Erfüllung der Vorversicherungszeit für die Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung
Umfang der Versicherungspflicht
Auswirkungen der Familienversicherung in der GKV auf die Pflichtversicherung in der sozialen PV
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die über die Erfüllung der Vorversicherungszeit für die Gewährung von Leistungen der sozialen
Pflegeversicherung (PV).
Die Klägerin ist die Witwe des 1962 geborenen, während des Berufungsverfahrens verstorbenen Versicherten L., mit dem sie zur
Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Der Versicherte, der an amyotropher Lateralsklerose litt, war vom 1.1.2001
bis 30.4.2013 ununterbrochen bei der G. (G.) privat kranken- und pflegeversichert. Er kündigte diese Versicherung mit Schreiben
vom 1.4.2013 "aus finanziellen Gründen" unter Hinweis darauf, dass seit 1.1.2013 bei der beklagten Pflegekasse eine Familienversicherung
bestehe. Nachdem die G. das Ende des Vertragsverhältnisses wegen der einzuhaltenden Kündigungsfrist zum 30.4.2013 bestätigt
hatte, führte ab 1.5.2013 die Beklagte die PV durch und gewährte dem Versicherten - schließlich - Leistungen nach der Pflegestufe
III von Mai 2015 bis zu seinem Tod am 28.2.2016.
Bereits mit Antrag vom 17.5.2013 hatte der Versicherte bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen aus der sozialen PV
beantragt. Zu diesem Antrag führte die Beklagte nach Ermittlungen zum Pflegebedarf mit Schreiben vom 6.6.2013 aus, dass er
nicht über die nötige Vorversicherungszeit von zwei Jahren innerhalb der letzten zehn Jahre verfüge; da er erst "ab 1.1.2013"
bei ihr versichert sei, könne er frühestens ab 1.1.2015 Leistungen aus der sozialen PV erhalten.
Mit seinem Widerspruch machte der Versicherte geltend, dass seine ununterbrochen zurückgelegte Versicherungszeit bei der G.
auf die Vorversicherungszeit in der sozialen PV gemäß §
33 Abs
3 SGB XI angerechnet werden müsse; er gehöre zu den Personen, die wegen des Eintritts von Versicherungspflicht in der sozialen PV
aus der privaten PV ausgeschieden seien.
Mit Bescheid vom 29.9.2014 sowie Schreiben vom selben Tag äußerte die Beklagte gegenüber dem Versicherten, dass seine Familienversicherung
am 1.5.2013 beginne und die Vorversicherungszeit daher frühestens ab 1.5.2015 erfüllt sei. Seinen Widerspruch gegen die Ablehnung
der Leistungsgewährung wies die Beklagte zurück, weil die Vorversicherungszeit aus einer privaten PV nur bei Eintritt von
"Versicherungspflicht" anzurechnen sei, nicht aber bei Eintreten einer bei der Pflegekasse durchzuführenden Familienversicherung
(Widerspruchsbescheid vom 10.12.2014).
Das SG hat der auf "Leistungen der PV ab 1.5.2013" gerichteten Klage stattgegeben, indem es die "Bescheide vom 6.6.2013 und 29.9.2014"
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, dem Versicherten Leistungen der PV nach
Pflegestufe I vom 1.5.2013 bis 30.4.2015 zu gewähren. Dass bei der Ermittlung der Vorversicherungszeit die private PV bei
der G. mit zu berücksichtigen sei, ergebe sich aus §
33 Abs
3 SGB XI in Zusammenschau mit §
27 SGB XI. Dadurch sollten Nachteile im Hinblick auf die Vorversicherungszeit für diejenigen vermieden werden, die von ihrem Kündigungsrecht
in der privaten PV Gebrauch machten. Das gelte auch für Versicherte, bei denen eine Familienversicherung eintrete, weil sie
gleichermaßen ein außerordentliches Kündigungsrecht hätten. Das Ergebnis folge auch aus der Systematik des
SGB XI und der Gesetzesbegründung zu §
33 Abs
3 SGB XI. Nach Ausübung des Kündigungsrechts bestehe Versicherungspflicht in der sozialen PV auch bei anschließendem Eintritt einer
Familienversicherung, die selbst "eine Versicherungspflicht" darstelle bzw dieser gleichgestellt sei (Gerichtsbescheid vom
10.2.2016).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen: Das SG habe den Bescheid vom 6.6.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, der alleiniger Verfahrensgegenstand sei, nicht
aufheben dürfen. Die Voraussetzungen des §
33 Abs
3 SGB XI - mit der Folge der Anrechnung der ununterbrochen in der privaten PV zurückgelegten Versicherungszeit auf die Vorversicherungszeit
in der sozialen PV (§
33 Abs
2 S 1 Nr
6 SGB XI) - hätten bei dem Versicherten nicht vorgelegen. Er sei aus der privaten PV nicht "wegen des Eintritts von Versicherungspflicht"
in der sozialen PV ausgeschieden, sondern habe seine Mitgliedschaft in der privaten PV selbst gekündigt und dadurch den Eintritt
der Familienversicherung herbeigeführt. §
33 Abs
3 SGB XI müsse mit Blick auf den vom Gesetzgeber bezweckten Schutz der Solidargemeinschaft in der sozialen PV restriktiv ausgelegt
werden. Selbst wenn nach §
27 SGB XI ein privater Pflegeversicherungsvertrag auch von Familienangehörigen oder Lebenspartnern gekündigt werden könne, für die
eine Familienversicherung eintrete, handele sich dabei nicht um eine auf Versicherungspflicht beruhende Versicherung. §
27 und §
33 Abs
2 S 1
SGB XI sowie § 205 Abs 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unterschieden ausdrücklich zwischen einer Versicherung als Mitglied und einer Familienversicherung. Die Auslegung werde
auch durch den Zweck des §
33 Abs
3 SGB XI bestätigt, (nur) "Nachteile des einzelnen im Hinblick auf die in der sozialen PV vorgesehene Vorversicherungszeit ... (zu)
vermeiden". An der Notwendigkeit eines Nachteilsausgleichs fehle es, wenn lediglich die Voraussetzungen für eine Familienversicherung
einträten (Urteil vom 11.11.2016).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des §
33 Abs
3 SGB XI. Sie macht geltend, der bei Eintritt in die soziale PV bereits schwer pflegebedürftige Versicherte habe kein Einkommen mehr
erzielen und daher (unfreiwillig) den Versicherungsschutz in der privaten PV nicht mehr aufrechterhalten können. Eine Familienversicherung
stehe nach den gesetzlichen Regelungen dem Eintritt von Versicherungspflicht gleich. Derjenige, der in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) versichert sei, solle auch pflichtversichert in der sozialen PV sein; Gleiches folge aus §
20 Abs
1 S 1 iVm Abs
3 und §
27 Abs
1 S 1
SGB XI. Nach der Entstehungsgeschichte des §
33 Abs
3 SGB XI sollten zudem alle bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits Pflegebedürftigen grundsätzlich sofort in den Versicherungsschutz
einbezogen werden; nur für Zuwanderer und Auslandsrückkehrer sei später zur Vermeidung einer Überforderung der Solidargemeinschaft
eine Vorversicherungszeit geschaffen worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. Februar 2016 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Sie rügt eine fehlende hinreichende Auseinandersetzung der Revisionsbegründung mit den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils.
Von Pflegebedürftigkeit des Versicherten schon bei Eintritt in die soziale PV könne nicht ausgegangen werden, weil er erst
am 17.5.2013 Pflegeleistungen beantragt habe. Im Übrigen sei die Auslegung des §
33 Abs
3 SGB XI durch das LSG zutreffend.
II
Die Revision der als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten iS von §
56 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB I zur Fortführung des Rechtsstreits berechtigten und aktivlegitimierten Klägerin bleibt ohne Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht der beklagten Pflegekasse ist die Revision zulässig. Die in der Revisionsbegründung zweifelsfrei gerügte
Verletzung des §
33 Abs
3 SGB XI durch das LSG genügt den Darlegungserfordernissen des §
164 Abs
2 S 3
SGG. Die Bewertung der Überzeugungskraft der von der Klägerin gegen die ausführlich dargestellten Entscheidungsgründe des LSG
vorgebrachten Argumente ist nicht schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision vorzunehmen, sondern bei der Begründetheit.
2. Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet.
Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten zu Recht den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Gewährung
von Pflegeleistungen aus der sozialen PV vor dem 1.5.2015 nicht erfüllte. Die von dem Versicherten in der privaten PV zurückgelegte
Versicherungszeit war nicht auf die Vorversicherungszeit in der sozialen PV anzurechnen.
a) Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 6.6.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10.12.2014, und zwar unbeschadet des rechtlich unerheblichen Umstandes, dass das Schreiben weder ausdrücklich als "Bescheid"
bezeichnet wird noch eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Diesem Schreiben ist für einen verständigen Adressaten zweifelsfrei
zu entnehmen, dass die Beklagte dem Antrag des Versicherten auf Gewährung von Leistungen aus der sozialen PV nicht entsprach
und damit eine ihm nachteilige Regelung traf; der Versicherte focht dieses Schreiben auch ausdrücklich mit einem Widerspruch
an.
Dem Schreiben vom 29.9.2014, das das SG als weiteren angefochtenen Bescheid seinem Gerichtsbescheid zugrunde gelegt hat, ist für den hier streitigen Sachverhalt
(= Leistungsgewährung aus der sozialen PV) keine Regelung zu entnehmen. Dieses Schreiben führt - ebenso wie ein weiteres Schreiben
vom selben Tag - aus, dass die Familienversicherung des Versicherten erst am 1.5.2013 beginne. Es betrifft allein den versicherungsrechtlichen
Status und enthält zur Frage der (abgelehnten) Leistungsgewährung keine neue Regelung.
b) Das LSG hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten zutreffend als rechtmäßig angesehen und den entgegenstehenden Gerichtsbescheid
des SG aufgehoben. Der Versicherte hatte gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Pflegegeld (auch) für die streitige Zeit vom 1.5.2013
bis 30.4.2015, der auf die Klägerin als im Haushalt des Versicherten lebende Ehefrau und Sonderrechtsnachfolgerin nach §
56 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB I hätte übergehen können.
aa) Nach §
33 Abs
2 S 1 Nr
6 SGB XI (hier anzuwenden in der bis 31.12.2015 geltenden Fassung des Gesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874 [dann geändert mW zum 1.1.2016
durch das Gesetz vom 21.12.2015, BGBl I 2424]; soweit sonst nicht anders gekennzeichnet, im Folgenden:
SGB XI jeweils in der grundsätzlich ab 1.1.1995 geltenden Ursprungsfassung des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014) setzt ein Anspruch
auf Leistungen der sozialen PV nach dem
SGB XI in der Zeit ab 1.7.2008 ua voraus, dass "der Versicherte in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung mindestens zwei
Jahre als Mitglied versichert oder nach §
25 SGB XI familienversichert war" (Erfüllung der sog Vorversicherungszeit). Diese Voraussetzungen lagen bei dem Versicherten nicht
vor.
Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl §
163 SGG) war der Versicherte noch bis 30.4.2013 bei der G. privat pflegeversichert und wurde erst vom 1.5.2013 an bei der Beklagten
in der sozialen PV im Wege der Familienversicherung (§
25 SGB XI) pflegeversichert. Er war auch sonst nicht zuvor als Mitglied in der sozialen PV versichert. Daher kamen Ansprüche gegen
die Beklagte erst nach der erfüllten Wartezeit von zwei Jahren, also erst ab 1.5.2015 in Betracht. Von diesem Zeitpunkt an
wurden seitens der Beklagten auch - wie außer Streit ist - tatsächlich Leistungen bis zum Tode des Versicherten am 28.2.2016
gewährt.
bb) Zu Gunsten des Versicherten und der Klägerin greift die Gleichstellungsregelung des §
33 Abs
3 SGB XI nicht ein. Nach dieser Regelung ist "Personen, die wegen des Eintritts von Versicherungspflicht in der sozialen PV aus der
privaten PV ausscheiden", die in der privaten PV ununterbrochen zurückgelegte Versicherungszeit auf die Vorversicherungszeit
nach §
33 Abs
2 SGB XI anzurechnen.
Auch diese Voraussetzungen liegen bei dem Versicherten nicht vor, denn er schied nicht "wegen des Eintritts von Versicherungspflicht
in der sozialen PV" aus der privaten PV aus, sondern er kündigte seine Mitgliedschaft in der privaten PV, um zu erreichen
bzw mit der Folge, dass er über die Klägerin als seine Ehegattin nach §
25 Abs
1 SGB XI (beitragsfrei) familienversichert wurde. Das Vorliegen der sonstigen tatsächlichen Voraussetzungen für das Eingreifen dieser
Familienversicherung hat das LSG festgestellt und haben die Beteiligten - insbesondere die Beklagte - nicht in Zweifel gezogen.
cc) Abweichend von der Ansicht der Klägerin und des SG findet bei dem Eingreifen einer Familienversicherung in der sozialen PV nach dem Ausscheiden aus einem zuvor in der privaten
PV begründeten und bestehenden Versicherungsschutz weder unmittelbar noch sinngemäß ein "Eintritt von Versicherungspflicht"
statt (im Ergebnis ebenso wohl Udsching, in: ders,
SGB XI, 4. Aufl. 2015, §
33 RdNr 9; Höfer in Krahmer/Plantholz, LPK-
SGB XI, 5. Aufl 2018, §
33 RdNr 9; Leitherer in Kasseler Komm, §
33 SGB XI RdNr 26 [Kommentierungssstand Dezember 2016]; Baumeister in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, §
33 SGB XI RdNr 17b [Stand 1.9.2017]; für den abschließenden Charakter der Regelung auch: Thüringer LSG Beschluss vom 25.5.2016 - L 6 P 749/15 B ER - Juris RdNr 21; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 26.2.1999 - L 4 P 2616/98 - Juris RdNr 16).
Dieses Ergebnis folgt aus einer Auslegung des §
33 Abs
3 SGB XI nach seinem Wortlaut (dazu im Folgenden [1]), dem systematischen Zusammenhang der Regelung (dazu [2]) sowie ihrem Sinn und
Zweck (dazu [3]); die Entstehungsgeschichte der Regelung lässt keinen Schluss auf gegenteilige Motive des Gesetzgebers zu
(dazu [4]).
(1) Bei dem oben zitierten Wortlaut des §
33 Abs
3 SGB XI fällt bereits auf, dass dort allein von einem "Eintritt von Versicherungspflicht in der sozialen PV" die Rede ist, nicht
aber auch von einem Eingreifen der "Familienversicherung". Bei den in §
20 Abs
1 Nr
1 bis
12 SGB XI (Überschrift: "Versicherungspflicht in der sozialen PV für Mitglieder der GKV") und §
21 SGB XI (Überschrift: "Versicherungspflicht in der sozialen PV für sonstige Personen") sowie §
24 SGB XI (Überschrift: "Versicherungspflicht der Abgeordneten") genannten zahlreichen Tatbeständen über die "Versicherungspflicht
in der sozialen PV" werden demgegenüber Familienversicherte nicht erwähnt; für den Bereich der Familienversicherung enthält
das Gesetz in §
25 SGB XI vielmehr eine gesonderte, detailliert ausgestaltete Regelung ohne eine Gleichstellung der Familienversicherung mit Fällen
der Versicherungspflicht.
(2) Das Ergebnis der Auslegung nach dem Wortlaut wird bestätigt durch die Systematik der Versicherungspflicht-Tatbestände
und der Sachverhalte über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht in §§
20 ff
SGB XI. Insbesondere kann danach von einem bloßen Redaktionsversehen des Gesetzgebers angesichts der stets die Versicherungspflicht
und die Familienversicherung gesondert in den Blick nehmenden Gesamtsystematik der versicherungsrechtlichen Regelungen des
SGB XI nicht ausgegangen werden.
Dass es in der Überschrift des Dritten Kapitels des
SGB XI (= §§
20 bis
27 SGB XI) heißt "Versicherungspflichtiger Personenkreis" und in diesem Kapitel in §
25 SGB XI auch die Familienversicherung geregelt ist, kann nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass die Familienversicherung
lediglich einen Unterfall der Versicherungspflicht in der sozialen PV darstellt. Im Dritten Kapitel ist nämlich sowohl die
Versicherungspflicht in der sozialen PV geregelt als auch die Versicherungspflicht in der privaten PV (in §
23 SGB XI) sowie ferner die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht (in §
22 SGB XI) und Sonderformen der Versicherung außerhalb der Versicherungspflicht (= freiwillige Weiterversicherung nach §
26 SGB XI; Beitrittsrecht nach §
26a SGB XI; Recht zur Kündigung eines privaten Pflegevertrags nach §
27 SGB XI).
Diese fehlende Zuordnung der Familienversicherung zur Versicherungspflicht kommt auch in §
27 SGB XI zum Ausdruck, der das Kündigungsrecht von Versicherungsnehmern der privaten PV regelt. Er unterscheidet ausdrücklich zwischen
den in Satz 1 erfassten versicherungspflichtigen Personen nach §
20 oder §
21 SGB XI einerseits und den in §
27 S 2
SGB XI (idF durch das Gesetz vom 16.2.2001, BGBl I 266) gesondert angesprochenen familienversicherten Personen andererseits ("auch
für Familienangehörige ..., wenn für sie eine Familienversicherung nach § 25 eintritt"). Letztere werden den versicherungspflichtigen
Personen insofern nur für einen Teilbereich - nämlich das Kündigungsrecht - ausdrücklich gleichstellt. Einer solchen Differenzierung
hätte es nicht bedurft, wenn Familienversicherte ohnehin allgemein zum Kreis der Pflichtversicherten gehören würden. §
33 Abs
3 SGB XI enthält eine solche Differenzierung demgegenüber nicht, sondern ist allein auf den "Eintritt von Versicherungspflicht" bezogen.
Gleiches kommt - worauf schon das LSG hingewiesen hat - in einer Zusammenschau von §
33 Abs
2 S 1
SGB XI und §
33 Abs
3 SGB XI zum Ausdruck: Während die dem §
33 Abs
3 SGB XI unmittelbar vorangehende Regelung in Abs
2 S 1 begrifflich ausdrücklich danach unterscheidet, ob der Versicherte "als Mitglied versichert" oder "nach § 25 familienversichert"
war, um dann beides insofern gleich zu behandeln, findet sich eine solche zusätzliche Erwähnung der Familienversicherung in
§
33 Abs
3 SGB XI nicht.
Die gleiche Differenzierung liegt im Übrigen auch § 205 Abs 2 VVG (idF des Gesetzes vom 23.11.2007, BGBl I 2631; ab 1.5.2013 idF des Gesetzes vom 24.4.2013, BGBl I 932) zugrunde, der die
Kündigung des Versicherungsnehmers in der privaten PV regelt. § 205 Abs 2 S 1 VVG sieht ein solches Kündigungsrecht für diejenigen Personen vor, die "kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig"
geworden sind. Abs 2 S 5 bestimmt sodann kraft ausdrücklicher Regelung, dass der Versicherungspflicht (in der sozialen PV)
ua der "gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung" gleichsteht. An einer entsprechenden Gleichstellungsregelung fehlt
es indessen in §
33 Abs
3 SGB XI.
Im Übrigen werden die Familienversicherten auch gesondert hervorgehoben, soweit es den umgekehrten Fall des Übertritts eines
Versicherten von der sozialen Pflegeversicherung als Versicherungsnehmer in die private Pflegeversicherung betrifft. Nach
§
23 Abs
6 Nr
2 SGB XI sind nämlich - wiederum kraft einer ausdrücklichen Regelung - die in der sozialen PV zurückgelegten Versicherungszeiten des
Mitglieds und seiner nach § 25 "familienversicherten" Angehörigen auf die Wartezeit in der privaten Pflegeversicherung anzurechnen (vgl zu diesem Fall BSG SozR 4-3300 § 33 Nr 1).
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht kann vor allem nicht von einem allgemeinen, dem Recht der PV innewohnenden
Grundsatz ausgegangen werden, dass derjenige, der vom Versicherungsschutz in der GKV erfasst wird, ebenfalls - quasi "automatisch"
- versicherungspflichtig in der sozialen PV ist. Zwar gilt grundsätzlich, dass das Versicherungsrecht der PV demjenigen der
GKV folgt, dies jedoch nicht ausnahmslos. Eine solche allgemeine Folgeregelung enthält vielmehr nur §
20 Abs
3 SGB XI, wonach freiwillige Mitglieder der GKV in der sozialen PV versicherungspflichtig sind. Indessen fehlt es insoweit an einer
vergleichbaren Regelung über die Auswirkungen der Familienversicherung in der GKV auf die Pflichtversicherung in der sozialen
PV.
Abgesehen davon stellt indessen auch die Familienversicherung in der GKV nach §
3 S 3, §
10 SGB V nicht etwa nur einen Unterfall der Versicherungspflicht dar. Es handelt sich dabei vielmehr auch dort um eine besondere,
in der Regel gegenüber Versicherungspflichttatbeständen nachrangige - beitragsfreie - Form des Versicherungsschutzes, insbesondere
für Ehepartner und Kinder, die für die Begünstigten zwar zu eigenständigen Leistungsansprüchen führt, nicht aber etwa auch
zu einer Pflichtmitgliedschaft bei einer Krankenkasse (vgl nur zB Felix in JurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, §
10 RdNr 5, 7, 9; Peters in Kasseler Komm, §
10 SGB V RdNr 3, 4, [Kommentierungsstand September 2016]). Der Kreis der Familienversicherten bildet insoweit neben den Pflichtversicherten
und den freiwillig Versicherten eine eigenständige - dritte - Versichertengruppe (so Peters, aaO, § 5 RdNr 2).
(3) Das bisherige Auslegungsergebnis folgt auch aus Sinn und Zweck des §
33 Abs
3 SGB XI.
Die in der sozialen PV erforderliche Vorversicherungszeit ist vergleichbar dem Charakter einer - etwa auch in der gesetzlichen
Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung vorgesehenen - vor der Leistungsgewährung zu erfüllenden Warte- bzw Anwartschaftszeit
(vgl zB Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB XI, 2. Aufl 2017, §
33 SGB XI RdNr 69 ff). Eine derartige Anspruchsvoraussetzung ist in der Sozialversicherung regelmäßig verfassungsrechtlich unbedenklich
(vgl BVerfGE 122, 151, 190 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16 RdNr 66 ff). Der Regelung speziell des §
33 Abs
3 SGB XI lag allgemein der Gedanke zugrunde, dass die Anrechnung von Vorversicherungszeiten aus der privaten PV Nachteile des Einzelnen
vermeiden sollte, die sich im Hinblick auf die in der sozialen PV vorgesehene Vorversicherungszeit ergaben (so - allgemein
- Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/SCU und FDP, zum Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit [Pflege-Versicherungsgesetz], BT-Drucks 12/5262, S 110 Zu § 29 Zu Absatz 3). Diese Erwägungen haben dann allerdings gleichwohl
nicht zu einer umfassenden Gleichstellung der Vorversicherungszeit aus der sozialen und der privaten PV geführt, sondern zu
der oben dargestellten differenzierenden Gesetzesfassung: Das Gesetz erkannte die Vorversicherungszeit aus der privaten PV
nicht uneingeschränkt und voraussetzungslos an, sondern (nur) unter zeitlichen Einschränkungen und mit der Maßgabe, dass der
Betroffene wegen des Eintritts von "Versicherungspflicht in der sozialen PV" aus der privaten PV ausscheidet und dass die
Versicherung in der privaten PV zuvor "ununterbrochen" bestand.
Daraus, dass in den Jahren 2007/2008 bei der Schaffung des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der PV (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)
in den Gesetzesmaterialen zu §
33 Abs
3 SGB XI ausgeführt wird, auf eine Vorversicherungszeit in der sozialen PV könne nicht ganz verzichtet werden, "um die Belastungen
für die Solidargemeinschaft in Grenzen zu halten" (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum genannten Gesetz, BT-Drucks 16/7439,
S 54 Zu Nr 15 [§ 33] Zu Buchstabe b, folgt - entgegen der Ansicht der Klägerin - nichts Gegenteiliges. Diese Begründung hebt
sogar gerade hervor, dass nur der "Krankenversicherungsschutz" aufgrund der Neuregelungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes
"ab Versicherungsbeginn ohne Vorversicherungszeiten wirksam" werde, dass dies aber auf die PV nicht übertragen werden solle.
Wenn sodann in der Begründung in Bezug auf die Geltung der Vorversicherungszeit in der PV Zuwanderer und Auslandsrückkehrer
explizit genannt werden, bedeutet dies schon deshalb nicht, dass einzig dieser Personenkreis erfasst sein sollte, weil es
dort nur (beispielhaft) heißt, "insbesondere" im Hinblick auf den genannten Personenkreis sei an einer Vorversicherungszeit
weiter festzuhalten.
Die Beschränkung der Anrechnung von Versicherungszeiten aus der privaten PV auf Fälle des Eintritts von "Versicherungspflicht
in der sozialen PV", wird im Übrigen daraus erklärbar, dass es eines zwingenden Nachteilsausgleichs aus mehreren Gründen nicht
bedarf, wenn durch die Ausübung des Kündigungsrechts lediglich die Voraussetzungen für eine Familienversicherung in der sozialen
PV eintreten: Während der Eintritt von Versicherungspflicht in der sozialen PV kraft Gesetzes - also unabhängig vom Willen
des Betroffenen - eintritt und typischerweise Beitragspflichten nach sich zieht, bestehen im Falle der Kündigung der zunächst
begründeten privaten PV Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten des Versicherten: Er kann zum einen - was den "Normalfall" und
die Konsequenz der ursprünglich vorgenommenen Systemzuordnung entweder zur sozialen oder zur privaten PV darstellt - ohne
einen Systemwechsel die Versicherung in der jahrelang bei seinem Versicherungsunternehmen durchgeführten privaten PV fortführen;
sodann kann er bei Eintritt des Versicherungsfalls der Pflegebedürftigkeit die gesetzlich bzw versicherungsvertraglich vorgesehenen
Leistungen dort beantragen und in Anspruch nehmen, ohne dass einer zeitnahen Leistungsgewährung das Erfordernis der Erfüllung
einer (weiteren) Wartezeit entgegenstünde. Entsprechend hätte auch der Versicherte die nun von der Beklagten begehrten Pflegeleistungen
bei der G. bei Eintritt seiner Pflegebedürftigkeit beantragen und nach Feststellung der gesundheitlichen Anspruchsvoraussetzungen
zeitnah von dieser erhalten können. Das aber ist nicht geschehen.
Will ein Betroffener - wie der Versicherte hier - demgegenüber seinen Wunsch nach künftiger Inanspruchnahme der beitragsfreien
Familienversicherung in der sozialen PV (§
56 Abs
1 SGB XI) durchsetzen, muss er (quasi als Kompensation für die damit verbundene Beitragsfreiheit) vor der Leistungsinanspruchnahme
in der sozialen PV dort zunächst eine neue zweijährige Wartezeit nach §
33 Abs
2 SGB XI zurücklegen, bevor er Anspruch auf Leistungen aus der sozialen PV hat.
Eine vormals in der privaten PV versicherte und dann in der sozialen PV (kraft Gesetzes) versicherungspflichtig werdende Person
ist demgegenüber nicht in einer vergleichbaren Situation. Eine in der sozialen PV versicherungspflichtig werdende Person (zB
wegen Aufnahme einer Beschäftigung) hat kein Wahlrecht, das demjenigen eines Versicherten mit Ansprüchen aus der Familienversicherung
vergleichbar ist, und muss nach dem Wechsel in die soziale PV dort - anders als ein Familienversicherter - kraft der Versicherungspflicht
sogleich auch Beitragsleistungen aufwenden (vgl §§
54,
58 SGB XI). Schon diese Unterschiede rechtfertigen angesichts des weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers sachlich
die durch §
33 Abs
3 SGB XI herbeigeführte ungleiche Behandlung von ursprünglich privat versicherten Personen, die in der sozialen PV versicherungspflichtig
werden (einerseits), und den ursprünglich privat versicherten Personen, die anschließend in der sozialen PV die beitragsfreie
Familienversicherung in Anspruch nehmen (andererseits).
(4) Die Gesetzgebungsgeschichte zu §
33 Abs
3 SGB XI steht der vorstehenden Auslegung nicht entgegen. Die Materialien sprechen begünstigend nur den Eintritt von "Versicherungspflicht"
in der sozialen PV an und erwähnen die Familienversicherung dabei nicht. Für die Auslegung im Kontext des vorliegenden Revisionsverfahrens
(= Gleichstellung von Familienversicherung und Pflichtversicherung in Bezug auf die Anrechnung der Vorversicherungszeit aus
der privaten PV) sind die Gesetzesmaterialien daher unergiebig. In der Begründung zu § 29 Abs 3 des Entwurfs (aaO, BT-Drucks
12/5262, S 110 Zu §
29 Zu Absatz
3), dem §
33 Abs
3 SGB XI entspricht, wird insoweit als ein typischer Beispielsfall gerade auch nur die Aufgabe einer selbstständigen Tätigkeit und
Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung hervorgehoben.
Aus dem von der Klägerseite in Bezug genommenen Umstand schließlich, dass auch alle bei Inkrafttreten des
SGB XI in den Jahren 1995/1996 bereits pflegebedürftigen Personen grundsätzlich sofort in den Versicherungsschutz gegen das Risiko
der Pflegebedürftigkeit einbezogen sein sollten, lässt sich nichts für die Beantwortung der vorliegend streitigen Frage herleiten,
wie es sich nach dem im Jahr 2013 geltenden Versicherungs- und Leistungsrecht der sozialen PV verhält, wenn ein jahrzehntelang
der privaten PV unterliegender Versicherungsnehmer in die Familienversicherung der sozialen PV wechseln möchte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.