Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, Anwendbarkeit des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X
Tatbestand:
Die Klägerinnen begehren im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Form der Leistungen für Unterkunft und Heizung für
die Zeit von Juli bis Dezember 2005.
Die 1967 geborene ledige Klägerin zu 1 lebt zusammen mit ihrer 2000 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2 seit dem 1. Februar
2003 in einer Zwei-Zimmerwohnung zur Miete. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt zentral über die Heizanlage (Gas), wobei der
Verbrauch nicht gesondert gemessen wird. Ausweislich einer Mietbescheinigung vom 17. September 2004 hatten sie für die Wohnung
eine Grundmiete in Höhe von 275,45 EUR zuzüglich Neben- und Heizkosten in Höhe von 111,39 EUR und damit insgesamt 386,84 EUR
monatlich zu zahlen.
Die Klägerinnen beziehen seit dem 1. Januar 2005 von der Beklagten Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II.
Die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw. das Sozialgeld wird ihnen von der Bundesagentur für Arbeit, AA H. gewährt.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2005 bewilligte diese für die Zeit von Juli bis Dezember 2005 monatliche Leistungen in Höhe von
insgesamt 348,53 EUR. Die Beklagte bewilligte den Klägerinnen für die Zeit von Juli bis Dezember 2005 mit Bescheid vom 26.
Juli 2005 Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 275,45 EUR je Monat. Sie legte dabei
eine angemessene Kaltmiete in Höhe von 317,84 EUR sowie Heizkosten in Höhe von 69 EUR und damit insgesamt 386,84 EUR monatlich
zu Grunde. Hiervon zog sie 13,00 EUR monatlich als Kosten der Warmwasserbereitung ab. Bedarfsmindernd berücksichtigte die
Beklagte zudem ein monatliches Einkommen in Höhe von 98,02 EUR.
Am 31. Mai 2006 beantragte die Klägerin zu 1 die Überprüfung des Bescheides vom 26. Juli 2005 nach § 44 SGB X. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 26. Juli 2006 mit der Begründung ab, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei
es mit dem Grundsatz des Sozialhilferechts nicht vereinbar, bestandskräftige Bescheide rückwirkend für die Vergangenheit nach
§ 44 SGB X zurückzunehmen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007 zurückgewiesen.
Die Klägerinnen haben am 25. April 2007 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass ihnen für den streitgegenständlichen Zeitraum höhere als die bewilligten
Leistungen für Unterkunft und Heizung zustünden. Der bestandskräftige Bescheid, der über diesbezügliche Leistungen entschieden
habe, sei nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Die Rechtsprechung, auf welche sich die Beklagte stütze, beziehe sich lediglich auf Fälle nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), nicht jedoch auf Fälle nach dem SGB II. § 44 SGB X finde im Rahmen des SGB II Anwendung. Dies begründe sich insbesondere durch den unmissverständlichen Verweis des § 40 Abs.
1 Satz 1 SGB II.
Mit Urteil vom 6. November 2007 hat das Sozialgericht Heilbronn die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Juli 2006
und des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 26. Juli 2005 dem Grunde
nach verurteilt, den Klägerinnen höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) in Form von Leistungen für Unterkunft und Heizung für
die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Gesamtzusammenhang ergebe sich für die Klägerinnen im streitgegenständlichen Zeitraum
jeweils ein höherer Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden
seien. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Entgegen der Auffassung der Beklagten finde § 44 SGB X auch im Bereich des SGB II Anwendung. Das Wesen der Grundsicherung schließe eine Anwendung von § 44 SGB X nicht aus. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) § 44 SGB X auf die Sozialhilfe nicht für anwendbar gehalten und dies mit der Eigenart der Sozialhilfe begründet (BVerwG, Urteil vom
13. November 2003 - 5 C 26/02). Diese Rechtsprechung sei auf die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II jedoch nicht übertragbar. Denn bei dieser Leistungsform
bestehe die vom BVerwG als entscheidungserheblich gewichtete Eigenart der Sozialhilfe als eine ausschließlich auf die Gegenwart
bezogene, gleichsam täglich neu regelungsbedürftige Hilfe nicht. Zwar seien Leistungen nach dem SGB II ebenfalls bedarfsorientiert.
Sie seien jedoch nicht am Bedarfsdeckungsprinzip ausgerichtet, wonach nur der im Einzelfall notwendige Lebensunterhalt sichergestellt
werden solle. Vielmehr sollten diese Leistungen den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherstellen. Es handele
sich hierbei um eine auf Dauer angelegte Sozialleistung, die in der Regel für einen Zeitraum von sechs Monaten bewilligt werde
(vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und mittlerweile nach dem Wortlaut des Gesetzes sogar für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten
bewilligt werden könne. Der Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II stelle daher einen Dauerverwaltungsakt
dar. Entsprechend müsse, wenn sich nachträglich herausstelle, dass Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien, ein
rechtswidriger Bescheid nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückgenommen werden. Darüber hinaus werde in § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfassend auf das SGB X verwiesen. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II modifiziere dann lediglich - über die in Bezug genommene Vorschrift des §
330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) - die Regelungen der §§ 44 ff. SGB X, ohne allerdings die Anwendung von § 44 SGB X auszuschließen. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für den streitgegenständlichen
Zeitraum sei § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
erbracht, soweit diese angemessen seien. Im streitgegenständlichen Zeitraum ergäben sich für die Klägerinnen schon deshalb
höhere Ansprüche, weil die Beklagte für die Warmwasseraufbereitung einen zu hohen Pauschbetrag abgezogen habe. Da die Warmwasseraufbereitung
zentral über die Heizanlage (Gas) erfolge und der Verbrauch nicht gesondert gemessen werde, sei es zwar nicht zu beanstanden,
dass die Beklagte überhaupt einen Abzug vorgenommen habe. Denn derartige Kosten seien aus der Regelleistung nach § 20 Abs.
2 SGB II (bzw. aus dem Sozialgeld nach § 28 SGB II) zu bestreiten. Wie dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt sei, lege
die Beklagte selbst ab 1. November 2005 für eine Bedarfsgemeinschaft wie die Klägerinnen nicht mehr einen Pauschbetrag von
monatlich 13,00 EUR, sondern von 8,90 EUR (6,23 EUR + 2,67 EUR) zu Grunde. Die genannten Beträge ergäben sich auf Grund einer
Nachberechnung der am 11. Juni 1990 vom Sozialministerium Baden-Württemberg für den Landkreistag Baden-Württemberg vorgenommenen
Berechnung. Das Gericht weise darüber hinaus darauf hin, dass die Nachberechnung zwar für die Zeit ab 1. November 2005 erfolgt
sei, jedoch nach Auffassung des Gerichts auch für die Zeit ab Juli 2005 trage. Zudem werde die Beklagte zu überprüfen haben,
ob das von ihr bedarfsmindernd berücksichtigte Einkommen in Höhe von monatlich 98,02 EUR zutreffend sei. Denn die Bundesagentur
habe für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Einkommensüberhang von lediglich 80,46 EUR je Monat ermittelt. Wenn die
Beklagte in Ausführung des Urteils einen Bescheid erlasse, werde sie auch zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den (höheren)
Ansprüchen der Klägerinnen um individuelle Ansprüche handele. Daher habe sie die Höhe des jedem Einzelnen zustehenden Anspruchs
gesondert auszuweisen.
Gegen dieses ihr am 21. Januar 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Februar 2008 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) eingelegt und sich im Wesentlichen auf die vom SG zitierte Rechtsprechung des BVerwG berufen, die sie weiterhin auf Leistungen nach dem SGB II für anwendbar hält.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. November 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der
Gerichtsakte des SG und der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die zugelassene Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sie
unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt worden ist.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage
(vgl. BSG SozR 3-1825 § 2 Nr. 2; BSGE 88, 75, 77) ist der Bescheid vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2007, mit dem die Beklagte
die Änderung des bestandskräftigen Leistungsbescheids vom 26. Juli 2005 und die Gewährung höherer Leistungen für die Kosten
der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 abgelehnt hat.
Ausgangspunkt der Prüfung ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Diese Vorschrift findet im vorliegenden Fall Anwendung. Die Anwendbarkeit des § 44 SGB X ergibt sich nach Auffassung des Senats unmittelbar aus § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II (Beschlüsse vom 28. Juni 2006 - L 13 AS 2297/06 ER-B - veröffentlicht in Juris und Urteil des Senats vom 31. Juli 2008 L 13 AS 4646/07 -). Der Senat hat hierzu bereits in seinem Beschluss vom 28. Juni 2006 (L 13 AS 2297/06 ER-B, veröffentlicht in Juris) ausgeführt: "Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden (vgl. BVerwGE 68,
285; Buchholz 435.12 § 44 SGB X Nr. 10), dass § 44 SGB X auf das Leistungsrecht des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) nicht anwendbar ist. Dies ist damit begründet worden, dass nach dem BSHG Sozialhilfe Nothilfe ist und ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen grundsätzlich einen gegenwärtigen Bedarf voraussetzt,
so dass grundsätzlich kein Anspruch auf Hilfe für die Vergangenheit besteht. Ungeachtet dessen, ob und welche im Sozialhilferecht
geltenden Strukturprinzipien (vgl. hierzu Rothkegel, Die Strukturprinzipien des Sozialhilferechts, S. 17 f; Eicher, SGB II,
§ 44 Rz. 3 f) auch für das SGB II gültig sind, ist jedenfalls § 40 Abs. 1 SGB II zu beachten, der in seinem Satz 1 bestimmt,
dass - was wegen § 1 Satz 2 SGB X bei Ausführung des SGB II durch Arbeitsgemeinschaften besonders geregelt werden musste - für das Verfahren nach dem SGB II
das SGB X gilt und in Satz 2 Nr. 1 außerdem §
330 Abs.
1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III) für entsprechend anwendbar erklärt, demzufolge für die Fälle der nachträglichen Unvereinbarkeit einer Rechtsnorm mit dem
Grundgesetz (
GG) durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder einer anderweitigen Auslegung in ständiger Rechtsprechung § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur mit einer Modifizierung anzuwenden ist".
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil vom 19. März 2008 (B 11b AS 23/06 R, Rdnr. 20 veröffentlicht in Juris) keine Veranlassung gesehen, hierzu nähere Ausführungen zu machen und im Urteil vom 26.
August 2008 (B 8 SO 26/07 R, Rdnr. 21 veröffentlicht in Juris) als selbstverständlich festgestellt, dass ab 1. Januar 2005
auch für Arbeitslosengeld-II-Empfänger nach §
40 SGB II über §
330 SGB III § 44 SGB X Anwendung finde (zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch BSG, Urteil vom 16. Oktober 2007 - B 8/9b SO 8/06 R - und vom 11.
Dezember 2007 - B 8/9b SO 23/06 R - veröffentlicht in Juris).
In einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 5/07 R -, veröffentlicht in Juris) zur Anwendbarkeit dieser
Norm im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes hat das BSG ausgeführt: "Entgegen der Ansicht des Beklagten ist auch der
Gesetzesbegründung zu §
9 AsylbLG nicht zu entnehmen, dass § 44 SGB X keine Anwendung finden solle. Die Neufassung des §
9 Abs.
3 AsylbLG erfolgte durch Art. 1 Nr. 9 Buchst b des Ersten Gesetzes zur Änderung des
AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl. I 1130), mit dem ausdrücklich die Wörter "§§ 44 bis 50 sowie" eingefügt wurden ... Entscheidend ist
insoweit, dass sog Strukturprinzipien, die vom BVerwG entwickelt worden sind, keine "Supranormen" sind, die eindeutige gesetzliche
Regelung konterkarieren dürfen (vgl. dazu Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, Vor § 1 RdNr. 4 f., 8 f.).
Strukturprinzipien sind vielmehr aus den jeweiligen maßgeblichen Normen zu entwickeln, können mithin nicht dazu genutzt werden,
explizite gesetzliche Regelungen in ihr Gegenteil zu kehren. Insoweit geht der Einwand des Beklagten fehl, bei den Leistungen
nach dem
AsylbLG handele es sich nicht um Sozialleistungen i.S. des § 44 SGB X. Gerade deshalb bedurfte es des ausdrücklichen Verweises auf die §§ 44 bis 50 SGB X. Soweit der Beklagte § 44 SGB X aus praktischen Gründen für unanwendbar hält, ist dies ebenfalls für die Auslegung der Norm ohne Bedeutung: Fehlende Praktikabilität
rechtfertigt nicht die Abweichung von einer vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Regelung."
Nach alledem ist auch im Rahmen des SGB II § 44 SGB X und auch im vorliegenden Fall anwendbar, da § 40 SGB II für diese Regelung keine Ausnahmebestimmung enthält.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das
Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden, ggf. jedoch aus heutiger Sicht
"geläuterten" Recht (vgl. BSGE 90, 136, 138; Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 44 SGB X Rdnr. 29 m.w.N.). Deshalb sind für die Frage, ob Sozialleistungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Unrecht vorenthalten worden sind, auch Rechtsänderungen, die nach Erlass des Ausgangsbescheids eintreten, aber auf diesen
Zeitpunkt zurückwirken, zu beachten (BSG, Urteile vom 21. Juni 2005 B 8 KN 8/04 R und B 8 KN 9/04 R - veröffentlicht in Juris). Weiterhin ist im Bereich der Grundsicherungsleistungen auch darauf abzustellen, ob die Rechtswidrigkeit
nicht wegen zwischenzeitlichen Bedarfswegfalls entfallen ist (vgl. BSG, Urteile vom 19. März 2008 und 26. August 2008 aaO.).
Die Beklagte ist nach diesem Maßstab verpflichtet, den Bescheid vom 26. Juli 2005, soweit darin mit der Gewährung von Leistungen
für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 in Höhe von 275,82 EUR höhere Leistungen
versagt worden sind, zurückzunehmen. Denn dieser zur Überprüfung gestellte Bewilligungsbescheid war insoweit von Anfang an
rechtswidrig. Die Klägerinnen hatten Anspruch auf höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB
II. Leistungen nach dem SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige und nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen
Angehörigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden
Fassung ist grundlegende Voraussetzung der Leistungsberechtigung von erwerbsfähigen Personen die Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig
ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder
nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem
zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von
Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft
leben, ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Die Voraussetzungen
haben die erwerbsfähige Klägerin zu 1 und ihre mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Tochter, die Klägerin zu 2, im
maßgeblichen Zeitraum ohne Weiteres erfüllt, da ihr zu berücksichtigendes Einkommen zur Deckung ihres Bedarfs nicht ausreichte.
Dies ergibt sich bereits aus dem bindend gewordenen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 28. Juni 2005, wonach die Klägerin
zu 1 ihren Lebensunterhalt ohne Kosten der Unterkunft und Heizung bereits nicht mit ihren Einnahmen decken konnte und der
Klägerin zu 2 nach Deckung dieses Grundbedarfs von ihren Einnahmen lediglich noch ein Betrag in Höhe von 80,46 EUR verblieb.
Die Richtigkeit der diesem Bescheid zugrunde liegenden Berechnung steht für den Senat auch nach eigener Prüfung fest, so dass
insoweit auf den in den Verwaltungsakten enthaltenen Berechnungsbogen zum Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 28. Juni
2005 verwiesen wird. Mit dem beim Sozialgeld berücksichtigten Einkommen war auch die Klägerin zu 2 schließlich nicht in der
Lage, die auf sie entfallene Hälfte der Kosten der Unterkunft und Heizung zu bestreiten (vgl. hierzu unten).
Beide Klägerinnen hatten auch Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung für den maßgeblichen Zeitraum. Nach § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit
diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang
übersteigen, sind sie nach Satz 2 als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu
berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar
ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens
für sechs Monate.
Damit hatten die Klägerinnen Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 386,84 EUR (vgl. Mietbescheinigung
vom 1. September 2004) abzüglich des Warmwasseranteils. Die Beklagte hat allerdings für die Warmwasserbereitung in der Höhe
zu Unrecht monatlich 13,00 EUR abgezogen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Entscheidung vom 19. März 2008 (- B
11b AS 23/06 R -, vgl. auch BSG, Urteil des Senats vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 64/06 R - jeweils veröffentlicht in Juris) ausgeführt, dass der Grundsicherungsträger die für Warmwasserbereitung maßgeblichen
Pauschalbeträge (30 % des auf die Haushaltsenergie entfallenden Anteils der Regelleistung) von den Heizkosten abziehen kann,
wenn diese die Warmwasserbereitung umfassen, sofern nicht ein geringerer Verbrauch für die Warmwasserbereitung nachgewiesen
werde. Höhere Kosten für die Warmwasserbereitung seien dagegen Sache des Leistungsempfängers. Der Senat schließt sich dieser
Auffassung an. Richtigerweise können die auf die Klägerin zu 1 entfallenden Heizkosten damit aber im streitigen Zeitraum nur
um 6,22 EUR ausgehend von der Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR und einem aus der EVS 1998 fortgeschriebenen und hochgerechneten
Anteil (19,34 EUR) für Haushaltsenergie in Höhe von 20,74 EUR gekürzt werden. Der entsprechende Anteil an dem Sozialgeld der
Klägerin zu 2 in Höhe von 207,00 EUR (60 % der Regelleistung) beträgt dementsprechend 3,73 EUR.
Auch wenn von dem grundsätzlich jeweils zur Hälfte auf die Klägerinnen entfallenden Bedarf für die Kosten der Unterkunft und
Heizung bei der Klägerin zu 2 Einkommen zu berücksichtigen ist, das noch nicht bei der Höhe des Anspruchs auf Sozialgeld berücksichtigt
worden ist (vgl. § 19 SGB II), steht nach alledem fest, dass auch sie gegenüber der Beklagten für den streitgegenständlichen
Zeitraum einen höheren Anspruch hat. (Im Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 28. Juni 2005 ist der Einkommensüberhang
der Klägerin zu 2 in Höhe von 80,46 EUR allerdings vom Anspruch der Klägerin zu 1 in Höhe von 428,99 EUR in Abzug gebracht
worden, wofür § 9 Abs. 2 SGB II in der hier maßgeblichen, bis zum 31. März 2006 geltenden Fassung keine Grundlage bietet).
Zu Recht hat das SG weiterhin ausgeführt, dass die Beklagte die Höhe des Anspruchs für jede der Klägerinnen gesondert zu ermitteln hat.
Da die Entscheidung damit teilweise rechtswidrig war, ist die Beklagte verpflichtet, diese zu prüfen und zu ändern, da der
durch die teilweise Vorenthaltung der Leistung nicht gedeckte Bedarf auch nicht dadurch zwischenzeitlich weggefallen ist,
dass die Warmwasserkosten für den hier maßgeblichen Zeitraum von den Klägerinnen, die aktuell weiterhin im Leistungsbezug
stehen, beglichen worden sind. Denn die Gewährung von Pauschalen - wie der Regelleistung - dient nicht nur zum aktuellen,
sondern auch vergangenheitsbezogenen und zukunftsorientierten Haushalten (vgl. BSG, Urteile vom 19. März 2008 und 26. August
2008 aaO.).
Die Einschränkung des §
330 Abs
1 Alt 2
SGB III, dass ein unanfechtbarer Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen
ist, steht diesem Ergebnis hier schon deshalb nicht im Wege, weil sie dann nicht gilt, wenn der Antrag im Zugunstenverfahren
- wie hier - vor diesem Zeitpunkt gestellt worden ist (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 7a AL 2/06 R -, veröffentlicht
in juris).
Soweit im Hinblick auf die Leistungsklage lediglich ein Grundurteil ergangen ist, wird die Beklagte als Berufungsführerin
nicht dadurch beschwert, dass sie nicht zu Leistungen für den maßgeblichen Zeitraum in einer bestimmten Höhe verurteilt wurde.
Zudem bestehen gegen das vom SG erlassene Grundurteil (§
130 Abs.
1 Satz 1
SGG) - da die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen nach dem SGB II erfüllt sind (vgl. oben) - im Ergebnis grundsätzlich
keine Bedenken (vgl. allgemein zur Zulässigkeit eines Grundurteils BSG SozR 3-1500 § 141 Nr. 8, S. 11; zur Alhi etwa BSGE
72, 248; zum Grundurteil im Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R - RdNr. 16).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG vorliegt, insbesondere wegen des sich aus dem Gesetz unzweifelhaft ergebenden Ergebnisses die Klärungsbedürftigkeit zu verneinen
ist.