Gründe
Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 15. November 2021 erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Gießen vom 9. November 2021 mit dem (sinngemäßen) Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 9. November 2021 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin die vollständigen Unterkunftskosten nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch
– Sozialhilfe – (SGB XII) seit Antragseingang bei Gericht zu gewähren,
ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Beschwerde ist zulässig. Der ursprüngliche Antrag der Antragstellerin in der Antragsschrift vom 20. September 2021 ist
zukunftsoffen gestellt worden. Es ist fernliegend, dass dieser Antrag sich ausschließlich mit dem Bescheid vom 6. August 2021
auseinandersetzen soll, weil dort lediglich eine Entscheidung über die Pensionskosten für die Monate Juni und Juli 2021 ergangen
ist und eine einstweilige Anordnung bezogen auf diesen Zeitraum von Anfang an wegen des Zeitablaufs kaum Erfolg hätte haben
können. Der Vortrag der Antragstellerin ist dahingehend zu würdigen, dass sie sich gegen die Kürzung der Pensionskosten generell
wendet und dauerhaft die Auszahlung der monatlichen Differenz von 90 € zwischen der entstandenen Miete von 630 € und der gekürzten
von 540 € begehrt. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts, der offenbar von einem Wert des Beschwerdegegenstandes von
unter 750 € (§
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz –
SGG –) ausgeht, ist insoweit nicht nachvollziehbar, weil er weder den Streitgegenstand benennt noch ein Begehren im Sinne eines
Antrags der Antragstellerin bezeichnet. Der Antrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren war – in der Konsequenz an die
Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts – auf die Zulassung der Beschwerde gerichtet, die im Falle des §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG jedoch gesetzlich nicht vorgesehen ist. In der Sache geht es der Antragstellerin jedoch um die Überprüfung der Entscheidung
des Sozialgerichts, so dass der Senat diesen Antrag aus dem Schriftsatz vom 15. November 2021 als Beschwerdeeinlegung auslegt.
Im Prozessrecht schadet eine bloß unrichtige Bezeichnung des Gemeinten nicht (Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember
2006, B 4 R 19/06 R – juris).
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint,
d.h. dass dem Antragsteller ohne eine entsprechende Regelung schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, sodass ihm das Abwarten
der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann (Anordnungsgrund) und ihm aufgrund der glaubhaft gemachten
Tatsachen bei Prüfung der Rechtslage ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die begehrte Handlung bzw. Unterlassung zusteht
(Anordnungsanspruch). Nach §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte
Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen
des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 13. Auflage 2020, §
86b Rdnrn. 16b, 16c). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sich
beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit
bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Hessisches Landessozialgericht, Beschlüsse
vom 21. Dezember 2009, L 4 KA 77/09 B ER - juris -; vom 21. März 2013, L 1 KR 32/13 B ER; vom 17. Januar 2018, L 1 KR 496/17 B ER; Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 27 und 29, 29a m.w.N.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder
unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich
abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet,
so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen solchen verzichtet
werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage
im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, hat das Gericht im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten
ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Diese Anforderungen sind sowohl für Anfechtungs- wie für
Vornahmesachen im Lichte der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) zu konkretisieren (zum Folgenden: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. August 2014, 1 BvR 1453/12 - juris -). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver
hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen.
Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich
- etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen
bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt. Übernimmt das einstweilige Rechtsschutzverfahren allerdings vollständig
die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens und droht eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung der Beteiligten,
müssen die Gerichte bei den Anforderungen an die Glaubhaftmachung zur Begründung von Leistungen zur Existenzsicherung in den
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Bedeutung des Grundrechts aus Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG Rechnung tragen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung haben sich am Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen
Rechtsschutzbegehren verfolgt wird (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Februar 2020, L 4 AY 14/19 B ER - juris
-).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben,
weil ein Anordnungsanspruch zu Gunsten der Antragstellerin nach den im einstweiligen Anordnungsverfahren anzuwendenden Maßstäben
nicht erkennbar ist.
Der Antragsgegner hat die angemessenen Unterkunftskosten mit 540 € nachvollziehbar berechnet. Nach seinem vorhandenen schlüssigen
Konzept betragen diese für den Vergleichsraum I (A-Stadt – B-Stadt) bezüglich eines Einpersonenhaushalts in einer Wohnung
420,00 € (so genannte Kaltmiete) nebst 90,00 € Betriebskosten. Für Pensionen wurde ein Betrag von 540,00 € als angemessen
ermittelt. Anhaltspunkte, dass die Berechnung des Antragsgegners rechtwidrig sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin
hat darüber hinaus explizit ausgeführt (Schriftsatz vom 18. Oktober 2021) dass sie die von dem Antragsgegner ermittelte Höhe
der angemessenen Pensionskosten nicht beanstandet.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin mit Schreiben vom 17. November 2020 darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Miete
die angemessene Höchstmiete unangemessen übersteige. Er hat die Antragstellerin aufgefordert, sich umgehend intensiv und kontinuierlich
um eine Kostensenkung zu bemühen und darauf hingewiesen, dass ohne Vorliegen eines besonderen Grundes ab dem 1. Juni 2021
Unterkunftskosten nur noch in angemessener Höhe von 540 € anerkannt werden könnten. Wie es dann erstmals durch Bescheid vom
6. August 2021 geschehen und anschließend durch die Bescheide vom 28. September 2021 (Pensionskosten für August und September
2021) und 13. Januar 2022 (Pensionskosten für die Monate Oktober – Dezember 2021) wiederholt geschehen ist, gegen die jeweils
Widerspruch eingelegt wurde, über die noch nicht entschieden worden ist, wurden die Pensionskosten nur noch in Höhe von 540
€ bewilligt. Es ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, dass die Antragstellerin Aktivitäten nach dem 17. November
2020, die Höhe der Unterkunftskosten zu reduzieren, entfaltet hat.
Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin kann sie sich nicht auf die Regelung des § 141 Abs. 3 SGB XII berufen. Denn sie bewohnt keine Wohnung im Sinne dieser Regelung, sondern ein Pensionszimmer, damit lediglich eine sonstige
Unterkunft, für die diese Sonderregelung nicht gilt. Nach § 141 Abs. 3 S. 1 SGB XII gelten die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung abweichend von §§ 35 und 42a Abs. 1 SGB XII für die Dauer von 6 Monaten als angemessen. Nach Ablauf dieses Zeitraums ist § 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum nach S. 1 nicht auf die in § 35 Abs. 2 S. 2 genannte Frist anzurechnen ist
(§ 141 Abs. 3 S. 2 SGB XII).
Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 19/18107, Seite 28, 29 – juris) regelt die Vorschrift des § 141 Abs. 3 SGB XII die Anerkennung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung bezüglich der Bewilligungszeiträume in der Zeit von 1. März 2020
bis 31. März 2022 (Fassung vom 22. November 2021, gültig ab 24. November 2021). Dabei entfällt für Wohnungen die Prüfung der
Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von 6 Monaten. Die von den Auswirkungen der Pandemie
Betroffenen sollen sich in dieser Zeit keine Sorgen um den Erhalt ihrer Wohnungen machen müssen. Während dieser 6 Monate erfolgen
keine neuen Kostensenkungsaufforderungen. Der Gesetzgeber hat aber in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich an dem Wohnungsbegriff
des § 42a Abs. 2 S. 2 SGB XII angeknüpft, indem er diese Regelung ausdrücklich hierauf bezieht und die weiteren Unterkünfte, die in § 42a SGB XII geregelt sind, explizit ausschließt („anders als für die weiteren in § 42a geregelten Unterkünfte“). Für diese „weiteren Unterkünfte“ soll die Regelung nicht gelten. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung
des Bayerischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 23. Dezember 2021, L 8 SO 186/21 B ER – juris), das insoweit für den erkennenden
Senat zutreffend ausführt (juris, Rn. 18): „Ergänzend weist er (gemeint: der Senat) darauf hin, dass § 141 Abs. 3 S. 1 SGB XII … nicht zu einem anderen Ergebnis führt. Diese Sondervorschrift erfasst Wohnungen, nicht jedoch „sonstige Unterkünfte“ im
Sinne der §§ 35 Abs. 5 S. 2, 42a Abs. 7 SGB XII (siehe die Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/18107, Seite 28), da nach dem Wortlaut nur die Angemessenheit der Aufwendungen im
Sinne von § 35 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB XII fiktiv („gelten als“) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen bestimmt wird, während bei den „sonstigen Unterkünften“ eine
besondere Obergrenze gilt … Bedenken hinsichtlich eines Gleichheitsverstoßes sieht der Senat nicht, da „sonstige Unterkünfte“
anders als Wohnungen nur einer kurzfristigen Unterbringung dienen, so dass eine Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist“.
Die Antragstellerin bewohnt lediglich eine „sonstige Unterkunft“ im Sinne des § 42a Abs. 7 SGB XII. Der Begriff der Wohnung ist in § 42a Abs. 2 S. 2 SGB XII legal definiert. Danach ist die Wohnung die Zusammenfassung mehrerer Räume, die von anderen Wohnungen oder Wohnräume baulich
getrennt sind und die in ihrer Gesamtheit alle für die Führung eines Haushalts notwendigen Einrichtungen, Ausstattungen und
Räumlichkeiten umfassen. Demgegenüber fallen Pensionszimmer unter den Begriff der sonstigen Unterkunft im Sinne von § 42a Abs. 7 SGB XII (allg. Meinung, vgl. nur Berlit, LPK-SGB XII, § 42a Rn 39, Richter in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl., § 42a Rn 26).
Aus dem vorgelegten Mietvertrag vom 1. Juli 2020 ergibt sich zwanglos, dass der Antragstellerin ein Pensionszimmer, welches
dem Begriff der sonstigen Unterkunft des § 42a Abs. 7 unterfällt, vermietet wurde. So heißt es in der Überschrift dieses Mietvertrages,
dass es um einen „vorübergehenden Gebrauch“ eines möblierten Zimmers ginge, wobei Vermieterin das Hostel D. E. ist. In § 1
des Mietvertrages ist geregelt, dass ein voll eingerichtetes Zimmer nebst Badezimmer/Toilette vermietet wird nebst Möglichkeit
der Mitnutzung einer Gemeinschaftsküche, eines Waschmaschinenraums und eines Gemeinschaft-Aufenthaltsraums. In § 2 wird ausgeführt,
dass der Mietvertrag zum vorübergehenden Gebrauch abgeschlossen wurde, da die Antragstellerin derzeit ohne Wohnung sei und
eine Zwischenlösung bis zum Finden einer neuen Wohnung benötige. Auch die übrigen Regelungen sprechen für eine sonstige Unterkunft.
So wird in erster Linie die Miete tagesgenau mit 21 € bezeichnet und in § 5 ist der Bettwäsche- und Handtuchwechsel vereinbart,
wie es für Hotels und Pensionen je nach den Umständen üblich ist, nicht jedoch bei einer Vermietung von Wohnungen. Bereits
aus dieser Anlage des Mietverhältnisses für einen begrenzten Zeitraum zur Überwindung einer Notlage der Antragstellerin wird
deutlich, dass dies nicht unter den Schutzzweck des § 141 Abs. 3 SGB XII fallen kann, so dass es im Weiteren auf den Vortrag der Antragstellerin zur Frage der Wirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung
im Falle des § 141 Abs. 3 SGB XII nicht ankommt, der Senat dies vielmehr unentschieden lassen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.