Tatbestand
Streitig ist ein Regress für die Quartale 1/2009 bis 2/2008 in Höhe von 4776,02 EUR wegen der Anforderung Monoklonaler Antikörper
als Rezepturen von der Apotheke.
Der beigeladene Arzt betrieb zum streitgegenständlichen Zeitpunkt eine internistische Gemeinschaftspraxis und nahm in A-Stadt
an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Am 27.01.2010 beantragte die Klägerin eine Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise in Einzelfällen nach § 16 der Prüfungsvereinbarung.
Die klägerische Gemeinschaftspraxis habe die von ihr benötigten Monoklonalen Antikörper (MAK) in Form von Rezepturen von der
Apotheke angefordert. Nachdem es sich um einen untoxischen Stoff handle, wäre die wirtschaftliche Alternative die Verordnung
dieser Medikamente als Fertigarzneimittel und die eigenständige Einbringung in Kochsalzlösung gewesen. Der AOK sei ein Schaden
von 4776,02 EUR entstanden. Mit Prüfbescheid vom 15.09.2010 lehnte die Prüfungsstelle Ärzte Bayern die Festsetzung einer Maßnahme
ab. Bei der Zubereitung von MAK stelle die bisher vorliegende Rechtsprechung fest, dass im Hinblick auf die eingeschränkte
Immunabwehr der Patienten aseptische Bedingungen vorherrschen müssten. Es sei den Onkologen nicht zuzumuten, personell, apparativ
und räumlich aufzurüsten, um den Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Im übrigen stellten monoklonale Antikörper krebserzeugende,
erbgutverändernde sowie fortpflanzungsgefährdende Arzneimittel dar. Dies ergebe sich aus der Bewertung der Berufsgenossenschaft
aus dem Jahr 2008. Beim Umgang mit toxischen Arzneimitteln sei neben der aseptischen Arbeitsweise der Aspekt des Personalschutzes
zu beachten. Die Zubereitung toxischer Fertigarzneimittel könne von Onkologen nicht gefordert werden, wie sich aus der bisherigen
Rechtsprechung ergebe.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 24.05.2011 wies der Beklagte den Widerspruch
zurück. Er wies auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts München, die Urteile vom 13.03.2007 und vom 06.12.2006, sowie des
Sozialgerichts Hannover hin. Es gebe eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage der Toxizität bei MAK. Dem Vertragsarzt könne
das Gebrauchsfertigmachen von toxischen Arzneimitteln wie Zytostatika und MAK in der Praxis nicht zugemutet werden. Das Gebrauchsfertigmachen
der Rezeptur in der Apotheke sei als wirtschaftlich anzusehen.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG). Im streitgegenständlichen Zeitraum hätten die meisten Praxen in Bayern MAK in der Praxis selbst anwendungsfertig gemacht.
Auch die Fachinformationen stünden dem nicht entgegen. Dies reiche bereits aus, um die Unwirtschaftlichkeit der Mehrkosten
der Apothekenrezeptur festzustellen. Die Vorschläge der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
hätten bisher keine Umsetzung bei den "Technischen Regeln für Gefahrstoffe" gefunden. Die von der Berufsgenossenschaft vertretene
Auffassung sei zumindest umstritten. MAK seien nicht toxisch. Der Beklagte trug vor, dass MAK nach einheitlicher Rechtsprechung
toxisch seien. Im übrigen wurde auf das Gutachten der BGW vom Dezember 2008 hingewiesen. Danach seien alle MAK sowohl als
Arzneistoffe als auch in Form des Fertigarzneimittels als giftig anzusehen. Auch die neue Onkologievereinbarung bestärke den
Beklagten in seiner Meinung, dass die Zubereitung von MAK in der Praxis nicht gewollt sei. Nach § 5 Abs. 1 5. Spiegelstrich
würden die Voraussetzungen nur gelten, soweit eine Zubereitung in der Praxis stattfinde.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2012 wies das SG die Klage ab. Den Prüfgremien komme ein Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise
zu, der nicht überschritten sei. Die Verordnung von bereits in der Apotheke gebrauchsfertig gemachten MAK sei nicht als unwirtschaftlich
anzusehen. Der Beklagte habe die MAK nachvollziehbar als toxisch bewertet und sich dabei auf das Gutachten der BGW gestützt.
Es liege im Beurteilungsspielraum des Beklagten, ein vorliegendes aktuelles Gutachten einer Berufsgenossenschaft als Grundlage
seiner Entscheidung heranzuziehen. Eine Verpflichtung zur Zubereitung von MAK in der Praxis bestehe bei auch nur fraglicher
Toxizität nicht. Die Vertragsärzte, die MAK nicht in der eigenen Praxis zubereiteten, weil sie nicht über die entsprechenden
Einrichtungen verfügten, seien weder mit den Vertragsärzten zu vergleichen, die sich personell, apparativ und räumlich für
eine Zubereitung in der Praxis eingerichtet hätten, noch seien sie verpflichtet, ihre Praxis entsprechend "aufzurüsten". Es
gebe weder gesetzlich noch untergesetzlich noch vertraglich eine Verpflichtung der Vertragsärzte, MAK in der Praxis gebrauchsfertig
zu machen; deshalb könne auch nicht unter Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot unter Umgehung des Schutzes der Beschäftigten
in der Praxis und des Patientenschutzes und damit letztlich auch unter Hinnahme eines haftungsrechtlichen Risikos die Anfertigung
in der Praxis gefordert werden.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Die Einschätzung der BGW stehe im Widerspruch zu den Gutachten und
der Literatur. Verwiesen wird auch auf ein pharmakologisches Gutachten der M. Universität vom 29.05.2012, nach dem eine mutagene
Wirkung von MAK mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Im übrigen seien - wie sich aus
der Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit vom 05.09.2008 ergebe - das Auffüllen des Arzneimittels mit einer
Kochsalzlösung und das Umfüllen in ein anderes Behältnis keine maßgeblichen qualitativen Veränderungen bezüglich des ursprünglichen
Fertigarzneimittels oder ein wesentlicher Herstellungsschritt im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG. Der Beklagte legte dar, dass durch die BGW eine Zielvorgabe beziehungsweise ein Wegweiser für die kommenden Jahre geschaffen
worden sei. Im übrigen müssten wegen der eingeschränkten Immunabwehr der betroffenen Patienten bei MAK aseptische Bedingungen
vorherrschen. Den Onkologen sei nicht zumutbar, personell und apparativ so aufzurüsten, dass den höheren Qualitätsanforderungen
entsprochen werden könnte. Demzufolge sei das Gebrauchsfertigmachen in Apotheken als wirtschaftlich anzusehen.
Die Beigeladene zu 1 führte im Schriftsatz vom 21.11.2013 aus, dass ein Vertragsarzt nicht zur Zubereitung eines Medikaments
oder zum Vorhalten entsprechender Einrichtungen beziehungsweise entsprechenden Fachpersonals zur Zubereitung des Medikaments
verpflichtet sei. Nach §
73 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
7 SGB V umfasse die vertragsärztliche Versorgung die Behandlung und die Verordnung von Arzneimitteln. Schon aus dieser gesetzlichen
Abgrenzung ergebe sich, dass die Herstellung nicht Gegenstand der ärztlichen Behandlung sei. Sie sei auch nicht Gegenstand
des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM), der gemäß §
87 Abs.
2 SGB V den Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung abschließend festlege. Bei der Zubereitung der Infusionen mit MAK handle es
sich um einen Herstellungsprozess. Dies ergebe sich aus § 4 Abs. 14 AMG. Danach sei das "Herstellen" definiert als das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Umfüllen einschließlich
Abfüllen, Abpacken, Kennzeichnen und die Freigabe von Arzneimitteln. Bereits das "Zubereiten" des vom Gesetzgeber sehr weit
gefassten Herstellungsbegriffes sei erfüllt. Der Herstellungsprozess sei eine pharmazeutische, keine ärztliche Tätigkeit.
Auch aus der so genannten INN-Vereinbarung ergebe sich, dass die zusätzliche Vergütung als Kompensation für eine überobligatorische
Tätigkeit gedacht war, die das Vorhalten besonderer apparativer und personeller Ressourcen für die Herstellung erfordert habe.
Ferner sprächen die Patientensicherheit und die Personalsicherheit dafür, dass es der klägerischen Praxis nicht zumutbar gewesen
sei, Infusionen mit MAK herzustellen.
Die Klägerin stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 15. Oktober 2012 und die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Beklagtenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Der Beklagte hat zutreffend entschieden, dass ein Regress nicht möglich ist, weil die Gemeinschaftspraxis
des Beigeladenen zu 2 nicht verpflichtet war, die MAK selbst in der Praxis herzustellen. Die Anforderung von MAK als Rezepturen
von einer Apotheke ist nicht unwirtschaftlich.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Regress-Bescheids ist §
106 Abs.
2 SGB V in Verbindung mit §
9 Abs.
1 Nr.
1.3, §
16 Prüfungsvereinbarung (PV) in der ab 01.07.2006 geltenden Fassung. Danach kann der Prüfungsausschuss überprüfen, ob der Vertragsarzt
im Einzelfall mit seiner Verordnungsweise gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat. Ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot
ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn nicht zugelassene Arzneimittel verordnet wurden und kein zulässiger Fall des Off-Label-Use
vorliegt oder wenn die Verordnung nicht (arzneimittel-)richtlinienkonform war (§
106 Abs.
5b SGB V). Daneben kann sich die Unwirtschaftlichkeit auch aufgrund einer so genannten typisierenden Einzelfallprüfung ergeben, bei
der die einzelnen Verordnungen generalisierend am durchschnittlichen Verordnungsverhalten der Vertragsärzte gemessen werden
(hierzu Clemens in: [...] Praxiskommentar
SGB V, §
106 Rn. 38 und 94). Dabei wird der Aufwand im Einzelfall verglichen mit dem typischen und somit als medizinisch indiziert annehmbaren
Aufwand in ähnlichen Fällen.
Die typisierende Einzelfallprüfung, auf die der Antrag der Klägerin zielte, ergibt keine Unwirtschaftlichkeit der Verordnungen
des Beigeladenen zu 2. Dem Antrag der Klägerin lag die Überlegung zu Grunde, dass die Anforderung monoklonaler Antikörper
als Rezeptur von der Apotheke teurer sei als die Verordnung als Fertigarzneimittel und die eigenständige Einbringung in Kochsalzlösung
durch den Vertragsarzt. Deshalb sei die Anforderung als Rezeptur unwirtschaftlich. Diese Auffassung ist nicht zutreffend,
da der Beigeladene zu 2 als Vertragsarzt nicht zur Einbringung monoklonaler Antikörper in Kochsalzlösung verpflichtet ist,
so dass die Verordnung als Rezeptur und die Verordnung als Fertigarzneimittel im Rahmen der typisierenden Einzelfallprüfung
nicht verglichen werden können.
Das Einbringen monoklonaler Antikörper in Kochsalzlösung ist eine Herstellung von Arzneimitteln und damit von der Leistungspflicht
der Vertragsärzte nicht umfasst.
§ 4 Abs. 14 AMG definiert als Herstellen von Arzneimitteln das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, dass Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen
einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe. Diese Legaldefinition ist umfassend und erstreckt
sich auf alle Vorgänge, die zur Herstellung eines Fertigarzneimittels erforderlich sind (Rehmann, AMG, Kommentar, 3. Auflage § 4 Rn. 13). Unter Zubereiten fällt auch das vom Körpergewicht des Patienten abhängige Dosieren und Einbringen monoklonaler Antikörper
in eine Kochsalzlösung, das vor der Anwendung (Infusion) am Patienten notwendig ist. Dies gilt unabhängig von der Einführung
des § 4 Abs. 31 AMG mit Wirkung vom 23.07.2009, da auch die Rekonstitution unter den Begriff des Herstellens fällt (vergleiche BT-Drucks. 16/12256
Seite 42). Insoweit kann also offen bleiben, ob die Auflösung des Pulvers zur Herstellung eines Infusionslösungskonzentrats
mit Wasser für Injektionszwecke lediglich eine Rekonstitution ist, wie die Arzneimittelhersteller in den Packungsbeilagen
beschreiben (vergleiche zum Beispiel Packungsbeilage zu Herceptin - Wirkstoff Trastuzumab - und zu Abraxane - Wirkstoff Paxlitaxel).
Wegen dieser umfassenden Legaldefinition sieht § 13 Absatz 2b S. 1 AMG (entsprechend § 4a Nr. 3 AMG a.F.) auch eine Ausnahme vom Erfordernis der Herstellungserlaubnis für Ärzte vor, soweit Arzneimittel unter ihrer unmittelbaren
fachlichen Verantwortung zum Zweck der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten hergestellt werden. Damit steht
zugleich fest, dass
(Vertrags-)Ärzte arzneimittelrechtlich berechtigt sind, Arzneimittel zur Anwendung bei Patienten zuzubereiten.
Die Herstellung von Arzneimitteln ist jedoch nicht von der vertragsärztlichen Leistungspflicht umfasst. Der Umfang der vertragsärztlichen
Versorgung ergibt sich aus §
73 Abs.
2 SGB V, wobei Abs.
2 S. 1 Nummer
7 nur die Verordnung von Arzneimitteln umfasst, nicht jedoch die Herstellung. Auch aus anderen Vorschriften des Vertragsarztrechts
ist eine Verpflichtung der Vertragsärzte zur Herstellung von Arzneimitteln nicht ableitbar, insbesondere nicht aus dem Einheitlichen
Bewertungsmaßstab (EBM). Dass die Herstellung von Arzneimitteln nicht zu den vertragsärztlichen Pflichten gehört, bestätigt
auch die Onkologievereinbarung, Anlage 7 zum BMV-Ä. In der Vereinbarung ist nicht zwingend vorgesehen, dass der Vertragsarzt die zur parenteralen Tumortherapie benötigten Wirkstoffe
in der Praxis zubereitet. Vielmehr beschränkt sich § 5 Abs. 1 Spiegelstrich 5 der Vereinbarung darauf, bestimmte Qualitätsanforderungen
zu definieren, soweit die Zubereitung in der Praxis erfolgt.
Da der Beigeladene zu 2 als Vertragsarzt nicht verpflichtet war, MAK in seiner Praxis zuzubereiten, scheidet die Feststellung
eines unwirtschaftlichen Verhaltens im Rahmen einer typisierenden Einzelfallprüfung aus. Ein überobligatorisches Verhalten
kann bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von den Vertragsärzten nicht verlangt werden. Dafür enthalten die gesetzlichen
und normvertraglichen Vorschriften über die Wirtschaftlichkeitsprüfung keine Rechtsgrundlage. Die Frage, ob MAK toxisch sind,
ist deshalb nicht entscheidungserheblich und vom Senat nicht weiter zu überprüfen.
Im Ergebnis ist die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund (§
160 Abs.
2 SGG) vorliegt.