Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung von 1.687,33 Euro als Nothelferin
für eine stationäre Krankenhausbehandlung einer Patientin in der Zeit vom 5. bis zum 8. Dezember 2014 streitig.
Die Klägerin betreibt das W. Krankenhaus G. in H., die Beklagte ist zuständiger Sozialhilfeträger. Am 5. Dezember 2014, einem
Freitag, wurde die l. Staatsangehörige L.C., geb. am xxxxx 1979 (im Folgenden: die Patientin), um 11:00 Uhr in alkoholisiertem
Zustand und mit Hämatomen im Gesicht vom Rettungsdienst der Feuerwehr H. in die Notaufnahme der Klägerin gebracht. Laut Rettungsdienstprotokoll
hatte die Patientin gegenüber dem Rettungsdienstpersonal angegeben, mehrfach blutig erbrochen zu haben. Zu den Punkten „Anschrift
des Versicherten“ und „Kostenträger“ hieß es im Protokoll „ofW“ bzw. „Selbstzahler“.
Die Klägerin nahm die Patientin stationär in ihre Abteilung für Innere Medizin auf und führte eine Gastroskopie durch, bei
der eine schwere Refluxösophagitis zu erkennen war. Es erfolgte eine Therapie mit einem hochdosierten Protonenpumpenhemmer
und eine weitere Medikamentengabe. Am 8. Dezember 2014 wurde die Patientin entlassen.
Die Patientin hatte im Krankenhaus ihre l. Identitätskarte vorgelegt und noch am 5. Dezember 2014 eine an die Beklagte adressierte
und von der Klägerin vorformulierte „Mittellosigkeitserklärung“ unterschrieben, in der sie erklärte, keinen Versicherungsschutz
zu haben und über keinerlei Vermögen zu verfügen, um die Krankenhauskosten aus eigenen Mitteln zu zahlen. Sie stelle daher
einen Antrag auf Übernahme der Kosten durch das zuständige Sozialamt.
Am 9. Dezember 2014 ging bei der Beklagten ein Fax ein, mit dem der Behandlungsfall der Patientin gemeldet und die Übernahme
der Behandlungskosten beantragt wurde. Die Klägerin gab darin an, es sei weder bekannt, wo die Patientin wohne bzw. sich für
gewöhnlich aufhalte noch wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreite. Ob eine Krankenversicherung bestehe, werde noch ermittelt.
Die Mittellosigkeitserklärung und eine ärztliche Stellungnahme zur Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit waren beigefügt.
Die Beklagte, bei der bereits im Oktober 2014 ein Behandlungsfall der Patientin durch die A. Klinik S. angemeldet worden war,
forderte von der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 verschiedene Unterlagen und Nachweise an, u.a. eine „Bestätigung,
dass in der Heimat kein Krankenversicherungsschutz besteht“ und eine Erklärung der Patientin, wo sie sich in den letzten zwei
Monaten aufgehalten und wovon sie gelebt habe. Die Klägerin übersandte daraufhin erneut die bei der Beklagten bereits eingegangenen
Antragsunterlagen.
Mit Bescheid vom 6. März 2015, der Klägerin am 12. März 2015 zugestellt, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme
für die Behandlung der Patientin ab. Sie führte zur Begründung aus, von der Klägerin sei lediglich die Identität, nicht aber
die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit der Patientin nachgewiesen worden. Diesbezügliche eigene Ermittlungen der Beklagten
seien ergebnislos geblieben.
Die Klägerin legte am 10. April 2015 Widerspruch ein und führte aus, die Patientin habe ihre Mittellosigkeit erklärt und könne
daher die Behandlungskosten nicht tragen. Eine Meldeadresse in H. liege ebenso wenig vor wie eine Versicherung in L.. Beigefügt
war eine Stellungnahme des l. Krankenversicherungsträgers vom 16. Dezember 2014 zum Fall der Patientin.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Zurückweisung des Widerspruchs an. Die
Klägerin habe ihren Mitwirkungspflichten nicht genügt, da sie die Mittellosigkeit der Patientin nicht nachgewiesen habe. Mit
Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2016, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. Dezember 2016 zugestellt, wies
die Beklagte den Widerspruch der Klägerin aus den Gründen des Anhörungsschreibens zurück.
Die Klägerin hat hiergegen am 19. Januar 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben, die sie zunächst nicht begründet hat.
Das Gericht hat die Beteiligten sodann auf den Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. März 2018 (B 8 SO 63/17 B) hingewiesen und den Erlass eines Gerichtsbescheides angekündigt. Die Klage könne keinen
Erfolg haben, weil die Aufnahme der Patientin in das klägerische Krankenhaus während der Dienstbereitschaft der Beklagten
erfolgt sei.
Die Klägerin hat daraufhin ausgeführt, sie habe einer mittellosen, nicht krankenversicherten ausländischen Person in einem
medizinischen Notfall Hilfe geleistet und dies der Beklagten angezeigt, so dass sie Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen
nach § 25 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) habe. Die vom Gericht in seinem Hinweis dargelegte Rechtsauffassung hätte zur Konsequenz, dass der Erstattungsanspruch eines
Krankenhauses umso geringer ausfiele, je eher das Krankenhaus seiner Obliegenheit zur Mitteilung des Eilfalls an den Sozialhilfeträger
nachkomme. Erfolge die Meldung an den Sozialhilfeträger pflichtgemäß bereits unmittelbar nach Aufnahme des Patienten, scheide
ein Erstattungsanspruch demnach vollständig aus. Ein solches Ergebnis sei aber mit Sinn und Zweck des § 25 SGB XII nicht vereinbar.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2019 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen
die Beklagte auf Zahlung der Kosten für die vom 5. bis zum 8. Dezember 2014 stattgefundene stationäre Krankenhausbehandlung
der Patientin. Als Anspruchsgrundlage komme allein § 25 SGB XII in Betracht. Der Tatbestand des § 25 SGB XII sei nicht erfüllt. Es habe hier kein Eilfall vorgelegen. Ein solcher erfordere das Zusammentreffen von bedarfsbezogenem und
sozialhilferechtlichem Moment. Zwar liege das bedarfsbezogene Moment vor. Es fehle vorliegend am sozialhilferechtlichen Moment.
Dieses trage dem Umstand Rechnung, dass ein Anspruch des Nothelfers nur solange bestehen könne, wie der Sozialhilfeträger
keine Kenntnis vom Leistungsfall habe und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht
entstehe. Ein Eilfall liege damit nicht vor, wenn Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibe, sondern
nur dann, wenn eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen sei. Diese Voraussetzung eines
sozialhilferechtlichen Eilfalles liege unproblematisch vor, wenn der Sozialhilfeträger wegen fehlender Dienstbereitschaft
nicht erreichbar sei, also am Wochenende, an Feiertagen, in den Abend- und Nachtstunden oder generell außerhalb der Öffnungszeiten.
Komme der Nothelfer seiner Obliegenheit, den dienstbereiten Sozialhilfeträger zu unterrichten, nach bzw. könne er dieser Obliegenheit
nachkommen, könne er keine Aufwendungen nach § 25 SGB XII verlangen. Denn der Anspruch des Nothelfers bestehe in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann, wenn der Sozialhilfeträger
keine Kenntnis vom Leistungsfall habe und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht
entstehe. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers (vgl. § 18 SGB XII) bilde insoweit die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen (unter
Hinweis auf BSG, Beschluss vom 1.3.2018 – B 8 SO 63/17 B). Es fehle deshalb schon am Tag der Aufnahme des Hilfebedürftigen in ein Krankenhaus
am sozialhilferechtlichen Moment eines Eilfalls i.S.d. § 25 Satz 1 SGB XII, wenn Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibe, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung
der erforderlichen Hilfe abzuwarten bzw. um die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe zu schaffen (unter Hinweis
auf BSG, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch LSG Hamburg, Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17). Das Grundsicherungs- und Sozialamt des Bezirksamtes
der Beklagten sei ohne Zweifel dienstbereit gewesen, als die Patientin am 5. Dezember 2014 um 11:00 Uhr aufgenommen worden
sei. Dass die Meldung durch die Klägerin ohnehin erst am 9. Dezember 2014 und damit nach Beendigung der stationären Behandlung
erfolgt sei, sei deshalb nur ergänzend und ohne dass es hier darauf ankomme angemerkt. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch
auf Vergütung jener Aufwendungen, die ihr am ersten Behandlungstag vom Zeitpunkt der Einlieferung der Patientin bis zur frühestmöglichen
Meldung der Behandlung an die Beklagte am selben Tag entstanden seien. Denn die Nothilfe ende an dem Tag, an dem der Hilfebedürftige
selbst einen Anspruch auf Krankenhilfeleistungen gegen den Sozialhilfeträger hat. Der Tag der Kenntniserlangung durch den
Träger der Sozialhilfe sei dem Sozialhilfeanspruch des Patienten und nicht dem Nothelferanspruch zuzuordnen. Vorliegend habe
die Patientin – ihre Sozialhilfebedürftigkeit vorausgesetzt – bereits ab dem 5. Dezember 2014 einen Anspruch auf Krankenhilfe
gegen die Beklagte gehabt. Da die Vergütung bei einer Abrechnung nach Fallpauschalen tagesbezogen aufzuteilen sei und Sozialhilfe
tageweise gewährt werde, so dass der kleinste Zeitraum eines Sozialhilfebezugs der Tag und nicht die Stunde sei, seien Aufwendungen
für den Tag einer Krankenhausbehandlung, an dem der Sozialhilfeträger im Sinne von § 18 SGB XII von dem Bedarfsfall Kenntnis erlangt habe bzw. erlangen könne, nicht mehr im Rahmen des Nothelferanspruchs erstattungsfähig;
für diesen Tag komme demnach allein ein Anspruch des Leistungsberechtigten in Betracht.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 8. Juli 2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 28. Juli 2019 Berufung eingelegt. Sie ist
der Auffassung, dass sie Anspruch auf die Erstattung ihrer notwendigen Aufwendungen nach § 25 SGB XII habe, weil sie einer mittellosen und nicht krankenversicherten ausländischen Patientin in einem Notfall durch ihrer Krankenbehandlung
Hilfe geleistet habe. Es könne nicht sein, dass der Erstattungsanspruch umso geringer ausfalle je eher ein Krankenhaus seiner
Obliegenheit zur Mitteilung des Eilfalls an die Beklagte nachkomme.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juli 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 6. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2016 zu verpflichten, der Klägerin die Aufwendungen
für die Notfallbehandlung der Frau L.C. vom 5. Dezember 2014 bis zum 8. Dezember 2014 in Höhe von 1.687,33 Euro zu erstatten.
Die Klägerin beantragt weiter,
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch die Einzelrichterin anstelle des Senats gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte sowie die Sitzungsniederschrift
vom 8. November 2021 ergänzend Bezug genommen.
Der Senat schließt sich vollumfänglich den Ausführungen des Sozialgerichts im Hinblick auf die Ablehnung eines Anspruchs
als Nothelfer nach § 25 SGB XII an. Der Tag der Kenntniserlangung bzw. der Möglichkeit der Kenntniserlangung durch die Beklagte ist insgesamt nicht mehr
dem Nothelferanspruch zuzuordnen. Dies folgt daraus, dass Sozialhilfe tageweise zu gewähren ist und auch das Krankenhaus als
Nothelfer nur einen Anspruch auf einen tagesbezogenen Anteil der Fallpauschale haben kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 22.6.2017 – L 9 SO 137/15; LSG Hamburg, Urteil vom 6.5.2021 – L 4 SO 46/20 ; das BSG hat mit Beschluss vom 1.3.2018 – B 8 SO 63/17 B die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, weil es
die Rechtsfrage als bereits geklärt angesehen hat).
Ein Aufwendungsersatzanspruch lässt sich auch nicht aus dem Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne
Auftrag (GoA) herleiten, weil damit vom Nothelfer in ein öffentlich-rechtlich umfassend geregeltes Kompetenz- und Zuständigkeitsgefüge
eingegriffen würde, das nur unter bestimmten Voraussetzungen Aufwendungsersatzansprüche Dritter gegen den Leistungsträger
vorsieht (BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY 2/12 R). Der § 25 SGB XII regelt abschließend die Voraussetzungen eines Kostenersatzanspruches einer Person, die anstelle des Sozialhilfeträgers Hilfeleistungen
ohne dessen Auftrag erbringt (BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 19/12 R).