Anspruch auf Hinterbliebenenrente für Spätaussiedler, Gleichstellung Hinterbliebener als Leistungsberechtigte, Vertriebenenstatus
der Versicherten
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Rahmen der Überprüfung die Gewährung einer Witwenrente.
Die Klägerin war mit dem 2000 verstorbenen Victor P. (Versicherter) verheiratet. Am 6. Juni 2002 zog sie aus der Russischen
Föderation nach Deutschland zu.
Der Klägerin, die inzwischen deutsche Staatsangehörige ist, wurde vom Landratsamt Rastatt am 9. Juli 2002 eine Bescheinigung
gemäß § 15 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) ausgestellt, wonach sie Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG ist.
Am 24. Oktober 2002 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf die Gewährung von Witwenrente und gab an, ihr
verstorbener Ehemann habe zwar in Deutschland keine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt, sei aber in Russland von Januar
1970 bis Januar 1996 als Traktorist in einer Kolchose und von April 1997 bis Oktober 2000 als Produktionsleiter in einem landwirtschaftlichen
Betrieb jeweils rentenversicherungspflichtig tätig gewesen.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und führte zur Begründung aus, die für die
beantragte Rente maßgebliche Wartezeit sei nicht erfüllt. Die von dem verstorbenen Ehemann der Klägerin in der ehemaligen
Sowjetunion zurückgelegten Zeiten könnten keine Berücksichtigung finden, weil das Fremdrentengesetz (FRG), das die Gleichstellung von Fremdzeiten mit Bundesgebietszeiten regele, keine Anwendung finde. Der verstorbene Ehemann der
Klägerin sei nämlich nicht als Vertriebener oder Spätaussiedler i.S. des BVFG anerkannt. Die Klägerin könne eine Anrechnung der Fremdzeiten auch nicht unter Hinweis auf ihren eigenen Status als Spätaussiedlerin
begründen. Dies schließe § 14a S. 1 FRG ausdrücklich aus. Zwar sehe Satz 2 des § 14a FRG von diesem Grundsatz aus Gründen des Vertrauensschutzes für diejenige Fallkonstellation eine Ausnahme vor, dass der Rentenberechtigte
vor dem 1. Januar 2002 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen habe und der Ehegatte des
Berechtigten vor diesem Zeitpunkt verstorben sei. Diese Ausnahme sei aber im Fall der Klägerin nicht einschlägig, da diese
erst am 6. Juni 2002 nach Deutschland zugezogen sei.
Am 29. Mai 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihren ablehnenden Bescheid vom 28. Januar 2003 nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) zu überprüfen und machte geltend, sie sei Spätaussiedlerin und habe deshalb Anspruch auf Witwenrente. Mit Bescheid vom 20.
Juni 2006 lehnte es die Beklagte ab, den zur Überprüfung gestellten Bescheid zurückzunehmen. Die Überprüfung habe ergeben,
dass die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei. Aus den in dem
beanstandeten Bescheid genannten Gründen seien auf die Wartezeit 0 Kalendermonate anzurechnen, weshalb kein Anspruch auf Witwenrente
bestehe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2006 als unbegründet
zurück.
Die Klägerin hat ihren Anspruch weiter verfolgt, am 8. Januar 2007 beim Sozialgericht Karlsruhe Klage eingelegt und vorgetragen,
die Beitragszeiten des verstorbenen Ehemanns seien bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Witwenrente
zu berücksichtigen, weil andernfalls eine verfassungswidrige Diskriminierung von Spätaussiedlern gegenüber anderen Deutschen
eintrete. Spätaussiedler und Vertriebene seien nach Art.
116 des Grundgesetzes (
GG) Teil des deutschen Staatsvolkes. Bei Fremdrenten handle es sich nicht um "Sozialleistungen im Sinne von Beitragslosenzuschüssen",
sondern um Renten, die auf einem - wenn auch im Ausland, so doch als "Kriegsschuldkompensation" zum Nutzen des deutschen Volkes
geleisteten - eigenen Beitrag des Versicherten beruhten. Eine witwenrentenrechtliche Ungleichbehandlung von deutschen Aussiedlern
einerseits und Deutschen ohne diesen Status andererseits sei deshalb unzulässig. Soweit § 14a FRG dennoch Ansprüche auf Witwenrenten in Fällen wie dem vorliegenden ausschließe, verstoße er deshalb gegen Art.
3 GG und sei verfassungswidrig. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat u.a. ausgeführt, Witwen- und Witwerrenten erfüllten
eine Unterhaltsfunktion. Es sei deshalb nicht gerechtfertigt, einem Spätaussiedler zusätzlich eine Hinterbliebenenrente zuzubilligen,
wenn dessen verstorbener Ehegatte zu Lebzeiten keinen Rentenanspruch mit FRG-Zeiten erwerben und insoweit nicht zum gemeinsamen Lebensunterhalt habe beitragen können. Lediglich bei Rentenansprüchen,
die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 14a FRG am 1. Januar 2002 bereits bestanden hätten, werde aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht eingegriffen.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Wartezeit für die von der Klägerin begehrte Hinterbliebenenrente
sei nicht erfüllt. Rentenversicherungsbeiträge im Bundesgebiet habe der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht entrichtet.
Die Gleichstellung der von ihm bei dem sowjetischen bzw. russischen Rentenversicherungsträger zurückgelegten Zeiten mit nach
Bundesrecht zurückgelegten Zeiten käme nur dann in Betracht, wenn die Anwendung des FRG allein im Hinblick darauf begründet werden könnte, dass die Klägerin - die potentiell Berechtigte eines etwaigen Anspruchs
auf Witwenrente also - ihrerseits anerkannte Spätaussiedlerin ist. Eben diese Möglichkeit schließe § 14a Satz 1 FRG ausdrücklich aus. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, diese Regelung verstoße gegen Art.
3 GG, teile das Gericht nicht. Zwar treffe es zu, dass über die Regelung des § 14a FRG (auch) Deutsche mit Spätaussiedlerstatus von dem Bezug einer Witwenrente ausgeschlossen werden, wenn deren Ehegatte nicht
zu dem in § 1 FRG genannten Personenkreis gehöre. Diese Ausschlusswirkung treffe aber andere Deutsche - mithin auch solche ohne einen Spätaussiedlerhintergrund
- in gleicher Weise. Seien Deutsche ohne Spätaussiedlerstatus mit einer Person verheiratet, die keine deutschen Beitragszeiten
zurückgelegt hätten - sei es, weil sie diese in einem osteuropäischen Staat zurückgelegt hätten, sei es, weil dies in einem
anderen Staat geschehen sei -, hätten sie gleichfalls keine Witwenrente zu erwarten. Witwer und Witwen mit Ehegatten, bei
denen keine deutschen Versicherungszeiten zu berücksichtigen seien, würden vor diesem Hintergrund nicht ungleich, sondern
unabhängig davon, ob die Witwer oder Witwen Spätaussiedlerstatus hätten oder nicht, gleich behandelt. Unterschiedlich behandelt
würden durch die Regelung lediglich Witwen und Witwer von Ehegatten, die keine deutschen Beitragszeiten zurückgelegt hätten,
gegenüber jenen Witwern und Witwen, deren Ehegatte solche Zeiten vorweisen könnten. Eine solcherart getroffene Differenzierung
sei aber vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks einer Witwenrente nicht zu beanstanden. Den Witwen- bzw. Witwerrenten nach
§
46 SGB VI komme eine Unterhaltsersatzfunktion zu. Sie seien dazu bestimmt, den tatsächlichen oder fiktiven Beitrag des Verstorbenen
zum Lebensunterhalt des Berechtigten zu ersetzen. Der Gesetzgeber habe sich bei der Einführung des § 14a FRG von Erwägungen leiten lassen, die Einschränkungen zu dieser ratio legis vermeiden sollten. Denn er habe dazu ausgeführt:
"Ausländische Ehegatten von Spätaussiedlern können zwar eingebürgert werden, erlangen seit 1993 dadurch aber nicht mehr die
Stellung eines Spätaussiedlers. Sie haben damit auch keinen Anspruch auf eine Rente mit FRG-Zeiten. Ist ein solches Ehepaar in vorgerücktem Alter hierher gekommen, erhält nur der Ehegatte mit Spätaussiedlerstatus
eine Rente mit FRG-Zeiten, der andere Ehegatte hingegen nicht. Beide Ehegatten haben damit für ihren Lebensunterhalt in der Regel nur eine Rente
zur Verfügung. Verstirbt der Ehegatte ohne Spätaussiedlerstatus, so wächst dem deutschen Ehegatten nach derzeitiger Rechtspraxis
jedoch zusätzlich eine Hinterbliebenenrente nach einer fiktiven FRG-Rente des Verstorbenen zu. Dies ist rechtssystematisch nicht gerechtfertigt und sozialpolitisch auch nicht vertretbar. Denn
für die Unterhaltsersatzfunktion einer Hinterbliebenenrente ist in Fällen dieser Art kein Raum, weil der Verstorbene zu Lebzeiten
selbst keinen Anspruch auf eine Rente mit FRG-Zeiten hatte und insoweit zu einer Unterhaltsleistung auch nicht in der Lage war. Ebenso gibt es sozialpolitisch keinen Sinn,
den überlebenden Ehegatten, der nunmehr nur noch für sich allein zu sorgen hat, durch eine zusätzliche Hinterbliebenenrente
besser zu stellen als zuvor beide Ehegatten zusammen. Die Regelung [scil.: des § 14a FRG] sieht demgemäß vor, dass in Fällen dieser Art FRG-Zeiten nicht mehr berücksichtigt werden" (BT-Drs. 14/4595, S. 78, dort zu Art. 11 Nr. 1 des Entwurfs). Der Gesetzgeber habe
damit zur Überzeugung der Kammer einleuchtende Gründe für seine Neuregelung angeführt, die es nicht erlaubten, den Vorwurf
einer willkürlichen - mithin ohne jeden sachlichen Grund getroffenen - Ungleichbehandlung zu erheben. Die Neuregelung bezwecke
es vielmehr, im Gegenteil Ungleichbehandlungen zu vermeiden, die vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks einer Witwenrente
ihrerseits nur schwerlich widerspruchsfrei zu begründen gewesen wären. Die Kammer habe daher keine Bedenken, die Regelung
des § 14a FRG als verfassungskonform anzusehen.
Gegen diesen ihr am 2. April 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 2. Mai 2008 beim SG Berufung eingelegt und geltend gemacht, § 14a FRG sei nicht anwendbar, da der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente bereits mit dem Tod ihres Ehemannes entstanden sei. Die
Differenzierung anhand des Zuzugsdatums sei verfassungswidrig, zumal sie nicht in der Lage gewesen sei, ihren Wohnsitz früher
ins Bundesgebiet zu verlegen. Schließlich seien die in im Herkunftsgebiet geleisteten Beiträge nach § 15 FRG den im Bundesgebiet entrichteten gleichzustellen. Die hierdurch begründeten Anwartschaften unterlägen dem Schutz des Art.
14 GG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. März 2008 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 20. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, ihr unter Rücknahme des Bescheides vom 28. Januar 2003 Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte
der Beklagten, die Gerichtsakte des SG und die Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§
143 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG SozR 3-1825 § 2 Nr. 2; BSGE 88, 75, 77) angefochtene Bescheid vom 20. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 2006, mit dem die Beklagte
die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 28. Januar 2003 und die Gewährung einer Witwenrente abgelehnt hat, ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Ausgangspunkt der Prüfung ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das
Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden, ggf. jedoch aus heutiger Sicht
"geläuterten" Recht (vgl. BSGE 90, 136, 138; Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 44 SGB X Rdnr. 29 m.w.N.). Deshalb sind für die Frage, ob Sozialleistungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Unrecht vorenthalten worden sind, auch Rechtsänderungen, die nach Erlass des Ausgangsbescheids eintreten, aber auf diesen
Zeitpunkt zurückwirken, zu beachten (BSG, Urteile vom 21. Juni 2005 B 8 KN 8/04 R und B 8 KN 9/04 R - veröffentlicht in Juris).
Die Beklagte ist nach diesem Maßstab nicht verpflichtet, den Bescheid vom 28. Januar 2003 zurückzunehmen und der Klägerin
eine Rente nach §
46 SGB VI zu gewähren. Denn der zur Überprüfung gestellte Bescheid ist nicht rechtswidrig. Damit sind ihr schließlich auch Sozialleistungen
- hier: die Witwenrente - nicht zu Unrecht versagt worden.
Der Klägerin stand keine Witwenrente zu. Witwen haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit
(von fünf Jahren: §
50 SGB VI) erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie nicht wieder geheiratet und das 45. Lebensjahr vollendet haben (§
46 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI). Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die Wartezeit im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist. Der verstorbene Ehemann der Klägerin
hat in der Bundesrepublik Deutschland keine Versicherungszeiten zurückgelegt und gehört auch nicht zu den Berechtigten i.S.
des § 1 FRG, insbesondere nicht des § 1a FRG in der hier maßgeblichen Fassung durch Art. 12 Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I., 2094). Diese Vorschrift erfasst ausdrücklich nur Personen,
die selbst als Vertriebene i.S. von § 1 BVFG oder als Spätaussiedler i.S. von § 4 BVFG anerkannt sind und erstreckt sich demgemäß nicht auch auf diejenigen, die als Ehegatte eines Spätaussiedlers lediglich unter
§ 7 BVFG fallen oder - wie hier - überhaupt nicht in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni
1999 - B 5 RJ 44/98 R - SozR 3-5050 § 1 Nr. 4 -; Urteil vom 16. Mai 2001 - B 8 KN 2/00 KR R - veröffentlicht in Juris, Urteil vom 26. Januar
2000 - B 13 RJ 39/98 R - veröffentlicht in Juris und Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 118/00 R - SozR 3-5050 § 22b Nr. 2).
Etwas anderes gilt, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, auch nicht deswegen, weil die Klägerin aufgrund ihres Spätaussiedlerstatus zum Kreis der Berechtigten
nach § 1a FRG gehört und damit die §§ 14, 15 FRG auf sie Anwendung finden. Allerdings hat das Bundessozialgericht vor dem Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes
(KfbG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2094) am 1. Januar 1993 (vgl. Art. 22 Abs. 1 KfbG) und der hierdurch bedingten Änderungen auch des FRG die Ansicht vertreten, dass die §§ 14, 15 FRG im Lichte des § 1a FRG zu sehen seien, der die vertriebenen Hinterbliebenen als Leistungsberechtigte den (verstorbenen) Versicherten gleichgestellt
habe (BSG, Beschluss des Großen Senats (GS) vom 6. Dezember 1979, SozR 5050 § 15 Nr. 13; BSG, Urteil vom 22. April 1986 -
1 RA 73/84 -, veröffentlicht in Juris). Gehöre der Versicherte selbst - etwa wegen Vorversterbens im Vertreibungsgebiet - nicht zu dem
Personenkreis des § 1 FRG, werde die vom Gesetzgeber gewollte Eingliederung seiner Hinterbliebenen nur dann wirklich erreicht, wenn auch bei diesen
das Arbeits- und Versicherungsleben des Versicherten so behandelt werde, als ob es im Geltungsbereich des Gesetzes zurückgelegt
worden wäre. Diesen Hinterbliebenen sollte, soweit sie selbst als Vertriebene anerkannt waren, durch § 1a FRG in ihrer Rechtsposition zur Rentenversicherung eine dem "Versicherten" selbst zustehende Gleichrangigkeit eingeräumt, d.h.
ihnen das "Guthaben" des Versicherten aus den im Herkunftsland zurückgelegten Versicherungszeiten als eigenes Guthaben zugerechnet
werden. Insoweit wurde zumindest partiell der sonst im Rentenrecht vorherrschende Grundsatz verlassen, dass das Hinterbliebenenrecht
nur ein von dem Versichertenrecht abgeleitetes Recht sein könne.
Ob eine solche Auslegung der §§ 14, 15 FRG in der hier maßgeblichen Fassung nach Inkrafttreten des KfbG (am 1. Januar 1993) auch im Hinblick auf diejenigen Versicherten
zutrifft, die von vorneherein keinen - abgeleiteten - Vertriebenstatus (mehr) und damit keinen eigenen Rentenanspruch nach
dem FRG erwerben konnten, erscheint zweifelhaft. Allerdings haben die Rentenversicherungsträger nach Inkrafttreten des KfbG (am 1.
Januar 1993) weiterhin die Rechtsprechung des BSG beachtet, wonach als Vertriebene i.S. des § 1 BVFG anerkannte Personen einen (eigenständigen) Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben mit der Folge, dass für diesen Anspruch
die bis zur Vertreibung des Hinterbliebenen vom Verstorbenen zurückgelegten Beitragszeiten nach §§ 14, 15 FRG zu berücksichtigen sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dessen Tod vor oder nach der Vertreibung des Hinterbliebenen
eingetreten ist, und sie haben diese Rechtsprechung ungeachtet der Frage, inwieweit sie durch das KfbG überholt war, auch
auf Personen bezogen, die - wie die Klägerin - die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 verlassen
haben und daher nach dem ab 1. Januar 1993 geltenden Recht nicht mehr als Vertriebene nach § 1 BVFG, sondern nur noch als Spätaussiedler nach § 4 BVFG anerkannt werden können (BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 57/03 R -, veröffentlicht in Juris). Ob diese Praxis eine gesetzliche Grundlage hatte, bedarf keiner Entscheidung, da § 14a FRG, eingefügt durch Art. 7 des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I, 403) klarstellt, dass bei Renten wegen Todes an Witwen
und Witwer von Personen, die nicht zum Personenkreis des § 1 gehören, Zeiten nach diesem Gesetz nicht angerechnet werden;
dies gilt jedoch nicht für Berechtigte, die vor dem 1. Januar 2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
genommen haben und deren Ehegatte vor diesem Zeitpunkt verstorben ist (§ 14a Satz 2 FRG). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die vor dem 1. Januar 2002 übergesiedelten Berechtigten weiterhin die der früheren
Verwaltungspraxis entsprechende "Hinterbliebenenrente nach einer fiktiven FRG-Rente des Verstorbenen" (so BT-Drucks. 14/4595 S. 78 zu Art. 11 Nr. 1) erhalten (vgl. BSG, Urteile vom 7. Juli 2004 - B 8 KN 10/03 R - SozR 4-5050 § 22b Nr. 2 -; Urteile vom 21. Juni 2005 B 8 KN 1/05 R und B 8 KN 9/04 R - veröffentlicht in Juris). Die Voraussetzungen für eine Ausnahme aufgrund dieses Umkehrschlusses liegen hier jedoch nicht
vor, da die Klägerin erst am 6. Juni 2002 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
Entgegen der Ansicht der Klägerin greift die Vorschrift des § 14a FRG auch nicht in ein bereits mit dem Tod ihres Ehemannes entstandenes Anwartschaftsrecht ein. Denn die vom Fremdrentengesetz Betroffenen erhalten gegen den Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erst durch das Fremdrentengesetz einen vermögenswerten Rechtsanspruch, der frühestens mit dem Tag des Zuzugs entsteht (§ 30 FRG). Das Fremdrentenrecht, das sie beim Zuzug nach Deutschland vorfinden, kann deshalb ihr Eigentumsgrundrecht nach Art.
14 Abs.
1 Satz 1
GG nicht berühren. Da das Gesetz das Recht erst gewährt, das von Art.
14 GG geschützt sein soll, kann es dieses Grundrecht nicht verletzen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Juni 2006
- 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 - m.w.N.). Nachdem § 14a FRG zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, bedarf es damit auch insoweit keiner Klärung, ob es sich hierbei um eine Rechtsänderung
oder um eine Klärung der bereits durch das KfbG ab 1. Januar 1993 geltenden Rechtslage und eine nachträgliche Bereinigung
durch die Verwaltungspraxis rechtswidrig begünstigter Altfälle handelt.
Wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, bestehen schließlich auch im Übrigen keine verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen § 14a FRG. Solche vermag auch der Senat nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.