Feststellung der gesundheitlichen Merkmale des Merkzeichens "G" im Schwerbehindertenrecht
Anforderungen an die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen bei nicht explizit benannten gesundheitlichen Störungen
Gründe
I.
Mit seiner Berufung begehrt der Kläger noch die Feststellung des gesundheitlichen Merkmals (im Folgenden auch: Merkzeichen) „G“ sowie die Ausstellung des Beiblatts für unentgeltliche Personenbeförderung.
Der am xxxxx 1966 geborene Kläger stellte am 3. September 2014 einen Erstfeststellungsantrag nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes
Buch (
SGB IX) bei der Beklagten. Zuletzt stellte die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 19. August 2015 einen Grad der Behinderung (im Folgenden: GdB) von 60 für eine psychische Störung (Teil-GdB von 50) und eine Funktionsstörung der Wirbelsäule (Teil-GdB von 30) fest.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 beantragte der Kläger die Ausstellung des Beiblattes mit Wertmarke für die unentgeltliche
bzw. ermäßigte Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr. Die Beklagte lehnte dies am 7. Dezember 2015 mit der Begründung
ab, ein Beiblatt werde nur an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die im Besitz eines gültigen Schwerbehindertenausweises
mit den Merkzeichen G, Gl oder H seien. Der Kläger gehöre nicht zu diesem Personenkreis.
Gegen den ihm am 15. Dezember 2015 zugegangenen Bescheid legte der Kläger am 13. Januar 2016 Widerspruch ein und trug vor,
ihm stünden die Merkzeichen G und B zu, weil er wegen seiner Rückenerkrankung mit starken Schmerzen in seiner Beweglichkeit
stark eingeschränkt sei. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung in Form von Depressionen und Angstzuständen sei er bei der
Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln zudem auf eine Begleitperson angewiesen. Wenn er allein fahre, habe er fast immer
Panikattacken und es komme zu unkontrollierten Handlungen wie beispielsweise dem Öffnen der Tür während der Fahrt.
Nach Auswertung eingeholter Befund- und Behandlungsberichte lehnte die Beklagte die beantragte Neufeststellung mangels wesentlicher
Änderung der Verhältnisse mit Bescheid vom 5. August 2016 ab. Der neben den bereits anerkannten Gesundheitsstörungen zusätzlich
berücksichtigte Kniegelenksverschleiß wirke sich aufgrund eines Teil-GdB von 10 nicht auf den Gesamt-GdB aus. Die Voraussetzungen
für die beantragten Merkzeichen G und B lägen nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger am 30. August 2016 Widerspruch und beantragte nunmehr die Feststellung der Voraussetzungen für
die Merkzeichen G und H sowie erneut die Ausstellung des Beiblattes für unentgeltliche Personenbeförderung. Er sei am 8. August
2016 aufgrund starker Rückenbeschwerden in der Notfallaufnahme der A. behandelt worden. Sein psychischer Zustand sowie die
Beschwerden im Kniegelenk hätten sich wesentlich verschlechtert, sodass er kaum noch Strecken über 50 m ohne starke Schmerzen
zurücklegen könne.
Nach Einholung des Entlassungsberichts der A. und eines Befund- und Behandlungsberichts der behandelnden Ärztin L. sowie
der Auswertung dieser Unterlagen durch den Ärztlichen Dienst (Stellungnahme Dr. S., Bl. 82 der Verwaltungsakte der Beklagten) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2017 zurück. Zur Begründung führte
sie aus, dass die Behinderung des Klägers mit einem GdB von 60 angemessen bewertet worden und keine wesentliche Änderung in
den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten sei. Auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, H und
B lägen nicht vor. Schließlich könne auch kein Beiblatt für die unentgeltliche Personenbeförderung ausgegeben werden, weil
der Kläger nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre.
Am 24. März 2017 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg und begehrte die Feststellung eines höheren GdB als 60 sowie
des Merkzeichens G und der Ausstellung des Beiblattes für die unentgeltliche Personenbeförderung.
Das Gericht holte Befund- und Behandlungsberichte der behandelnden Ärzte des Klägers sowie Gutachten von der Deutschen Rentenversicherung
K. ein. Des Weiteren holte das Gericht ein Sachverständigengutachten auf orthopädisch/chirurgischem Fachgebiet durch Dr. U.
ein. In seinem Gutachten vom 18. Januar 2018 diagnostizierte der Sachverständige nach ambulanter Untersuchung des Klägers
degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule, betont an der Halswirbelsäule, geringer auch an der Lendenwirbelsäule mit Neigung
zu wiederkehrend auftretenden Nacken- und Rückenschmerzen ohne Hinweise auf das Vorliegen von Nervenwurzelreizerscheinungen
oder Ausfallerscheinungen. Vorhanden sei zudem ein chronisches Schmerzsyndrom. Des Weiteren bestünden ein Zustand nach Innenmeniskusoperation
rechts mit geringgradigen Restbeschwerden im rechten Kniegelenk sowie röntgenologisch bekannte Verschleißveränderungen am
rechten Hüftgelenk mit nur geringer Bewegungseinschränkung und geringfügigen Beschwerden. Darüber hinaus bestehe eine schwere
psychische Erkrankung mit Depressionen bei Zustand nach Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie Entzug von Alkohol und Drogen.
Anamnestisch bestünden keine Panikattacken mehr in öffentlichen Verkehrsmitteln. In den gesundheitlichen Verhältnissen sei
gegenüber den Befunden, die dem Bescheid vom 19. August 2015 zugrunde gelegen hätten, auch insofern eine Änderung eingetreten,
als seinerzeit die Kniebeschwerden nicht mit in den Bescheid aufgenommen worden seien. Es liege ein Gesamt-GdB von 60 vor,
wobei die degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule mit Betroffenheit von zwei Wirbelsäulenabschnitten einschließlich
eines chronischen Schmerzsyndroms als mittelgradigen funktionellen Auswirkungen mit einem Teil-GdB von 30 einzuschätzen seien.
Für die degenerativen Veränderungen am rechten Kniegelenk und am rechten Hüftgelenk sei ein Teil-GdB von jeweils 10 anzunehmen,
für die psychischen Störungen ein Teil-GdB von 50. Die führende Gesundheitsstörung sei die psychische Erkrankung, in die Folgen
des Alkohol- und Drogenkonsums mit anschließender Depression einflössen, aber auch die geklagten chronischen Schmerzen. Die
degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule seien, was das Morphologische und Funktionelle betreffe, eher als moderat einzustufen.
Der GdB resultiere im Wesentlichen aus der Berücksichtigung der gleichzeitig bestehenden chronischen Schmerzen. Insofern gebe
es Überschneidungen mit den psychischen Veränderungen. Die degenerativen Veränderungen am rechten Kniegelenk und auch am rechten
Hüftgelenk seien als geringfügig einzustufen und führten weder aufgrund der Höhe des GdB noch aufgrund der feststellbaren
funktionellen Defizite zu einer Verstärkung der vorgetragenen Beschwerden und somit auch nicht zur Erhöhung des Gesamt-GdB.
Mit Blick auf das Merkzeichen G führte der Sachverständige weiter aus, dass der GdB von 60 im Wesentlichen durch die psychische
Störung begründet werde. Die feststellbaren Veränderungen am Bewegungsapparat seien demgegenüber nicht geeignet, eine erhebliche
Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr zu begründen. Eine solche ergebe sich auch nicht aus dem chronischen
Schmerzsyndrom, da hierfür weder die Untersuchung noch die Befragung des Klägers ausreichend Anhaltspunkte geboten hätten.
So erfolge nur unregelmäßig eine Schmerztherapie mit Ibuprofen und es fehle die Bereitschaft des Klägers, an Aktivierungsmaßnahmen
wie körperlicher Bewegung oder physikalischen Behandlungsmaßnahmen mitzuwirken.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. November 2019 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass bei ihm
ein höherer GdB als 60 oder das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens G festgestellt
werde. Die Begutachtung durch den Sachverständigen habe ergeben, dass der GdB mit 60 zutreffend bewertet sei und dass die
Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht vorlägen. Damit habe der Kläger auch keinen Anspruch auf die Ausstellung des Beiblattes
für unentgeltliche Personenbeförderung. Wesentliche Gesundheitsstörung sei die psychische Beeinträchtigung des Klägers, die
unter Berücksichtigung der Stellungnahme der behandelnden Ärztin L. mit einem Teil-GdB von 50 ausreichend bewertet sei. Die
Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 30 ebenfalls zutreffend eingeschätzt. Weitere Erkrankungen
des Klägers, die sich auf die Höhe des Gesamt-GdB auswirken könnten, lägen nicht vor. Schließlich sei der aus den Teil-GdB
der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers gebildete Gesamt-GdB von 60 nicht rechtsfehlerhaft, sondern entspreche
der Regelung des §
152 Abs.
3 Satz 1
SGB IX. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G lägen nach den insoweit anwendbaren §§ 228, 229
SGB IX nicht vor. Der Kläger gehöre nicht zu dem in Teil D Nr. 1 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) beispielhaft genannten Personenkreis. Diesem sei er auch nicht gleichzustellen, weil er nicht unter ähnlich schweren Einschränkungen
der Gehfähigkeit leide. Weder die Auswirkungen der Funktionsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet noch die im Rahmen der
psychischen Erkrankung bewertete somatoforme Schmerzstörung führten dazu, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit
in diesem Sinne vorläge. Das Gericht schließe sich insoweit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. U. an. Auch die Kombination
der beiden Störungen führe nicht dazu, dass der Kläger als erheblich gehbehindert anzusehen sei. Dies zum einen, weil allein
aufgrund der somatoformen Schmerzstörung und der Funktionsstörungen der Wirbelsäule, die sich im Wesentlichen durch Schmerzen
äußerten, kein sich auf die Gehfähigkeit auswirkender GdB von 50 erreicht werde, da hinsichtlich der Schmerzen eine Überschneidung
vorliege. Zum anderen habe der Kläger im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen ein flüssiges und zügiges Gangbild
ohne Hinweise auf Gangstörungen gezeigt. Der Sachverständige habe auch keine Hinweise auf eine tatsächliche Mindernutzung
der unteren Extremitäten feststellen können. Die Wirbelsäule sei in allen Bewegungsebenen schmerzfrei und gut beweglich gewesen.
Schließlich fände sich in keinem Bericht der den Kläger langjährig behandelnden Fachärzten L. ein Hinweis auf eine Klage über
dauerhafte Schmerzen. Soweit der Kläger vortrage, dass bei ihm aufgrund der seelischen Beeinträchtigungen eine innere Gehbehinderung
vorliege, führe das nicht zur Feststellung der Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens G.
Gegen das ihm am 9. Dezember 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Januar 2020 Berufung eingelegt, mit der nur noch
er die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G sowie die Ausstellung des Beiblattes für die unentgeltliche
Beförderung im Personennahverkehr begehrt. Er trägt vor, die psychischen Erkrankungen, insbesondere auch in Kombination mit
orthopädischen Beeinträchtigungen, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Da der Sachverständige Dr. U. angegeben
habe, es fänden sich keine Hinweise auf Übertreibungen, müssten auch seine Angaben zur möglichen Gehstrecke als glaubhaft
angesehen werden. Er leide an einer schweren Depression und Angststörung. Zudem habe er eine schwere Drogen- und Alkoholabhängigkeit
überwunden. Stärkere Medikamente würden zwar das Gehvermögen verbessern, könnten aber aufgrund der überwundenen Drogenabhängigkeit
nicht eingenommen werden. Dies gelte auch für nicht-opiathaltige Schmerzmittel. Die fehlende körperliche Aktivität sei der
beim Kläger vorliegenden schweren Depression und den Angststörungen geschuldet. Dabei handele es sich um ein komplexes, schweres
und qualifiziertes Krankheitsbild. Es sei deswegen neben der äußeren auch von einer inneren Gehbehinderung auszugehen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. November 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. August 2016 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen der gesundheitlichen
Voraussetzungen für das gesundheitliche Merkmal „G“ festzustellen sowie das Beiblatt für unentgeltliche Personenbeförderung
auszustellen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Klagverfahren. Ergänzend legt sie gutachterliche Stellungnahmen zum
einen des Allgemeinmediziners Dr. S1 30. April 2020 (Bl. 179 der Gerichtsakte) sowie des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. H2 vom 22. Juli 2020 (Bl. 187 der Gerichtsakte) vor. Danach betrage der Gesamt-GdB 60. In der Gesamtbeurteilung ergäben sich keine Änderungen. Der Kläger sei nach eigenen
Angaben seit sechs Jahren abstinent. Von einer chronischen Drogen- oder Alkoholabhängigkeit könne keine Rede mehr sein. Die
psychische Komponente der chronischen Schmerzstörung sei aber nicht zu verkennen. Neben nicht suchtinduzierenden Analgetika
könne sicher auch eine psychotherapeutische Behandlung durchgeführt werden. Das Merkzeichen G sei weiterhin abzulehnen.
Das Gericht hat zunächst einen Befund- und Behandlungsbericht der behandelnden Ärztin L. eingeholt (Bl. 169 der Gerichtsakte). Darüber hinaus hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Ärztin für Psychiatrie,
Psychotherapie Dr. R. (Bl. 216 ff. der Gerichtsakte). In ihrem Gutachten vom 23. Juni 2021 hat die Sachverständige ausgeführt, beim Kläger liege eine gewisse verminderte Belastbarkeit
hervor, ebenso wie depressive Verstimmungszustände mit Suizidgedanken. Es liege ein Zustand nach langjährigem Drogen- und
Alkoholkonsum vor, der erfolgreich zur Abstinenz gebracht werden konnte. Es lägen auch gewisse Unsicherheiten im sozialen
Verhalten vor, Ängste und eine verminderte soziale Kompetenz. Die Belastbarkeit sei sowohl im beruflichen als auch im privaten
Bereich erheblich eingeschränkt. Es läge eine Schmerzstörung vor, die sowohl somatische als auch psychische Faktoren beinhalte
und die Lebensfähigkeit in einem gewissen Maße reduziere. Diese sei als rezidivierende depressive Störung, derzeit leichtgradig,
einzuordnen. Auszugehen sei davon, dass sowohl die Abhängigkeitserkrankung als auch die rezidivierende depressive Störung
und die Persönlichkeitsdefekte mit einem Teil-GdB von 50 umfassend beschrieben seien. Darin eingeschlossen sei auch die chronische
Schmerzstörung, da sie ebenfalls mit psychischen Faktoren einhergehe. Der Gesamt-GdB sei mit 60 einzustufen. In der unteren
und oberen Extremität fände sich kein auffälliger neurologischer Befund. Muskeldehnungsreflexe seien in allen Extremitäten
seitengleich mittel-lebhaft. Sensibilitätsstörungen lägen nicht vor. In der Beinmuskulatur seien keine Atrophien zu finden.
Gehilfen seien nicht nötig. Es zeige sich ein raumgreifendes und flüssiges Gangbild bei durchaus gutem Tempo. Der Kläger habe
den Weg von der Bushaltestelle zum Ort der Untersuchung (150-200 m) ohne Anzeichen einer Ermattung oder die Notwendigkeit einer Regeneration zurücklegen können. Eine mögliche Einschränkung
der Gehfähigkeit durch psychische Faktoren sei dabei beachtet worden.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 15. November 2021 auf die Absicht des Senates hingewiesen, die Berufung
ohne mögliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen (Bl. 283 f. der Gerichtsakte). Einwände gegen diese Vorgehensweise wurden nicht erhoben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen
Wiesen, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Nachdem der Kläger seine Berufung zulässigerweise auf die Feststellung der Voraussetzungen des gesundheitlichen Merkmals
„G“ beschränkt hat, hat der Senat lediglich hierüber zu entscheiden. Mit Bezug zur Feststellung eines höheren GdB handelt
es sich bei der Feststellung der Voraussetzungen eines gesundheitlichen Merkmals um einen abtrennbaren Streitgegenstand (z.B. BSG, Beschl. v. 16.2.2012 – B 9 SB 48/11 B, juris; BSG, Beschl. v. 12.12.1995 – 9 BVs 28/95, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18.11.2016 – L 13 SB 127/16, juris). Dies ist auch hier zu beachten. Die Beschränkung des Berufungsbegehrens folgt daraus, dass der Kläger in der Berufungsinstanz
seinen Antrag allein auf die Feststellung der Voraussetzungen des gesundheitlichen Merkmals „G“ beschränkt und allein hierzu
vorgetragen hat.
Die hinsichtlich des verbliebenen Antrags zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage in seinem Urteil vom 12. November 2019 insoweit zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten
vom 5. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten. Er hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für
die Erteilung des gesundheitlichen Merkmals „G“ und ebenso wenig einen Anspruch auf Ausstellung des Beiblattes für die unentgeltliche
bzw. kostenermäßigte Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs.
Rechtsgrundlage für die Feststellung der Voraussetzungen gesundheitlicher Merkmale ist §
152 Abs.
1 und 4
SGB IX in der zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung
von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2016 (Bundesteilhabegesetz – BTHG, BGBl. 2016 I, S. 3234). Mangels spezieller Übergangsregelungen im BTHG, welche die Fortgeltung des vorherigen Rechts über den 31. Dezember 2017
hinaus anordnen, ist zur Bestimmung des anwendbaren Rechts auf die Grundsätze intertemporalen Rechts zu rekurrieren (vgl. BSG, Urt. v. 10.12.1991 – 1/3 RK 9/90, juris; BSG, Urt. v. 4.9.2013 – B 10 EG 6/12 R, SozR 4-7837 § 2 Nr. 24; Stölting/Greiser, SGb 2015, 135, 136). Ihnen zufolge richtet sich die Beurteilung eines Sachverhalts im Falle einer ablehnenden Entscheidung der Verwaltung, wenn
ein/e Kläger/in einen zukunftsoffenen Anspruch gegenüber der Verwaltung geltend macht, nach dem Recht, welches zur Zeit der
anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat bzw. gilt. Daher ist in einem Fall wie dem hier vorliegenden –
Geltendmachung eines gesundheitlichen Merkmals für die Zukunft im Wege einer statthaften Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
(vgl. Udsching in Krasney/Udsching, Hdb. des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl. 2016, Kap. IV Rn. 91 f.) – über den gesamten Sachverhalt bis zur letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Änderungen der Sach- und Rechtslage,
die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eintreten, sind damit zu berücksichtigen (st. Rspr. des BSG, vgl. z.B. BSG, Urt. v. 12.4.2000 – B 9 SB 3/99 R, SozR 3-3870 §
3 Nr. 9; Groß in Berchtold,
SGG, 6. Aufl. 2021, §
54 Rn. 47; Stölting/Greiser, SGb 2015, 135, 136 und 139). Das Begehren des Klägers auf Feststellung der geltend gemachten Voraussetzungen für die Erteilung bestimmter gesundheitlicher
Merkmale richtet sich daher nach den zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden Rechtsvorschriften, mithin
u.a. den Vorschriften des
SGB IX ab dem 1. Januar 2018.
Gemäß § 228 Abs. 1 Satz 1
SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt
oder hilflos oder gehörlos sind, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach §
152 Abs.
5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 230 Abs. 1
SGB IX unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlags bei der Benutzung
zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Über das Vorliegen der damit ausgesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die
für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§
152 Abs.
1 und 4
SGB IX). Nach § 229 Abs. 1 Satz 1
SGB IX ist in seiner Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens
(auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten
oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß
zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert somit in §§ 228, 229
SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen
sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken (BSG, Urt. v. 11.8.2015 – B 9 SB 1/14 R, SozR 4-3250 §
69 Nr. 21; Masuch in Hauck/Noftz,
SGB IX, § 229 Rn. 37 [2018]).
Die nähere Präzisierung des Personenkreises schwerbehinderter Menschen mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr ergibt sich mangels einer spezifischen Festlegung im
SGB IX selbst aus der gemäß § 241 Abs. 5
SGB IX im Schwerbehindertenrecht entsprechend geltenden, nach § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. 2008 I, S. 2412). Nach Teil D Ziff. 1 lit. b Sätzen 2 und 3 der Anlage zu § 2 VersMedV kommt es für die Prüfung der Voraussetzungen nicht auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche
Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche
Wegstrecke in diesem Sinne gilt (zurückgehend auf BSG, Urt. v. 10.12.1987 – 9a RVs 11/87, BSGE 62, 273; s. auch Dau in Dau/Düwell/Jousssen/Luik,
SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 229 Rn. 6) eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird. Es kommt nicht darauf an, ob diese
Strecke schmerzfrei bewältigt werden kann. Insbesondere ist das individuelle Schmerzempfinden kein geeigneter Maßstab für
die Beurteilung. Maßgebend ist allein, ob die betreffende Person eine solche Strecke überhaupt zurücklegen kann (vgl. LSG Stuttgart, Urt. v. 24.3.2017 – L 8 SB 3879/16, juris). Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten Teil D Ziff. 1 lit. d, e und f VersMedV. Nach Teil D Ziff. 1 lit. d VersMedV sind diese Voraussetzungen als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren
Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (Satz 1). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben
sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung
des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (Satz 2). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an (Satz 3). Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung
der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens
mittleren Grades anzunehmen (Satz 4). Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle (Teil D Ziff. 1 lit. e VersMedV) und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung (Teil D Ziff. 1 lit. f VersMedV), die grundsätzlich erst ab einem GdB von wenigstens 70 Merkzeichenrelevanz entfalten.
Bei dem Kläger liegt keines dieser Krankheitsbilder vor. Er leidet nicht an Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder
der Lendenwirbelsäule, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Auch eine andere Behinderung an den unteren Gliedmaßen,
die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirkt, besteht nicht. Es finden sich keine orthopädischen Befunde, die es nahelegen
würden, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, eine Wegstrecke von 2000 m in etwa 30 min zurückzulegen.
Die zuletzt gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. R., deren Ausführungen das Gericht sich nach eigener Prüfung der Sach-
und Rechtslage anschließt, hat im Rahmen ihrer aktuellen und sorgfältigen Untersuchung des Klägers am 14. Mai 2021 keine entsprechenden
Befunde erhoben. In der unteren und oberen Extremität war kein auffälliger neurologischer Befund zu erheben. Muskeldehnungsreflexe
waren in allen Extremitäten seitengleich mittel-lebhaft. Sensibilitätsstörungen lagen nicht vor. In der Beinmuskulatur waren
keine Atrophien zu finden. Gehilfen sind zur Fortbewegung nicht nötig. Während der körperlichen Untersuchung des Klägers durch
die Sachverständige zeigte sich ein raumgreifendes und flüssiges Gangbild bei durchaus gutem Tempo. Ganz ähnliche gesundheitliche
Verhältnisse zeigten sich auch anlässlich der Untersuchung des Klägers durch den in erster Instanz gehörten Sachverständigen
Dr. U., wie in dessen Gutachten vom 18. Januar 2018 ausgeführt (Bl. 85 ff. der Gerichtsakte). Diese Umstände sprechen eindeutig gegen das Vorliegen von erheblichen Funktionsstörungen, welche die Bewegungsfähigkeit
des Klägers im Straßenverkehr einzuschränken geeignet wären. Die Sachverständige Dr. R. berichtete darüber hinaus, wenngleich
dem aufgrund der von der VersMedV abweichenden Maßstäbe allenfalls indiziell Bedeutung zukommt, der Kläger habe den Weg von der Bushaltestelle zum Ort der
Untersuchung (150-200 m) ohne Anzeichen einer Ermattung oder die Notwendigkeit einer Regeneration zurücklegen können. Der Vortrag des Klägers, lediglich
50 m ohne starke Schmerzen zurücklegen zu können, vermag angesichts dessen nicht zu überzeugen. Zudem hat der Kläger gegenüber
dem Gutachter Dr. U. auch deutlich längere Gehstrecken angegeben. Daraus, ob die Strecke schmerzfrei zurückgelegt werden kann,
kommt es ohnehin nicht an.
Dies deckt sich im Wesentlichen mit dem Inhalt der Befund- und Behandlungsberichte der den Kläger behandelnden Ärzt:innen,
denn dort sind gravierende und/oder dauerhafte Einschränkungen der Gehfähigkeit nicht beschrieben worden. Bei Dr. H1 zeigten
sich die Hüften im Jahr 2017 ohne Beschwerden, im Bereich der Ferse zeigte sich eine minimale Exostose, das Zurücklegen längerer
Gehstrecken solle vermieden werden (Bl. 20 f. der Gerichtsakte). Der Befund- und Behandlungsbericht des anlässlich einmaliger Behandlung im A. (Bl. 22 f. der Gerichtsakte) weist zwar schmerzbedingte Bewegungsstörungen aus, bezieht sich jedoch weder explizit auf die Gehfähigkeit noch ist in irgendeiner
Weise näher beschrieben worden, wobei Einschränkungen bestehen sollen. Er ist insoweit nicht ergiebig. Im Entlassungsbericht
des Fachkrankenhauses H. aus dem Jahr 2014 werden die Extremitäten des Klägers als frei beweglich befundet; der Kläger konnte
verschiedene Testungen (Seiltänzergang, Knie-Hacken-Versuch, Romberg-Versuch, Unterberger-Tretversuch) sicher durchführen; er wurde für in der Lage gehalten, 4 x 500 m in je 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen (Bl. 39 f., 53 der Gerichtsakte). Derartige Tests konnten auch im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. U. ohne Schwierigkeiten durchgeführt
werden.
Der auf die unteren Extremitäten bezogene Teil-GdB ist angesichts dessen folgerichtig nicht höher als 10 eingestuft worden
(Gutachten Dr. B. v. 26.7.2016, Bl. 73 f. der Verwaltungsakte der Beklagten; Gutachten Dr. S. v. 21.2.2017, Bl. 92 f. der Verwaltungsakte der
Beklagten; Gutachten Dr. H2 v. 12.9.2017, Bl. 68 f. der Gerichtsakte, und v. 22.7.2020, Bl. 187 f. der Gerichtsakte; Gutachten
Dr. S1 v. 30.4.2020, Bl. 179 f. der Gerichtsakte). Der in erster Instanz gehörte gerichtliche Sachverständige Dr. U. hat in seinem Gutachten vom 18. Januar 2018 die von ihm
befundeten degenerativen Veränderungen am rechten Kniegelenk sowie der Hüfte aufgrund fehlender feststellbarer Bewegungseinschränkungen
jeweils lediglich mit einem Teil-GdB von 10 eingeordnet. Diesen Einschätzungen schließt sich der erkennende Senat an. Feststellbar
sind von medizinischer Seite nach dem Ergebnis einer Vielzahl von Begutachtungen allenfalls leichtgradige Bewegungseinschränkungen.
Über den Lauf der Zeit betrachtet stellen sich weitgehend kontinuierliche gesundheitliche Verhältnisse dar, deren klägerischerseits
vorgetragene Verschlechterung lediglich in einem sehr geringen Ausmaß feststellbar ist, keinesfalls aber das Ausmaß eines
GdB von 50 erreicht.
Die Gehfähigkeit des Klägers ist auch durch innere Leiden nicht erheblich beeinträchtigt. Insbesondere liegt kein Herzschaden
mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 im Sinne von Teil B Ziff. 9.1.1 VersMedV vor. Hierunter fällt eine Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung sowie bei Beschwerden und
Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt. Eine solche liegt bei dem Kläger offensichtlich nicht
vor.
Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr folgen auch nicht aus hirnorganischen Anfällen oder Orientierungsstörungen
infolge von Seh- oder Hörstörungen oder geistiger Behinderung, die mit einem GdB von 70 zu bewerten wären, denn der Kläger
leidet ausweislich der vorliegenden medizinischen Unterlagen an keiner solchen Gesundheitsstörung.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 11.8.2015 – B 9 SB 1/14 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 21) sind die in Teil D Ziff. 1 VersMedV aufgeführten Regelbeispiele allerdings nicht abschließend. Anspruch auf das Merkzeichen „G“ hat vielmehr auch der schwerbehinderte
Mensch, der aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke
dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist. Dies kann etwa eine psychogene Gangstörung sein (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.1.2014 – L 13 SB 51/12, juris; Vogl in jurisPK-
SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 229 Rn. 21). Eine derartige gesundheitliche Beeinträchtigung liegt beim Kläger indes nicht vor. Insbesondere ist eine vom Kläger vorgetragene
„innere“ bzw. „seelische Gehbehinderung“ aufgrund psychischer Einschränkungen nicht nachgewiesen. Derartige Einschränkungen
hat bereits der Sachverständige Dr. U. in seinem Gutachten vom 18. Januar 2018 ausgeschlossen, als er dort mit Blick auf die
erhobenen Befunde nachvollziehbar ausgeführt hat, es fänden sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein chronisches
Schmerzsyndrom Ursache von Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr sein könne. Auch die aufgrund
des klägerischen Einwandes, der zwischen einem chronischen Schmerzsyndrom und der Gehfähigkeit des Klägers bestehende Zusammenhang
sei vom Gutachter und dem Gericht nicht hinreichend berücksichtigt worden, in der Berufungsinstanz gehörte Sachverständige
Dr. R. hat in sich schlüssig und für das Gericht nachvollziehbar einen solchen Zusammenhang im Falle des Klägers nicht bestätigen
können. Einen solchen Zusammenhang hat auch die den Kläger behandelnde Ärztin L. im Rahmen ihrer Befund- und Behandlungsberichte
nicht beschrieben. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst angegeben hat, öffentliche Verkehrsmittel wieder zu nutzen, seit er
dort keine Panikattacken mehr habe. Nicht in der VersMedV explizit benannte gesundheitliche Störungen, die zu einer relevanten Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr
im Sinne des § 229
SGB IX führen, müssen den dort genannten Gesundheitsstörungen in Gewicht und Ausmaß vergleichbar sein. Dies ist hier indes nicht
gegeben. Ein sozialer Rückzug, wie er beim Kläger u.a. im Rahmen der Begutachtung durch Dr. R. festgestellt wurde, ist nicht
mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1
SGB IX gleichzusetzen (vgl. LSG Hamburg, Urt. v. 3.7.2012 – L 3 SB 6/09, juris; Dau in Dau/Düwell/Joussen/Luik,
SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 229 Rn. 8; Vogl in jurisPK-
SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 229 Rn. 21 m.w.N.). Dies gilt auch im hier zu beurteilenden Fall.
Fehlt es an den Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens „G“, kommt die Ausstellung eines Beiblattes mit Wertmarke
für die unentgeltliche bzw. ermäßigte Beförderung im Personennahverkehr ebenfalls nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (vgl. §
160 SGG) nicht vorliegen.
Das Gericht konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 Satz 1
SGG entscheiden, weil es die Berufung einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich ansieht.
Die Beteiligten wurden hierzu gemäß §
153 Abs.
4 Satz 2
SGG vor Erlass der Entscheidung angehört.