten auf, obwohl diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, hat die - idR zwecks Kostenübernahme
eingeschaltete, sich auf den MDK stützende - KK den Anspruch gegenüber dem Versicherten und dem KH (nach näherer Maßgabe des
Vertragsrechts gemäß §
112 SGB V) unverzüglich abzulehnen. Der Versicherte genießt allerdings jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt Vertrauensschutz (vgl in
diese Richtung gehend bereits BSGE 82, 158, 162 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5): Er ist von der KK so zu stellen, als habe er auf Kosten der KK stationäre Behandlung erhalten
(zB §
44 SGB V; §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V). Das KH erlangt dagegen keinen Vergütungsanspruch gegen die KK. Es hat nämlich nicht einen bestehenden Anspruch des Versicherten
gegen die KK erfüllt, sondern bei seiner Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen auf medizinischem Gebiet versagt und daraus
die Konsequenzen zu tragen. Von dieser Verantwortung kann sich das KH auch nicht zu Lasten des Versicherten freizeichnen,
soweit nicht der Versicherte in voller Kenntnis seiner Rechte Behandlung auf eigene Kosten ohne Aussicht auf Übernahme durch
die KK wünscht (vgl Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R - RdNr 13 mwN >Psychotherapie durch Erstattungs-Psychologen<; §
32 SGB I). Hat die KK gegenüber Versichertem und KH abgelehnt, die Behandlung zu übernehmen, hält aber das KH die Voraussetzungen
des Anspruchs für trotzdem erfüllt, kann es den Versicherten weiterhin auf eigenes (des KH) Risiko behandeln. Es kann sich
aber nun auch von diesem Risiko zu Lasten des Patienten befreien. Ist der betroffene Patient selbst nicht vollständig informiert,
muss das KH ihn im Rahmen seiner ihm als zugelassener Leistungserbringer obliegenden wirtschaftlichen Aufklärungspflicht (vgl
dazu näher Senat, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 5/05 R - RdNr 27 >UAE<, zur Veröffentlichung vorgesehen) umfassend über die Folgen aufklären, die der Versicherte bei Fortsetzung
der stationären Behandlung zu tragen hat, wenn sich die Richtigkeit der Position der KK in einem späteren Rechtsstreit bestätigen
sollte.
Ist der Versicherte, der allein aus medizinischen Gründen keine KH-Behandlung benötigt, selbst nicht in der Lage, einen Zusatzbedarf
an Unterbringung, Pflege oder Sonstigem zu finanzieren, den der 3. Senat zum Anlass nimmt, KH-Behandlungsnotwendigkeit zu
fingieren, ist es - soweit kein vorrangiger Leistungsträger zuständig ist - Sache des Sozialhilfeträgers, diesen Bedarf abzudecken.
Das heißt: Kann zB ein obdachloser Krebspatient ambulant mit Infusionen behandelt werden, benötigt er dazu aber eine hygienisch
einwandfreie Unterkunft, die ein Obdachlosenheim nicht bietet, bleibt es Sache des Sozialhilfeträgers, für eine adäquate Unterkunft
zu sorgen. Auch soweit die Pflegeversicherung wegen ihres begrenzten Versorgungsauftrags nicht die erforderlichen Leistungen
zur Verfügung zu stellen hat, rechtfertigt es das Gesetz nicht, KH-Behandlung ohne medizinische Notwendigkeit zu Lasten der
GKV vorzusehen. Auch hier hat - soweit kein anderer vorrangiger Träger zuständig ist - letztlich der Sozialhilfeträger einzutreten.
KH-Entlassungsprobleme sind durch frühzeitige Zusammenarbeit der zuständigen Träger schon im Vorfeld zu lösen (§
4 Abs
3 SGB V; § 86 SGB X).
Weder KK noch KH haben danach Risiken zu tragen, die sich aus der nichtmedizinischen Versorgungssituation außerhalb des KH-Bereichs
ergeben, soweit beide von ihrer Aufgabenstellung her nicht zur Absicherung der sich daraus ergebenden Risiken verpflichtet
sind. So sind beide Institutionen nicht dazu berufen, Plätze für betreutes Wohnen oder für psychisch kranke Behinderte zu
schaffen, die wegen Fremd- oder Selbstgefährdung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unterzubringen sind.
Umgekehrt ist es Sache der KKn, Mängel in der ambulanten Versorgung zu vermeiden oder zu beheben. Versagen sie hierbei mit
der Folge, dass die an sich mögliche ambulante Behandlung nicht erbracht werden kann, ist KH-Behandlung medizinisch notwendig.
Den KKn aber - trotz bedarfsgerecht möglicher Krankenbehandlung im Rahmen des Vertragsarztsystems - etwaige Mängel in der
Versorgung solcher krankenversicherungsfremder Bereiche durch Schaffung von richterrechtlichen Kostenübernahmepflichten aufzubürden
und mittels KH-Behandlung zu kompensieren, wie es die Rechtsprechung des 3. Senats bewirkt, belastet die Falschen, entzieht
der GKV die erforderlichen finanziellen Mittel und droht durch die damit bewirkte Fehlsteuerung, letztlich die Versicherten
selbst zu schädigen.
5. Die Voraussetzungen für die "Erforderlichkeit" stationärer KH-Behandlung sind gerichtlich voll überprüfbar. Das zeigt schon
- wie dargelegt - die an die bisherige Rechtsprechung anknüpfende Entstehungsgeschichte des §
39 SGB V. Zu Recht hat der 8. Senat des BSG (vgl erneut Urteil vom 16. November 1984 - 8 RK 33/84, USK 84213) bereits zum Rechtszustand unter Geltung der
RVO ausgeführt, rechtssystematisch könne allenfalls ein Beurteilungsspielraum der KK, nicht aber des behandelnden (KH-)Arztes
in Betracht kommen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Diskussion zum Rechtskonkretisierungskonzept des
SGB V (vgl dazu nur zB Neumann in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 13 RdNr 11 ff; Arend Becker,
Die Steuerung der Arzneimittelversorgung im Recht der GKV, 2006, S 114 ff, 123 ff; Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht,
2005, S 176 ff, 203 ff, alle mwN).
Hinzu kommt, dass auch unbestimmte Rechtsbegriffe - wie hier der Notwendigkeit oder Erforderlichkeit - grundsätzlich der uneingeschränkten
richterlichen Nachprüfung unterliegen (vgl Art
92 Grundgesetz >GG<), und zwar hinsichtlich ihres Sinngehalts, der Feststellung der Tatsachengrundlage und der Anwendung des unbestimmten
Rechtsbegriffs auf die im Einzelfall festgestellten Tatsachen (vgl zB BVerwG Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr 6 S 15 f = DVBl
2006, 574 mwN). Das entspricht der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung in Art
19 Abs
4 GG, effektiven Rechtsschutz und damit die vollständige Nachprüfung der Akte öffentlicher Gewalt in rechtlicher und tatsächlicher
Hinsicht zu gewährleisten (vgl BVerfGE 84, 34, 49 f). Nur ausnahmsweise kann es in gleichsam kaum vermeidbaren Kollisionslagen gerechtfertigt sein, der zuständigen Stelle
einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Raum für die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu eröffnen. Eine
solche, sich auf die Tatbestandsseite der Norm erstreckende Einschätzungsprärogative hat die Rechtsprechung etwa bei Eignungsbeurteilungen
(BVerfGE 84, 59, 77), Planungsentscheidungen (BVerwGE 56, 110, 121 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr 2; BVerwGE 87, 332, 355 = Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr 7; zuletzt BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 - 5 C 10/05, juris RdNr 70 = NVwZ 2006, 1184, 1189 = DÖV 2006, 867, 870) oder bei Entscheidungen besonderer, fachkundig zusammengesetzter Kollegialorgane anerkannt (BVerwG NVwZ 1991, 268; BSG USK 82181 bzgl der für die für vertragsärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständigen Prüfgremien). Sie hat es aber
zB abgelehnt, von einer Einschätzungsprärogative auszugehen bei prognostischen Einzelbeurteilungen (vgl BSG SozR 3-4100 §
60 Nr 1 S 4 f), der sensorischen Bewertung von Wein (BVerwGE 94, 307 Leitsatz 1 = Buchholz 418.72 WeinG Nr 24) oder der Feststellung von Unwirtschaftlichkeit im Rahmen einer Einzelfallprüfung (vgl >6. Senat< BSGE 70, 246, 253 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10).
Nach diesen Maßstäben fehlt jeglicher Grund, einem Arzt im KH bei der Prüfung der Erforderlichkeit der KH-Behandlung eine
Einschätzungsprärogative zuzubilligen. Der Anspruch des Versicherten gegen die KK auf krankenversicherungsrechtliche Leistungen
kann nicht im Rechtssinne von der jeweiligen Einschätzung eines KH-Arztes abhängig sein. Ebenso wenig hat dessen Einschätzung
Auswirkungen auf die Entscheidungsbefugnisse der KK. Ihre Kompetenz, über den Sachleistungsanspruch des Versicherten zu entscheiden,
wäre sonst nur noch rein formaler Natur. Darüber hinaus blieben die Aufgaben und Funktion des MDK unbeachtet (vgl §
275 Abs
1 Nr
1 iVm §
276 Abs
4 SGB V). Erst recht könnte eine solche Einschätzungsprärogative nicht für den Anspruch des KH gegen die KK auf Vergütung gelten.
Soweit der 3. Senat des BSG schließlich darauf abhebt, es gebe im Bereich ärztlichen Handelns oft nicht nur "eine" objektiv
richtige Maßnahme, kann dies seine Schlussfolgerung nicht rechtfertigen: Besteht die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen,
sind diese nämlich krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen
(§
12 Abs
1 SGB V). Genügen mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen, hat regelmäßig der
versicherte Patient hierüber aufgeklärt zu werden und die Auswahl zu treffen. Die zivil- und strafrechtliche Verantwortung
des Arztes knüpft gerade auch an diese Pflicht des Arztes an. Das wirksame, einen Deliktstatbestand ausschließende Einverständnis
des Patienten setzt nämlich eine umfassende, hinreichende Aufklärung des behandelnden Arztes bei allen ärztlichen Maßnahmen
voraus (vgl BGH NJW 1980, 1905; BGH VersR 1990, 1010 f mwN). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kennt denn auch eine Einschätzungsprärogative des behandelnden Arztes
nicht. Sie differenziert bei der - rechtlich ganz anders gelagerten - Frage, wie allgemeine Vertragsbedingungen privater Krankenversicherungsunternehmen
auszulegen sind, die eine Erstattungspflicht für KH-Behandlung von der medizinischen Notwendigkeit abhängig machen, im Interesse
des Versicherungsnehmers danach, ob ein besonderes Verfahren für die Klärung von Meinungsunterschieden über die "Notwendigkeit"
vertraglich vorgesehen ist. In diesem Falle hat die Überprüfung nach objektiven und anerkannten medizinischen Erkenntnissen
durch einen neutralen Sachverständigen zu erfolgen. Ist dagegen ein besonderes Verfahren für die Überprüfung nicht vorgesehen,
kann der Versicherer sich auf einen Leistungsausschluss allenfalls erst dann berufen, wenn es nach den objektiven medizinischen
Befunden und Erkenntnissen nicht mehr vertretbar war, die KH-Behandlung als notwendig anzusehen (vgl BGH NJW 1979, 1250 f in Abgrenzung zu BGH VersR 1977, 833; BGHZ 133, 208 ff = LM AVB f Krankheitskosten- u Krankenhaustagegeldvers Nr 26); auf die Auffassung des behandelnden Arztes kommt es dagegen
nicht an (vgl zB BGHZ 133, 208, 212 f).
Der Ausschluss oder die Einschränkung einer nachträglichen Begutachtung lässt sich durch den Hinweis auf zivilrechtliche Rechtsprechung
ebenfalls nicht rechtfertigen. Sie ist vielmehr der Rechtsprechung des BGH fremd. Der behandelnde KH-Arzt ist auch dort im
Streitfall einer vollständigen Prüfung seiner Diagnostik und Therapie einschließlich seiner verantwortlichen Beurteilung der
Erforderlichkeit von KH-Behandlung im Nachhinein ausgesetzt. Ihm wird dabei Verantwortung nur für den Bereich abverlangt,
für den er kompetent und ausgebildet ist: Für ein Vorgehen nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Er ist dadurch geschützt,
dass sein Informationsstatus - auch bei nachträglicher Überprüfung - als auf dasjenige beschränkt anzusehen ist, was ihm lege
artis im jeweiligen Behandlungszeitpunkt verfügbar war. Damit lösen sich auch Fallkonstellationen wie die des "Krankenhauswanderers"
(vgl BSG >3. Senat< SozR 3-2500 § 39 Nr 4) oder diejenige der Abklärung eines Notfalls oder eines Krankheitsverdachts mit
später negativem Ausgang (vgl zB BSG >6. Senat< SozR 3-2500 § 76 Nr 2). Zugleich wohnt dem Abstellen auf die den Regeln der
ärztlichen Kunst entsprechende und verfügbare Informationslage im jeweiligen Behandlungszeitpunkt eine hinreichend differenzierende
Dynamik inne. Das, was etwa bei der Aufnahme in das KH noch unentdeckt bleiben konnte, muss den Behandlern nach den Umständen
des Einzelfalls ggf im Rahmen der kunstgerecht eingesetzten Diagnostik zu einem späteren Zeitpunkt aufgefallen sein. Dagegen
steht - auch für den KH-Arzt hinreichend erkennbar - aufgrund des Leistungskatalogs der GKV fest, welche zB ambulanten Maßnahmen
an Stelle von KH-Behandlung zu erwägen sind.
6. Nach alledem ist der Große Senat des BSG gemäß §
41 Abs
2 SGG zur Entscheidung über die ihm vom erkennenden Senat vorgelegten Rechtsfragen berufen.