Gründe:
I. Streitig ist, ob dem Antragsteller aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer
selbst organisierten Mittagsverpflegung für seine an einer Schule befindlichen Kinder nach § 6b
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) zusteht.
Der 1939 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer lebt zusammen mit seiner 1969 geborenen Ehefrau und den beiden 1998 und
2000 geborenen Kindern. Als Einkommen bezieht die Familie die Altersrente des Antragstellers, Kindergeld und Wohngeld.
Die beiden Kinder besuchen ein staatliches Gymnasium. An der dortigen Mensa werden täglich zwei Gerichte, darunter ein vegetarisches
Gericht angeboten.
Im März 2011 beantragte der Antragsteller Leistungen für Bildung und Teilhabe. Mit Bescheid vom 19.04.2011 bewilligte die
Antragsgegnerin Übernahme der Kosten für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung für beide Kinder. An die Schule wurden Kostenübernahmeerklärungen
übermittelt. Auf die Frage nach einer Bestätigung der Schule über die Teilnahme an der Mittagsverpflegung teilte er am 25.05.2011
telefonisch mit, dass seine Kinder regelmäßig am Mittagessen teilgenommen und das Essen in der Schule in bar bezahlt hätten.
Anfang August 2011 beantragte der Antragsteller, die Leistungen für die Mittagsverpflegung ausgezahlt zu bekommen. Ein Sohn
habe eine Lebertransplantation gehabt und dürfe kein Schweinefleisch essen. Unterlagen hierzu wurden trotz schriftlicher Aufforderung
seitens des Antragsgegners nicht vorgelegt. Auch aus religiösen Gründen würden die Kinder kein Schweinefleisch essen. Zwar
biete die Schule täglich ein vegetarisches Gericht an, seine Kinder würden aber grundsätzlich keine vegetarischen Gerichte
essen. Die Kinder würden nicht mehr an den Schulessen teilnehmen. Das Essen würde selbst organisiert werden über einen externen
Heimservice (Imbiss oder Gaststätte). Seine Kinder würden auch in diesem Fall mit anderen Kindern gemeinsam essen.
Mit Schreiben vom 28.09.2011 wurde der Antrag auf Direktauszahlung abgelehnt und die bisherige Bewilligung aufgehoben. Eine
Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht ersichtlich.
Am 07.10.2011 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Es sei unbedingt
nötig, die Mittagsverpflegung eines externen Anbieters ohne Schweinefleischprodukte zu beschaffen. Die Kinder würden gekochtes
vegetarisches Essen ablehnen. Die Kosten hierfür seien in Höhe des Regelsatzes vom Antragsgegner zu tragen. Er sei nicht in
der Lage, die dringend erforderliche gesunde Ernährung für seine Kinder zu finanzieren. Der Antragsteller legte ein Attest
eines Klinikums vom 02.11.2011 vor. Danach solle der im Jahr 2000 geborene Sohn als Lebertransplantierter kein Schweinefleisch,
keine Rohkost, keinen Rohmilchkäse und keine Nüsse zu sich nehmen. Diese Nahrungsmittel könnten zu einer Gefährdung des Kindes
führen. Ein Besuch der Schulkantine sollte deshalb unterbleiben. Daneben wurde ein Medikamentenplan für den Sohn vom September
2009 übersandt. Der Antrag wurde zunächst als sozialhilferechtliche Streitigkeit geführt (S 19 SO 523/11 ER).
Mit Beschluss vom 09.12.2011 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Ablehnungsbescheid
vom 29.08.2011 sei mangels einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht bestandskräftig geworden. Die Kosten für gesundes Essen der
Kinder sei kein zulässiger Streitgegenstand, weil der Antragsteller einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger
Ernährung bei der Verwaltung noch nicht geltend gemacht habe.
Es bestehe kein Anordnungsanspruch für die Auszahlung der Kosten der Mittagsverpflegung. Leistungen für Bildung und Teilhabe
für ein Kind gemäß § 6b
BKGG entsprächen gemäß Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift den Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2 bis 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach § 6b Abs. 3
BKGG gelte auch § 29 SGB II.
Die Mehraufwendungen für die Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung würden für Schüler nach § 28 Abs. 6
Sätze 1 und 2 SGB II nur übernommen werden, wenn die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten werde. Nach
§ 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II würde diese Leistung durch Sach- oder Dienstleistungen, insbesondere in Form von personalisierten
Gutscheinen oder Direktzahlungen an die Anbieter der Leistung zur Deckung dieser Bedarfe erbracht werden. Die vom Antragsteller
gewollte Mittagsverpflegung fände gerade nicht in Verantwortung der Schule statt.
Diese Voraussetzung könne auch nicht teleologisch reduziert werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung handele sich bei dem
streitigen Bedarf um eine Leistung, die den Kindern die Teilhabe am sozialen Leben in der Schule ermöglichen solle. Es gehe
gerade nicht darum, den grundsätzlich bereits mit dem Regelbedarf abgegolten Ernährungsbedarf zu decken. Die vom Antragsteller
beabsichtigte selbstständige Beschaffung der Mittagsverpflegung entspreche gerade nicht der vom Gesetzgeber gewollten Teilhabe
am sozialen Leben in der Schule. Der Gesetzgeber habe nur verhindern wollen, dass Kinder aus finanziellen Gründen vom gemeinsamen
Schulessen ausgeschlossen sind. Auf die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe (die angebotene Verpflegung treffe nicht den
Geschmack der Kinder, religiöse Gründe, gesundheitliche Gründe) komme es bei dieser Anspruchsgrundlage nicht an. Sie hätten
auch nichts mit den mit der Schulverpflegung verbundenen Mehrkosten zu tun. Der Beschluss wurde am 14.12.2011 zugestellt.
Der Antragsteller hat am 12.01.2012 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und zugleich die Gewährung
von Prozesskostenhilfe beantragt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 09.12.2011 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, für die
Mittagsverpflegung seiner beiden Kinder für die Zeit ab Dezember 2011 Leistungen in Höhe des Regelbedarfs seiner beiden Kinder
an ihn auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Antragsgegners, die Akten S 32 KG 15/11 ER und S 19 SO 523/11 ER des Sozialgerichts und die Akte des Beschwerdegerichts verwiesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Der Antragsteller hat beim Sozialgericht ausdrücklich Kosten "in Höhe des Regelsatzes", also des Regelbedarfs seiner Kinder
begehrt. Selbst wenn man dies so auslegt, dass er die Kosten begehrt, die im Regelbedarf für Nahrungsmittel und Getränke enthalten
sind (nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz ca. 100,- Euro pro Kind), wird für zwei Kinder und die Zeit ab
September 2011 der Grenzbetrag von 750,- Euro nach §
172 Abs.
3 Nr.
1, §
144 Abs.
1 SGG deutlich überschritten.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Auszahlung der Mehraufwendungen für die
Mittagsverpflegung an der Schule für seine Kinder.
Das Beschwerdegericht schließt sich hinsichtlich des Anspruchs auf Kosten für die Mehraufwendungen des Mittagsessens in der
Schule gemäß §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG der Begründung des Sozialgerichts an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das Sozialgericht hat unter Auswertung des Wortlauts des Gesetzes und unter Heranziehung der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks.
17/3404 zum damaligen § 28 Abs. 5 SGB II) zutreffend dargelegt, dass es bei dem Anspruch auf Übernahme der Mehraufwendungen
für die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung ausschließlich darum geht, eine soziale Ausgrenzung bedürftiger
Schüler zu vermeiden. Die Teilhabe an der gemeinschaftlichen Schulverpflegung soll gefördert werden. Das zeigt auch § 28 Abs.
1 Satz 1 SGB II der klarstellt, dass es bei allen Leistungen der Absätze 2 bis 7 um Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen
und kulturellen Leben geht.
Es ist deshalb nicht möglich, aus religiösen oder medizinischen Gründen eine zusätzliche Geldleistung zur schulischen Mittagsverpflegung
zu erlangen.
Nach dem Attest vom 02.11.2011 soll der im Jahr 2000 geborene Sohn als Lebertransplantierter kein Schweinefleisch, keine Rohkost,
keinen Rohmilchkäse und keine Nüsse zu sich nehmen. Dies könnte einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II (Krankenkost) begründen.
Da der Antragsteller bereits im August 2011 unter Hinweis auf die Lebertransplantation dieses Sohnes Geldleistungen für die
Mittagsverpflegung dieses Sohnes begehrte, kann der Eilantrag nicht als unzulässig mangels vorheriger Befassung der Behörde
zurückgewiesen werden. Die Antragsgegnerin wäre gemäß §
16 Abs.
2 SGB I gehalten gewesen, diesen Antrag unverzüglich an die zuständige Behörde - hier wegen der anzunehmenden Erwerbsfähigkeit der
Ehefrau des Antragstellers wohl das Jobcenter - weiterzuleiten. Hier wäre dann ein Anspruch dieses Sohnes, natürlich nicht
des anderen Kindes, auf Leistungen für einen Mehrbedarf wegen einer aus medizinischen Gründen kostenaufwändigeren Ernährung
nach § 21 Abs. 5 SGB II (Krankenkost) zu prüfen.
Ein Anordnungsanspruch kann - im Rahmen des Eilverfahrens - aus mehreren Gründen nicht bejaht werden. Zunächst ist die Antragsgegnerin
für diese Leistung nicht zuständig, mithin der falsche Antragsgegner.
Es ist weiter schon kein medizinisch bedingter Mehrbedarf zu erkennen, wenn das Problem darin besteht, dass der Sohn ungern
vegetarische Gerichte isst. Außerdem ist es außerordentlich fernliegend, dass ein medizinisch bedingter Ernährungsmehrbedarf
nur für das Mittagessen, nicht aber für die anderen Mahlzeiten besteht. Der Antragsteller hat aber immer nur die Kosten für
das Mittagessen begehrt. Weiter hat der Antragsteller in seinen zahlreichen Äußerungen nur die Vermeidung von Schweinefleisch
als notwendig bezeichnet, nicht etwa die Vermeidung von Rohkost, Rohmilchkäse oder Nüssen. Als nächstes wäre dann abzuklären,
welche Ersatznahrungsmittel der Sohn aus medizinischen Gründen zu sich nehmen muss und ob diese mehr kosten als die für Gesunde
übliche Ernährung. Weil der Antragsteller im sozialgerichtlichen Eilverfahren auch einen Medikamentenplan seines Sohnes vom
Sommer 2009 vorlegte, die Ernährungssituation also schon seit mindestens zweieinhalb Jahren so ist, sieht das Beschwerdegericht
auch keine Veranlassung einen Anordungsgrund im Sinne einer eilbedürftigen Gerichtsentscheidung zu bejahen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil selbst bei einem weit gesteckten Rahmen einer Erfolgsaussicht
für dieses Eilverfahren nicht erkennbar ist. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung kann der Antragsteller die Kosten
für das Mittagessen seiner Kinder an der Schule nicht ausbezahlt bekommen.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.