Anspruch auf Kinderzuschlag; Berücksichtigung von gepfändetem Einkommen
Tatbestand:
Streitig im Berufungsverfahren ist Kinderzuschlag für die Zeit von September 2006 bis einschließlich Januar 2007.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 18.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2006 sowie
der Änderungsbescheide vom 15.02.2007 und 29.10.2007 bis einschließlich August 2006 Kinderzuschlag für seine drei Kinder in
Höhe von monatlich 415 EUR. Der Mindesteinkommensgrenzbetrag betrage 986,74 EUR, der mit dem auf der Basis des monatlich zufließenden
Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.056,90 EUR nach den Vorschriften für den Kinderzuschlag errechneten bereinigten Einkommen
in Höhe von 991,40 EUR überschritten werde.
Gleichzeitig lehnte die Beklagte mit den genannten Bescheiden ab September 2006 bis einschließlich Januar 2007 einen Kinderzuschlag
ab mit der Begründung, dass ab September der Mindesteinkommensgrenzbetrag unterschritten werde. Denn ab September 2006 wurde
dem Kläger auf sein Konto nur noch Arbeitslosengeld in Höhe von 972,60 EUR ausbezahlt, woraus sich ein bereinigtes Einkommen
in Höhe von 907,10 EUR errechne. Dieses Einkommen läge unter dem Mindesteinkommensgrenzbetrag von 986,74 EUR. Der geänderte
Zahlbetrag an Arbeitslosengeld ist auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 21. August
2006 zugunsten des Freistaates Bayern zurückzuführen, wodurch das dem Kläger nach wie vor zustehende monatliche Arbeitslosengeld
in Höhe von 1.056,90 EUR wegen Pfändung in Höhe von 84,30 EUR monatlich auf den Zahlbetrag von 972,60 EUR reduziert wurde.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Augsburg mit Urteil vom 31. März 2008 mit der Begründung ab, die Mindesteinkommensgrenze
von 986,74 EUR würde durch das zufließende Einkommen von 972,60 EUR, bereinigt auf 907,10 EUR unterschritten. Der gepfändete
Teil des Arbeitslosengeldes, der in Höhe von 84,30 EUR monatlich an die Staatsoberkasse als Pfändungsgläubiger abgeführt werde,
rechne nicht zum Einkommen im Sinne des § 11 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); es fehle insoweit an einem Zufluss von
"bereiten Mitteln".
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das für den Kinderzuschlag relevante Einkommen
werde durch den aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einbehaltenen Betrag von monatlich 84,30 EUR nicht gemindert.
Es könne keinen Unterschied machen, ob der Kläger freiwillig Zahlungen an seine Gläubiger erbringe oder ob bei ihm gepfändet
würde. Gerade im Bereich der Einkommensberechnung nach dem SGB II könne ein Leistungsempfänger sein Einkommen nicht durch
Lohnpfändungen zu Lasten der Allgemeinheit herunterrechnen. Außerdem sei zweifelhaft, ob die vom Arbeitslosengeld aufgrund
des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getätigten Abzüge zutreffend berechnet seien. Der verheiratete Kläger habe drei
unterhaltsberechtigte Kinder; seine Ehefrau verfüge über kein eigenes Einkommen. Bei einem monatlichen Einkommen von 1.056,90
EUR für die Familie sei eine Pfändung von Sozialleistungen unbillig und unrechtmäßig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 31. März 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.05.2006
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2006 sowie der Änderungsbescheide vom 15.02.2007 und 29.10.2007 zu verurteilen,
dem Kläger Kinderzuschlag in Höhe von 415 EUR monatlich für die Zeit von September 2006 bis einschließlich Januar 2007 zu
bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass beim Einkommen nach § 11 SGB II nur bereite Mittel berücksichtigt werden könnten, über
die der Hilfebedürftige auch frei verfügen könne. Soweit Teile des Einkommens gepfändet würden, fehle es an der Verfügungsmöglichkeit,
da der gepfändete Teil der Einkünfte direkt an den Gläubiger überwiesen würde und damit der Kläger den Betrag nicht zur Bestreitung
seines Unterhaltes einsetzen könne. Sofern durch eine Pfändung des Einkommens erhöhte Hilfebedürftigkeit eintrete, könne der
Kläger beim Vollstreckungsgericht eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages nach §
850 f Zivilprozessordnung (
ZPO) beantragen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Zu Unrecht hat die Beklagte hinsichtlich des für den Kinderzuschlag nach § 6a
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) zu berücksichtigenden Einkommens auf das tatsächlich auf das Konto des Klägers gezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 972,60
EUR monatlich abgestellt. Auch der gepfändete Teil des Arbeitslosengeldes stellt Einkommen im Sinne des §§ 6a
BKGG i.V.m. 11 SGB II dar.
1. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen mit Ausnahmen der
Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder
Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Das Arbeitslosengeld nach dem
SGB III unterfällt keiner dieser in §
11 Abs.
1 Satz 1 SGB II ausdrücklich geregelten Ausnahmen von den zu berücksichtigenden Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Zwar handelt
es sich bei dem Arbeitslosengeld um eine Sozialleistung. Jedoch rechtfertigt dies allein keine Ausnahme vom Einkommensbegriff.
Soweit eine Sozialleistung die finanzielle Lage des Hilfebedürftigen im Sinne der Minderung des Hilfebedarfs beeinflusst,
ist sie als Einkommen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 13.05.2009, Az.: B 4 AS 29/08 R). Demgemäß handelt es sich bei dem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.056,90 EUR um Einkommen, das - nachdem gesetzlich nichts
anderes bestimmt ist, vgl. § 11 Abs. 3 bis 4 SGB II - grundsätzlich in voller Höhe zu berücksichtigen ist.
2. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Zuflussprinzip ist dem Kläger der Betrag von 1.056,90 EUR
auch zugeflossen.
Denn zur Beurteilung des tatsächlichen Zuflusses ist eine Gesamtschau der Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers notwendig.
Die auf der Pfändung beruhenden Abzüge bewirken letztlich eine Änderung des Vermögensbestandes beim Kläger. In Höhe der Abzüge
mindern sich seine Schulden. Die so vom Arbeitslosengeld einbehaltenen Beträge gehören mithin zu den Einkünften (vgl. BSG,
Urteil vom 29.09.1987, Az.: 5b RJ 52/86 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG). Der gepfändete Betrag ist dem Kläger tatsächlich
im Sinne der Rechtsprechung zugeflossen, da sich seine Einkommens- und Vermögenssituation zu seinen Gunsten verändert hat.
In Übereinstimmung mit dieser schon früher entwickelten Bezüge der Gesamtschau hat das BSG für den Bereich des SGB II demgemäß
ebenfalls in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Verbindlichkeiten den Zufluss nicht verändern (Urteil des BSG vom
13.03.2009, Az.: B 4 AS 29/08 R) und Verbindlichkeiten nicht vom Einkommen abzuziehen sind (vgl. BSG, Urteile vom 15.04.2008, Az.: B 14 AS 27/07 R; vom 19.09.2008, Az.: B 14/7b AS 10/07 R; vom 30.09.2008, Az.: B 4 AS 29/07 R); insoweit ist der Betrag dem Kläger "tatsächlich" zugeflossen. Dies gilt auch für einen gepfändeten Betrag (vgl BSG Urteil
vom 16.12.2008 Az.: B 4 AS 70/07 R). Und dies gilt auch dann, wenn ein Betrag - wie hier - unmittelbar vom zufließenden Einkommen zu Gunsten des Gläubigers
abgezogen wird (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2009. Az.: B 4 AS 29/08 R).
3. Das BSG hat jedoch nicht stets nur auf den "tatsächlichen" Zufluss abgestellt. Das BSG durchaus auch die Möglichkeit anerkannt,
dass in bestimmten, besonders gelagerten Fällen eine Korrektur notwendig sein kann (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.07.2008,
B 14/7b AS 12/07) und abweichend vom tatsächlichen Zufluss die Einkommensfrage anders beurteilt werden kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt
hier jedoch nicht vor.
a) Eine Abweichung vom tatsächlichen Zufluss ergibt sich bei einer normativen Korrektur des Zuflussprinzips (vgl. u.a. BSG,
Urteil vom 30.07.2008, B 14/7b AS 12/07 R zur Frage der normativen Korrektur durch die Alg II-VO).
Eine solche normative Korrektur ist hinsichtlich der Pfändung für den Bereich des SGB II nicht erfolgt (so ausdrücklich BSG
im Urteil vom 19.09.2008, Az.: B 14/7b AS 10/07 R). Aus dem Gesetz selbst lässt sich eine solche Korrektur nicht ableiten; insbesondere macht die Pfändung das Einkommen
nicht "zweckbestimmt" im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Eine Berücksichtigung von Verbindlichkeiten - gepfändet oder
nicht gepfändet - bei der Ermittlung des Einkommens nach dem SGB II zwar grundsätzlich auch - so das BSG aaO. -über § 11 Abs.
2 SGB II oder § 13 SGB II i.V.m. der Arbeitslosengeld II-Verordnung denkbar. Jedoch ist weder in § 11 Abs. 2 SGB II eine Berücksichtigung
von Verbindlichkeiten als Absetzbetrag vorgesehen (vgl BSG aaO.), noch ist in der auf der Grundlage des § 13 SGB II ergangenen
Alg II-Verordnung eine Regelung enthalten ist, welche im Sinne von § 13 Nr. 1 bestimmt, dass gepfändete Beträge nicht als
Einkommen zu berücksichtigen sind (BSG aaO.).
b) Auch eine Korrektur des tatsächlichen Zuflusses wegen eines "Härtefalls" (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 19.09.2008, Az.:
14/7b AS 10/07 R) ist nicht veranlasst. Ein Härtefall setzt voraus, dass bei Nichtvornahme der Korrektur ein Nachteil für einen Antragsteller
entsteht, der über die Härtefallregelung korrigiert wird. Ein solcher Nachteil entsteht hier wegen der Besonderheit des Mindesteinkommensgrenzbetrags
nach § 6a
BKGG gerade nicht, wenn der tatsächliche Zufluss zugrunde gelegt wird. Ein Nachteil entstünde hier dem Kläger erst, wenn der Pfändungsbetrag
nicht als Einkommen berücksichtigt würde.
c) Anders als die Beklagte meint, ist auch eine Korrektur über den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der "bereiten
Mittel" nicht vorzunehmen.
aa) Nach dem Willen des Gesetzgebers regelt § 11 Abs. 2 die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie das Sozialhilferecht
(BT-Drucks 15/1516 S. 53). Dort galt der Grundsatz, dass der Hilfesuchende sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen
Notlage für sich verwenden muss, wenn er sich dadurch außer Stande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen,
vgl. BVerwGE 66, 342; 55, 148. Mit der bedürftigkeitsabhängigen Sozialhilfe sollte nicht zur Tilgung von Schulden beigetragen werden. Eine Ausnahme hat
das Bundesverwaltungsgericht für bestimmte Fallgestaltungen fehlender "bereiter Mittel" entwickelt, beispielsweise bei der
Pfändung zur Erfüllung eines Unterhaltsanspruchs (BVerwGE 55, 148). Für das SGB II hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli
2006, BGBl I 1705 mit Wirkung zum 1. August 2006 eine entsprechende Regelung als § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II eingefügt;
danach sind Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in
einer notariell bekundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag vom Einkommen abzusetzen.
Das BSG hat aufgrund dieser Überlegungen im Urteil vom 19.09.2008, Az.: B 14/7b AS 10/07 R, ausdrücklich offen gelassen, ob die Vorschrift des § 11 Abs. 2 SGB II für den Bereich des SGB II abschließend ist, oder
ob aus anderen Gründen bestehende und titulierte Ansprüche oder gepfändete oder auf andere Weise zur Disposition bezogene
Einkommensteile das zu berücksichtigende Einkommen mindern.
bb) Wie diese vom BSG offen gelassene Rechtsfrage allein in Bezug auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen
ist, kann hier offenbleiben. Bezüglich Leistungen nach dem SGB II bewirkt die Nichtberücksichtigung von gepfändeten Einkommensteilen,
dass Antragsteller möglicherweise aufgrund des um den Pfändungsteil verminderten Einkommens hilfebedürftig werden. Bei dieser
Zielrichtung spricht vieles dafür, den gepfändeten Einkommensbetrag weiterhin nach dem Grundsatz in voller Höhe als Einkommen
zu berücksichtigen, um den unberechtigten Bezug von steuerfinanzierten Leistungen zu verhindern; dies nicht zuletzt, nachdem
durch die mit der Pfändung einhergehenden Schuldentilgung insgesamt das Vermögen eines Schuldners sich zu seinem Gunsten verändert
(so ausdrücklich BSG-Urteil vom 18.02.1982, Az.: 7 RAr 91/81 zur Bedürftigkeitsprüfung in der Arbeitslosenhilfe). Inwieweit dann ggf. danach zu unterscheiden ist, ob die gepfändeten
Einkommensteile den pfändbaren Betrag übersteigen oder nicht (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 09.02.2006,
Az.: L 5 B 356/05 ER AS) und welche Verpflichtungen einen Antragsteller im Hinblick auf ein Vorgehen gegen die Pfändung treffen, kann hier
ebenfalls offenbleiben.
cc) Denn im Bereich des Kinderzuschlages nach § 6a
BKGG ist die Rechtsfrage jedenfalls bezüglich des Mindesteinkommensgrenzbetrages losgelöst von den Überlegungen zum SGB II ausschließlich
nach Sinn und Zweck der Besonderheiten des Kinderzuschlags zu beurteilen.
Beim Kinderzuschlag besteht die Besonderheit, dass dieser nur bei Überschreiten des Mindesteinkommensgrenzbetrages gewährt
wird. Würde man das Korrektiv der "breiten Mittel" bezüglich des Mindesteinkommensgrenzbetrages anwenden, würde dies - anders
als mit dem Korrektiv beabsichtigt - zu einem Nachteil des Klägers führen. Sein tatsächlich zugeflossenes Einkommen würde
vermindert mit der Folge, dass er keinen Kinderzuschuss erhält. Dies würde zum einen dem Sinn und Zweck des Kinderzuschlags,
Kinderarmut zu verhindern, widersprechen. Zum anderen soll das Korrektiv der "bereiten Mittel" gerade dazu dienen, Antragstellern
soziale Leistungen zukommen zu lassen, die sich trotz Ausschöpfung aller ihnen zur Verfügung stehender Mittel nicht selbst
helfen können, wenn ihr tatsächlich erzieltes und zugeflossenes Einkommen zwangsweise gemindert wird, es also an "breiten
Mittel" fehlt. Ein solcher Zweck, Leistungen zu erhalten, wird durch eine solche Korrektur hier gerade nicht erreicht.
dd) Möglicherweise ist die Beklagte bei ihrer Vorgehensweise davon ausgegangen, die hier vorliegende Fallkonstellation sei
vergleichbar der Fallkonstellation offenen und durchsetzbaren Forderung. Insoweit geht die Rechtsprechung durchaus davon aus,
das ein Bedürftiger verpflichtet sein kann, alle Selbsthilfemöglichkeiten auszuschöpfen, um sich hierdurch "bereite Mittel"
zu verschaffen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.12.2008 Az.: B 4 AS 70/07 R mN zur Rechtsprechung des BVerwG), Hierbei handelt es sich jedoch um zwei nicht vergleichbare Fallkonstellationen. Während
es bei der Durchsetzung von Forderungen darum geht, dass ein Bedürftiger sich erst einmal bereite Mittel durch einen noch
zu erfolgenden tatsächlichen Zufluss zu verschaffen, ist bei Pfändungen der Sachverhalt anders gelagert. Es geht hier gerade
nicht darum, sich im Rahmen einer Selbsthilfeverpflichtung "bereite Mittel" zu verschaffen, indem ein tatsächlicher Zufluss
bewirkt wird. Vielmehr geht es bei einer Pfändung um die Verwendung von bereits tatsächlich zugeflossenem Einkommen. Eine
Selbsthilfeverpflichtung zur Beschaffung von Einkommen kann es daher bei der Pfändung nicht geben.
Eine Selbsthilfeverpflichtung kann bei der Pfändung allenfalls dahingehend bestehen, dass sie zur Beseitigung einer Pfändung
besteht, wenn man gepfändetes Einkommen nicht als tatsächlich zugeflossen werten will (so wohl Landessozialgericht Hamburg,
Beschluss vom 09.02.2006, Az.: L 5 B 356/05 ER AS). Die Besonderheit des Mindesteinkommensbetrags führt bei Annahme einer solchen Selbsthilfeverpflichtung hier jedoch
nicht weiter. Der Kläger hätte möglicherweise gegen die Selbsthilfeverpflichtung verstoßen, indem er nicht gegen die Pfändung
vorgegangen ist, soweit die Pfändung möglicherweise unzulässig war. Folge des Verstoßes gegen die die Selbsthilfeverpflichtung
wäre ggf, (vgl zur offen Rechtsfrage oben unter bb)), dass das gepfändete Einkommen tatsächlich zugeflossen gewertet werden
müsste. Dies wiederum würde bedeuten, dass dem Kläger als Einkommen 1.056,90 EUR zuzuschreiben wären, er also wegen Verletzung
einer angeblichen Selbsthilfeverpflichtung im Ergebnis den Mindesteinkommengrenzbetrag überschritten hätte. Er bekäme wegen
Verletzung einer angeblich bestehenden Selbsthilfeverpflichtung die Sozialleistung Kinderzuschlag. Ein solches Ergebnis wäre
nicht nachvollziehbar.
Nach alledem ist von einem dem Kläger tatsächlich zugeflossenen Betrag in Höhe von 1.056,90 EUR auszugehen. Nachdem der Kläger
damit den Mindesteinkommensgrenzbetrag für den Kinderzuschlag überschritten hat und auch die übrigen Voraussetzungen des §
6a
BKGG erfüllt sind, ist ihm Kinderzuschlag wie beantragt zu bewilligen.
Die Entscheidung beruht auf §
193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren erfolgreich ist.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.