LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.01.2020 - 18 AS 1726/19
Vorinstanzen: SG Berlin 20.08.2019 S 213 AS 13225/15
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2019 geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird unter Änderung der Bescheide vom 27. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2015
(W 4376/15 und W 4378/15), des Bescheides vom 27. April 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Juli 2015 und in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides
vom 7. September 2015 (W 4377/15), des Bescheides vom 15. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2016 (W 10965/15) und des Bescheides vom 2. Dezember 2016 in der Fassung des Bescheides vom 9. Januar 2017 und in der Fassung der Änderungsbescheide
vom 14. Februar 2017, 4. April 2017, 4. Mai 2017 und 6. Juli 2017 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbe-scheides
vom 19. Juli 2017 und in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 10. Januar 2017 (W 10312/16) sowie des Bescheides vom 15. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 verurteilt, den
Klägerinnen für den Zeitraum vom 1. Ja-nuar 2014 bis 30. Juni 2017 höhere Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhaltes
unter Berücksichtigung kopfanteiliger Kosten für Unter-kunft und Heizung in Höhe von 275,58 EUR bzw. 275,59 EUR für die Zeit
vom 1. Januar 2014 bis 31. März 2014, in Höhe von jeweils 278,96 EUR für die Zeit vom 1. April 2014 bis 1. Januar 2015, in
Höhe von jeweils 291,03 EUR für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 31. März 2015, in Höhe von jeweils 294,41 EUR für die Zeit
vom 1. April 2015 bis 31. März 2016, in Höhe von 297,82 EUR bzw. 297,83 EUR für die Zeit vom 1. April 2016 bis 31. Dezember
2016, in Höhe von jeweils 268,34 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 31. März 2017 und in Höhe von jeweils 332,85 EUR
für die Zeit vom 1. April 2017 bis 30. Juni 2017 sowie die Nachzahlung aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2014 vom
9. Dezember 2015 in Höhe von 530,82 EUR zu gewähren. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen im ge-samten Verfahren Die Revision wird
nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der vom Beklagten in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2017 zu tragenden Leistungen für Kosten
der Unterkunft und Heizung (KdUH) nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Die 1972 geborene Klägerin und ihre am 2002 geborene Tochter, die Klägerin zu 2), für die die Klägerin zu 1) mit dem Kindesvater
A E das gemeinsame Sorgerecht be-sitzt, lebten im Streitzeitraum in einem gemeinsamen Haushalt, in der Zeit bis März 2017
zusammen mit der weiteren, 1994 geborenen Tochter V, die ein Vollzeitbiolo-giestudium mit Bezug von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsge-setz
(BAföG) absolvierte und ab 1. April 2017 im Ausland studierte. Mit Schreiben vom 20. Juli 2010 hatte der Beklagte mitgeteilt, dass
die von der Klägerin zu 1) und ihrer Familie zu zahlende Bruttowarmmiete den maßgeblichen Richtwert überschrei-te. Die Klägerin
zu 1) müsse daher ihre Aufwendungen zB durch Untervermietung oder Wohnungswechsel, senken. Die tatsächlichen Aufwendungen
könnten nur noch für einen Zeitraum von längstens zwölf Monaten bis einschließlich 31. Juli 2011 übernommen werden. Ab diesem
Zeitpunkt werde nur noch der Richtwert von maxi-mal 542,- EUR berücksichtigt.
Für die von den Klägerinnen seit dem 1. September 2002 bewohnte, 81 m² große, mit Fernwärme dezentral beheizte Wohnung (Gebäudefläche
10.999,77 m²) fielen im streitgegenständlichen Zeitraum folgende Unterkunftskosten an: für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis
31. März 2014 insgesamt 826,75 EUR (zusammengesetzt aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 520,72 EUR, Betriebskosten in Höhe
von 253,61 EUR und Heizkosten in Höhe von 52,42 EUR), für die Zeit vom 1. April 2014 bis 31. Januar 2015 insgesamt 836,88
EUR (zusammengesetzt aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 530,85 EUR, Betriebskosten in Höhe von 253,61 EUR und Heizkosten
in Höhe von 52,42 EUR), für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 31. März 2015 insgesamt 873,09 EUR (zusammengesetzt aus einer
Nettokaltmiete in Höhe von 530,85 EUR, Betriebskosten in Höhe von 275,70 EUR und Heizkosten in Höhe von 66,54 EUR), für die
Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 insgesamt 883,23 EUR (zusammengesetzt aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 540,99
EUR, Betriebskosten in Höhe von 275,70 EUR und Heizkosten in Höhe von 66,54 EUR), für die Zeit vom 1. April 2016 bis 31. Januar
2017 insgesamt 893,47 EUR (zusammengesetzt aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 551,23 EUR, Betriebskosten in Höhe von 275,70
EUR und Heizkosten in Höhe von 66,54 EUR) und für die Zeit vom 1. Februar 2017 bis 30. Juni 2017 insgesamt 907,56 EUR (zusammengesetzt
aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 551,23 EUR, Betriebskosten in Höhe von 289,79 EUR und Heizkosten in Höhe von 66,54 EUR).
Die Klägerin zu 1) war im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum alleinerziehend. Sie erzielte im Zeitraum von März bis
Juni 2017 ein Erwerbseinkommen in Höhe von 165,- EUR brutto und 157,02 EUR netto. Die Klägerin zu 2) erzielte ein Einkommen
aus Unterhalt in Höhe von 305,- EUR monatlich und aus Kindergeld in Höhe von 184,- EUR im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis
31. Dezember 2015, in Höhe von 190,- EUR monatlich im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 und in Höhe von 192,-
EUR im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017. Die Tochter der Klägerin zu 1), V K, war im Zeitraum vom 1. Januar 2017
bis 31. März 2017 Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerinnen und erzielte ein monatliches Einkommen aus einer Waisenrente
in Höhe von 240,78 EUR, aus Kindergeld in Höhe von 192,- EUR und aus BAföG-Leistungen in Höhe von 375,- EUR.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27. April 2015 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2014 und berücksichtigte dabei
einen Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 645,70 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 28. Februar 2014
sowie in Höhe von 660,- EUR monatlich für die Zeit vom 1. März 2014 bis 30. Juni 2014. Dieselben KdUH-Bedarfe legte der Beklagte
den Bewilligungen für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 31. Dezember 2014 (Bescheid vom 20. Juni 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides
vom 27. April 2015), vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 (Bescheid vom 17. Dezember 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide
vom 27. April 2015 und 24. Juli 2015), 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 (Bescheid vom 15. Dezember 2015), 1. Januar 2017
bis 30. Juni 2017 (Bescheid vom 2. Dezember 2016 in der Fassung des Bescheides vom 9. Januar 2017 und der Änderungsbescheide
vom 14. Februar 2017, 4. April 2017, 4. Mai 2017 und 6. Juli 2017 und in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides
vom 19. Juli 2017). Im Dezember 2015 erhielten die Klägerinnen die Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2014 vom
9. Dezember 2015, wonach sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 530,82 EUR ergab, den sie bis spätestens 1. Januar 2016 auf
das Konto der Hausverwaltung zu zahlen hatten. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf Nachzahlung
mit der Begründung ab, dass bereits ab dem 1. August 2011 nur noch KdUH in Höhe der Richtwerte zur WAV anerkannt und Betriebs-
und Heizkostennachzahlungen sowie Mieterhöhungen bei unveränderter Sachlage nicht berücksichtigt würden. Den dagegen eingelegten
Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2016 zurück. Die Widersprüche der Klägerinnen
gegen die o.g. Bewilligungsentscheidungen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 9. Juni 2015 (W 4376/15 und W 4378/15), 7. September 2015 (W 4377/15), 4. Januar 2016 (W 10965/15) und 10. Januar 2017 (W 10312/16) als unbegründet zurück.
Die Klägerinnen tragen im Wesentlichen vor, dass ihnen eine Senkung der KdUH durch einen Umzug aus gesundheitlichen und sozialen
Gründen nicht zumutbar gewesen sei. Die Klägerin zu 1) habe im streitgegenständlichen Zeitraum an einer chronischen psychischen
Erkrankung gelitten. Auch für die Klägerin zu 2) wäre aufgrund einer psychischen Erkrankung mit erheblicher emotionaler Belastung
ein Wohnungs- und Lebensmittelpunktwechsel kontraproduktiv für ihre weitere Stabilisierung gewesen.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die gegen die o.g. Widerspruchsbescheide angestrengten Klageverfahren verbunden und Befund- und Behandlungsberichte
der die Klägerinnen im Streitzeitraum behandelnden Ärzte erstatten lassen; auf deren Inhalt wird verwiesen. Es hat ferner
den Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat am 25. April
2019 ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin zu 1) am 18.
April 2019 erstattet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Mit Urteil vom 20. August 2019 hat das SG antragsgemäß die Bescheide vom 27. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2015 (W 4376/15 und W 4378/15), den Bescheid vom 27. April 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Juli 2015 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 7. September 2015 (W 4377/15), den Bescheid vom 15. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2016 (W 10965/15) und den Bescheid vom 2. Dezember 2016 in der Fassung des Bescheides vom 9. Januar 2017 und in der Fassung der Änderungsbescheide
vom 14. Februar 2017, 4. April 2017, 4. Mai 2017 und 6. Juli 2017 sowie in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides
vom 19. Juli 2017 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2017 (W 10312/16) sowie den Bescheid vom 15. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 geändert und den
Beklagten verurteilt, den Klägerinnen für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen KdUH sowie der Nachzahlung aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2014 vom
9. Dezember 2015 in Höhe von 530,82 EUR zu gewähren. Zur Begründung ist ua ausgeführt: Die Klägerinnen hätten in dem in Rede
stehenden Zeitraum Anspruch auf KdUH-Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlich geschuldeten KdUH. Ein Umzug sei den
Klägerinnen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar gewesen. Dies gelte für die Jahre
2014 und 2015 generell wegen der Erkrankung der Klägerin zu 2). Soweit im Übrigen ein Umzug der Klägerin zu 1) nach Angaben
des Sachverständigen nur im fußläufig erreichbaren Umfeld des Wohnbezirks möglich gewesen sei, sei nicht belegt, dass insoweit
angemessener Wohnraum zur Anmietung zur Verfügung gestanden habe. Einem Umzug innerhalb des gesamten Vergleichsraums hätten
daher ebenfalls gesundheitliche Gründe der Klägerin zu 1) entgegengestanden.
Mit der Berufung wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil. Er trägt vor: Die erstinstanzliche Beweiserhebung stütze die
Schlussfolgerungen des SG nicht. Ein Umzug jedenfalls innerhalb des Stadtbezirks sei nach den Feststellungen des Sachverständigen möglich und zumutbar
gewesen. Die Klägerin zu 1) habe sich zu keiner Zeit ernsthaft bemüht, eine kostengünstigere Wohnung im näheren oder weiteren
Umkreis zu suchen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, verwiesen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (vgl §§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG)).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist nur teilweise begründet. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen
für KdUH für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2017 unter Berücksichtigung der im Streitzeitraum tatsächlich geschuldeten
Unterkunftskosten für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2016, wie sie sich unter entsprechender Klarstellung des
erstinstanzlichen Urteils kopfteilig aus dem Tenor ergeben, sowie für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 im tenorierten
(niedrigeren) Umfang; insoweit, dh hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017, war die Berufung teilweise
begründet und die auf Berücksichtigung der tatsächlichen kopfanteiligen KdUH-Bedarfe gerichtete Klage abzuweisen.
Das SG hat in der Sache beanstandungsfrei durch Grundurteil entschieden, das auch im Höhenstreit zulässig ist, wenn - wie hier -
Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs so umfassend aufgeklärt sind, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren
Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der Klage gefolgt wird (vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 81/12 R - juris - Rn 10 mwN). Die Entscheidungen über Leistungen für KdUH stellen von den übrigen Regelungen im Bescheid über die
Gewährung von Arbeitslosengeld II abtrennbare Verfügungen im Sinne eines eigenständigen Verwaltungsaktes dar, so dass die
Beschränkung des Streitgegenstandes hierauf zulässig ist (vgl BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 78 - Rn 10). Die minderjährige Klägerin zu 2) ist ordnungsgemäß im Verfahren vertreten, weil der
ebenfalls sorgeberechtigte Vater der Führung des Verfahrens durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde zugestimmt hat.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt: Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen
sind. Die Ermittlung der Angemessenheit der KdUH erfordert eine Einzelfallprüfung. Diese hat für die Unterkunftskosten und
die Heizkosten getrennt zu erfolgen (vgl BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R = BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23 - Rn 18). Die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen sind in den Personen der Klägerinnen erfüllt.
Die tatsächlichen KdUH sind - ungeachtet ihrer Angemessenheit iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II - von dem Beklagten nicht schon deshalb zugrunde zu legen, weil es an einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung gefehlt
hätte. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt insoweit: Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen
Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder
der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere
Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Vorschrift begründet eine Obliegenheit
des Leistungsberechtigten zur Kostensenkung, wenn die tatsächlichen Kosten höher als die angemessenen Kosten sind (vgl BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R = BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 - Rn 30). Kostensenkungsmaßnahmen sind dem Leistungs-berechtigten aber nur dann subjektiv möglich,
wenn er Kenntnis von dieser Obliegenheit hat. Bevor er nicht von dem zuständigen Leistungsträger darauf aufmerksam gemacht
worden ist, dass nach dessen Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der gemieteten Wohnung unangemessen hoch sind, ist
es ihm subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Dem steht nicht entgegen, dass § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II kein Erfordernis einer Kostensenkungs-aufforderung enthält, denn der Hinweis auf die Rechtslage hat allein Aufklärungs- und
Warnfunktion. Bezweckt werden soll damit, dass der Leistungsberechtigte Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen
Aufwendungen für die Unterkunft erhält. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II normiert damit keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers
bei der Suche nach einer anderen, angemessenen Unterkunft. Die Vorschrift stellt auch keine sonstigen erhöhten inhaltlichen
oder formellen Anforderungen an diese Erklärung. Allerdings erfordert die Aufklärungs- und Warnfunktion, dass zumindest die
Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt, da dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der
Angemessenheit ist. Diese Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden Schutzfunktion. Mit der Zumutbarkeitsregelung soll verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte sofort
bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine Übergangszeit verbleiben,
in der er sich um Kostensenkungsmaßnahmen bemühen kann. Ist ein Umzug erforderlich, etwa um eine Wohnung zu einem angemessenen
Mietpreis anzumieten, besteht eine "Schonzeit" nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungs-maßnahmen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 19/09 R = BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28 Rn 15,16). Die Sechs-Monatsfrist ist jedoch kein starrer Zeitraum; vielmehr sind Abweichungen nach
oben und nach unten zulässig, wie schon dem Wortlaut der Norm zu entnehmen ist (vgl BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 28/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 67 - Rn 20).
Dabei ist ohne Belang, dass die Kostensenkungsaufforderung lediglich auf eine nach Ansicht des Leistungsträgers als angemessen
erachtete Bruttowarmmiete hinweist, ohne zwischen Grundmiete, "kalten" Nebenkosten und Heizkosten zu differenzieren, und ob
die genannte Mietobergrenze sachlich-inhaltlich richtig ist, denn der Streit darüber, ob die vom Leistungsträger vorgenommene
Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage auszutragen, welche
Aufwendungen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen sind (vgl BSG, Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R - juris - Rn 33,34 mwN; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn 40). Allein die objektiv fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete führt nur dann zur subjektiven Unmöglichkeit
der Kostensenkung, wenn dadurch bewirkt wird, dass der erwerbs-fähige Hilfebedürftige seine Suche auf Grund der unzutreffenden
Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt (BSG aaO). Ein Erfordernis zur nochmaligen Information über die Unangemessenheit der Aufwendungen und die Obliegenheit der Kläger
zur Kostensenkung besteht ausnahmsweise nur dann, wenn ein objektiver Beobachter auf Empfängerseite bei verständiger Würdigung
des Sachverhalts aus einem Verhalten des Leistungsträger hätte schließen dürfen, dass sich der Leistungsträger an eine zuvor
erteilte Information nicht mehr festhalten lassen will (vgl BSG, Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn 35). Sind dem Leistungsberechtigten die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es nicht einmal der Aufklärung
(vgl BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 - Rn 29).
Ausgehend davon genügt die Mitteilung des Beklagten vom 20. Juli 2010, mit dem die Klägerinnen darüber informiert wurden,
dass ihre KdUH die angemessenen Kosten überstiegen, so dass sie diese Kosten senken müssten, den Anforderungen an eine Kostensenkungsaufforderung
mit der erforderlichen Aufklärungs- und Warnfunktion. Der Beklagte hatte zudem in dieser Mitteilung angekündigt, dass die
tatsächlichen Aufwendungen längstens bis einschließlich Juli 2011 anerkannt und übernommen würden. Der Beklagte hat nachfolgend
durch kein entsprechendes Verhalten deutlich gemacht, dass er inzwischen bezüglich der Beurteilung der Angemessenheit der
KdUH seine Auffassung geändert habe. In den tatsächlichen Verhältnissen der Klägerin traten seit der Mitteilung des Beklagten
vom 20. Juli 2010 auch keine wesentlichen Änderungen bezüglich der Unterkunft, wie eine Änderung der Bewohnerzahl (vgl dazu
BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 28/12 R - Rn 19) oder der Wohnungsgröße, den maßgeblichen unterkunftsbezogenen Kriterien für die Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete,
ein, die objektiv oder auch aus Sicht der Kläger eine grundsätzliche Neubewertung der Angemessenheit hätte rechtfertigen können.
Aus dem bloßen Zeitablauf einer wirksamen Kostensenkungs-aufforderung kann jedenfalls dann nichts hergeleitet werden, wenn
der Leistungs-träger nicht erkennbar gemacht hat, dass er an der Kostensenkungsaufforderung nicht mehr festhalten wolle (vgl
BSG, Urteil vom 16. April 2016 - B 14 AS 28/12 R - Rn 41). Die Klägerinnen waren daher hinsichtlich der Verpflichtung zur Senkung der tatsächlichen KdUH mit Zugang der
Kostensenkungsaufforderung vom 20. Juli 2010 (vgl insoweit das am 7. September 2010 beim Beklagten eingegangene Schreiben
der Klägerin zu 1) als "bösgläubig" anzusehen. Ungeachtet dessen, dass die im Streitzeitraum geschuldeten tatsächlichen KdUH
nicht angemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen sein dürften, was hier in-des einer abschließenden Prüfung nicht bedarf, rechtfertigen die bei den Klägerinnen in
dem in Rede stehenden Zeitraum vorliegenden gesundheitlichen Beschwerden ausnahmsweise die weitere Übernahme selbst unangemessener
KdUH durch den Beklagten nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, weil den Klägerinnen ein Wohnungs-wechsel nicht zumutbar war. Der vorliegende Fall rechtfertigt die Annahme eines sel-tenen
Ausnahmefalles der Unzumutbarkeit eines Umzuges aus gesundheitlichen Gründen unter Berücksichtigung der hierzu in Literatur
und Rechtsprechung vertrete-nen Ansichten. An die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit sind
strenge Anforderungen zu stellen (vgl BSG, Urteil vom 19. Feb-ruar 2009 - B 4 AS 30/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19; Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R - juris). Die Möglichkeit und Zumutbarkeit umgehender und nach-zuweisender Kostensenkungsbemühungen - auch durch Umzug
- sind in aller Regel anzunehmen. Die Norm sieht damit selbst bei Vorliegen von "Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit" vor, dass
"in der Regel" spätestens nach sechs Monaten nur noch die Aufwendungen in Höhe der Referenzmiete erstattet werden sollen (Regelfall).
Da einerseits das Recht jedoch auch von Hilfebedürftigen bei der Suche von Alternativ-wohnungen "nichts Unmögliches oder Unzumutbares"
verlangen kann, andererseits aber die Übernahme überhöhter KdUH angesichts der genannten Rechtsfolgenano-rdnung exzeptionellen
Charakter haben soll, sind im Rahmen der Bestimmung der Ausnahmen vom Regelfall strenge Anforderungen an die Auslegung der
Tatbe-standsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit zu stellen. Die Erstattung nicht angemessener KdUH bleibt der durch
sachliche Gründe begründungspflichtige Ausnahmefall und die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder
subjektiver Unzumutbarkeit bestehen; unangemessen hohe KdUH werden auch bei Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen
nicht zu angemessenen KdUH. Was für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten gilt, gilt auch für
die Zumutbarkeit eines Umzuges bei unangemessen hohen Unterkunfts-kosten. Gewährleistet wird indes nicht der Verbleib in einer
konkreten Unterkunft bzw dem unmittelbaren Wohnumfeld; vielmehr soll sozialer Entwurzelung oder einer Ent-wertung als elementar
qualifizierter Kontakte und Lebensgewohnheiten vorgebeugt werden; ein Umzug innerhalb des örtlichen Vergleichsraums - hier
des Landes Ber-lin - ermöglicht grundsätzlich wegen der für die Vergleichsraumbildung vorausgesetz-ten Vernetzung, soziale
Bindungen auch nach Umzügen aufrecht zu erhalten (vgl BSG 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R - juris). Ein Wechsel in Wohnquartiere, die in einer in angemessener Zeit überwindbaren Entfernung gelegen sind, ist regelmä-ßig
nicht unzumutbar; Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wie sie Erwerb-stätigen oder Schülern zugemutet werden, sind
hinzunehmen (vgl BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/06 R - juris). Weitergehende Einschränkungen der Obliegenheit zur Senkung unangemessener KdUH im Sinne subjektiver Unzumutbarkeit
bedürfen besonderer Begründung. Beruft sich ein Hilfebedürftiger darauf, sich zB örtlich nicht verändern oder seine Wohnung
nicht aufgeben zu können, müssen hierfür besondere Gründe vorliegen, die einen Ausnahmefall begründen können. Hierfür kommen
insbesondere grundrechtsrelevan-te Sachverhalte oder Härtefälle in Betracht. Dazu gehört etwa die Rücksichtnahme auf das soziale
und schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger Kinder, die möglichst nicht durch einen Wohnungswechsel zu einem Schulwechsel
gezwungen werden sollten; ebenso kann auf Alleinerziehende Rücksicht genommen werden, die zur Betreuung ihrer Kinder auf eine
besondere Infrastruktur angewiesen sind, die bei einem Wohnungswechsel in entferntere Ortsteile möglicherweise verloren ginge
und im neuen Wohnumfeld nicht ersetzt werden könnte. Ähnliches kann für kranke, be-hinderte oder pflegebedürftige Menschen
bzw. für die sie betreuenden Familienan-gehörigen gelten, die zur Sicherstellung der Teilhabe behinderter Menschen ebenfalls
auf eine besondere wohnungsnahe Infrastruktur angewiesen sind. Zur Überzeugung des Senats lag bei den Klägerinnen nach dem
Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG) eine subjektive Unzumutbarkeit des Umzuges im dargelegten Sinne jedenfalls in den Jahren 2014 und 2015 vor. Der Senat stützt
diese Erkenntnis im Wesentlichen auf das schlüssige und nach anerkannten Methoden erstellte gerichtliche Sachverständigengutachten
von Dr. B, der einerseits nach ambulanter Untersuchung der Klägerin zu 1) und unter Berücksichtigung aller einschlägigen Vorbefunde
der behandelnden Ärzte ausgeführt hat, dass der Klägerin zu 1) zwischen Januar 2014 und Juni 2017 zwar (nur) zumutbar war,
aufgrund der von ihm festgestellten Leiden (Depression; Ich-strukturelle Defizite) in eine andere Wohnung im näheren, vertrauten
und "fußläufig" erreichbaren Umfeld und im weiteren Umkreis im selben Stadtbezirk, nicht aber in einen anderen Bezirk B, umzuziehen.
Hinzu kommt aber, dass er nach Aktenlage und Würdigung der ärztlichen Unterlagen betr. die Klägerin zu 2) die Einschätzung
des behandelnden Kinder- und Jugendpsychiaters R für plausibel hält, dass der Klägerin zu 2) ein Umzug in den Jahren 2014
und 2015 aufgrund einer emotionalen Instabilität gänzlich unzumutbar war. Für die hier zu treffende retrospektive Betrachtung
des mittlerweile augenscheinlich deutlich verbesserten Gesundheitszustandes der Klägerin zu 2) ist ein Aktenlagegutachten
ausreichend. Damit ist zur Überzeugung des Gerichts von einer subjektiven Unzumutbarkeit der Kostensenkung für beide Klägerinnen
auszugehen und waren in dieser Zeit die tatsächlichen KdUH als Bedarf (jeweils kopfanteilig) zu berücksichtigen. Ein Umzug
der Klägerinnen per se war aber jedenfalls in den Jahren 2016 und 2017 zwar nicht ausgeschlossen, entscheidend ist indes insoweit,
dass gerade kein Um-zug innerhalb des (großen) Vergleichsraums des Landes B in Betracht kam, sondern - wie der Sachverständige
plausibel dargelegt hat - nur innerhalb desselben Stadtbe-zirks (N). Demgemäß kommt für die Beurteilung der Frage, ob innerhalb
dieses ein-geschränkten Bereichs angemessener Wohnraum in erforderlichem Umfang existier-te, wie auch (schon) für die Prüfung
der Angemessenheit der Kosten nur ein erheb-lich eingeschränktes Vergleichsgebiet in Betracht. Rückschlüsse aus den einschlägi-gen
(Gesamt-)B Mietspiegeln auf die konkrete Verfügbarkeit angemessenen Wohn-raums in einem einzelnen B Bezirk waren und sind
nicht möglich; derartige Schlüsse sind allenfalls in Bezug auf den Vergleichsraum des gesamten Landes B statthaft. Indes steht
auch fest, dass ernsthafte Bemühungen der Klägerin zu 1), günstigeren Ersatzwohnraum in dem in Betracht kommenden räumlichen
Umfeld zu finden, nicht erfolgten. Solange - wofür der Beklagte letztlich die Beweislast trägt - jedoch nicht feststellbar
ist, ob im hier zu betrachtenden Zeitraum überhaupt ausreichend Wohnraum zu der vom Beklagten erstmals schon 2010 aus seiner
Sicht mitgeteilten und dann den an-gefochtenen Bescheiden zugrunde gelegte Angemessenheitsgrenze in Höhe von zuletzt 660,-
EUR monatlich in dem in Betracht kommenden engeren räumlichen Bereich existierte und eine Angemessenheitsgrenze in dem hier
heranzuziehenden Bereich iS eines schlüssigen Konzepts, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse
des hier in Betracht zu ziehenden räumlich sehr begrenzten Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (vgl BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris - Rn 16), gar nicht ermittelbar sein dürfte, ist zugunsten der Klägerinnen bei im Streitzeitraum unverändertem
Gesundheitszustand der Klägerin zu 1) von einem Erkenntnisausfall auszugehen, der das Gericht berechtigt, bezüglich der Jahre
2016 und 2017 auf die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzugreifen bzw den Beklagten verpflichtet, die tatsächlichen Bruttokalt-Mietkosten bis zum Tabellenwert nach § 12 WoGG zzgl eines Sicherheitszuschlages von 10% zu übernehmen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Der Beklagte hat nämlich schon Überlegungen zur Bestimmung eines schlüssigen Konzeptes für den
hier maßgeblichen Vergleichsraum (Berlin-Neukölln) nicht angestellt. Die von ihm angewandten Ausführungsvorschriften stellen
schon deswegen kein entsprechendes Konzept dar, weil sie sich auf den Vergleichsraum des gesamten Landes Berlin beziehen.
Für den hier heranzuziehenden Vergleichsraum bestehen in Bezug auf den Streitzeitraum keine validen Erkenntnismöglichkeiten,
zumal auch die Faktoren, die das Produkt "Mietpreis" bestimmen (Standard, ggf auch ausgedrückt in Jahr des ersten Bezuges
bzw der letzten Renovierung plus Wohnungsgröße und Ausstattung), in eine entsprechende Auswertung einfließen müssen. Für den
nunmehr schon mehrere Jahre zurückliegenden Zeitraum kommt mangels derartiger Anknüpfungstatsachen auch ein Sachverständigengutachten
nicht in Betracht. Da mit Bezug auf die Wohngeldtabelle ein abstrakter, vom Einzelfall und den konkre-ten Umständen im Vergleichsraum
unabhängiger Hilfswert mit der Funktion einer Ausgabenbegrenzung herangezogen wird, ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der
Tabelle (die rechte Spalte) zurückzugreifen. Die Tabelle weist für B die Mietstufe IV aus (zur Festlegung der Mietstufe vgl
BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R - juris). Zur Bestimmung der individuellen KdUH-Bedarfe bleibt es beim Kopfteil-prinzip, allerdings ändert sich für die
Klägerinnen der Maßstab zur Bestimmung an-gemessener Wohn- und Heizkosten auf abstrakte Werte für eine Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft
(vgl BSG, Urteil vom vom 25. April 2018 - B 14 AS 14/17 R - juris), weil die Tochter V ihren Bedarf in der Zeit bis 31. Dezember 2016 aus eigenem Einkommen decken konnte und daher
nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht zur Bedarfsgemeinschaft zählte. Ab 1. April 2017 war sie ohnehin nicht mehr Haushaltsangehörige, was indes für die
Anwendung von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II unerheblich ist (vgl BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 28/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 67 - Rn 18). Ein Zuschlag wegen Alleinerziehung ist im Rahmen von § 12 WoGG nicht zu gewähren (vgl BSG aaO Rn 29). Die im WoGG nicht enthaltenen Heizkosten sind in tatsächlicher Höhe bis zum "Nichtprüfgrenzwert" nach dem einschlägigen bundesweiten
co2gGmbH-Heizspiegel abzüglich des im Heizspiegel veranschlagten Werts für die Energie zur Warmwassererzeugung hinzuzurechnen.
Dies sind bei der hier anzusetzenden Gebäudefläche (Fernwärme) und bei dezentraler Warmwasserbereitung nach Maßgabe des Heizspiegels
2016 17,42 EUR/m² jährlich und monatlich somit 87,10 EUR. Dabei wurden aus den Werten des Heizkostenspiegels für zentrale
Warmwasserbereitung gemäß den dort enthaltenen Angaben unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 2 Satz 4 Heizkostenverordnung der Anteil der Wasserbereitungskosten herausgerechnet und so die reinen Raumwärmekosten ermittelt. Der Richtwert nach § 12 WoGG beläuft sich zzgl des Zuschlags von 10% somit für 2016 und 2017 auf 578,60 EUR (526,- EUR zzgl 10 %), wobei für die Zeit
vom 1. Januar bis 31. März 2017 der Wert für drei Personen (688,90 EUR WoGG-Miete zzgl 116,13 EUR (17,42 EUR/m² im Jahr) Heizkosten) zugrunde zu legen ist. Für die Klägerinnen ergeben sich danach zu
grundsätzlich berücksichtigungsfähige kopfanteilige KdUH in Höhe von jeweils monatlich 332,85 EUR (665,70:2) für die Zeit
vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 und vom 1. April 2017 bis 30. Juni 2017. Für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 31.
März 2017 ergeben sich nach den Werten für eine 3-Personen-Bedarfsgemeinschaft jeweils monatlich kopfanteilig 268,34 EUR.
Der Beklagte hat jeweils geringere anteilige Bedarfe im (gesamten) Streitzeitraum berücksichtigt, das SG im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 die höheren tatsächlichen KdUH. Demgemäß war das Urteil des SG zu korrigieren, soweit das SG für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 den Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen unter Berücksichtigung
der (noch) höheren tatsächlichen (Gesamt-)KdUH verurteilt hat, und der Tenor insgesamt für den gesamten Streitzeitraum klarstellend
(kopfanteilige zu berücksichtigende KdUH) zu fassen. Da sich für die gesamten streitigen Zeitraum weitergehende Leistungsansprüche
ergeben, konnte durch Grundurteil entschieden werden. Die Nachzahlung aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2014 war
im Dezember 2015 fällig und zählte zwar in diesem Monat zum aktuellen tatsächlichen Bedarf, Grund und Höhe richten sich aber
nach den Verhältnissen im Jahr 2014, wo der Beklagte kopfanteilig nur 220,- EUR monatlich als KdUH bei den Klägerinnen berücksichtigt
hatte. Da für 2014 die tatsächlichen KdUH zu berücksichtigen sind, war die Nachzahlung daher insgesamt vom Beklagten zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Kläge-rinnen im Wesentlichen im Rechtsstreit obsiegt haben. Gründe für eine Zulassung der Revision
gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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