Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten im Bereich der Arbeitsförderung, Erstattung ohne Verwaltungsakt zu
Unrecht gezahlter Leistungen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheids der Beklagten, mit dem diese von ihm die Erstattung von 729 EUR fordert.
Der 1968 geborene, ledige Kläger bewohnt in F. eine 34 qm große Eigentumswohnung. Er erhielt bis 31. Dezember 2004 Leistungen
nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom Beigeladenen, dem Landkreis F., als Sozialhilfeträger. Seit 1. Januar 2005 bezieht er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch - (SGB II). Seit dem 1. Juli 2005 geschieht dies in der Weise, dass er von der Beklagten
die Regelleistungen in Höhe von 345 EUR monatlich und vom Beigeladenen Leistungen für Unterkunft und Heizung erhält. Hierüber
war der Kläger mit Schreiben des Beigeladenen vom 19. Mai 2005 informiert und zur Antragstellung bei der Agentur für Arbeit
aufgefordert worden. Dem Kläger, der den Antrag am 20. Mai 2005 bei der Beklagten stellte und angab, Zinszahlungen in Höhe
von 321,90 EUR monatlich, Hausgeldzahlungen in Höhe von 91 EUR monatlich sowie Heizkosten in Höhe von ca. 30 EUR monatlich
leisten zu müssen, wurden mit Bescheiden der Beklagten vom 29. Juni 2005 und 17. Oktober 2005 Regelleistungen in Höhe von
345 EUR für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 und vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 gewährt. Mit weiterem
Bescheid vom 17. Oktober 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger gemäß § 23 Abs. 1 SGB II ein zinsloses Darlehen in Höhe von
276 EUR, das per Scheck ausgezahlt und in monatlichen Raten in Höhe von 34,50 EUR mit seinen Leistungen verrechnet werden
sollte. Für die Zeiträume vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 und vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 wurden dem Kläger
weiterhin mit Bescheiden des Beigeladenen vom 4. Juli 2005 und 18. Oktober 2005 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe
von monatlich 243 EUR gewährt. Aus den beigefügten Berechnungsbogen ergibt sich, dass hiervon ein Betrag in Höhe von monatlich
160,17 EUR für fällige Ratenzahlungen an die C.-Bank und ein weiterer Betrag in Höhe von monatlich 82,83 EUR an die Hausverwaltung
gezahlt wird. Nachträglich wurden die Leistungen ab 1. April 2006 mit Bescheid vom 3. Mai 2006 auf monatlich 258,21 EUR erhöht.
Versehentlich überwies die Beklagte am 7. und 8. März 2006 an den Kläger 729 EUR ohne Kennzeichnung oder Benennung der Leistung.
Der Beigeladene teilte dem Kläger mit Schreiben vom 24. März 2006 mit, durch einen Computerfehler habe die Beklagte im März
2006 die angemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten für drei Monate (April bis Juni 2006) in Höhe von 729 EUR zu Unrecht
und zu seinen - des Beigeladenen - Lasten an den Kläger ausgezahlt. Zur Verwaltungsvereinfachung würden zum Ausgleich der
Fehlzahlungen im Zeitraum von April bis Juni 2006 keine Leistungen für die Unterkunfts- und Heizungskosten erfolgen. Die Beklagte
erließ am 7. April 2006 einen Erstattungsbescheid, mit dem sie die Rückzahlung von 729 EUR forderte. Zur Begründung wurde
dabei ausgeführt, dass der Kläger gegen sie keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung habe, was sich aus den
bisherigen Bewilligungsbescheiden ergebe. Die gleichwohl erfolgten Leistungen seien ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht
worden. Der Betrag von 729 EUR sei vom Kläger nach § 50 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - 10. Buch - (SGB X) zu erstatten. Hiergegen erhob der Kläger am 5. Mai 2006 Widerspruch. Zur Begründung machte er geltend, dass bei Eigentumswohnungen
zu den übernahmefähigen Kosten auch die Nebenkosten (Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Abfallentsorgung, Wasser, notwendige
Instandhaltungskosten) gehörten. Vom Beigeladenen habe er im Jahre 2005 keine entsprechenden Zahlungen erhalten. Falls die
Beklagte wider Erwarten von einer Fehlzahlung ausgehe, solle die Rückzahlung mit dem Beigeladenen abgesprochen werden und
von diesem erstattet werden. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid
zurück.
Der Kläger hat sein Begehren weiterverfolgt, am 9. August 2006 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und vorgetragen, dass die ihm vom Beigeladenen zuerkannten Unterkunftskosten in Höhe von 243 EUR monatlich
nicht ausreichten. Bei der ihm bewilligten Regelleistung seien die bei ihm tatsächlich angefallenen Kosten nicht berücksichtigt
worden. Ergänzend hierzu bat der Kläger mit Schreiben vom 17. August 2006 im Rahmen einer "Klageerweiterung" - um eine Überprüfung
der Wohnungsnebenkosten bzw. um Nachzahlung seit 1. Januar 2004. Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass es sich bei der
streitigen Zahlung in Höhe von 729 EUR nicht um einen Computerfehler gehandelt habe. Er verfüge über keine Rücklagen und kein
Vermögen und sei deshalb nicht in der Lage, der Rückforderung der Beklagten nachzukommen. Die Beklagte ist der Klage unter
Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids entgegengetreten. Der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt hat, hat
darauf hingewiesen, dass der Kläger u. a. höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft beanspruche. Zwingendes Formerfordernis
vor Erhebung der Anfechtungsklage sei aber, dass ein Verwaltungsakt in einem Vorverfahren geprüft worden sei. Da gegen die
ergangenen Leistungsbescheide jedoch kein Widerspruch eingelegt worden sei, sei eine Klage nicht zulässig. Die streitige Zahlung
sei nicht in seinem Auftrag erfolgt und stehe auch nicht im Zusammenhang mit den von ihm erbrachten Leistungen. Der angefochtene
Bescheid der Beklagten sei insoweit missverständlich, als im Betreff "Erstattung von Leistungen für Kosten der Unterkunft
und Heizung" angegeben werde. Im Wege der Amtshilfe sei mit Schreiben vom 24. März 2006 versucht worden, der Beklagten bei
der Realisierung der Forderung behilflich zu sein. Da die eigenen Leistungen jedoch an Dritte und nicht an den Kläger ausgezahlt
worden seien und dieser Kläger zu freiwilligen Zahlungen nicht bereit gewesen sei, sei die Beklagte gebeten worden, die Forderung
selbst weiter zu verfolgen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. Januar 2007 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, soweit der Kläger (im Wege der "Klageerweiterung"
vom 17. August 2006) geltend gemacht habe, ihm seien ab 1. Januar 2004 höhere Leistungen nach dem BSHG bzw. SGB II zu gewähren, wäre die Klage mangels Widerspruchsverfahrens nicht zulässig. Dementsprechend habe sich der Kläger
im Termin zur mündlichen Verhandlung auf die Aufhebung des Erstattungsbescheides der Beklagten beschränkt. Diese Anfechtungsklage
sei zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben; sie sei jedoch nicht begründet. Rechtsgrundlage für die Rückforderung
über 729 EUR sei § 50 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X). Nach dieser Bestimmung seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben oder Leistungen
ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden seien. Dabei seien die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend (§ 50 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X) anzuwenden. Zur Überzeugung des Gerichts seien die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 SGB X erfüllt. Unstreitig sei zunächst, dass dem Kläger 729 EUR zugeflossen seien; diese seien in dem angefochtenen Bescheid vom
7. April 2006 und im Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006 als (vermeintliche) Leistungen für Unterkunft und Heizung nach
dem SGB II, mithin als Sozialleistungen, bezeichnet worden. Unstreitig sei ebenfalls, dass der Kläger gegenüber der Beklagten
keinen entsprechenden Anspruch gehabt habe. Die Ansprüche gegenüber der Beklagten beschränkten sich seit 1. Juli 2005 auf
die Regelleistung in Höhe von 345 EUR monatlich. Leistungen für Unterkunft und Heizung würden ihm demgegenüber vom beigeladenen
Landkreis bewilligt und zuerkannt. Dementsprechend unterliege es keinem Zweifel, dass die Zahlung des genannten Betrages zu
Unrecht erbracht worden sei. Die Beklagte könne den aufgrund eines Computerfehlers ausgezahlten Betrag nur dann zurückverlangen,
wenn die Voraussetzungen des hier allein in Betracht zu ziehenden § 45 SGB X (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X) erfüllt seien. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift bedeute, dass sich die Prüfung darauf beschränke, ob sich der
Kläger bezüglich des erhaltenen Betrags auf Vertrauen berufen könne, weil ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt,
der zurückgenommen werden könnte, nicht ergangen sei (§ 45 Abs. 1 SGB X). Das Vertrauen sei in der Regel dann schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition
getroffen habe, diese nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen könne er sich allerdings dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit der Zahlung kannte oder infolge
grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders
schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X). Zur Überzeugung des Gerichts sei dies der Fall. Dem Kläger könne zwar keine positive Kenntnis davon nachgewiesen werden,
dass ihm der Betrag von 729 EUR nicht zugestanden habe. Zur Überzeugung des Gerichts sei aber von grob fahrlässiger Unkenntnis
auszugehen. Für das Gericht bestehe kein Zweifel daran, dass der Kläger diese Kriterien erfülle. Er hätte leicht und ohne
große Überlegungen erkennen können und müssen, dass ihm der überwiesene Betrag in Höhe von 729 EUR nicht zustehe. Ihm seien
jeweils 345 EUR als Regelleistung - unter Kennzeichnung dieser Leistung auf dem Überweisungsträger - zugebilligt worden. Die
Überweisung dieses zusätzlichen Betrages in einer nicht nachvollziehbaren Höhe habe beim Kläger die ganz nahe liegende Frage
nach der Rechtmäßigkeit dieser Zahlung aufwerfen müssen. Falls es ihm nicht ohnehin klar gewesen sei, dass ihm dieser Betrag
nicht zustehe, hätte er bei der Beklagten nach der Art der Leistung Rückfrage halten müssen. In diesem Zusammenhang könne
er nicht pauschal einwenden, dass die ihm zuerkannte Regelleistung bzw. die ihm vom Beigeladenen zuerkannten Leistungen für
Unterkunft und Heizung seine Wohnungsnebenkosten nicht vollumfänglich berücksichtigten. Den bindend gewordenen Bescheiden
des Beigeladenen habe er in diesem Zusammenhang unschwer entnehmen können, dass ihm diese lediglich in Höhe von 243 EUR monatlich
zustanden. Mithin habe er keinesfalls davon ausgehen können, dass die Beklagte (oder der Beigeladene) eine Neuberechnung seiner
Leistungen vorgenommen habe, die zu einer Nachzahlung in Höhe von 729 EUR geführt haben könnte. Es gebe keinen Anhaltspunkt
dafür, dass der Kläger solche Überlegungen hätte anstellen können. Eine Überprüfung der Leistungen für Unterkunft und Heizung
habe er bis dahin nicht gefordert; ein Bescheid über eine eventuelle Überprüfung und Nachzahlung hätten weder die Beklagte
noch der Beigeladene erlassen. Da die Beklagte mit dem Erlass des Erstattungsbescheides vom 7. April 2006 auch die einjährige
Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt habe, seien alle Voraussetzungen für die Erstattung des unstreitigen Betrags von 729 EUR erfüllt.
Gegen dieses ihm am 30. Januar 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Februar 2007 beim Landessozialgericht Berufung
eingelegt und die Einholung eines Rechtsgutachtens beantragt. Mit Schreiben vom 10. April 2007 hat der Kläger neben der Aufhebung
des Erstattungsbescheids beantragt, den "Leistungsbescheid vom 17.10.2006" aufzuheben und die ihm "ausbezahlten 276 EUR zurückzuüberweisen."
Der Kläger beantragt - teilweise - sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2006 sowie den Leistungsbescheid vom 17. Oktober 2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten,
ihm den als Darlehen gewährten Betrag in Höhe von 276 EUR als Zuschuss zu gewähren und auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und den streitgegenständlichen Bescheid für rechtmäßig.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Berufungsakten, die Gerichtsakten
des SG sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufungsbeschränkung des §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung hat die Statthaftigkeit der bereits vor Inkrafttreten dieser Vorschrift unter
Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegten Berufung nicht entfallen lassen, sondern ist erst auf die ab 1. April 2008 anhängig gewordenen Berufungen anwendbar.
Die auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Gegenstand der angegriffenen Entscheidung war der Bescheid vom
7. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2006, mit dem die Beklagte vom Kläger die Erstattung zu Unrecht
erbrachter Leistungen in Höhe von 729,- EUR fordert. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht und aus zutreffenden Gründen abgewiesen. Der Senat sieht daher gemäß §
153 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung mit
nachstehender Ergänzung zurück. Das SG hat die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) zutreffend bejaht. Insbesondere hat das SG zutreffend dargestellt, dass der Kläger nach den genannten Umständen zumindest hätte erkennen müssen, dass ihm die Zahlung
nicht zusteht. Somit hätte der Kläger die Rechtswidrigkeit der ausgezahlten Leistung kennen müssen, so dass grobe Fahrlässigkeit
gegeben ist.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass § 50 Abs. 2 SGB X nur die Fälle regelt, in denen Leistungen ohne einen Verwaltungsakt aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses
zwischen dem Empfänger und dem Leistungsträger zu Unrecht erbracht werden. Unter die Regelung des § 50 Abs. 2 SGB X fällt daher nicht jede Zahlung eines Leistungsträgers an einen Dritten. Vielmehr muss eine versicherungsrechtliche Leistungsbeziehung
zwischen dem Dritten und dem Leistungsträger bestehen. Eine solche bestand hier zwischen dem Kläger und der Beklagten, da
diese dem Kläger die Regelleistungen nach §§ 19, 20 SGB II gewährte. Diesem Leistungsverhältnis waren auch die am 7. und 8.
März 2006 erfolgten versehentlichen Zahlungen von Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für drei Monate zuzurechnen,
die von dem Beigeladenen, der die Leistungen für Unterkunft und Heizung bereits seit dem 1. Juli 2005 erbrachte, zuletzt durch
Bescheid vom 18. Oktober 2005 bewilligt und für die Monate Januar bis März 2005 bereits am 22. Dezember 2005, 25. Januar 2006
und 22. Februar 2006 jeweils im Voraus durch Auszahlung an die C.Bank F. und die Hausverwaltung H. Immobilien gewährt worden
waren.
Bei der Entscheidung über die Erstattung hatte die Beklagte schließlich kein Ermessen auszuüben. Der gemäß §
40 Abs.
1 Nr.
1 SGB II hier entsprechend anzuwendende §
330 Abs.
2 SGB III bestimmt nämlich als Sonderregelung für die Aufhebung von Verwaltungsakten, dass ein Verwaltungsakt auch mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen ist, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen. Zwar geht es
hier nicht um die Zurücknahme eines Verwaltungsaktes. Da § 50 Abs. 2 SGB X für die Erstattung von ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Leistungen aber anordnet, dass die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend gelten, muss, wenn der Leistungsempfänger sich, wie hier, wegen seiner qualifizierten Bösgläubigkeit nach §
45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann, §
330 Abs.
2 SGB III dahingehend ausgelegt werden, dass die Vorschrift auch den Fall der Erstattung ohne Verwaltungsakt zu Unrecht gezahlter Leistungen
erfasst, wenn für diese Erstattung der entsprechend anzuwendende § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist (von Wulffen, SGB X, § 50 Rdnr. 13). Es wäre nicht verständlich, wenn die Beklagte Empfänger von Leistungen ohne gesicherte Rechtsposition anders als
Empfänger von Leistungen aufgrund Verwaltungsaktes nur unter erschwerten Bedingungen, nämlich erst nach Ausübung von Ermessen
zur Erstattung herziehen könnte (ebenso Eicher in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
330 SGB III Rz. 25; Urteil des Senats vom 10. Oktober 2006 L 13 AL 3133/05 -). Damit ist auch kein Raum für die Berücksichtigung von Mitverschulden der Beklagten (Landessozialgericht für das Saarland,
Urteil vom 10. Dezember 2004 - L 8 AL 15/04 -; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Juli 2004, - L 9 AL 381/02 - sowie Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Januar 2004 - L 12 AL 115/03 -; sowie Urteil des Senats vom 10. Oktober 2006 L 13 AL 3133/05 -; zu § 50 Abs. 1 SGB X vgl. BSG, Beschluss vom 21. Juni 2001 B 7 AL 18/01 B - abgedruckt in Juris).
Schließlich findet auch § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II hier schon deshalb keine Beachtung, weil die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen (§ 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II).
Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid des Beigeladenen
vom 3. Mai 2006 und die auf dieser Grundlage zu gewährenden Leistungen nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidung des
SG sind. Zudem sind die Kosten für Unterkunft und Heizung auch für die Monate April bis Juni 2006 inzwischen in der mit Bescheid
vom 3. Mai 2006 bewilligten Höhe von dem Beigeladenen ausgezahlt worden. Gegenstand der angegriffenen Entscheidung war schließlich
auch nicht die Auszahlung oder Rückforderung des dem Kläger mit Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2006 darlehensweise
gewährten Betrags. Die Klageerweiterung vom 16. April 2007 ist bereits unzulässig. Auch eine Klageänderung entbindet das Gericht
nicht, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen, da für diese sämtliche Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen
müssen, also bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auch diejenigen eines im Vorverfahren angegriffenen und überprüften
Verwaltungsakts. Über den mit der Klageerweiterung geltend gemachten Anspruch auf Aufhebung der darlehensweisen Gewährung
und der Verrechnung sowie der Gewährung des ursprünglichen Darlehens als Zuschuss hat die Beklagte aber nicht zuvor durch
in einem Vorverfahren überprüften Verwaltungsakt entschieden, sodass die Klage - als unzulässig - abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG).